Hamburg-Altonaer Stadt- und Vorortbahn

Hamburg-Altonaer Stadt- und Vorortbahn
Empfangsgebäude des Bahnhofs Ohlsdorf
Wechselstrom-Triebzug elT1624a/b von 1924

Die Hamburg-Altonaer Stadt- und Vorortbahn war ein ab 1906 eingeführter Bahnbetrieb zur Personenbeförderung zwischen der Landgemeinde Blankenese und den Städten Altona (Elbe) bzw. Hamburg. Sie gilt als der technische und organisatorische Vorläufer der heutigen S-Bahn Hamburg.

Inhaltsverzeichnis

Projektierung

Die Errichtung dieses Bahnbetriebs beruhte auf einer 1904 getroffenen Vereinbarung zwischen den Organen der Preußisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft und des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, unter Beteiligung der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) und der später mit ihr verschmolzenen Union-Elektricitäts-Gesellschaft (UEG) sowie von Siemens & Halske, die bereits 1901 und 1902 erste Entwürfe für den elektrischen Betrieb vorgelegt hatten.

Vorgesehen war, eine vom Hamburger Stadtzentrum zum nördlicheren Stadtteil Hamburg-Ohlsdorf zu bauen und gleichzeitig dort einschließlich der schon bestehenden Linie BlankeneseAltona sowie der Hamburg-Altonaer Verbindungsbahn einen elektrischen Betrieb einzuführen [1]. Diese Strecken verliefen durchgehend zweigleisig, getrennt vom Eisenbahn-Fernverkehr und ohne niveaugleiche Kreuzungen mit dem Straßenverkehr.

Streckenführung und Bahnhöfe

Die Verbindungsbahn war von 1893 bis 1903 auf vier Gleise erweitert worden. Der daran anschließende Verlauf nach Ohlsdorf wurde nach achtjähriger Bauzeit im Sommer 1906 fertiggestellt. Sie verlief neben der Strecke der Lübeck-Büchener Eisenbahn-Gesellschaft bis Hasselbrook und weiter auf eigener Trasse zum neu entstehenden Friedhof Ohlsdorf. An der über die von Blankenese über die Verbindungsbahn bis zum Hamburger Hauptbahnhof hinaus verlängerten Streckenführung befinden sich die folgenden Bahnhöfe:

  • Berliner Tor: Der Bahnhof Berliner Tor entstand mit der Erstellung der Strecke nach Ohlsdorf 1906. Er ist heute einer der größten Umsteigepunkte im Hamburger Schnellbahnnetz, da neben der Strecke nach Ohlsdorf hier inzwischen auch die S-Bahnlinien S2 und S21 nach Hamburg-Bergedorf abzweigen und ein Übergang zu einem U-Bahnhof gleichen Namens mit den U-Bahn-Linien U 2 und U3 besteht. Der S-Bahnhof hat zwei Ebenen, wovon die untere den Zügen vom Hauptbahnhof nach Hasselbrook und Ohlsdorf dient, die obere den Zügen in Richtung Bergedorf und Aumühle.
  • Landwehr: Der Haltepunkt Landwehr wurde mit der Verlängerung nach Ohlsdorf 1906 eröffnet, er erhielt ein im neobarocken Stil gehaltenes Empfangsgebäude, das im 2. Weltkrieg beschädigt und nur teilweise wieder aufgebaut wurde. In den 1970er Jahren wurde das Gebäude endgültig abgerissen [2].
  • Hasselbrook: Der Bahnhof Hasselbrook ist der Verzweigungsbahnhof zwischen der Verbindungsbahn und der Vogelfluglinie und wurde 1907 dem Verkehr übergeben. Neben der Station für die S-Bahn verfügt er über einen Regionalbahnsteig.
  • Wandsbeker Chaussee: Der Haltepunkt wurde 1906 eröffnet und befindet sich an der gleichnamigen Straße. Seit 1962 besteht zusätzlich eine Umstiegsmöglichkeit von der und zur U-Bahn-Linie U1.
  • Friedrichsberg: Der Haltepunkt befindet sich im Ortsteil Dulsberg und wurde ebenfalls 1906 eröffnet.
  • Barmbek: Der Bahnhof Barmbeck (das c entfiel später) ist Umsteigepunkt zwischen der S-Bahn und der U-Bahn-Linie U3 der HHA. Der Vorortbahnhof wurde wie die gesamte Strecke zwischen Hauptbahnhof und Ohlsdorf am 5. Dezember 1906 eröffnet, der U-Bahnhof folgte bereits am 15. Februar 1912. 1918 erfolgte eine Erweiterung des Bahnhofs, Grund war die Ausfädelung der Walddörferbahn. Nordwestlich des Bahnhofs schließt sich für die S-Bahn eine Kehranlage, für die U-Bahn die Hauptwerkstatt an.
  • Alte Wöhr: Der Haltepunkt Alte Wöhr wurde 1931 unter dem Namen Stadtpark eröffnet. Seinen heutigen Namen erhielt er in den 1970er Jahren, um Verwechslungen mit dem damals gleichlautenden Bahnhof Stadtpark (jetzt Saarlandstraße) der HHA zu vermeiden.
  • Rübenkamp: Der Haltepunkt Rübenkamp wurde 1913 zusätzlich in die Strecke eingefügt zur Erschließung des neuen Krankenhauses in Barmbek, später auch für die Wohnviertel in Barmbek-Nord.
  • Ohlsdorf: Ohlsdorf war der Endpunkt der Stadtbahn. Seit 1914 kann hier von der und zur U-Bahn (heute U1) umgestiegen werden. 1918 endete hier auch die Alstertalbahn aus Poppenbüttel, die 1924 in den Betrieb der Stadtbahn einbezogen wurde. Der Abschnitt Ohlsdorf–Poppenbüttel war 1940 der erste mit Gleichstrom elektrifizierte Abschnitt der Hamburger S-Bahn. Unmittelbar südlich des Bahnhofs befindet sich zudem das Bw Hamburg-Ohlsdorf, in dem alle Züge der S-Bahn stationiert sind.

Elektrisches System und Stromversorgung

Erste Fahrleitung der Stadt- und Vorortbahn
Kraftwerk Leverkusenstraße

Von der AEG sowie von Siemens & Halske wurde zunächst ein Gleichstrombetrieb vorgesehen. Als aber ab 1903 ein Versuchsbetrieb auf der Zweigbahn Schöneweide–Spindlersfeld bei Berlin mit Einphasenwechselstrom-Motoren von Winter und Eichberg bzw. der AEG durchgeführt wurden, wurde beschlossen, dessen Ergebnisse abzuwarten. Nachdem sich diese Versuche erfolgreich zeigten, wurden die genannten und eine Reihe anderer Firmen Anfang 1904 beauftragt, die Strecke Blankenese-Ohlsdorf für den Betrieb mit einphasigen Wechselstrom von 25 Perioden und 6300 Volt Spannung auszurüsten [3].

Die Strecke wurde schon ab 1906 mit einer Oberleitung ausgestattet. Diese Fahrleitung war in Vielfachaufhängung mit einfacher Kette verspannt. Der 5,2 Meter über der Schienenoberkante geführte, gerillte Fahrdraht hatte einen Querschnitt von 90 mm² und war mit Hilfsdraht in Abständen von 6 Metern an dem 35 mm² starken Tragseil aus Stahldraht aufgehängt. Die Ausrüstung einschließlich Speiseleitungen für die ersten 67 km Einfachgleise kostete für den Gleiskilometer rund 26.000 Mark [3]

Die Fahrleitungen wurden an sieben Speisepunkten mit 6300 Volt Wechselstrom beschickt, teils direkt aus einpoligen Speiseleitungen, teils aus Transformatoren, die vom Kraftwerk aus mit Wechselstrom von 30.000 Volt gespeist wurden. Die Speiseleitungen werden teils direkt von dem am Nordende des Hauptbahnhofs Altona gelegenen bahneigenen Kraftwerk Leverkusenstraße, teils von einem auf dem Bahnhof Barmbek befindlichen Unterwerk beschickt. Die Kosten des Hauptkraftwerkes betrugen 3,6 Millionen Mark [3]. Es war das erste Bahnkraftwerk in Deutschland und versorgte auch die Altonaer Hafenbahn.

Erster Betrieb

In der Folge eröffnete die preußische Eisenbahndirektion Altona ab 1906 einen durchgehenden Personenverkehr mit zunächst dampflokbespannten Zügen von Blankenese über Altona bis Hamburg-Ohlsdorf.

Ab dem 1. Oktober 1907 wurden die ersten Elektrotriebzüge eingesetzt und ab dem 29. Januar 1908 die Strecke von Blankenese bis Ohlsdorf auf ihrer ganzen Länge elektrisch betrieben. Zur Bewältigung des unerwartet hohen Fahrgastaufkommens kamen aber nach wie vor noch Dampfzüge zum Einsatz.

Die Züge bestanden aus einzelnen Wagenpaaren mit 122–124 Sitzplätzen in der II. und III. Klasse. Raucherabteile waren nicht vorgesehen.

Die Zugfolge betrug um 1912 zwischen Sternschanze und Hasselbrook 2½ Minuten, auf den Außenstrecken bis zu 10 Minuten. Die Höchstgeschwindigkeit der Züge war 50 km/h, die mittlere Reisegeschwindigkeit im Dampfbetrieb war 22 km/h, im elektrischen Betrieb 30,5 km/h.

Um die Aufenthaltsdauer auf dem Kopfbahnhof Altona auf die der Durchgangsstationen – etwa 30 Sekunden – zu drücken, wurde hier an besonders verkehrsreichen Tagen das Zugpersonal – Wagenführer und Schaffner – gewechselt und dadurch eine Gesamtfahrzeit von 52 Minuten zwischen den Endbahnhöfen erzielt [3].

Fahrzeuge

Erster Wagenzug
Wechselstrom-Triebzug Prototyp der AEG von 1905
  • Die ersten Wechselstrom-Triebzüge bestanden aus zwei kurzgekuppelten jeweils dreiachsigen Abteilwagen mit der gemeinsamen Achsanordnung Bo'1+1(1A)'. Die drei Winter-Eichberg-AEG-Antriebsmotoren hatten eine Stundenleistung von je 115 PS (85 kW) und eine Zahnradübersetzung von 1:4,22 auf die einen Meter großen Triebräder [3].
  • Spätere Ausführungen hatten sie Achsfolge Bo'1+1 2' und nur zwei Motoren von je 200 PS (148 kW) im vorderen Drehgestell der Zugeinheit [3]. Diese Züge hatten die Bezeichnung Van der Zypen & Charlier und einer elektrischen Ausrüstung von SSW geliefert[4]. Das Leergewicht eines betriebsfertigen neueren Paares betrug 62 bis 63 t gegen 69 bis 71 t bei der älteren Bauart. Die unbesetzten Führerabteile sind den Fahrgästen zugänglich. Das Wagenpaar kostete rd. 106.000 Mark [3].
  • Ab 1924 und bis 1933 erfolgte jetzt in der Regie der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft die Lieferung von 57 Doppeltriebwagen der Achsfolge Bo'2'2' mit jeweils einem zweiachsigen motorisierten und zwei unmotorisierten Drehgestellen in damals moderner Stahlbauweise mit Tonnendach von den Unternehmen Wismar, WUMAG, WASSEG und BBC. Die Wagenkonstruktion mit Türen auf beiden Seiten für jedes Abteil war von den preußischen Abteilwagen abgeleitet. Sie hatten eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h und waren sämtlich im Bw Hamburg-Ohlsdorf beheimatet. Sie wurden zunächst als Altona 641 a/b ff bezeichnet, ab 1931 als elT 1589 a/b bis elT 1645 a/b.

Erweiterungen und Vorortbahn

Die Stadt- und Vorortbahn wurde 1924 um die bereits 1917 errichtete Alstertalbahn bis Poppenbüttel erweitert, so dass auch in den Gemeinden entlang der Oberalster ein elektrischer Bahnbetrieb eingeführt wurde.

Als Vorortbahn wurden die nicht elektrifizierten Strecken nach Elmshorn, nach Friedrichsruh und Harburg bezeichnet. Mit der Eingemeindung von Harburg-Wilhelmsburg kam noch die Verbindung nach Hamburg-Neugraben hinzu.

Fortführung als S-Bahn

Nach dem Vorbild von Berlin, wo ab 1924 ein ähnliches System elektrischer Stadtschnellbahnen entstand, und ab 1930 als S-Bahn bezeichnet wurde, bezeichnete die Reichsbahn ab 1934 auch ihre Hamburg-Altonaer Stadt- und Vorortbahn als S-Bahn, wobei die dampfbetriebenen und später auch mit Diesellokomotiven befahrenen Vorortstrecken nach Elmshorn, Harburg und Friedrichsruh im Volksmund als Dampf-S-Bahn bezeichnet wurden.

Einzelnachweis

  1. 100 Jahre S-Bahn Hamburg
  2. Pischek, Borchers, Heimann: Die Hamburger S-Bahn. Mit Gleichstrom durch die Hansestadt. Geramond, München 2002. Seite 34.
  3. a b c d e f g Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 6. Berlin, Wien 1914, S. 107-114.
  4. http://www.privat-bahn.de/VVM.html

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