- Alwin Seifert
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Alwin Seifert (* 31. Mai 1890 in München; † 27. Februar 1972 in Dießen am Ammersee) war ein deutscher Gartenarchitekt, Nationalsozialist und Hochschullehrer.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Seifert wurde als Sohn eines Bautechnikers geboren. Seine Mutter, die aus einer Hugenottenfamilie stammte, starb bei seiner Geburt. Nach dem Schulbesuch absolvierte er zunächst eine Maurerlehre, studierte dann ab 1909 an der Technischen Hochschule München Architektur und schloss das Studium 1913 mit dem Diplom ab. Anschließend war er kurzzeitig als Hochschulassistent tätig.
Seifert, der sich schon als Gymnasiast für Landschaft und Pflanzenwelt interessiert hatte, entwickelte sich selbst zum Landschaftsarchitekten, da es damals weder ein abgegrenztes Berufsbild noch ein Studiengang für diese Profession gab. Folgerichtig machte er sich dann auch als Garten- und Bauarchitekt selbständig. Nach dem Ersten Weltkrieg war er auch ehrenamtliches Mitglied des Bauausschusses des Bayerischen Landesvereins für Heimatschutz. Von 1932 bis 1944 war Seifert Lehrbeauftragter für Gartengestaltung und landwirtschaftliches Bauwesen. 1938 wurde er zum Professor ernannt. Er war mitverantwortlich für den „Kräutergarten“ der SS im KZ Dachau; bei der Arbeit darin starben viele Häftlinge wegen der miserablen Arbeitsbedingungen.
Der Reichslandschaftsanwalt
Seifert hatte früh Kontakt mit nationalsozialistischen Parteigrößen und er versuchte, seinen Einfluss zugunsten von Natur und Landschaft (und der eigenen Karriere) geltend zu machen. So forderte er gegenüber Rudolf Heß die Position eines „Generalinspekteurs für das deutsche Wasserwesen“ samt Forschungsinstitut zu schaffen.
1933 wurde er dem Stab des Beauftragten (später Generalinspekteurs) für den Autobahnbau Fritz Todt zugeordnet und am 31. Mai 1940 zum „Reichslandschaftsanwalt“ ernannt. Seifert, der zu einem einflussreichen Berater Todts wurde, scharte Landschaftsarchitekten, Pflanzensoziologen und Naturschützer um sich, mit denen er seine Vorstellungen versuchte umzusetzen. Insbesondere sorgte er maßgebend dafür, dass jede Oberste Bauleitung der Reichsautobahnen einen eigenen "Landschaftsanwalt" bekam, der für alle entsprechenden Maßnahmen verantwortlich war und schon bei der Absteckung der Trassen mitwirkte.
Um sein Ziel einer „landschaftsgerechten“ Autobahn zu erreichen, erteilte er dem Pflanzensoziologen Reinhold Tüxen den Auftrag, das Gelände der künftigen Reichsautobahnen pflanzensoziologisch nach Tüxens Konstrukt der potentiellen natürlichen Vegetation zu kartieren. Diese Kartierung sollte als Grundlage für eine naturgemäße deutsche Bepflanzung dienen.
Aus seinem völkischem Gedankengut leitete er auch seine Vorstellungen eines naturnahen Wasserbaues ab und wurde damit zu einem der Gründerväter der Ingenieurbiologie. Ein weiteres Feld, das Seifert beackerte, war die biologisch-dynamische Landwirtschaft, die auf den Anthroposophen Rudolf Steiner zurückgeht. Da die Anthroposophie Steiners von den Nazis ausgegrenzt und bekämpft wurde, machte Seifert seinen Einfluss auf Rudolf Heß geltend, so dass die Methoden des biologisch-dynamischen Landbaus über die Zeit des Nationalsozialismus nicht nur einen gewissen Schutz erhielten, sondern von völkisch-mystisch orientierten Parteigängern in deren Ideologie integriert wurden.
Seifert wies auch während der Zeit des Nationalsozialismus auf den Naturpropheten Gusto Gräser hin, den er in seinem Buch Das Zeitalter des Lebendigen als „Verkünder“ und „Vorläufer“ eben dieses Zeitalters darstellt.
1932 erhielt Alwin Seifert an der Fakultät für Architektur der TH München den Lehrauftrag für Garten- und Friedhofsgestaltung und wurde vier Jahre später für seinen Beitrag zum Autobahnbau von Hitler mit dem Professorentitel ausgezeichnet.
Nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Seiferts Schrift NS Ordensburg Sonthofen[1] in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[2]
Seifert wurde trotz seiner Nähe zu Parteigrößen im Entnazifizierungsverfahren als „Mitläufer“ eingestuft und wurde sofort wieder aktiv. So versuchte er, seinen großen Einfluss auf die Landschaftsarchitektur wieder mit einem Titel zu unterstreichen: statt Reichslandschaftsanwalt wollte er nun „Bundeslandschaftsanwalt“ werden. Obwohl ihm dies nicht gelang, hatte er bald auch wieder Posten, die ihm seinen Einfluss sicherten. So erhielt er den Ruf auf einen Lehrstuhl für Landschaftspflege, Landschaftsgestaltung sowie Straßen- und Wasserbau an der TH München und war von 1958 bis 1963 „Bundesleiter“ des Bund Naturschutz in Bayern, einer Vorläuferorganisation des BUND. Seifert war 1961 einer der 16 Unterzeichner der „Grünen Charta von der Mainau“, die vom Grafen Lennart Bernadotte initiiert und von Bundespräsident Lübke gleich vor Ort verkündet wurde.
Seifert beschäftigte sich seit 1930 mit Kompostieren im eigenen Garten und brachte seine Erkenntnisse hierzu seit 1945 einer anfangs begrenzten Öffentlichkeit ins Bewusstsein. Mit seinem bis heute aufgelegten Buch Gärtnern, Ackern ohne Gift verfaßte er schließlich Anfang der 1970er Jahre ein besonders in der aufkeimenden grün-ökologischen Bewegung populäres Werk über den ökologischen Landbau'.
Bauten (Auswahl)
- 1923: Gutshof Waitzacker in Weilheim
- 1929: Drei Wohnhauszeilen mit Grünanlagen an der Weßlinger Straße 1-16 und Stürzerstraße 40-52 in München
Mitgliedschaften und Ehrungen nach 1945
- Ehrenmitglied der Universität Innsbruck
- 1960: Fritz-Schumacher-Preis der Universität Hannover
- 1961: Großes Bundesverdienstkreuz
Schriften (Auswahl)
- 1938: Naturnäherer Wasserbau. Die Deutsche Wasserwirtschaft 33, Heft 12: 361–366
- 1943: Das echte Haus im Gau Tirol-Vorarlberg. Eine Untersuchung über Wesen und Herkunft des alpenländischen Flachdachhauses und die Grundsätze einer Wiedergeburt im Geiste unserer Zeit. 83 S., mit zahlr. Abb. Alpenschriften, Innsbruck (Gau-Verlag)
- 1943: Im Zeitalter des Lebendigen. Natur – Heimat – Technik. Erster Band. Müllersche Verlagshandlung, Planegg
- 1944: Die Heckenlandschaft. Potsdamer Vorträge VIII, Potsdam
- 1945/1948/1957 ?: Kompostfibel für den bairischen Bauern (Vorläufer von: Gärtnern, Ackern – ohne Gift)
- 1950: Italienische Gärten. Ein Bilderbuch. 110 S., Verlag G. Callwey, München
- 1959: Die Wiederherstellung der Landschaft im Bereich von Steinbrüchen. Natur und Landschaft 34: 40.
- 1962: Ein Leben für die Landschaft. 160 S., 49 Abb., Eugen Diederichs Verlag, Düsseldorf/Köln
- 1964: Der Kompost im Garten ohne Gifte – Fibel für kleine und große Gärtner, Bauern und Landwirte. 121 S., Wirtschaftsverlag M. Klug, München-Pasing
- 1971: Gärtnern, Ackern – ohne Gift. 209 S., mit 14 Abbildungen, Biederstein-Verlag, München
Literatur
- Joachim Radkau, Frank Uekötter (Hrsg.): Naturschutz und Nationalsozialismus. Campus, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-593-37354-8, (Geschichte des Natur- und Umweltschutzes 1).
- Reinhard Falter: Alwin Seifert (1890–1972). Die Biographie des Naturschutz im 20. Jahrhundert. In: Berichte der ANL 28, 2004, ISSN 0344-6042, S. 69–104.
- Joachim Radkau: Natur und Macht. Eine Weltgeschichte der Umwelt. Verlag C. H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-46044-5.
Einzelnachweise
- ↑ Allgäuer Druckerei u. Verl. Anst., Kempten 1937
- ↑ Buchstabe S, Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone, Liste der auszusondernden Literatur
Weblinks
- Literatur von und über Alwin Seifert im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Roger Boyes: German organic gardening guru Alwin Seifert took tips from Dachau experiments (Der deutsche Guru des organischen Gärtnerns Alwin Seifert bekam Anregungen durch Experimenten in Dachau). In: The Times, 12. September 2009
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