- Inventur
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Die Inventur (von lateinisch invenire = etwas bzw. es vorfinden) ist die Erfassung aller vorhandenen Bestände. Durch die Inventur werden Vermögenswerte und Schulden eines Unternehmens zu einem bestimmten Stichtag ermittelt und schriftlich niedergelegt. Das Ergebnis einer Inventur ist das Inventar, ein Bestandsverzeichnis, das alle Vermögensteile und Schulden nach Art, Menge und Wert aufführt.
Jeder Kaufmann ist gemäß § 240 HGB und §§ 140, 141 AO im Rahmen der ordnungsmäßigen Buchführung zur Inventur verpflichtet, und zwar wenn er ein Unternehmen gründet oder übernimmt, wenn er es schließt, sowie zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres.
Stellt die Inventur Abweichungen zwischen Soll- und Istbestand fest, führt dies zu einer Berichtigung des Sollbestandes. Inventurdifferenzen fließen voll erfolgswirksam in die Gewinn- und Verlustrechnung ein.
Inhaltsverzeichnis
Inventurverfahren
Körperliche Inventur
Die körperlichen Vermögensgegenstände werden durch Zählen, Messen oder Wiegen aufgenommen. Eine Schätzung mit anschließender Bewertung ist ebenfalls erlaubt, wenn eine exakte Aufnahme wirtschaftlich unzumutbar oder unmöglich ist (zum Beispiel Kohlevorräte auf Halde).
Buchinventur
Die Buchinventur erfasst wertmäßig alle nicht körperlichen Gegenstände und Schulden, zum Beispiel Forderungen, Verbindlichkeiten oder Bankguthaben, anhand von buchhalterischen Aufzeichnungen (Belegen) oder anderen Unterlagen.
Anlageninventur
In der Anlagenbuchhaltung ersetzt die Anlageninventur die körperliche Bestandsaufnahme für Güter des beweglichen Anlagevermögens (Kraftfahrzeuge, Maschinen, Büro- und Geschäftsausstattungen, nicht aber geringwertige Wirtschaftsgüter). Im Anlagenverzeichnis muss für jeden Gegenstand eine Anlagenkarte mit folgenden Angaben geführt werden:
- genaue Bezeichnung des Gegenstandes
- Bilanzwert am Bilanzstichtag
- Tag der Anschaffung oder Herstellung
- Höhe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten
- Nutzungsdauer
- jährliche Abschreibung
- Tag des Abgangs
Zeitpunkt der Inventur
Grundsätzlich ist die Inventur mindestens am Bilanzstichtag durchzuführen, also am 31.12. eines Kalenderjahres oder am letzten Tag des Geschäftsjahres. Da die Aufnahme der Bestände aber mit einem erheblichen zeitlichen und personellen Aufwand verbunden sein kann, sind für Güter des Umlaufvermögens sogenannte Vereinfachungsverfahren mit flexibleren Terminen zulässig.
Das Unternehmen kann frei entscheiden, zu weiteren Terminen eine Zwischeninventur durchzuführen, beispielsweise bei Änderung des Geschäftsjahres, bei Eigentumsübergang des Unternehmens oder bei jeder für die Bilanz relevanten Neugliederung der Unternehmensbereiche und schließlich auch bei Änderungen des Inventurverfahrens.
Inventursysteme
Ein Unternehmen kann frei entscheiden, für bestimmte Gegenstände die Stichtagsinventur und für andere die verlegte oder die permanente Inventur anzuwenden. Sind aber unkontrollierte Risiken zu befürchten, etwa durch Schwund oder Verderb der Waren, lässt das Einkommensteuerrecht die flexiblen Inventurverfahren nicht zu und verlangt eine zeitnahe Aufnahme der Bestände. Das gleiche gilt für besonders wertvolle Güter.
Zeitnahe Stichtagsinventur
Bei der Stichtagsinventur werden die Bestände an einem festgelegten Aufnahmetag, etwa dem Bilanzstichtag, mengenmäßig erfasst und in Inventurlisten eingetragen. Die Bestandsaufnahme muss nicht direkt am Bilanzstichtag erfolgen. Zulässig für die zeitversetzte Aufnahme ist eine Frist von zehn Tagen vor oder nach dem Stichtag. Die Zu- und Abgänge zwischen dem Aufnahmetag und dem Stichtag, auch die Bewegungen am Stichtag selbst, werden anhand von Belegen mengen- und wertmäßig fortgeschrieben beziehungsweise zurückgerechnet. Die Bewertung der Ware erfolgt zu den Anschaffungskosten, beschädigte Ware kann abgewertet werden. Die Berücksichtigung von Wertsteigerungen ist jedoch nach dem Niederstwertprinzip nicht erlaubt.
Die Stichtagsinventur bildet die Bestände so ab, wie sie am Ende des Geschäftsjahres tatsächlich sind. Sie führt jedoch zu einem großen Arbeitsanfall innerhalb weniger Tage, der oft Störungen des Betriebsablaufes zur Folge hat oder sogar eine Betriebsschließung notwendig macht. Das Risiko von Aufnahmefehlern erhöht sich.
Verlegte Inventur
Die verlegte Inventur kann in Frage kommen, wenn die Aufnahme zum Stichtag unmöglich ist (zum Beispiel bei sehr großen Beständen), oder wenn die Voraussetzungen für eine permanente Inventur fehlen.
Die körperliche Bestandsaufnahme erfolgt an einem beliebigen Tag innerhalb der letzten drei Monate vor oder der ersten zwei Monate nach dem Bilanzstichtag (§ 241 Abs. 3 Nr.1 HGB). Der am Aufnahmetag ermittelte Bestand wird nur wertmäßig (nicht mengenmäßig) auf den Stichtag fortgeschrieben oder zurückgerechnet, das Inventar trägt das Datum der tatsächlichen Aufnahme.
Wertfortschreibung Wertrückrechnung Wert am Tag der Inventur (z. B. 15. Okt.) Wert am Tag der Inventur (z. B. 28. Feb.) (+) Wert der Zugänge vom 15. Okt. bis 31. Dez. (−) Wert der Zugänge vom 1. Jan. bis 28. Feb. (−) Wert der Abgänge vom 15. Okt. bis 31. Dez. (+) Wert der Abgänge vom 1. Jan. bis 28. Feb. (=) Wert am Abschluss-Stichtag (31. Dez.) (=) Wert am Abschluss-Stichtag (31. Dez.) Permanente Inventur (permanente Bestandskontrolle)
Die permanente Inventur macht es möglich, die Bestandserfassung im Geschäftsjahr zeitlich zu verteilen. Voraussetzung dafür ist die Führung eines Lagerbuches sowie nachprüfbarer Unterlagen für alle Zu- und Abgänge. Mindestens einmal im Geschäftsjahr muss eine körperliche Inventur durchgeführt und der Sollbestand der Lagerbuchführung mit dem Istbestand verglichen werden. Im Gegensatz zur Stichtagsinventur müssen nicht alle Bestände gleichzeitig aufgenommen werden, das heißt die Aufnahmezeiten und -mengen können frei gewählt werden. Die Inventur darf sich jedoch nicht auf Stichproben oder einen repräsentativen Querschnitt beschränken. Das Ergebnis der Inventur wird unter Angabe des genauen Zeitpunkts der Aufnahme im Lagerbuch festgehalten und die Lagerbücher oder Lagerkarteien werden entsprechend berichtigt.[1]
Der Vorteil der permanenten Inventur liegt darin, dass die körperliche Bestandsaufnahme über das ganze Jahr verteilt und sinnvoll geplant werden kann, zum Beispiel wenn die Bestände am niedrigsten sind. Sie kann aber unzweckmäßig sein, wenn die Warenbewegungen für einzelne Warengruppen aus organisatorischen Gründen nicht separat ermittelt werden können. Dies ist etwa im Einzelhandel der Fall.
Stichprobeninventur
Bei der Stichprobeninventur handelt es sich um ein handelsrechtlich zulässiges Verfahren zur Inventuroptimierung, das besonders in Großunternehmen zur Anwendung kommt. In Deutschland führte Anfang der 1970er Jahre die Siemens AG als erstes Unternehmen die Stichprobeninventur ein. 1977 wurde diese Methode dann rechtlich verankert.
Voraussetzungen
- Das Lager soll mindestens 2000 Artikel umfassen.
- Ein EDV-Lagerbuchführungs-System muss eingerichtet sein.
- 5 % des Bestandes decken mindestens 40 % des Lagerwertes ab.
- Gründung einer jeweiligen Gesellschaft
Vorgehensweise
Nur die wenigen hochwertigen Artikel werden als Vollerhebung gezählt. Ein Großteil des Lagerwertes ist damit bereits erfasst. Aus dem Restbestand entnimmt man nach dem Zufallsprinzip eine Stichprobe, aus der anschließend der Gesamtbestand hochgerechnet wird.
Die gesetzlichen Anforderungen für die Stichprobeninventur sind in § 241 Abs. 1 dHGB bzw. § 192 Abs. 4 UGB geregelt: Der Aussagewert muss dem Wert einer Vollaufnahme entsprechen, und die Aufstellung des Inventars darf nur mit Hilfe von anerkannten mathematisch-statistischen Verfahren (z. B. Mittelwertschätzung) erfolgen. Vor der ersten Anwendung der Stichprobeninventur muss zudem die Genehmigung des Finanzamtes eingeholt werden. In der Schweiz und in Österreich gelten ähnliche Bestimmungen, wobei in Österreich noch zusätzliche, nationale Auflagen erfüllt werden müssen.
Siehe auch
Literatur
- Kurt Krummeich: Material- und Lagerwirtschaft. Ein Leitfaden für die Praxis und die Aus- und Weiterbildung. 3. neu bearbarbeitete Auflage. Verkehrs-Verlag Fischer, Düsseldorf 2006, ISBN 3-87841-249-5.
Einzelnachweise
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