- Jutta Fleck
-
Jutta Fleck (* 19. Oktober 1946 in Dresden; geschiedene Jutta Gallus, geborene Jutta Kessel) wurde international bekannt als „Die Frau vom Checkpoint Charlie“.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Das Geschehen um Jutta Gallus sorgte in den 1980er Jahren für internationales Aufsehen in den Medien und wurde zu einem Symbol für das Unrecht in der DDR. Nach zwölf abgelehnten Ausreiseanträgen wandte sich Gallus im Sommer 1982 an eine Fluchthilfeorganisation, die sie, ihre Töchter und ihren Lebensgefährten Günther S. im August 1982 über Rumänien und Jugoslawien in die Bundesrepublik bringen sollte. Nach dem Verlust der Papiere konnten sie in der bundesdeutschen Botschaft in Bukarest Ersatzpapiere als Familie Lindner aus Bad Oeynhausen erhalten. Nach Prüfung durch den Geheimdienst Securitate erfolgte jedoch die Festnahme. Am 1. Dezember 1982 wurden sie mit einem Interflug-Sonderflug in die DDR überstellt und sofort getrennt.
Jutta Gallus kam in Untersuchungshaft in der Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit an der Bautzner Straße in Dresden. Ihre beiden Töchter wurden für ein halbes Jahr in das Kinderheim Munzig bei Meißen gebracht, anschließend dem leiblichen Vater, einem loyalen DDR-Bürger, von dem Jutta Gallus schon seit längerem geschieden war, in Dresden übergeben. Sie gingen wieder in ihren alten Klassen zur Schule.
Beide Töchter hatten Auftritte im DDR-Fernsehen: Claudia spielte die Rolle der „Birgit“ in der Fernsehserie Geschichten übern Gartenzaun (Erstausstrahlung 5. November 1982). Weitere Folgen wurden auch nach dem Fluchtversuch gedreht. Claudia und Beate traten mit Tanzauftritten in der Fernsehshow Brückenmännchen auf.
Wegen eines „schweren Falles von Republikflucht“ wurde Jutta Gallus am 4. Januar 1983 zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, die sie im Gefängnis Hoheneck verbringen sollte. Der einzige Kontakt hier war ihrem Bruder Klaus Kessel gestattet. Sie erhielt Briefe ihrer Töchter und durfte jeder von ihnen dreimal im Monat antworten.
Noch vor dem Haftende kaufte sie die Bundesregierung auf Betreiben des DDR-Rechtsanwalts Wolfgang Vogel zusammen mit anderen Häftlingen frei. Für ihre Ausreise musste sie schriftlich auf das Erziehungsrecht an ihren beiden Töchtern verzichten. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten wurde Jutta Gallus nach Gießen überstellt.
Nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik lehnte die Regierung in Ost-Berlin eine Familienzusammenführung ab und ließ die Töchter nicht ausreisen. Jutta Gallus machte ab 1984 zuerst mit einem Hungerstreik, dann mit einem Besuch bei Papst Johannes Paul II. in Rom und schließlich in Helsinki im Mai 1985, nachdem sie sich während eines Festaktes zum 10. Jahrestag der KSZE-Konferenz an ein Geländer gekettet hatte, in einem Gespräch mit Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher auf ihre Situation aufmerksam.
Unter anderem verteilte sie Flugblätter vor dem Verkehrsbüro der DDR in Wien. Am 12. Dezember 1984 hatte sie einen Auftritt im ZDF-Magazin. Am 13. August 1986 gelang es ihr, bei einer offiziellen Gedenkveranstaltung im Reichstag vom Rednerpult aus einen Appell an Helmut Kohl und Willy Brandt zu richten.
Legendär wurde die Dresdnerin aber dadurch, dass sie, nachdem sie sich mit der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte in Verbindung gesetzt hatte, ab Oktober 1984 am Checkpoint Charlie wiederholt mehrere Tage lang auch bei widrigen Wetterbedingungen allein mit einem großen Schild, auf dem sie u. a. „Freiheit für die Kinder Beate + Claudia Gallus...!“ geschrieben hatte, demonstrierte.
1986 zerbrach die Beziehung von Jutta Gallus und ihrem Lebensgefährten, nach der Trennung konnte dieser die Zusammenführung mit seinem in der DDR lebenden Sohn erreichen.
Erst Jahre später sah Gallus ihre Töchter wieder, nachdem die inzwischen 17 und 15 Jahre alten Mädchen einen eigenen Ausreiseantrag gestellt hatten und die DDR-Führung, obwohl Minderjährigen vom Gesetz her eigene Ausreiseanträge nicht erlaubt waren, diesem stattgab. Die beiden Töchter erreichten mit der Unterstützung Wolfgang Vogels die Übertragung des Erziehungsrechtes vom leiblichen Vater auf die in der Bundesrepublik Deutschland lebende Mutter. Dieser Vorgang war in der DDR-Geschichte einmalig.[1] Am 26. August 1988 brachte Wolfgang Vogel die beiden Schwestern nach West-Berlin.
Nicht die Verhandlungen auf höchster politischer Ebene, sondern erst die Mahnwachen, Hungerstreiks und Petitionen hätten die Ausreise ihrer Töchter ermöglicht, erklärte Jutta Fleck später.
Seit September 2007 lebt Jutta Fleck in Wiesbaden. In Schulen tritt sie regelmäßig als Zeitzeugin auf.
Nachwirkung
Die Geschichte der Jutta Gallus hat die Autorin Ines Veith in dem 2006 erschienenen Buch „Jutta Gallus: Die Frau vom Checkpoint Charlie (Der verzweifelte Kampf einer Mutter um ihre Töchter)“ verewigt. Mit Veronica Ferres in der Hauptrolle produzierte die UFA-Fernsehproduktion unter der Regie von Miguel Alexandre im Jahre 2006 nach Drehbüchern von Annette Hess für die ARD den Zweiteiler Die Frau vom Checkpoint Charlie, der auf dem Buch von Ines Veith basiert. Dieser wurde, in Verbindung mit einer gleichnamigen MDR-Dokumentation (Regie: Peter Adler) über die Geschichte der Jutta Gallus, erstmals am 28. September 2007 in Arte ausgestrahlt.
Auszeichnungen
- 2007: Wilhelm-Leuschner-Medaille
- 16. November 2009: Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland
Einzelnachweise
- ↑ Peter Adler: Die Frau vom Checkpoint Charlie - Die Dokumentation, Fernsehdokumentation, 21. März 2008, 21:45 Uhr, MDR Fernsehen.
Literatur
- Ines Veith: Die Frau am Checkpoint Charlie, Verlag Droemer/Knaur, München 2006, ISBN 978-3-426-77832-6
- Horst Schneider: Gruselstory Checkpoint Charlie, Verlag Wiljo Heinen, Böklund 2008, ISBN 978-3-939828-22-8
Weblinks
- Tagesspiegel: Bericht des 'Tagesspiegel' über Jutta Gallus
- Gesellschaftliche Debatte über den leiblichen Vater des Kindes
- Berliner Morgenpost: DDR-Regime raubte ihr die Kinder
- Focus: „Operativer Vorgang Galle“
Kategorien:- Person (Dresden)
- Frau
- Geboren 1946
- Deutscher
- Deutsche Teilung
- Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande
- Träger der Wilhelm-Leuschner-Medaille
- Opfer der DDR-Diktatur
Wikimedia Foundation.