Kraftwerk Klingenberg

Kraftwerk Klingenberg
Hauptgebäude und Einfahrtsbereich des Kraftwerks Klingenberg

Das Kraftwerk Klingenberg ist ein 1925 erbautes thermisches Kraftwerk im Berliner Ortsteil Rummelsburg. Während die denkmalgeschützte Hülle des Kraftwerksgebäude weitgehend originalgetreu erhalten ist, wurden die technischen Komponenten seit den 1970er Jahren komplett ersetzt. Seitdem wird vor allem Lausitzer Braunkohle verfeuert und das Kraftwerk ist ein wichtiger Lieferant von Fernwärme für den Ostteil der Stadt. Heute gehört das Kraftwerk dem schwedischen Energiekonzern Vattenfall und wird von der Vattenfall Europe AG betrieben.

Inhaltsverzeichnis

Das historische Steinkohlekraftwerk

Standort

Für das Kraftwerk wurde ein günstiger Standort im Osten Berlins gewählt. Er liegt am Nordufer der Spree an der Köpenicker Chaussee 42–45 kurz vor der Rummelsburger Bucht in Rummelsburg. Durch den Oder-Spree-Kanal ist dieses Gebiet mit dem schlesischen Steinkohlerevier verbunden. Weiterhin liegt es direkt an der Eisenbahnlinie Berlin – ErknerFrankfurt (Oder).

Im Ersten Weltkrieg wurde auf diesem Gelände ein Aluminiumwerk eingerichtet, um auf den kriegsbedingt ansteigenden Aluminumbedarf (Flugzeuge, Luftschiffe, Ersatzmaterial für die Elektrotechnik) zu reagieren.[1] Da Deutschland massive Einschränkungen beim Rohstoffimport hinnehmen musste und das bislang bevorzugt aus Südfrankreich bezogene Bauxit nicht mehr verfügbar war, wurde nun auf den Rohstoff Ton zurückgegriffen, der aber einen nur sehr geringen Aluminiumertrag liefert. Das Aluminiumwerk wurde mit anderen Fabriken zum reichseigenen Unternehmen Vereinigte Aluminium Werke (VAW) zusammengefasst.

Zur Stromversorgung des Rummelsburger Aluminiumwerkes diente zunächst das rund einen Kilometer spreeaufwärts liegende Kraftwerk Rummelsburg auf dem Grundstück Rummelsburger Landstraße 2–12, das bereits 1907 in Betrieb ging. Dieses Kraftwerk wurde in den Jahren 1925 bis 1929 parallel zum Neubau des Kraftwerkes Klingenberg durch den Architekten und Leiter der BEWAG-Bauabteilung Hans Heinrich Müller ausgebaut. Nach Beseitigung der Kriegsschäden ging dieses Kraftwerk bereits im Sommer 1945 als erstes Kraftwerk Berlins wieder in Betrieb. Das Kraftwerk Rummelsburg wurde 1966 abgeschaltet, die Maschinenhalle, einige Nebengebäude und ein Teil der Maschinenanlagen und Ausrüstung sind aber noch vorhanden und werden noch heute für Filmaufnahmen und als Veranstaltungsort genutzt.

Um den steigenden Strombedarf des Aluminiumwerks zu decken wurde ab 1917 die mit 132 Kilometern erste längere 110 kV Doppel-Hochspannungsfreileitung Deutschlands vom Kraftwerk Zschornewitz im mitteldeutschen Braunkohlerevier bei Bitterfeld nach Berlin-Rummelsburg gebaut und erst kurz vor Kriegsende im Juni 1918 in Betrieb genommen. Diese Freileitung erreichte den Berliner Raum westlich von Lichtenrade im Bereich des Industriegebietes Marienfelde, damit konnten auch für die Rüstungsproduktion wichtige Unternehmen wie das Daimler-Werk und das Fritz-Werner-Werk angeschlossen werden. Die Freileitung knickte nun nach Ostnordost ab und führte entlang des noch heute vorhandenen Hochspannungsweges nördlich des Buckower Dorfkerns, lief südlich am Neuköllner Krankenhaus vorbei, kreuzte den Teltowkanal und lief durch die Königsheide zunächst zum Kraftwerk Rummelsburg und von dort weiter bis zum Aluminiumwerk Rummelsburg. Damit war Berlin erstmals mit einem außerhalb der Stadt liegenden Kraftwerk verbunden. Die Anbindung an die Hochspannungsfreileitung begünstigte die spätere Nutzung des Standortes durch ein weiteres Kraftwerk. Nach dem Ersten Weltkrieg ging die Aluminiumnachfrage durch die Auflagen der alliierten Siegermächte (Verbot des Baues von Flugzeugen und Luftschiffen) drastisch zurück. Das sehr unwirtschaftlich arbeitende Rummelsburger Aluminiumwerk wurde mit Kriegsende geschlossen. Sowohl der Standort als auch die Hochspannungsfreileitung konnten nun für zivile Zwecke genutzt werden.

Kraftwerksbau

Am 9. Juli 1925 schlossen die Berliner Städtische Elektrizitätswerke AG (BEWAG) mit der Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) einen Vertrag über den schlüsselfertigen Bau eines Steinkohlekraftwerks mit 270 MW elektrischer Leistung in Rummelsburg. Zehn Jahre zuvor hatte der Magistrat von Berlin die BEWAG, die damals noch Berliner Elektricitäts-Werke (BEW) hieß, von AEG übernommen.

Das technische Konzept des Kraftwerks erstellte der Pionier des modernen Kraftwerkbaues Georg Klingenberg, nach dem das Kraftwerk benannt ist. Architekten waren Georgs Bruder Walter Klingenberg und Werner Issel, die einen eindrucksvollen Industriekomplex in expressionistischer Architektur schufen. Bei Eröffnung war das mit Kohlestaub betriebene Kraftwerk das größte und modernste in Europa. Einmalig war auch die Regeneration der Speisewasservorwärmung.

Der erste Spatenstich erfolgte am 15. September 1925. Der Bau wurde unter primitivsten Sicherheitsbedingungen ausgeführt, sodass sich während der Bauarbeiten zahlreiche schwere und auch tödliche Unfälle ereigneten. Trotz Verzögerungen aufgrund von Streiks wurde das Kraftwerk nach weniger als zwei Jahren Bauzeit am 30. Juli 1927 fertig gestellt. Schon am 19. Dezember 1926 ging die erste Ausbaustufe des Kraftwerks mit 30 MW erstmalig ans Netz, um zur Deckung der Winterspitze 1926/1927 beizutragen.

Kraftwerk Klingenberg 1951

Die installierte Maschinenleistung betrug 270 MW, wobei eine Verdoppelung der Kraftwerkleistung bereits eingeplant wurde. Die Anlage wurde von drei Dampfturbinengruppen von je 90 MW betrieben, aufgeteilt in je eine Hauptturbine zu 80 MW und eine Vorwärmturbine zu 10 MW. Die Kesselanlage bestand aus 16 Heizkesseln mit jeweils einer Dauer-Höchstleistung von rund 18 MW. Sie erzeugten Frischdampf von 35 Atmosphären und 410 °C. Die Kohlenmahlanlage umfasste vier Gruppen mit jeweils 24 Tonnen Steinkohle pro Stunde Mahlleistung. Das Rohkohlenlager konnte bis zu 220.000 Tonnen aufnehmen, zwei fahrbare Förderbrücken besaßen eine Leistung von je 140 t/Stunde.

Gebäude

Die Brücke mit den übrigen Originalgebäuden des Kraftwerkkomplexes im Hintergrund Mitte und rechts

Die ursprüngliche Kraftwerksanlage bestand aus mehreren Verwaltungsgebäuden, dem Elektrizitätswerk, dem Heizwerk mit acht gemauerten Schornsteinen von je 70 Metern Höhe, Kohlebunkern, Mahlwerken, einem eigenen Stichkanal als Abzweig von der Spree mit Hafen, einer darüber führenden Straßenbrücke (Klingenbergbrücke) und einer gestalteten Umfassungsmauer. Alle an der Straße befindlichen Gebäude samt Brücke und Umfassungsmauer sind mit dunklen Klinkern in einfacher Industriearchitektur ausgeführt und stehen unter Denkmalschutz.

Ursprünglich gab es in unmittelbarer Nähe des Kraftwerkes ab 1927 ein großes Freibad, das Städtische Flußbad Lichtenberg,[2] in der das Badewasser mit dem warmen Kühlwasser des Kraftwerkes beheizt wurde. Das Badewasser soll Temperaturen zwischen 30 bis 35 °C erreicht haben. Die Anlage umfasste 26.000 m² Strandfläche, große Brauseanlagen, vier Badebecken: Warmbecken 50 × 25 m, Schulbecken 50 × 25 m, Sportbecken 100 × 25 m, Planschbecken 1400 m². Das Bad stellte seinerzeit die modernste Freiluftbadeanlage im Herzen der Großstadt Berlin dar.

Zweiter Weltkrieg

Zwischen 1942 und 1945 arbeiteten auf dem Gelände des Kraftwerkes zeitweise bis zu 108 Ausländer in Zwangsarbeiterlagern. Ein entsprechendes Barackenlager wurde 1943 auf dem Betriebsgelände der Berliner Kraft- und Licht in Betrieb genommen.[3]

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges schien das Schicksal des Kraftwerkes besiegelt, die SS plante eine Sprengung, die allerdings in letzter Minute vereitelt werden konnte.

1945 wurden große Teile der technischen Anlagen demontiert, sodass die Leistung auf 90 MW reduziert wurde. Fünf Jahre später wurden die demontierten Anlagenteile wieder installiert.

Das heutige Braunkohlekraftwerk

Die 1965 und 1974 vorgenommenen Ergänzungsbauten und Umbauarbeiten führten zum einen zur Modernisierung der technischen Ausstattung und zum Ersatz der alten Schornsteine durch zwei neue aus Stahlbeton. Diese haben nun eine Höhe von 146 und 169 Meter und sind mit Elektrofiltern ausgestattet. Zum anderen kamen als Neubauten eine Betriebspoliklinik und eine Berufsschule hinzu. Im Jahr 1987 wurde das Heizkraftwerk umgerüstet. Neben Braunkohle aus den – ebenfalls von der Energieversorgung betriebenen – Tagebauen um Cottbus für die Grundlast wird derzeit Erdgas für die Spitzenlast verwendet.[4]

Zukunft des Kraftwerksstandorts

Steinkohlekraftwerk

Kraftwerk Klingenberg 2005

Ursprünglich wollte der jetzige Eigentümer Vattenfall anstelle des alten Kraftwerks ein neues Steinkohlekraftwerk bauen. Wegen des hohen CO2-Ausstoßes waren diese Pläne von Anfang an in Berlin sehr umstritten. Auch der dafür notwendige Neubau eines Kühlturms mit bis zu 140 Metern Höhe und mit immensem Durchmesser stieß wegen der erheblichen optischen Folgen für das gesamte Umfeld auf Proteste der Anwohner.

Gas- und Biomassekraftwerke

Das Kraftwerkskonzept von Vattenfall und dem Senat von Berlin für den Standort sieht die Errichtung von zwei kleinen Biomasse-Kraftwerken mit je 20 MW elektrischer Leistung vor sowie den Bau eines größeren Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk vor. Die Biomassekraftwerke sollen die Wärmegrundlast decken und von der Einspeisevergütung im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetz profitieren. Die Grundsteinlegung ist für 2013 geplant und der Bauabschluss im Jahr 2016, das gegenwärtige Kohlekraftwerk wird bei Erreichen der vollen Leistung dann stillgelegt.[5]

Für dieses Konzept haben sich sowohl Befürworter als auch Gegner in dem Kiez gefunden. Die Gegner kritisieren, dass zum Betreiben der Biomasse-Kraftwerke weder der Rohstoffbedarf noch die nachhaltige Produktion gesichert seien und dass eine überdimensionierte Anlage entstehen würde. Der notwendige etwa 60 Meter hohe Kühlturm würde zudem auch das Stadtbild stören. Ursprünglich hatte Vattenfall erklärt, dass die rund 700.000 Tonnen Hackschnitzel und Rundholz überwiegend aus Anbauflächen des Brandenburger Umlands kommen werden. Ende 2010 erklärte der Konzern jedoch, dass ein Großteil der Biomasse aus einem Kooperationsprojekt mit der Firma [Buchanan,_Liberia|Buchanan] aus Liberia stammen soll. [6]

Die Verantwortlichen sicherten in einer öffentlichen Bürgerinformation zu, dass sowohl über den Kühlturm als auch über eventuelle Lärmbelästigungen innerhalb des Bebauungsplanverfahrens noch weiter nachgedacht wird.[5]

Siehe auch

Literatur

  • M. Rehmer: Das Großkraftwerk Klingenberg. Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 71. Jahrgang, Heft 53 (31. Dezember 1927), S. 1829–1830.
  • R. Tröger: Die Richtlinien für den Entwurf der Anlage. Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 71. Jahrgang, Heft 53 (31. Dezember 1927), S. 1831–1834, Tafeln 7 und 8.
  • R. Laube: Die Bauanlagen des Großkraftwerkes Klingenberg. Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 71. Jahrgang, Heft 53 (31. Dezember 1927), S. 1841–1854, Textblatt 33.
  • Friedrich Münzinger: Die Kesselanlage des Großkraftwerkes Klingenberg. Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 71. Jahrgang, Heft 53 (31. Dezember 1927), S. 1855–1868, Tafel 9, Textblatt 34.
  • E. A. Kraft: Die Turbinenanlagen im Großkraftwerk Klingenberg. Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 71. Jahrgang, Heft 53 (31. Dezember 1927), S. 1869–1876, Tafel 10, Textblatt 35 und 36.
  • Heinrich Denecke: Die Hilfsmaschinen des Großkraftwerkes Klingenberg. Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 71. Jahrgang, Heft 53 (31. Dezember 1927), S. 1877–1887.
  • Pohl: Die Stromerzeuger des Großkraftwerkes Klingenberg. Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 71. Jahrgang, Heft 53 (31. Dezember 1927), S. 1888–1890.
  • H. Probst: Der elektrische Teil des Großkraftwerkes Klingenberg. Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 71. Jahrgang, Heft 53 (31. Dezember 1927), S. 1891–1901, Textblatt 37 und 38.
  • R. Tröger: Wirtschaftlichkeit des Großkraftwerkes Klingenberg. Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 71. Jahrgang, Heft 53 (31. Dezember 1927), S. 1902–1910.
  • Verzeichnis der Bau- und Lieferfirmen. Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 71. Jahrgang, Heft 53 (31. Dezember 1927), S. 1910–1912.
  • W. E. Wellmann: Abnahmeversuche an einer 80.000 kW-Turbodynamo des Großkraftwerkes Klingenberg. Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 72. Jahrgang, Heft 31 (4. August 1928), S. 1077–1081.
  • Gerhard Flügge: Klingenberg. In: Berliner Zeitung. ohne Jahr (um 1975).

Weblinks

 Commons: Kraftwerk Klingenberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Aluminium. In: Otto Lueger, Moritz Fünfstück (Hrsg.): Lexikon der gesamten Technik. 2. Ergänzungsband (= Band 10), Stuttgart 1920, S. 32. (online auf www.zeno.org, abgerufen am 26. Februar 2011)
  2. Städtisches Flussbad Lichtenberg auf hafenundhof.com
  3. Informationen über Zwangsarbeiterlager im Bezirk Lichtenberg 1939 bis 1945 (PDF-Datei)
  4. Informationen von Vattenfall zum Betrieb des HKW Klingenberg (PDF-Datei, Offline Stand 2. August 2011)
  5. a b Bei den Sorgen der Bewohner. Der regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) besuchte das Kraftwerk Klingenberg. In: Berliner Woche vom 9. Juni 2010, Seite 3 (Lokales)
  6. Energiekonzern Vattenfall kauft Holz aus Liberia, Berliner Morgenpost, 15. Oktober 2010
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