Lorenz Jaeger

Lorenz Jaeger
Lorenz Kardinal Jaeger (2. von links) beim 7. deutschen Katholikentag 1954 in Fulda
Wappen Lorenz Kardinal Jaeger

Lorenz Kardinal Jaeger (* 23. September 1892 in Halle (Saale); † 1. April 1975 in Paderborn) war Erzbischof von Paderborn und bedeutender Ökumeniker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit und Jugend prägten den aus einfachen Verhältnissen einer gemischtkonfessionellen Familie der mitteldeutschen Diaspora stammenden Lorenz Jaeger nachhaltig. Bereits im Elternhaus erlebte er also das Leid der Trennung wie die Möglichkeit eines ökumenischen Miteinanders. Nach dem frühen Tod seines katholischen Vaters, eines Eisendrehers, zog die evangelische Mutter mit den Kindern in das westfälische Olpe. Nach dem Tod des Vaters konnte seine Familie das Schulgeld nicht mehr aufbringen. Deswegen wurde ihm 1907, von den Franziskanerinnen von der ewigen Anbetung aus Olpe, ein Platz im Waisenhaus angeboten und so dem begabten Jungen ermöglicht, sein Abitur zu machen. Nach seiner Gymnasialzeit studierte Lorenz Jaeger Katholische Theologie und Philosophie in Paderborn und München. Er nahm auch als Kompanieführer am Ersten Weltkrieg teil.[1] In Paderborn wurde er Mitglied des Katholischen Studentenvereins Teutoburg im KV. Im Jahre 1922 empfing er das Sakrament der Priesterweihe und war anschließend vor allem im Schuldienst als Religionslehrer tätig. 1929 wurde er Mitglied des Vereins für das Volkstum im Ausland, der 1933 in Volksbund für das Deutschtum im Ausland umbenannt wurde.[1]

Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten wirkte er ab 1933 als Studienrat am Dortmunder Hindenburg-Gymnasium. 1934 trat er der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) bei, da es Priestern nach dem 1933 abgeschlossenen Reichskonkordat untersagt war, in eine Partei einzutreten.[1]

Während des Zweiten Weltkriegs wirkte er zunächst als Divisionspfarrer, ehe er im Jahre 1941 zum Erzbischof von Paderborn ernannt wurde.

Im Fastenhirtenbrief von 1942 verkündete er mit Bezug auf Russland:

„Ist jenes arme unglückliche Land nicht der Tummelplatz von Menschen, die durch ihre Gottfeindlichkeit und durch ihren Christenhaß fast zu Tieren entartet sind? Erleben unsere Soldaten dort nicht ein Elend und ein Unglück sondergleichen? Und warum? Weil man die Ordnung des menschlichen Lebens dort nicht auf Christus, sondern auf Judas aufgebaut hat.“[2] Insbesondere diese Äußerung wurde Jaeger als anbiedernde, die Terminologie der Nazis übernehmende Rhetorik vorgeworfen.[3][4] Übersehen wurde hierbei allerdings, dass sich Äußerungen dieser Art eher aus einem damals im Klerus verbreiteten Antikommunismus, denn aus einer Befürwortung des Nationalsozialismus erklären lassen.[5] Tatsächlich übernahm Jaeger damit Ideen und Sprache von Musterpredigten der Militärseelsorge bzw. der Hirtenworte des Militärbischofs Franz Justus Rarkowksi.[6]

Jaeger zeigte sich schon früh an Fragen der Ökumene interessiert und regte innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz zahlreiche Aktivitäten an, die den ökumenischen Dialog fördern sollten, unter anderem die Gründung eines „Ökumenischen Seminars“. Noch zu Kriegszeiten erarbeitete er gemeinsam mit Karl Rahner und Romano Guardini Konzepte, um den ökumenischen Dialog und die Aussöhnung der Christen voranzubringen.

Gemeinsam mit Wilhelm Stählin leitete er nach dem Krieg einen Arbeitskreis katholischer und evangelischer Theologen, den sogenannten „Jaeger-Stählin-Kreis“. Diese Arbeitsgemeinschaft besteht, wenn auch unter anderem Namen, bis heute fort. 1952 wurde er Mitglied im wissenschaftlichen katholischen Studentenverein Unitas-Hathumar Paderborn. Im Jahre 1957 gründete Jäger das Johann-Adam-Möhler-Institut für Konfessions- und Diasporakunde, das heute eine international renommierte Einrichtung zur Behandlung ökumenischer Fragen innerhalb der katholischen Kirche ist.[7]

Grab von Lorenz Kardinal Jaeger in der Krypta des Paderborner Doms

Kurze Zeit später war er maßgeblich an der Einrichtung des Sekretariats für die Förderung der Einheit der Christen („Einheitssekretariat“) beteiligt. Im Verlauf des zweiten Vatikanischen Konzils leistete Jaeger durch die beharrliche Einbringung ökumenischer Perspektiven einen wichtigen Beitrag. Er wurde am 15. Januar 1965 als Kardinalpriester mit der Titelkirche San Leone I. in das Kardinalskollegium aufgenommen.

Kardinal Jaeger wurde Ehrenphilister der Katholischen Studentenvereine Germania-Münster und Frankonia-Straßburg zu Frankfurt im KV und Ehrenmitglied der K.D.St.V. Sugambria (Jena) zu Göttingen und der K.D.St.V. Guestfalo-Silesia zu Paderborn (beide CV). Von 1950 bis 1965 war er Großprior der deutschen Statthalterei des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem.[1]

Das Pfarrzentrum der katholischen Kirchengemeinde St. Martinus in Olpe wurde zu Ehren des Kardinals „Lorenz-Jaeger-Haus“ genannt.

Lorenz Jaeger wurde am 1. Januar 1956 das Ehrenbürgerrecht der Stadt Paderborn verliehen.

Werke (Auswahl)

  • Leben und Frieden, Paderborn 1956
  • Das ökumenische Konzil, die Kirche und die Christenheit, Paderborn 1960.
  • Einheit und Gemeinschaft. Stellungnahmen zu Fragen der christlichen Einheit (= Konfessionskundliche und kontroverstheologische Studien, Bd. 31), Paderborn 1972.

Trivia

In Paderborn, Arnsberg, Marsberg, Wenden (Sauerland) und Werl sind Straßen nach Lorenz Kardinal Jaeger benannt.

Literatur (Auswahl)

  • Josef Johannes Link, Josef Albert Slominski: Kardinal Jaeger, Bonifacius-Druckerei Paderborn 1966, ISBN B0000BSDUX
  • Paul W. Scheele: Paderbornensis Ecclesia – Beiträge zur Geschichte des Erzbistums Paderborn. Festschrift für Lorenz Kardinal Jaeger zum 80. Geburtstag am 23. September 1972. - 34 Aufsätze. Schöningh Verlag, 1972, ISBN 350677624X
  • Heribert Gruß: Erzbischof Lorenz Jaeger als Kirchenführer im Dritten Reich. Tatsachen – Dokumente – Entwicklungen – Kontext – Probleme, Bonifacius-Druckerei, Paderborn 1995, ISBN 3870888148
  • Wolfgang Stüken: Hirten unter Hitler. Die Rolle der Paderborner Erzbischöfe Caspar Klein und Lorenz Jaeger in der NS-Zeit, Klartext Verlag, Essen 1999, ISBN 3884747487

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 280.
  2. Zitat, mit Ausnahme des zweiten Satzes, auch bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Fischer Taschenbuch 2005, S. 280 belegt.
  3. Günter Lewy: Die katholische Kirche und das dritte Reich. Piper, München 1965
  4. Der Spiegel, 1975, 172
  5. Dietmar Klenke: Schwarz – Münster – Paderborn ein antikatholisches Klischeebild. Waxmann, Münster/New York/München/Berlin 2008, S. 146 f.
  6. Matthias Pape: Erzbischof Lorenz Jaeger von Paderborn im Kampf gegen den antichristlichen Bolschewismus. In: Menschen, Ideen, Ereignisse in der Mitte Europas. Festschrift für Rudolf Lill zum 65. Geburtstag. Konstanz 1999, S. 145–169
  7. Der Spiegel, 51/2005, S. 62,63


Vorgänger Amt Nachfolger
Caspar Klein Erzbischof von Paderborn
1941–1973
Johannes Joachim Kardinal Degenhardt

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