Ludwig Salvator von Österreich-Toskana

Ludwig Salvator von Österreich-Toskana
Erzherzog Ludwig Salvator von Österreich-Toskana (um 1875)
Ludwig Salvator

Ludwig Salvator (* 4. August 1847 in Florenz; † 12. Oktober 1915 in Brandeis, Böhmen) war Erzherzog von Österreich und Prinz von Toskana. Er ist heute vor allem durch seine naturwissenschaftlichen und landeskundlichen Studien des Mittelmeerraums bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Bild aus Son Marroig

Ludwig Salvator war der zweitjüngste Sohn des regierenden Großherzogs der Toskana, Leopold II., und seiner Gemahlin Maria Antonia von Neapel-Sizilien. Als Spross des toskanischen Zweiges des Hauses Habsburg-Lothringen genoss er eine liberale Erziehung. Statt mit höfischer Etikette beschäftigte sich der junge Erzherzog lieber mit dem Studium der Natur und mehrerer Sprachen sowie mit seinem Schimpansen „Gorilla“. 1859 musste die zuletzt unbeliebt gewordene großherzogliche Familie aufgrund des Risorgimento und der österreichischen Niederlage bei Solferino Florenz verlassen - das Großherzogtum Toskana wurde 1860 von Sardinien-Piemont annektiert. Ludwig Salvator lebte nun mit seinen Eltern auf Schloss Brandeis bei Prag. Bald erkannte er, dass er nicht zu einer Beamtenlaufbahn oder Militärkarriere berufen war sondern zum Forschungsreisenden. Im Spätherbst des Jahres 1876 erwarb er in Zindis bei Muggia (Triest) ein Landhaus mit den dazugehörigen Ländereien, das bis zum Jahre 1914, als er im Zuge der kriegerischen Ereignisse auf Anraten seines Cousins, des Kaisers Franz Joseph I., Zindis verließ, zu seinem ständigen Sommerwohnsitz werden sollte.

Als im Jahr 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, musste Ludwig Salvator auf kaiserlichen Befehl auf das Schloss Brandeis bei Prag zurückkehren. Während des Krieges gab der bereits sterbenskranke Erzherzog - er litt an Elephantiasis - sein letztes Werk „Zärtlichkeitsausdrücke und Koseworte in der friulanischen Sprache“ heraus („Magari un pagnut in dìe vuarê-si ben, benedete!“ - „Ein Stück Brot täglich ist auch genug, wenn man nur einander liebt, mein Schatz!“).

Am 12. Oktober 1915 starb Ludwig Salvator auf Schloss Brandeis. Anstatt auf seinem Landgut Miramar, „wo die Sonne mit ihrem goldenen Licht seinen Grabhügel überflutet“ hätte, ruht der „Diogenes aus fürstlichem Geschlecht“, wie der spanische Dichter Unamuno ihn einmal genannt hatte, nun in einer Nische der Kapuzinergruft in Wien.

Seereisen

Ludwig Salvators Yacht Nixe II

Zahlreiche Reisen in seiner Jugend hatten in Ludwig Salvator die Sehnsucht nach dem Meer und südlichen Ländern geweckt. Also „beurlaubte“ ihn der Kaiser, und 1867 begab sich Ludwig erstmals unter dem Pseudonym „Ludwig Graf Neudorf“ zu naturwissenschaftlichen Studien auf die Reise zu den Balearen. Die Hauptinsel Mallorca und ihre Bewohner beeindruckten ihn so sehr, dass er drei Jahre später auf die Insel übersiedelte. Als Besitzer des „Kapitänspatentes der langen Fahrt“ erwarb er ein Schiff ("Nixe"), das er als sein eigentliches Zuhause nutzte. „Der Wandertrieb ist dem Menschen angeboren. Nur die so genannte Zivilisation, die vielen Pflichten, die sich der Mensch auferlegt, brachten ihn zum sesshaften Leben und auf keine Weise kann man diesem natürlichen Instinkt so nachgehen, wie mit Hilfe der Jacht. Man kann die eigene Arbeit, sei sie literarischer, sei sie künstlerischer, sei sie wissenschaftlicher Art, an Bord haben, mit allen hierzu erforderlichen Hilfsmitteln sich derselben tätigst widmen und dabei doch von Zeit zu Zeit das Auge mit neuen Bildern ergötzen, ich möchte sagen zugleich auch den Geist damit erfrischen. Durch neue Spaziergänge, durch neue Ausfahrten wird ein Mittel zum Ausruhen während der Arbeit geschaffen, was man bei einem festen Wohnsitz vergeblich suchen würde.“

Mit der "Nixe" bereiste Ludwig Salvator jahrzehntelang das Mittelmeer, meist in Begleitung von etwa 20 Personen, sowie Hunden, Katzen, Vögeln, Affen und allerlei anderem Getier, sodass Zeitgenossen das Schiff spöttisch als „Arche Noah“ bezeichneten. Die bunt zusammengewürfelte Reisegesellschaft des Erzherzogs erregte in den Häfen stets großes Aufsehen. Neben der Schifffahrt galt sein besonderes Interesse der wissenschaftlichen Erforschung unbeachteter Inseln und Küstenstriche. Dazu hatte er einen etwa 100 Seiten umfassenden Fragebogen mit der Bezeichnung „Tabulae Ludovicinae“ entworfen, den er bei der Ankunft im jeweiligen Zielgebiet gebildeten ortsansässigen Personen, etwa dem Bürgermeister, Arzt, Lehrer, Richter und Pfarrer, übergab, mit der Bitte, möglichst viele und genaue Daten über ihre Arbeits- und Wissensgebiete zu sammeln, die er danach gemeinsam mit seinen Mitarbeitern auswertete. Ludwig Salvator begab sich in Begleitung seines mallorquinischen Sekretärs Don Antoni Vives und ortskundiger Führer oft auf ausgedehnte Wanderungen, wobei er die Landschaft, Flora, Fauna, Bevölkerung und Kultur seiner Aufenthaltsorte in allen Details beschrieb. Mit dabei hatte er stets ein kleines Tuschefässchen in der Form eines Globus, Feder und Papier. So entstand eine Fülle von Zeichnungen, die seine Beschreibungen ergänzten. Aus diesen Daten stellte Ludwig Salvator umfangreiche Manuskripte zusammen, die er auf eigene Kosten beim Prager Verleger Mercy in Form aufwändig gestalteter Bücher drucken ließ. Meist nur in einer Auflage von 500 Stück gefertigt, verschenkte der Erzherzog diese bibliophilen Raritäten an Freunde, Mitarbeiter und sonstige an seiner Arbeit interessierte Personen und Institutionen. Durch den bekannten Reiseverleger Leo Woerl (1843-1918), der auch Ludwig Salvators erste Biographie verfasste, gelangten einige der Arbeiten des Prinzen in den Buchhandel. Ludwigs wissenschaftliche Werke fanden rasch internationale Anerkennung, er bekam Diplome und Ehrenmitgliedschaften diverser Akademien und Institutionen. Seinem engen Freund Jules Verne diente er als Vorlage für den Helden des Romans „Mathias Sandorf“.

Forscher und Chronist des Mittelmeeres

Ludwig Salvator war es ein großes Anliegen, das Interesse der Öffentlichkeit für Landschaften zu wecken, die, wie er fand, zu Unrecht wenig bekannt waren und kaum bereist wurden. Seine Aufmerksamkeit galt weniger den klassischen Kulturzentren, sondern kleinen, unentdeckten Regionen, etwa den Inseln Paxos und Andipaxos, Ithaka, Lefkada und Zakynthos im Ionischen Meer sowie den Liparischen Inseln im Norden Siziliens, den kleinen Inseln Giglio, Ustica und Alborán und insbesondere den damals weitgehend unbekannten balearischen Inseln Mallorca, Menorca, Eivissa (Ibiza) und Formentera. Im Jahr 1869 erschien der erste, Kaiser Franz Joseph gewidmete Band seines aus sieben Einzelbänden in neun Folianten bestehenden, etwa 6000 Seiten umfassenden Monumentalwerkes Die Balearen. In Wort und Bild geschildert, für deren erste beiden Bände er auf der Pariser Weltausstellung 1878 die Goldmedaille erhielt. Diese Monographie enthält Beschreibungen von Tieren, Pflanzen, Meteorologie, Geschichte, Volkskunde, Architektur, Landschaftsbeschreibungen bis hin zur detailreichen Schilderung der Bevölkerung, ihrer Gebräuche, Lieder und Gedichte. 1897 erschien eine zweibändige Volksausgabe (Die Balearen. Geschildert in Wort und Bild) mit den wichtigsten Illustrationen und Texten. Sie befindet sich als Leihgabe der Geographischen Gesellschaft im Österreichischen Staatsarchiv.[1]

Friedliche Völkerverständigung

Der Erzherzog interessierte sich auch für den Fortschritt der Technik, der in den großen Weltausstellungen der damaligen Zeit dargestellt wurde. Im Jahr 1881 entschloss er sich, die Weltausstellung in Melbourne, Australien, zu besuchen. Den überzeugten Pazifisten begeisterte die seiner Ansicht nach friedensfördernde Wirkung solcher Großereignisse. In seinem 1911 - also drei Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges - erschienenen Büchlein „Einiges über Weltausstellungen“ schrieb er: „Wie viele Vorgefasste Meinungen, wie viele Vorurteile werden beim Kennen eines anderen Volkes, beim Leben in seinem Lande abgestreift. Ich behaupte, dass wenn sich die einzelnen Völker besser kennten, sie sich auch nicht anfeinden würden.“ Auch brachte er Gedanken für die Gestaltung der Weltausstellungsplätze ein, wie etwa die Forderung nach einer behindertengerechten Infrastruktur („Rollstuhleignung“).

Freundschaft mit Kaiserin Elisabeth

Die Schiffe Nixe und Miramar (rechts) vor dem Felsen Sa Foradada
Punta de Sa Foradada von Son Marroig aus gesehen
Loggia von Son Marroig
Rundtempel von Son Marroig
Blick von der Loggia

Ludwig Salvator war mit Kaiserin Elisabeth („Sisi“) befreundet, die den Erzherzog sehr schätzte. Sie besuchte ihn zweimal mit ihrer Yacht Miramar auf Mallorca. Besonderes Getuschel am Wiener Hof erregte ihre Abwesenheit am Heiligen Abend des Jahres 1892, ihrem 55. Geburtstag, den sie statt mit ihrem asketischen Mann mit ihrem wohlbeleibten Cousin verbrachte. „Ich hoffe, dass der dicke Luigi für Dein Wohlergehen sorgt“, telegraphierte der besorgte Kaisergemahl.

Mallorca

Im Sommer 1867 landete Ludwig Salvator von Ibiza kommend, an den Küsten von Mallorca und begann mit der Sammlung und Systematisierung von Daten und Informationen über die Balearen. Das so entstandene siebenbändige Monumentalwerk „Die Balearen“ ist auch heute noch ein zuverlässiges und genaues Zeugnis jener Epoche.

Der Erzherzog hatte auf Mallorca im Laufe von 30 Jahren sukzessive einen ganzen Küstenstrich, 16 Kilometer lang und bis zu 10 Kilometer tief, zwischen den Orten Valldemossa und Deià erworben. Auf diesem Gelände durfte kein Baum gefällt, kein Haus errichtet werden, und alle Tiere, die nicht zu Nahrungszwecken gehalten wurden, konnten hier bis zu ihrem natürlichen Tode ein ungestörtes Leben genießen.

Sein Hauptwohnsitz war Son Marroig, die anderen beiden größeren Güter Son Moraques und Son Miramar. Für die Touristen jener Tage, die diesen Küstenstrich erleben wollten, ließ Ludwig Salvator eigens die Hospederia „Ca Madó Pilla“ einrichten, ein Gästehaus, in dem Reisende drei Tage gratis Logis erhielten. Lediglich der „Mundproviant“ war mitzubringen. Weiters legte er ein rund 12 Kilometer langes Wegenetz bis in die Berge der Sierra del Teix an, das noch heute erhalten ist. An den schönsten Aussichtspunkten ließ er so genannte Miradores errichten, kleine Mäuerchen mit Sitzbänken, von denen aus man die Schönheit der Küste und den Sonnenuntergang bewundern konnte.

Privates

Auf Mallorca ranken sich unzählige Legenden und Histörchen um den bis heute geschätzten „Archiduque“, den ungekrönten König der Balearen. Ludwig Salvators besonderes Markenzeichen war seine äußerst nachlässige Kleidung. Er bewegte sich lieber in der Gesellschaft einfacher Menschen, „von denen man oft mehr lernen könne, als von so manchem Gelehrten“, und legte auf sein Äußeres keinen besonderen Wert. Er trug abgewetzte Anzüge oder einfachste Gewänder, hatte die Manschetten mit Spagat (österr. für Paketschnur) zusammengebunden und wurde gelegentlich, zu seiner eigenen Belustigung, für einen Schweinehirten, Matrosen, Koch oder Landarbeiter gehalten. Einmal erhielt er von einem mallorquinischen Bauern, dem er half, einen festgefahrenen Karren aus dem Morast zu ziehen, ein Trinkgeld spendiert. „Mein erstes selbstverdientes Geld“, wie er später voller Stolz erzählte. Am Wiener Hof galt er als gelehrter Sonderling und verkappter Kommunist, und man amüsierte sich sehr über seine einzige Uniform, die mit den Jahren aus allen Nähten platzte. Auf das Gespött ob seines Knitter-Looks meinte der Erzherzog jedoch gelassen: „Lieber vielfältig als einfältig!“

Viele Geschichten beschäftigen sich auch mit dem Liebesleben des Erzherzogs, der, niemals verheiratet, den Reizen beider Geschlechter und insbesondere der Schönheit der Mallorquinerinnen zugetan war. Seine zahlreichen unehelichen Kinder soll der Erzherzog wohl versorgt haben. Einen besonderen Stellenwert in diesem amourösen Kaleidoskop nimmt die Tischlerstochter Catalina Homar ein, die unter den Fittichen ihres Mentors eine exzellente Ausbildung genoss, mehrere Sprachen erlernte und zur Verwalterin seiner Weingüter avancierte. Zentrum ihres Lebens war das von Ludwig Salvator nach einem Vorbild auf den Liparischen Inseln selbstgeplante kleine Landhaus S'Estaca. Auf den angrenzenden Ländereien reiften unter anderem auch Malvasier-Trauben, für deren Weine der Erzherzog und seine Winzerin eine Vielzahl von Preisen bei internationalen Ausstellungen, sogar in Amerika, erhielten. Auf einer Reise nach Jerusalem soll sich Catalina die Lepra zugezogen haben, an der sie 1905 verstarb. Heute wird das Haus S'Estaca von Hollywood-Star Michael Douglas bewohnt, der ein großer Fan des „Archidux“ ist und jüngst in Valldemossa das Infozentrum „Costa Nord“ initiiert hat.

Werke (Auswahl)

  • Der Djebel Esdoum. 1873.
  • Levkosia, die Hauptstadt von Cypern. 1873.
  • Eine Jachtreise in die Syrten. Prag 1874.
  • Eine Spazierfahrt im Golf von Korinth. Prag 1876.
  • Los Angeles in Südcalifornien. 2. Auflage, Woerl, Würzburg / Wien 1885.
  • Die Karawanenstraße von Ägypten nach Syrien. Würzburg 1878.
  • Die Balearen. insgesamt 7 Bände, Brockhaus, Leipzig 1869-1891, zusätzlich einige Separatabdrucke und eine zweibändige spanischen Ausgabe Las Baleares (1887) sowie die deutsche Volksausgabe Die Balearen. Geschildert in Wort und Bild. [Gekürzte Fassung in zwei Bänden], Leo Woerl, Würzburg / Leipzig, 1897.
  • Um die Welt, ohne zu wollen. 4. Auflage, Würzburg 1886.
  • Sommerträumereien am Meeresufer. von Neudorf, Berlin 2003, ISBN 978-3-934696-02-0.

Literatur

  • Helga Schwendinger: Erzherzog Ludwig Salvator, der Wissenschaftler aus dem Kaiserhaus [Biographie]. 1. Auflage, Amalthea, Wien / München 1991, ISBN 3-85002-314-1; 2. Auflage bei: Olañeta, Palma de Mallorca 2005, ISBN 84-9716-082-7 (In der Reihe: La foradada, Band 12).
  • Horst Joseph Kleinmann: Erzherzog Ludwig Salvator. Mallorcas ungekrönter König. Styria, Graz / Wien / Köln 1991, ISBN 3-222-11974-0.
  • Leo Woerl: Erzherzog Ludwig Salvator aus dem österreichische Kaiserhause als Forscher des Mittelmeeres. Woerl, Leipzig 1899.

Einzelnachweise

  1. Bibliothek der ÖGG abgerufen am 26. September 2010

Weblinks

 Commons: Ludwig Salvator von Österreich-Toskana – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Siehe auch


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