Malakowturm

Malakowturm
Malakow-Turm der Zeche Hannover
Malakow-Turm der Zeche Westhausen
Malakow-Turm als Hebeturm
Malakow-Turm der Zeche Prosper

Als Malakow-Turm (auch Malakoff-Turm, seltener Malakov-Turm) bezeichnet man in erster Linie Schachttürme im Bergbau mit einer charakteristischen Bauform, die vorwiegend in den 1850er bis 1870er Jahren in Kontinentaleuropa üblich war. Es handelt sich um massive Fördertürme aus Mauerwerk mit festungsähnlicher Architektur. Die stabile Bauweise aus bis zu drei Meter dickem Ziegelmauerwerk und eine versteifte Konstruktion im Inneren ermöglichten es, die schweren Seilscheiben zu halten. Die ursprünglich umgangssprachliche und erst in jüngerer Zeit von der Literatur aufgegriffene Benennung nach Fort Malakow, einem Teil der im Krimkrieg (1853–1856) umkämpften Befestigungsanlagen vor Sewastopol, geht auf die zeitweilige Bekanntheit des Namens in Europa aufgrund der umfangreichen Kriegsberichterstattung während des Krimkriegs zurück.

Inhaltsverzeichnis

Bezeichnung

Die ursprünglich nur umgangssprachlich und erst seit 1930 auch in der Fachliteratur verwendete Benennung geht auf Fort Malakow (eigentlich in der Schreibweise Malachow zu transkribieren) zurück, eine russischen Befestigungsanlage vor Sewastopol auf der Krim, die 1854/55 fast ein Jahr lang von französischen und britischen Truppen belagert wurde. In der europäischen Presse war der Name zu dieser Zeit sehr präsent und grub sich in das kollektive Gedächtnis ein.

Zur selben Zeit entstanden auf den Steinkohlenzechen des Ruhrgebiets die ersten jener imposanten Schachttürme, die gleichsam den Beginn des industriellen Bergbaus markieren. Durch die begriffliche Assoziation mit dem hart umkämpften russischen Militärbauwerk deutet der Name konnotativ auf die legendäre Widerstandsfähigkeit dieser stellenweise mehr als 30 Meter hohen oberirdischen Fördereinrichtungen hin. Baulich ähnelt der Festungsturm von Fort Malakow den steinernen Fördereinrichtungen bis auf die robuste, wuchtige Formgebung jedoch nicht.

Die zeitgenössische bergmännisch-technische Benennung für ein solches Bauwerk lautete schlicht „Mauerwerk“. Der Fachterminus „Malakow-Turm“ wurde erst im Jahr 1930 von Carl Koschwitz (siehe Literaturhinweise) in die Technikgeschichtsschreibung eingeführt.

Aus ähnlichen Motiven wie bei den Fördertürmen wurde der Name Malakoff-Turm daneben auch für andere, massive Zweck- oder Militärbauwerke verwendet, die nicht mit dem Bergbau in Zusammenhang stehen, so etwa der 1855 errichtete Wachturm am Kölner Rheinauhafen oder die 1856 in Fort Malakoff umbenannte Kaponniere in Mainz.

Technik

Malakow-Türme sind nach den terminologischen Konventionen der neueren Technikgeschichtsschreibung als Tiefbaueinrichtungen der frühen Phase des industriell, das heißt des maschinell fördernden Bergbaus definiert. Architektonisch sind sie aber auch noch als „Kinder“ der vorindustriellen Phase zu erkennen, insoweit die Grundzüge ihrer Bauweise noch wahrnehmbar dem konventionellen Wohnhaustyp entlehnt sind: Die Türme haben ein geschlossenes Dach, Fensteröffnungen und sind aus den traditionellen, vorindustriellen Baustoffen gefertigt. Bautechniken wie die Flusseisenkonstruktionen aus Thomasstahl (das im Bessemerverfahren gewonnene Eisen), verfügbar seit Mitte der 1850er Jahre, waren ungeeignet für die Erfordernisse der vertikalen bzw. diagonalen Kraftumlenkung – und moderne Baustoffe wie Beton oder Stahlbeton standen noch nicht zur Verfügung.

Die eigentliche Fördereinrichtung, die Seilstützkonstruktion bzw. das Seilscheibengerüst, liegt mitsamt Seilscheiben innerhalb des Gebäudes und ist einzig im Mauerwerk gelagert. Die Schachttürme waren im Bereich der äußeren Widerlager (Strebepfeiler) mit teilweise bis zu 2,50 m starkem Ziegelmauerwerk ausgestattet und mit aufwändig versteiften Innenkonstruktionen versehen. Zum Einsatz kamen dabei traditionelle, empirische Konstruktionen, die der herkömmlichen Zimmerungstechnik entstammen und der Ablenkung der diagonalen Seitenzugkräfte dienten (Sprengwerke, also diagonale Verankerungen aus Holz, später dann aus Profileisen). Sie waren daraufhin ausgelegt, den entgegenwirkenden Kräften standhalten zu können.

Trotz ihrer massiven Bauweise waren die gemauerten Schachttürme aufgrund der stetigen, durch den Betrieb der Fördermaschinen hervorgerufenen Oszillationen starken Beanspruchungen ausgesetzt, die zur Destabilisierung der Mauerwerke führen konnten. Das machte die Fördertechnik jener Jahre reparaturanfällig und somit teuer. Mit der Vervollkommnung der Stahltechnologie wurden die gemauerten Fördereinrichtungen nach und nach, spätestens zu Beginn der 1880er Jahre, durch eiserne Fördergerüste ersetzt, die sich statisch genauer berechnen ließen und der Beanspruchung besser standhielten. Dies geschah vor allem bei Neuanlagen und anlässlich der Tieferteufung bereits vorhandener Schachtanlagen, im letzteren Fall regelmäßig durch das Einziehen solcher Fördergerüste in vorhandene Malakow-Türme, die in der Folgezeit im Wesentlichen nur noch als Wetterschutzeinrichtungen dienten.

Erhaltene Bauwerke

Ruhrbergbau

Von den ehemals mehr als 130 Malakow-Türmen im Ruhrgebiet sind nach der üblichen Zählweise noch 14 vorhanden, die alle denkmalgeschützt sind. Allerdings können nur zwölf von ihnen gesichert als Schachttürme („Malakow-Türme“ im engeren Sinn) angesehen werden. Die „Malakow-Türme“ des Schachtgebäudes der Zeche Carolinenglück in Bochum[1] sowie der Zeche Alte Haase in Sprockhövel[2] können unter Zugrundelegung der zeitgenössischen Quellen im eigentlichen Sinn nicht als solche bezeichnet werden.

Ein besonders interessantes Industriekulturdenkmal ist der 1872 errichtete Malakow-Turm der Zeche Prosper II in Bottrop, der einzige Förderturm in Europa, bei dem ein Malakow-Turm samt dem später eingezogenen Fördergerüst noch in diesem Zustand erhalten ist. Ebenfalls außergewöhnlich ist die 1856-1860 erbaute, aus zwei miteinander verbundenen Malakowtürmen bestehende Förderturmanlage der ehemaligen Zeche Holland I/II in Gelsenkirchen, die einzige überhaupt erhaltene Doppelmalakowturmanlage. Die beiden Fördergerüste wurden Ende der 1960er Jahre abgerissen und in den Türmen sind heute Wohnungen untergebracht.


Bergwerk Ort Baujahr
Zeche Carolinenglück Bochum-Hamme 1847–56
Zeche Carl Essen-Altenessen 1856
Zeche Holland 1/2 Gelsenkirchen-Ückendorf 1856–60
Zeche Hannover 1 Bochum-Hordel 1857
Zeche Rheinpreußen 1 Duisburg-Homberg 1857–79
Zeche Unser Fritz Herne-Wanne 1871
Zeche Prosper 2 Bottrop 1872–75
Zeche Westhausen Dortmund-Bodelschwingh 1872–73
Zeche Ewald Herten-Süd 1872–75
Zeche Fürst Hardenberg Dortmund 1874
Zeche Brockhauser Tiefbau Bochum-Stiepel 1874
Zeche Julius-Philipp Bochum-Wiemelhausen 1875–78

Malakow-Türme in weiteren Bergwerken

  • Mechernich (Eifel): letzter erhaltener Förderturm des ehemaligen Bleibergwerkes
  • Bad Ems (Rheinland-Pfalz): Förderturm des Adolph-Schachtes der Grube „Pfingstwiese“, 1873 erbaut.
  • Bendorf (Rheinland-Pfalz): Förderturm der Eisenerzgrube „Werner“, umgenutzt als Wohnhaus.
  • Helbra (Harz): Förderturm am Schmidschacht (Kupferschieferbergbau)
  • Marienschacht in Bannewitz bei Dresden: sehr gut von einem Verein erhaltener Förderturm

Industrielle Zweckbauten ohne Fördereinrichtung

Sonstige Militär- und Zweckbauten ohne Bezug zum Bergbau

  • Köln: 1855 errichteter Malakoffturm am Rheinauhafen (Wachturm);
  • Luxemburg: Tour Malakoff, 1861 erbaut, jüngster Bestandteil der Stadtbefestigung;
  • Ingelheim: 1856 wurde ein Turm der Stadtmauer, der zuvor Alte Wache hieß, in Malakoffturm umbenannt;
  • Mainz: 1843 als Bundesfestung errichtete und nach 1856 Fort Malakow genannte Kaponniere, ab 1871 Bestandteil Reichsfestung Mainz. Nach 1919 geschleift und zum Teil abgebrochen.

Bildersammlung

Literatur

  • Ludwig Achepohl: Das Niederrheinisch-Westfälische Bergwerks-Industrie-Gebiet, Berlin 1894 (1. Aufl. 1888)
  • Biecker/Buschmann (Hrsg.): Bergbauarchitektur, Bochum 1986
  • Günter Drebusch: Industriearchitektur, München 1976
  • A. Eichenauer: Die Seilscheibengerüste der Bergwerks-Förderanlagen, Leipzig 1877
  • Carl Erdmann:: Eiserne Förderthürme in: Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure (XVII.Jg.1873, Kolumnen 399-404)
  • Julius Ritter von Hauer:Die Fördermaschinen der Bergwerke, Leipzig 1871 (Weitere Aufl. 1874,1885)
  • Carl Koschwitz: Die Hochbauten auf den Steinkohlenzechen des Ruhrgebietes, Essen 1930
  • R. Müller: "Malakoff-Türme" auf den Schachtanlagen des Ruhrgebietes in: Burgen und Schlösser 3,1962, S. 27ff.
  • Heinrich Schönberg: Die technische Entwicklung der Fördergerüste und -türme des Bergbaus (Diss.) in: Bernd Becher u. Hilla: Die Architektur der Förder- und Wassertürme. Industriearchitektur des 19. Jahrhunderts, München 1971
  • Rainer Slotta: Malakowtürme. Schachttürme des Bergbaus und ihre Beziehungen zur Festungsarchitektur in: Der Anschnitt 53,1,2001 S. 28-42

Einzelnachweise

  1. In Achepohl, 1. Aufl. 1888 und 2. Aufl. 1894, S. 81, werden die übertägigen Fördereinrichtungen der Schächte 1 und 2 von Carolinenglück als Holz- bzw. Eisen- und nicht als Mauerwerkskonstruktionen beschrieben.
  2. Der „Turm“ der Zeche Alte Haase ist 1897 gleichzeitig mit einem Seilscheibengerüst, das nach dem Prinzip der Koepe-Förderung wirkte, errichtet worden. Der Geschäftsbericht der Gewerkschaft Alte Haase für das Jahr 1897 aus dem Jahr 1898 vermerkt hierzu lapidar: „An Stelle des niedrigen hölzernen Schachtthurmes erhebt sich ein massives Schachtgebäude von 25 m Höhe, aus dem das eiserne Fördergerüst in gefälliger Form noch 15 m hervorragt. Die Kohlen, welche früher vom Niveau der Hängebank nochmals 14 m zur Ladebühne gehoben werden mussten, werden jetzt auf der neuen Hängebank in Ladebühnenhöhe abgezogen.“ Das denkmalamtlich als Malakow-Turm geführte Ziegelgebäude (s. Denkmal-Inventarisationsverzeichnis der Stadt Sprockhövel vom 5. Juli 1983, Liste A, Nr.1 [1], [2] des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, Schreiben vom 4. Februar 2005 sowie die Jubiläumsschrift zum 100jährigen Bestehen [http://www.hgv-sprockhoevel.de/sehenswertes/malakowturm/malakowturm.html) ist also lediglich als Hängebankverkleidung oder auch Wetterschutz errichtet worden, beherbergt aber nicht die komplette Statik der Förderung/Seilfahrt in sich. Es ist also im maßgeblichen, technikhistoriographischen Sinne kein Malakow-Turm, seine denkmalpflegerische Inventarisation als socher ist unrichtig.

Siehe auch


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