Marktwert (Immobilie)

Marktwert (Immobilie)

Der Marktwert bezeichnet den aktuellen Wert einer Immobilie. Mit der Novellierung des Baugesetzbuches im Jahr 2004 wurde insbesondere klargestellt, dass der Begriff Marktwert synonym für Verkehrswert (§ 194 BauGB) steht (Legaldefinition). Gleichfalls synonym ist der haushaltsrechtliche Begriff des "vollen Wertes".[1] Der Marktwert bzw. Verkehrswert wird im Rahmen der Verkehrswertermittlung bestimmt.

Dabei wird als Wert der Durchschnitt der zum Wertermittlungszeitpunkt (Wertermittlungsstichtag) im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten oder sicher erzielbaren Preise angenommen. Abweichende Preise, die durch nicht allgemein geltende Besonderheiten wie persönliche Umstände entstehen, werden bei der Durchschnittsbildung nicht berücksichtigt. Wesentliche Datengrundlagen liefern die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte, insbesondere durch die Veröffentlichung von Bodenrichtwerten.

Gemäß § 16 Abs. 2 PfandBG darf der Beleihungswert einen auf transparente Weise und nach einem anerkannten Bewertungsverfahren ermittelten Marktwert nicht übersteigen. Vom Marktwert/Verkehrswert sind ferner die Wertbegriffe Einheitswert und Versicherungswert abzugrenzen. Auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer sind gemäß der Forderung des Bundesverfassungsgerichts [2] für alle Vermögensarten Werte anzusetzen, die sich am gemeinen Wert (= Verkehrswert) als Wertmaßstab orientieren.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Für Grundstücks-, Gebäude- und Immobilienbewertungen werden folgende Definitionen verwendet:

Deutschland: „Der Marktwert wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“ [3]
Gemäß § 16 Pfandbriefgesetz ist der Marktwert "der geschätzte Betrag, für welchen ein Beleihungsobjekt am Bewertungsstichtag zwischen einem verkaufsbereiten Verkäufer und einem kaufbereiten Erwerber, nach angemessenem Vermarktungszeitraum, in einer Transaktion im gewöhnlichen Geschäftsverkehr verkauft werden könnte, wobei jede Partei mit Sachkenntnis, Umsicht und ohne Zwang handelt."[4]
Der Marktwert kann nach der Verordnung über die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Wertermittlungsverordnung - WertV) und den ergänzenden Hinweisen der Richtlinie für die Ermittlung der Verkehrswerte (Marktwerte) von Grundstücken (Wertermittlungsrichtlinien - WertR 2006) ermittelt werden.
Europäische Union: „Unter Marktwert ist der Preis zu verstehen, der zum Zeitpunkt der Bewertung auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages über Bauten oder Grundstücke zwischen einem verkaufswilligen Verkäufer und einem ihm nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Käufer unter den Voraussetzungen zu erzielen ist, dass das Grundstück offen am Markt angeboten wurde, dass die Marktverhältnisse einer ordnungsgemäßen Veräußerung nicht im Wege stehen und dass eine der Bedeutung des Objektes angemessene Verhandlungszeit zur Verfügung steht.“[5]
TEGoVA (europäischer Zusammenschluss der Verbände der Immobilienbewerter): „Der Marktwert soll den Preis bezeichnen, zu welchem Grundstücke und Gebäude gemäß einem privaten Vertrag von einem verkaufsbereiten Veräußerer an einen unabhängigen Käufer am Tage der Bewertung verkauft werden können, wobei die Annahme zugrunde gelegt wird, dass die Immobilie öffentlich auf dem Markt angeboten wird, dass die Marktbedingungen eine ordnungsgemäße Veräußerung ermöglichen und dass für die Aushandlung des Verkaufs ein im Hinblick auf die Art der Immobilie normaler Zeitraum zur Verfügung steht.“ [6]

Unter „gewöhnlichem Geschäftsverkehr“ versteht man einen Handel auf einem freien Markt, wobei weder Käufer noch Verkäufer unter Zeitdruck oder sonstigen Zwängen stehen und ausschließlich objektive Maßstäbe zur Geltung kommen. Im deutschsprachigen Raum hat sich im Bereich der Immobilie anstelle der gesetzlichen Definition „Marktwert“ der ebenfalls zulässige Begriff „Verkehrswert“ im Sprachgebrauch durchgesetzt. Bei den Sachverständigen und in den Gutachterausschüssen wird daher ausnahmslos vom Verkehrswert gesprochen, entsprechend werden Gutachten zur Immobilienbewertung als „Verkehrswertgutachten“ bezeichnet.

Der Verkehrswert ist der Wert, der sich im allgemeinen Geschäftsverkehr am wahrscheinlichsten einstellen würde (sog. Jedermannswert). Für die Ermittlung des Verkehrswertes sind verschiedene Wertermittlungsverfahren gebräuchlich. Der Verkehrswert wird dabei durch die Verhältnisse, die am Wertermittlungsstichtag auf dem Grundstücksmarkt herrschen, bestimmt und ist somit eine Größe, die nur zu diesem Stichtag Gültigkeit hat (Stichtagsbezogenheit). Der Sachverständige wird bei der Wertermittlung − unter Berücksichtigung aller wertbeeinflussenden Faktoren – die Wertermittlung nach mindestens zwei der gebräuchlichen Wertermittlungsverfahren vornehmen und daraus den Verkehrswert ableiten.

Bei gleichartigen Immobilien (insbesondere bei unbebauten Grundstücken), ggf. auch bei Eigentumswohnungen in gleicher Lage findet das Vergleichswertverfahren Anwendung. Bei Selbstnutzungsobjekten (insbesondere Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen) wird das Sachwertverfahren angewandt. Mehrfamilienhäuser und Gewerbeimmobilien werden nach dem Ertragswertverfahren bewertet. Investoren verwenden für ihre Kalkulation das Residualwertverfahren.

Als Faustregel gilt: Der angemessene Kaufpreis einer vermieteten oder vermietbaren Immobilie ergibt sich grob geschätzt aus den Mieteinnahmen. In einer Metropole beträgt er mitunter bis zum 20fachen der Jahreskaltmiete, in Großstädten bis zum 17-fachem, in ländlichen Regionen oder Mittelstädten hingegen nur die 10- bis 14fache Jahresmiete. Eventuell anfallende, nicht auf die Mieter umlegbare Instandhaltungs- und Verwalterkosten sind zuvor abzuziehen, die so berechnete Nettomietrendite sollte mehr als fünf Prozent betragen.

Ob der deutsche und der europäische Marktwertbegriff wirklich identisch sind, wird neuerdings kontrovers diskutiert. Anlass sind die Verkäufe land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke durch die BVVG.[7] Die Fragestellung ist nur bei Grundstücksverkäufen der öffentlichen Hand an Unternehmen relevant, weil Grundstücksverkäufe unterhalb des Verkehrswertes eine nach Europarecht unzulässige Beihilfe darstellen können. In einem Beschluss über eine Beschwerde der BVVG gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Bundesgerichtshof die Ansicht vertreten, zwischen dem Verkehrswert im Sinne des § 194 BauGB und dem Marktwert im Sinne des Europäischen Rechts gebe es keinen Unterschied.[8]. Ob mit dieser Entscheidung das letzte Wort gesprochen ist, ist offen, da sich die Europäische Kommission mit dieser Fragestellung befasst.

Siehe auch

Literatur

  • Garthe, Thomas „Die Wertermittlungsreform“ Mit allen Änderungen 2010, ISBN: 978-3-648-00852-2, Haufe Verlagsgruppe
  • Wolfgang Kleiber, Jürgen Simon, Gustav Weyers: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. Kommentar und Handbuch zur Ermittlung von Marktwerten (Verkehrswerten), Versicherungs- und Beleihungswerten unter Berücksichtigung der ImmoWertV, Bundesanzeigerverlag, 6. vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, 2010, ISBN 978-3-89817-808-2
  • H.O. Sprengnetter: BauGB 2009 - Kommentar zu den Rechtsgrundlagen der Wertermittlung, Sprengnetter GmbH, 1. Auflage 2009, ISBN 978-3-937513-48-5

Quellen

  1. § 63 Bundeshaushaltsordnung.
  2. Beschluss vom 07.11.2006 - 1 BvL 10/02 -.
  3. § 194 BauGB
  4. § 16 PfandBG
  5. Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand (97/C 209/03), Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 10.07.1997, Nr. C 209/3; http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31997Y0710(01)%20:DE:NOT
  6. aus dem Blue Book
  7. Christian König: http://www.agrarrecht.de/download/BzAR_10-2008_402.pdf.
  8. Beschluss vom 28.04.2011, V ZR 192/10.
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