- Medizinisch-Psychologische Untersuchung
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Die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (abgekürzt: MPU) beurteilt die Fahreignung des Antragstellers. Im Volksmund mit dem herabsetzenden Begriff „Idiotentest“ belegt, lautet die gesetzliche Bezeichnung „Begutachtung der Fahreignung“ (entsprechend: Begutachtungsstelle für Fahreignung).
Die MPU gibt es seit 1954 in Deutschland. Sie stellt eine Prognose zur Verkehrsbewährung des Antragstellers und dient als Hilfe für Fahrerlaubnisbehörden zur Vorbereitung ihrer Entscheidung über die Entziehung und Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Im europäischen Ausland sind anstelle fachlich begründeter Einzelfallprüfungen häufig erhebliche Strafen bei schwerwiegenden Verkehrsstraftaten oder gehäuften Verstößen üblich. Die Höhe der Strafe steht jedoch in keinem nachweisbaren Zusammenhang mit dem zukünftigen Unfallrisiko. Bedeutsam sind dagegen eine offene Auseinandersetzung mit den Ursachen und stabile Änderungen in Einstellung und Verhalten.
Inhaltsverzeichnis
Begriff der Fahreignung
Der Begriff „Fahreignung“ umfasst die körperliche Eignung, die geistige Eignung (zum Beispiel Reaktionsfähigkeit) und Persönlichkeitsmerkmale wie die persönliche Zuverlässigkeit. Fahreignung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Rechtssystematisch ist die Überprüfung der Fahreignung ein „Realakt” (vgl. auch schlichte Hoheitsverwaltung).
Alternativ wird der Begriff der Mobilitätskompetenz diskutiert, der den Aspekt der Verhaltensentwicklung stärker hervorhebt (vgl. Modell PASS). Verkehrspsychologen definieren Mobilitätskompetenz als die Gesamtheit überdauernder körperlicher, geistiger und verhaltens- bzw. einstellungsbezogener Voraussetzungen eines Fahrers zum sicheren und partnerschaftlichen Führen von Kraftfahrzeugen.
Aufgabe der MPU
Ein MPU-Gutachten liefert eine Prognose der Verkehrsbewährung des Auftraggebers, also eine auf Fakten und Erfahrungswissen basierende Wahrscheinlichkeitsaussage über die Entwicklung des Verhaltens in der Zukunft. Die Fakten sind im Verkehrszentralregister und in der Führerscheinakte dokumentiert. Die Prognose ist immer dann günstig (= „positives” Gutachten), wenn die Zweifel der Fahrerlaubnisbehörde durch die verkehrsmedizinischen und verkehrspsychologischen Befunde ausgeräumt werden können, also belegbare Hinweise auf stabile Verhaltens- und Einstellungsänderungen vorliegen.
Vor der Entscheidung über die Neuerteilung der Fahrerlaubnis prüft die zuständige Behörde, ob das Gutachten nachvollziehbar ist. Die formalen und inhaltlichen Standards müssen erfüllt sein (Widerspruchsfreiheit, logische Ordnung, wissenschaftliche Nachprüfbarkeit, Beachtung gesetzlicher Vorgaben sowie der Begutachtungs-Leitlinien und Beurteilungskriterien zur Kraftfahrereignung). Bestehen begründete Zweifel an der Objektivität oder werden diese Standards nicht beachtet, kann ein Gutachten von der Fahrerlaubnisbehörde abgelehnt werden. Die Qualität der MPU-Gutachten wird aufwendig kontrolliert (vgl. Abschnitt Qualitätssicherung und Akkreditierung).
Seriöse Hilfsangebote
Informationsveranstaltungen vor der MPU werden meist von Einrichtungen angeboten, die im Vorfeld Beratungen durchführen. Dabei wird der allgemeine Ablauf erläutert und es werden die Erfolgskriterien benannt sowie Fragen der Vertraulichkeit und Schweigepflicht gegenüber Dritten (wie zum Beispiel den Mitarbeitern der Fahrerlaubnisbehörde, Angehörigen oder Verkehrsanwälten) angesprochen. Weiter werden Verhaltenshinweise und Beratungsempfehlungen gegeben, etwa der Hinweis, dass ein (negatives) Gutachten nicht bei der Führerscheinstelle vorgelegt werden muss (der Auftraggeber ist hier ´Herr des Verfahrens´, die MPU-Stelle unterliegt der strikten Schweigepflicht).
Individuelle Beratungen und konkrete auf den Einzelfall bezogene Maßnahmenempfehlungen sind den MPU-Stellen[1] im Interesse der Neutralität nicht mehr erlaubt.
Ziele der MPU-Beratung
In der individuellen verkehrspsychologischen Beratung steht die persönliche Problematik des Ratsuchenden im Vordergrund. Ziel einer seriösen Beratung durch Verkehrspsychologen ist nicht allein die Neuerteilung der Fahrerlaubnis, sondern vor allem die Zukunftsperspektive (Vermeidung neuer Verkehrsauffälligkeiten). Wenn grundlegende Problemlösungen und Änderungen in Einstellung und Verhalten fehlen oder nicht ausreichend stabil sind, sind die Rückfallquoten hoch.
Geht es dagegen ausschließlich um das Bestehen der MPU durch Einübung einer geschickten Präsentation und Argumentation („Schauspielunterricht“), kann dieses Ziel in der Regel nicht erreicht werden. Deshalb wird vielfach vor "Garantieangeboten" und unseriösen Einrichtungen gewarnt.
Kriterien für seriöse Beratungsformen
- Kostenlose Erstgespräche zum Kennenlernen
- Durchschaubare und verständliche Qualifikationsnachweise (zum Beispiel Akkreditierung oder Diplom in Psychologie)
- Kosten- und Leistungstransparenz insbesondere bei Paketangeboten
- Keine Werbung mit Erfolgsquoten (der „Erfolg” ist nicht das Bestehen der MPU, sondern der langfristige Erhalt der Fahrerlaubnis)
- Keine Garantien (Geld-zurück-Garantie: Fällt die MPU negativ aus, wird der Preis zurückerstattet). Solche Garantien werden in der Regel durch stark überhöhte Preise finanziert. Das Geschäftsgebaren ist undurchschaubar, Notlagen werden ausgenutzt
- Konsequente personelle Trennung von Beratung und Begutachtung
- Keine Abwicklung über Kassenleistungen (mit seltenen begründeten Ausnahmen)
- Seriöse Werbeauftritte. Vermeidung des diskriminierenden Begriffs „Idiotentest“
- Keine Beratung in Privaträumen oder Hotels.
- Kontrollen (Qualitätssicherung) durch neutrale Stellen
- Keine gleichzeitige Vermittlungstätigkeit von Krediten zur Finanzierung der MPU und der Vorbereitungsmaßnahmen.
- Realistische Preise
(für eine Beratungsstunde bei akademisch ausgebildeten Verkehrspsychologen sind, je nach Qualifikation und Ort der Beratung, zwischen 80 und 150 Euro anzusetzen. Angebote von Diplom-Psychologen liegen eher im oberen Bereich, Angebote von Fahrschulen oder nicht akademischen psychologischen Beratern eher im unteren Bereich. Die Stundensätze von Psychologen sind zumeist angelehnt an Stundensätze für privat abgerechnete Psychotherapien. MPU-Beratungen in Ballungsräumen sind zumeist teurer als in ländlichen Gebieten.)
MPU-Beratung als verkehrspsychologische Beratung
MPU-Beratungen werden als verkehrspsychologische Beratungen in der Regel von Fachpsychologen für Verkehrspsychologie[2] oder verkehrspsychologischen Beratern durchgeführt.[3] Die Berufsbezeichnung „Verkehrspsychologischer Berater“ ist durch eine amtliche Anerkennung gesetzlich geschützt (§ 71 Fahrerlaubnisverordnung). Anerkannte Verkehrspsychologen unterliegen im Gegensatz zu anderen MPU-Beratern strikten Fortbildungsverpflichtungen.
Ziel der MPU-Beratung ist es, die Zeit der Fahrerlaubnissperre sinnvoll zur Vorbereitung auf die MPU zu nutzen. In bestimmten Fällen – abhängig etwa von der Höhe der Blutalkoholkonzentration bei der Trunkenheitsfahrt – ist eine Verkürzung der Dauer der Sperrfrist möglich.
Sperrfristverkürzung
Neue Bestrebungen gehen dahin, in bestimmten Fällen die Sperrfrist abzukürzen (in der Regel um ein bis zwei Monate). Dies ist aber nur unter bestimmten Bedingungen möglich, zum Beispiel bei erstmaliger Fahrt unter Alkoholeinfluss mit einer Blutalkoholkonzentration unter zwei Promille. Die Entscheidung trifft der zuständige Richter. Vorausgesetzt wird in der Regel eine frühzeitige Intervention (z. B. verkehrspsychologische Therapie) in der Sperrfrist.
Verkehrspsychologische Beratung nach § 71 FeV
Im Gegensatz zu allgemeinen MPU-Beratungen, die gesetzlich nicht geregelt sind, ist die „verkehrspsychologische Beratung nach § 71 FeV” bis in die Details der Anerkennung und Umsetzung hinein durch die Verordnung geregelt. Sie dient als „Maßnahme mit Rechtsfolge” ausschließlich dem Abbau von Punkten (bei einem Punktestand zwischen 14 und 17) und ist damit Teil des staatlichen Verwaltungshandelns.
Verbraucherschutz
Mit der Angst vor der MPU werden Geschäfte gemacht. Verschiedene unseriöse Angebote sollen die Notlage der Betroffenen auszunutzen (Stichworte: EU-Führerschein, Geld-zurück-Garantien, Telefon-Abzocke mit 0900er-Nummern). Dazu gibt der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V. (BDP) detaillierte Hinweise zum Verbraucherschutz.[4] Der Berufsverband verweist auf objektive und hilfreiche Ratgeberliteratur zur MPU und führt Register aller in Deutschland amtlich anerkannten MPU-Stellen und verkehrspsychologischen Berater.
MPU-Foren
„Hilfe zur Selbsthilfe” gibt es in unabhängigen Internetforen, welche oft von Betroffenen betrieben und moderiert werden. Sie legen ihre persönlichen Probleme und Erfahrungen öffentlich dar und tauschen Informationen und Tipps aus, zum Beispiel über besonders kundenfreundliche und fachlich kompetente Untersuchungsstellen. Argumentiert wird häufig, es sei letztlich egal, wohin man gehe, die Kriterien seien ohnehin gleich. Allerdings wird auch auf deutliche Unterschiede im Kundenservice und im Engagement der Mitarbeiter hingewiesen.
In manchen Foren engagieren sich Verkehrspsychologen und Gutachter und geben konkrete Ratschläge (vgl. die Hinweise zum Verbraucherschutz).[4] Auch persönlicher Rat von Betroffenen, die eine MPU bereits hinter sich haben, kann eine große Entscheidungshilfe für die weitere Vorgehensweise darstellen. Die Mitglieder helfen sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Nachbereitung (Online-Selbsthilfegruppe).
Qualitätssicherung und Akkreditierung
Die anerkannten Träger von Begutachtungsstellen für Fahreignung unterliegen regelmäßigen Überprüfungen durch die „Akkreditierungsstelle Fahrerlaubniswesen“ bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). Diese überprüft, ob die interne Qualitätssicherung funktioniert.
Die Akkreditierung schafft lediglich die Voraussetzung für die amtliche Anerkennung der Anbieter durch die Bundesländer (§ 66 FeV). Sie umfasst die erste fachliche Überprüfung und fortlaufende Kontrollen der Träger, berechtigt jedoch noch nicht zur Aufnahme der Tätigkeit als Begutachtungsstelle für Fahreignung. In schwerwiegenden Fällen kann die amtliche Anerkennung auch bei gültiger Akkreditierung von den zuständigen Stellen der Länder entzogen werden.
Die Akkreditierung verpflichtet zur Einhaltung umfangreicher gesetzlicher und fachlicher Bestimmungen. Diese umfassen etwa die Einhaltung der Schweigepflicht (Datenschutz), die Objektivität und Neutralität der Gutachter und die Einheitlichkeit der Begutachtung (fachliche Begutachtungs-Leitlinien und Beurteilungskriterien).[5] Eine ausreichende personelle Ausstattung (spezialisierte Ärzte und Psychologen) sowie räumliche und sachliche Ausstattung (behindertengerechte Ausstattung, Geräte zur psychologischen Testdiagnostik etc.) muss vorhanden sein.
Auch die Erstellung der Gutachten ist weitgehend standardisiert (Aufbau, Kriterien etc.). Über das Gespräch und alle anderen Befunderhebungen müssen Aufzeichnungen geführt werden. Am Ende des Gesprächs steht stets eine Sachstandsmitteilung, soweit dies nach dem Stand der Befunderhebungen möglich ist. Die korrekte Umsetzung durch die Anbieter wird regelmäßig anhand umfangreicher Stichproben von der Akkreditierungsstelle überprüft.
Die Akkreditierung wird in der Regel in Fünf-Jahres-Intervallen verlängert. Folgende 15 Anbieter sind derzeit in Deutschland akkreditiert (Abweichungen vom Fünf-Jahres-Rhythmus belegen verkürzte Fristen):
Akkreditierte Träger von Begutachtungsstellen für Fahreignung (Stand: 1. Juni 2010)
Datum der Erstakkreditierung
Gültig bis Reakkredi- tierungen
TÜV SÜD Life Service GmbH 21.12.1999 14.11.2014 2 Gesellschaft für Arbeits-, Verkehrs-und Umweltsicherheit mbH / AVUS 01.08.2001 31.07.2011 1 DEKRA e.V. Dresden 17.12.2001 16.12.2011 1 TÜV Thüringen e.V. 17.12.2001 16.12.2013 1 ABV GmbH (bis 1. Juni 2010 TÜV Rheinland Verkehrs-und Betriebspsychologie GmbH) 17.12.2001 16.12.2011 1 pima-mpu GmbH 16.05.2002 15.05.2012 1 TÜV Technische Überwachung Hessen GmbH 16.05.2002 15.05.2010 ("Kompetenzbestätigung durch Bericht vom 29.04.2010") 1 BAD Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH 27.08.2002 26.08.2012 1 IAS Institut für Arbeits-und Sozialhygiene Stiftung 29.11.2002 28.11.2012 1 TÜV NORD Mobilität GmbH & Co. KG 25.06.2003 24.06.2013 1 IBBK Institut für Beratung – Begutachtung – Kraftfahrereignung GmbH 30.09.2003 29.09.2013 1 Universitätsklinikum Heidelberg - Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin 16.09.2004 15.09.2014 1 ProSecur GmbH 14.06.2006 13.06.2011 0 Akademie Sicherheit und Verkehr GmbH 12.12.2007 11.12.2012 0 Öffentliche Resonanz
Darstellung in den Medien
In der Boulevardpresse und an Stammtischen wurde die MPU unter der Bezeichnung „Idiotentest“ bekannt, weil sie im Verkehrsrecht der 1950er und 1960er Jahre vor allem dann gefordert wurde, wenn ein Fahrerlaubnisbewerber zum dritten Mal die Prüfung nicht bestanden hatte (so genannte Prüfungsversager). Diese verwaltungsrechtliche Regelung wurde jedoch etwa zeitgleich mit der Theorie der „Unfallpersönlichkeit“ (sogenannte „Konflikt-Unfäller“ und „Affekt-Unfäller“ mit ausgeprägter Veranlagung zu Unfällen) abgeschafft, da ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem tatsächlichen Unfallgeschehen statistisch nicht nachweisbar war. Da die Unfallzahlen mit zunehmender Motorisierung in Deutschland stark anstiegen (absoluter Höhepunkt 1973: etwa 20.000 Getötete im Straßenverkehr), verschob sich der Schwerpunkt der Untersuchungen auf die Hauptrisikofaktoren im Straßenverkehr: Alkohol, Drogen und andere Verkehrsauffälligkeiten wie überhöhte Geschwindigkeit.
Journalisten tragen auch heute noch zur Verbreitung des Begriffes „Idiotentest“ bei, indem sie Nachrichten über prominente Betroffene oder spektakuläre Ereignisse unter dem Deckmantel der Information in den Massenmedien platzieren.[6] In der Regel handelt es sich um Boulevardblätter.
Eine recht umfassende Zusammenstellung von Videobeiträgen zum Thema MPU aus den Medien, dem Internet, wie auch von Begutachtungsstellen findet man in Internet-Video-Portalen unter dem Suchbegriff "MPU" oder "MPU Video".
Darstellung in Musik und Literatur
Ein populäre Aufbereitung des Themas erfolgte 2008 in einem Rap des Hiphoppers Jim Pansen speziell für die Zielgruppe der Cannabis-Konsumenten. Die Darstellung ist inhaltlich stark verkürzt und karikierend, aber für die Zielgruppe informativ („Du, du – du musst zur MPU“[7]).
Kim Fisher hat in ihrem Buch Im Zeichen der Jungfrau persönliche Erfahrungen mit der MPU dargelegt, die bei ihr wegen permanenten Falschparkens (236-mal) veranlasst wurde.[8]
Andrea Bongers, Gerburg Jahnke, Jutta Jahnke und Francesca de Martin haben in ihrem Stück „Lappen weg – Frauen ohne Regeln“ das Thema „Frauen, Regeln, Verkehr“ auf die Bühne gebracht und Sinn und Nutzen von MPU und verkehrspsychologischer Nachschulung bei dieser Zielgruppe kabarettistisch hinterfragt.[9]
Durchführung der MPU
Veranlassung
Im Jahr 2006 wurde eine MPU für etwa 0,2 Prozent aller Fahrer (bei etwa 50 Millionen Führerscheininhabern in Deutschland) gefordert, in der Regel nach Entzug der Fahrerlaubnis und Ablauf der Sperrfrist. Annähernd die Hälfte davon waren Wiederholungsuntersuchungen nach nicht bestandener MPU. Laut Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wurden im Jahr 2008 insgesamt 103.137 Untersuchungen durchgeführt, ein Rückgang um 2333 gegenüber dem Jahr 2006. Der Rückgang erfolgte schwerpunktmäßig bei den Alkoholfragestellungen, die aber mit 56 % weiterhin den größten Anteil beitragen. Die Anteile der Untersuchungsanlässe am Gesamtaufkommen haben sich gegenüber 2006 kaum verändert.[10]
Meist wurden schwerwiegende Auffälligkeiten und/oder Regelverstöße im Straßenverkehr festgestellt, die bei Gerichten oder Fahrerlaubnisbehörden zu erheblichen Zweifeln an der Eignung des betreffenden Kraftfahrers führten. Deutlich über 50 Prozent aller Fragestellungen hatten Fahren unter Alkoholeinfluss zum Inhalt, etwa 20 Prozent Fahren unter Drogeneinfluss bzw. Handel mit Drogen im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr, der Rest auffälliges Verhalten im Straßenverkehr, Straftaten oder körperliche Gebrechen. Die Drogenfragestellungen stiegen weiter kontinuierlich an.
In der Regel steht hinter den entdeckten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten eine hohe Anzahl nicht entdeckter Delikte. Die Angaben zur Dunkelziffer bei alkoholauffälligen Fahrern schwanken zwischen 1:1000 und 1:60. Die Wahrscheinlichkeit, bei Fahrten unter Alkoholeinfluss oder anderen Verkehrsstraftaten und Ordnungswidrigkeiten entdeckt zu werden, ist aufgrund der geringen polizeilichen Kontrolldichte in Deutschland sehr niedrig. Jede Fahrt unter Alkoholeinfluss ohne Unfall und ohne Polizeikontrolle erhöht somit die Wahrscheinlichkeit der nächsten Fahrt; Alkohol am Steuer ist ein Seriendelikt.[11]
Die wichtigsten Untersuchungsanlässe sind (in der Reihenfolge der Häufigkeit):
Anlass/Fragestellung Beschreibung Alkohol („Alkohol-MPU“)
Ein Kraftfahrer ist mehrfach mit Alkohol im Straßenverkehr aufgefallen, oder einmal mit einer Promillezahl von 1,6 Promille oder mehr (dieser Wert gilt auch für Fahren unter Alkoholeinfluss mit dem Fahrrad). Verkehrsauffälligkeiten unter Alkoholeinfluss stellen 58 Prozent aller Begutachtungsfälle (Quelle: BASt, 2007). Drogen („Drogen-MPU“)
Ein Kraftfahrer ist entweder unter Drogeneinfluss im Straßenverkehr aufgefallen, oder der Fahrerlaubnisbehörde liegen Hinweise vor, dass ein Kraftfahrer außerhalb des Straßenverkehrs gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen hat (durch Drogendelikte oder Drogenmissbrauch). Verkehrsrechtliche Auffälligkeiten („Punkte-MPU“)
Mehr als 17 Punkte beim Verkehrszentralregister in Flensburg oder besonders schwerwiegende Verkehrsverstöße. Strafrechtliche Auffälligkeiten Der Kraftfahrer ist strafrechtlich mehrfach in Erscheinung getreten oder mit Straftaten aufgefallen, die auf eine besonders hohe Aggressivität oder geringe Impulskontrolle schließen lassen. Weitere MPU-Untersuchungsanlässe können zum Beispiel die vorzeitige Erteilung einer Fahrerlaubnis für Jugendliche ab 16 Jahren oder körperliche/psychische Erkrankungen/Behinderungen sein.
Nach dem Beantragen der Führerschein-Neuerteilung sendet die zuständige Fahrerlaubnisbehörde die erforderlichen Unterlagen und Dokumente an eine frei wählbare MPU-Stelle, die wiederum das fertige Gutachten an den Auftraggeber (also an den Führerscheinbewerber) schickt. Nach der Vorlage eines positiven Gutachtens bei der Führerscheinstelle wird der bereits beantragte Führerschein in der Regel unmittelbar ausgehändigt.
Ablauf der MPU
Die Durchführung der MPU dauert in der Regel drei bis vier Stunden, die Reihenfolge der Untersuchungsteile (Testdiagnostik, ärztliche Untersuchung, psychologisches Gespräch) kann variieren.
Der aktuelle Sachstand wird im Regelfall am Untersuchungstag unter Vorbehalt mitgeteilt, da in der Regel noch nicht alle Befunde vorliegen. Das Gutachten wird dem Auftraggeber zugesandt, der es an die Fahrerlaubnisbehörde weitergeben kann. Die Führerscheinakte wird parallel an die Fahrerlaubnisbehörde zurückgeschickt. Der Zeitrahmen bis zur Zusendung des Gutachtens soll 14 Tage nach der Untersuchung nicht überschreiten.
Die MPU besteht aus folgenden Untersuchungsteilen:
Untersuchung Beschreibung Verkehrsmedizin Im medizinischen Teil wird auf verkehrsrechtlich relevante Erkrankungen sowie Alkohol- oder Drogenmissbrauch bzw. -abhängigkeit geprüft. Dazu führt der Arzt ein Gespräch über die medizinische Vorgeschichte, eine körperliche Untersuchung sowie gegebenenfalls labormedizinische Verfahren (zum Beispiel Blutabnahme, Urin-Drogenscreening) durch. Häufig geht es darum, einen angegebenen vollständigen Verzicht auf Alkohol oder Drogen verkehrsmedizinisch zu belegen. Hierfür werden Drogenscreenings (Haar- oder Urinanalysen), mit denen sich Spuren früheren Konsums teilweise noch nach Monaten nachweisen lassen, und Alkoholscreenings (Leberwerte, oft auch EtG und CDT) eingesetzt. Verkehrspsychologie Im psychologischen Gespräch geht es um die Einsicht des früheren Fehlverhaltens, die persönlichen Ursachen dafür, Konsequenzen für das aktuelle Verhalten und Vorsätze und Verhalten für die Zukunft, die eine erneute Verkehrsauffälligkeit zuverlässig verhindern. Dabei muss das zukünftig geplante Verhalten in der Regel seit mindestens sechs Monaten stabil gelebt werden. Das Gespräch muss für das Gutachten aufgezeichnet werden (dies erfolgt häufig am Computer). Untersuchungsstellen sollten dem Kunden die Möglichkeit bieten, die Aufzeichnungen gegenzulesen, um Missverständnisse zu vermeiden. Leistungsdiagnostik Bei einem standardisierten Reaktionstest am Computer wird die körperliche Leistungsfähigkeit (Reaktionsfähigkeit, Konzentration und Aufmerksamkeit) getestet. Die Anzahl und Art der durchgeführten Tests (Wahrnehmungs- und Reaktionsleistung, Belastbarkeit, Aufmerksamkeit) variieren nach der jeweiligen Untersuchungsfragestellung. Entsprechen die Testergebnisse nicht den Anforderungen, kann eine Überprüfung der Kompensationsfähigkeit im praktischen Fahrverhalten (Fahrverhaltensbeobachtung) empfohlen werden. Manche MPU-Stellen bieten zusätzlich kostenlose Informationsabende an, um die Betroffenen aus erster Hand zu informieren und Spannungen und Ängste im Vorfeld einer MPU zu reduzieren. Eine Anmeldung ist in der Regel nicht erforderlich.
Kosten der MPU
Die Kosten der medizinisch-psychologischen Untersuchung sind in der GebOSt[12] geregelt. Sie richten sich nach dem durchschnittlichen Aufwand der unterschiedlichen Fragestellungen. Im Februar 2008 wurden die Gebühren erstmals seit Einführung der Fahrerlaubnisverordnung im Jahr 1999 angehoben. Sie betragen für Alkohol- und Drogenuntersuchungen 338,00 Euro netto. Bei kombinierten Fragestellungen erhöht sich die Untersuchungsgebühr um die Hälfte der jeweils höchsten Teilgebühr. Drogenuntersuchungen sind deshalb am teuersten, weil ein Drogenscreening mit einer zusätzlichen Gebühr von 128,00 Euro abgerechnet wird. Hinzu kommen unter anderem Kosten für Zweitschriften und Gutachtenversand. Vielfach liegen die gesamten Gebühren für die MPU über 500,00 Euro.
Teurer sind die vorbereitenden Angebote im Vorfeld einer MPU. Von Verkehrspsychologen werden in der Regel um die 60 bis 100 Euro pro Sitzung zugrundegelegt.
Begutachtungsstellen in Deutschland
Eine gültige Übersicht über sämtliche akkreditierten und amtlich anerkannten MPU-Stellen in Deutschland kann bei der Bundesanstalt für Straßenwesen als zuständiger Akkreditierungsbehörde abgerufen werden.[1] Die Gutachten dieser Stellen werden von allen Fahrerlaubnisbehörden in Deutschland akzeptiert. Sie stehen untereinander im direkten Wettbewerb, der sich angesichts der geregelten Preise[12] vor allem über Kundenempfehlungen und kundengerechte Bearbeitung abspielt. In Großstädten wie Hamburg, Köln, München, Stuttgart und Frankfurt am Main agieren zwischen vier und sechs Anbieter, in Berlin mehr als zehn. Derzeit sind 19 Organisationen akkreditiert, wobei verschiedene Anbieter in Firmenverbänden zusammenarbeiten.
Hilfreiche Hinweise für eine kundenorientierte, fachkundige und menschliche Behandlung der betroffenen Antragsteller finden sich in den Erfahrungsberichten der einschlägigen MPU-Foren.[13]
Gesetzliche Grundlagen der MPU
§ 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) regelt die Erteilung einer Fahrerlaubnis, § 3 StVG die Entziehung. Ein Bewerber für eine Fahrerlaubnis muss – neben anderen Anforderungen wie Mindestalter etc. – zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein. Geeignet ist, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen oder Strafgesetze verstoßen hat (§ 2 Abs. 4 StVG). Begründen Tatsachen (Verkehrsauffälligkeiten, körperliche oder geistige Mängel) Bedenken gegen die Eignung, kann die Fahrerlaubnisbehörde anordnen, dass ein Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung beigebracht wird (§ 2 Abs. 8 StVG).
Ist jemand ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, ist die Fahrerlaubnis zu entziehen. Mit der Entziehung erlischt die Fahrerlaubnis. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis kann das Recht aberkannt werden, von der Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen (§ 3 Abs. 1 StVG).
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen ist durch § 6 StVG ermächtigt, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen, die die Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, die Beurteilung der Eignung durch Gutachten und die Feststellung und Überprüfung durch die Fahrerlaubnisbehörde regeln. Diese Anforderungen sind in der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) detailliert in § 11 (Eignung), § 13 (Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik) und § 14 (Klärung von Eignungszweifeln im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arzneimittel) beschrieben. Auf der Basis der Verordnung fordert die Fahrerlaubnisbehörde eine MPU und legt die jeweilige Fragestellung für die Untersuchung fest. Die Auswahl der Begutachtungsstelle (siehe oben) erfolgt durch den Bewerber.
Kritik und Gerüchte
Über den Ablauf einer MPU kursieren eine Vielzahl von Geschichten und Erzählungen, insbesondere über unlösbare Aufgaben oder absichtliche „Fallen“ während der Gespräche. Einige der häufigsten Falschmeldungen und MPU-„Mythen“:[14]
- „Kugeltest“: Angeblich muss der MPU-Kandidat versuchen, zwei Kugeln aufeinander zu stellen (was praktisch unmöglich ist) und fällt durch, sobald er die Kugeln auch nur berührt. Einen solchen „Test“ hat es bei der MPU nie gegeben – er ist frei erfunden.
- Persönlichkeitsfragebogen oder Aggressionsfragebogen: Angeblich muss ein MPU-Kandidat einen dieser Fragebögen ausfüllen, anhand dessen das Ergebnis der Untersuchung bereits vorab festgelegt wird. Derartige Fragebögen existierten lediglich während einer kurzen Versuchsphase in den 1970er Jahren und wurden bald wieder abgeschafft. Es gibt bei einer MPU kurze Fragebögen, die sich auf die persönliche Lebenssituation beziehen (Beruf, biografische Angaben) oder auf die Verkehrsvorgeschichte und eventuelle Erkrankungen eingehen. Sie dienen aber vor allem als Leitfaden für das Gespräch – und die schriftlichen Angaben werden vor der Übernahme in das Gutachten noch einmal ausdrücklich besprochen.
Auch existiert entgegen Gerüchten kein fester Fragenkatalog, den ein Gutachter abfragt. Jeder Antragsteller wird individuell nach seiner Problematik auf selbstkritische Einsichtsfähigkeit, Glaubwürdigkeit und – je nach der Fragestellung der Fahrerlaubnisbehörde – auf seine Konsumgewohnheiten oder die Stabilität einer begonnenen Verhaltensänderung hin überprüft.
Derartige Gerüchte fördern die Verbreitung des Begriffs „Idiotentest“ im Volksmund. Weitere häufige Behauptungen und die Stellungnahmen der MPU-Befürworter dazu:
Kritische Argumente Stellungnahme der MPU-Befürworter „Die Beurteilung ist reines Glücksspiel.“ Die Begutachtungsstellen für Fahreignung sind an bundesweit einheitliche Beurteilungsmaßstäbe gebunden, die veröffentlicht und von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) verbindlich vorgeschrieben sind (siehe unten). Diese Akkreditierung trägt wesentlich dazu bei, dass die Begutachtung einheitlich und vergleichbar erfolgt. Da Menschen ihr Verhalten und ihre Einstellungen ändern können, ist es gerade keine Glückssache, ob ein Gutachten positiv ausfällt. „Man darf nicht die Wahrheit sagen.“ Zuverlässige Angaben sind für eine günstige Prognose notwendig. Mangelnde Glaubhaftigkeit muss im Gutachten dargestellt werden und kann nicht zu einem günstigen Gutachtenergebnis führen. Bei frei erfundenen Geschichten oder Bagatellisierung der Probleme fällt das Ergebnis meist negativ aus. Glaubhaftigkeit setzt widerspruchsfreie und nachvollziehbare Aussagen voraus (sogenannte „Hypothese 0“). Günstigen Einfluss auf die Beurteilung der Glaubhaftigkeit haben:
- authentische, zutreffende Schilderungen;
- Widerspruchsfreiheit;
- konkrete detailreiche Informationen über Veränderungen;
- Vermeiden von Bagatellisierung und Fremdkritik.
Nicht relevant sind zum Beispiel:
- gepflegtes und modebewusstes Auftreten;
- Lern- und Anpassungsfähigkeit;
- berufliche, familiäre und finanzielle Situation des Probanden;
- Pulsfrequenz während der Untersuchung.
„Man hat sowieso keine Chance durchzukommen.“ Gutachter müssen neutral und objektiv beurteilen und sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen und den gültigen Beurteilungskriterien orientieren. Erforderlich ist aber die Mitwirkung des Betroffenen: Er muss die Ursachen der Verkehrsauffälligkeiten und die gezogenen Konsequenzen benennen und bei Bedarf objektive Nachweise (Leberwerte, Screenings) beibringen. Der hohe Anteil an erfolgreich bestehenden Probanden belegt dies. „Die medizinische Untersuchung und der Reaktionstest sind wissenschaftlich fundiert und faktenorientiert, das Gespräch mit dem psychologischen Gutachter beruht dagegen nicht auf Erkenntnissen und ist von der Qualifikation und Tagesverfassung des Gutachters abhängig.“ MPU-Gutachter entscheiden stets im Team (Arzt und Psychologe). Erkenntnisse ergeben sich zunächst aus der sorgfältigen Analyse der Vorgeschichte der früheren Verkehrsverstöße und den Forschungsergebnissen zur Wiederholungswahrscheinlichkeit nach gravierenden Verkehrsverstößen und Verkehrsstraftaten. Im zweiten Schritt müssen diese Erkenntnisse mit den individuellen Befunden abgeglichen werden, um das Wiederholungsrisiko im Einzelfall zu beurteilen. Die hohen Anforderungen an die Qualifikation der Gutachter und die Einheitlichkeit der Begutachtung werden im Rahmen der Qualitätssicherung regelmäßig überprüft. „Auch jahrelange unauffällige Fahrpraxis zählt nicht.“ Tests sind objektive und Zeit sparende Verfahren, um die aktuelle Leistungsfähigkeit zu belegen. Sie werden ausführlich erklärt und beginnen erst nach einer Übungsphase. Bei erkennbaren Leistungsdefiziten, zum Beispiel im Bereich der Reaktionsschnelligkeit, kann aber auch durch eine zusätzliche Beobachtung des Fahrverhaltens (praktischer Fahrtest) festgestellt werden, ob der Betreffende diese durch seine Erfahrung im Straßenverkehr ausgleichen kann. „Psychologen sind Leute, die mit dem Ziel der Eigendiagnostik ihrer persönlichen Defizite das Studium der Psychologie gewählt haben. Sie benötigen MPU-Probanden zu ihrer permanenten Selbstbestätigung bzw. Selbstüberhöhung und sind daher grundsätzlich ungeeignet, ein objektives Urteil abzugeben.“ Ein Psychologiestudium ist wissenschaftlich anspruchsvoll. Zur „Eigendiagnose und -therapie“ ist es ungeeignet. Psychologen lernen im Studium, objektiv zu urteilen und ihre Entscheidungen wissenschaftlich zu begründen. In Gutachten zur Fahreignung kommt es in erster Linie auf die „Verkehrsbiografie“ des Betreffenden an (die „Aktenlage“). Diese ist in jedem Fall ausreichend für die wissenschaftlich fundierte Diagnose die Sicherheit gefährdender Krankheiten. Kritik an der MPU-Vorbereitung
Niedergelassene Verkehrstherapeuten sehen die Objektivität der Begutachtung gefährdet, weil Trägerorganisationen Tochtergesellschaften gegründet haben, die vor oder nach einer Begutachtung weitere Produkte anbieten: Beratung, Kurse, oft auch ausdrücklich „MPU-Vorbereitung“. Dies gefährde die Neutralität der Begutachtung. Wirtschaftliche Interessen könnten gegenüber fachlichen Gesichtspunkten in den Vordergrund treten – zum Schaden für die Verkehrssicherheit und die Betroffenen.[15]
Fehlende Qualitätskontrollen
Dem wird entgegen gehalten, dass die Maßnahmen zur Vorbereitung auf eine MPU den Gesetzen des freien Marktes unterliegen, also keinen geregelten Qualitätskontrollen und keinen Zugangsvoraussetzungen unterworfen sind – anders als die streng regulierten und aufwendig überprüften Dienstleistungen der akkreditierten Träger von Begutachtungsstellen für Fahreignung und Anbieter von Kursen nach § 70 FeV („Kurse mit Rechtsfolge“).
„MPU-Vorbereitung“ kann jeder betreiben, der sich für kompetent hält. Deshalb bieten neben ehemals Betroffenen und Fahrlehrern auch zahlreiche andere Berufsgruppen MPU-Vorbereitungskurse an. Es existieren weder einheitliche fachliche Standards, noch Qualitätskontrollen oder Anforderungen an die Qualifikation und Weiterbildung der MPU-Vorbereiter. Genau dies wird im Sinne des Verbraucherschutzes und zur Verbesserung der Reputation des Arbeitsgebietes seit Jahren vom Gesetzgeber gefordert.
Änderungen zum 1. Juli 2009
Zum 1. Juli 2009 wurde eine strikte Trennung zwischen MPU-Diagnostik und Beratung/Therapie rechtskräftig. Die organisatorische, personelle und räumliche Trennung wird nun sukzessive vollzogen. Beratungen an amtlich anerkannten MPU-Stellen sind seitdem nicht mehr erlaubt, desgleichen Empfehlungen für oder Weiterleitungen an bestimmte „Vorbereiter“.
Damit sollte die Neutralität der Begutachtungsstellen für Fahreignung und die Objektivität der Begutachtung gestärkt werden. „Dies stellt einen wichtigen Baustein für die Akzeptanz der medizinisch-psychologischen Begutachtung in der Öffentlichkeit dar und leistet auch einen Beitrag für die Verkehrssicherheit“.[16] Maßgeblich für den Erfolg der gesetzlichen Trennung von Beratung und Diagnostik sei die konsequente Durchsetzung durch die Aufsichtsbehörden.
Sonstiges
Bestehensquoten und Wirksamkeit
Im Jahr 2006 führten 62,6 Prozent aller Untersuchungen zur Erteilung der Fahrerlaubnis.[17] Der Anteil der positiven Gutachten lag dabei bei 46,4 Prozent, weitere 16,2 Prozent der MPU-Teilnehmer erhielten ihren Führerschein nach einem zusätzlichen §70-Nachschulungskurs zurück (offizielle Bezeichnung: „Kurs zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung für auffällige Kraftfahrer“). Das Für und Wider von „zu viele kommen durch“ und „zu viele fallen durch” ist eine Frage persönlicher Wertmaßstäbe und gesellschaftlicher Sicherheitsbedürfnisse. Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind etwa elf Prozent der tödlichen Unfälle auf Alkoholeinfluss zurückzuführen.[18]
Im langfristigen Trend fällt der deutliche Anstieg positiver Gutachten auf (1997: 40,8 %, 2008: 51,2 %). Allerdings differieren die Quoten zwischen den einzelnen Untersuchungsanlässen erheblich: Bei Alkoholtätern 46,0 % positiv, bei Drogentätern 55,9 % positiv. Verbesserte Labor-Nachweismethoden (bei Alkohol insbesondere das Ethylglucuronid) und Therapieangebote im Vorfeld der MPU könnten mittelfristig zu einem weiteren Anstieg der Positiv-Quoten führen.
Eine Abkürzung der Sperrfrist geht nicht automatisch mit einem erhöhten Rückfallrisiko einher. Eine Studie aus dem Jahr 2001[19] belegte, dass Rehabilitationsmaßnahmen innerhalb der Sperrfrist zu einer Senkung des Rückfallrisikos führen. Ungeklärt ist noch, ob sich diese Ergebnisse auf die gegenwärtige breite Palette unterschiedlicher Ansätze im Vorfeld der MPU – von intensiver Einzeltherapie bis hin zu „Schauspielschulen“ – übertragen lassen.
Die Wirksamkeit („Legalbewährung“) der MPU hat sich seit Beginn der 1980er Jahre verbessert. Eine bundesweite Untersuchung im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen[20] erfolgte anlässlich der erstmaligen Einführung von Rehabilitationskursen für alkoholauffällige Kraftfahrer (ab 1980). Wurden damals noch 18,8 Prozent positiv beurteilte MPU-Absolventen innerhalb von drei Jahren erneut auffällig (Kursteilnehmer: 13,4 Prozent), so lagen die Quoten erneut auffälliger Fahrer aus der Zeit von 1987 bis 1990 nur noch bei 11,2 (bzw. Kursteilnehmer: 13,8 Prozent).[21] Personen, die erst bei einer zweiten Untersuchung – ohne zwischenzeitliche verkehrspsychologische Maßnahme – ihre Fahrerlaubnis erneut erhalten hatten, wurden nach dieser Untersuchung im Untersuchungszeitraum von drei Jahren zu 21,2 Prozent erneut auffällig. Auch Aussagen, nach denen jeder dritte Alkoholfahrer nach einer positiven MPU erneut rückfällig wird,[22] werden durch die Fachliteratur gestützt,[23] wenn der Beobachtungszeitraum von drei auf zehn Jahre ausgedehnt wird.
Vor dem Hintergrund dieser Evaluationsstudien sehen die Befürworter der MPU die Wirksamkeit dieser gesetzlichen Maßnahme als ausreichend belegt an. Die Wirkung von Sanktionen wie Fahrerlaubnisentzug und Strafe allein (also ohne MPU) ist nach Stephan (1984) deutlich geringer. Die Rückfallwahrscheinlichkeit (Grundrate) liegt nach Stephan bei „Ersttätern unter 2,0 Promille“ bei etwa 35 %.[24] Das kombinierte System von Fahrerlaubnisentzug und MPU trägt demnach spürbar zur Reduktion von Todesopfern und Verletzten im Straßenverkehr bei.
Bei dem norddeutschen Projekt von 2001 (siehe oben[19]) lagen die Werte für positiv Beurteilte bei 6,5 Prozent und für Kursteilnehmer bei 8,3 Prozent. Wurde der Führerschein erst nach therapeutischen Maßnahmen und einer weiteren Untersuchung wieder erteilt, lag das Wiederholungsrisiko bei 4,4 Prozent. Diese Zahlen sind vergleichbar mit den Ergebnissen anderer intensiver Verkehrstherapien (vgl.[25] – Evaluationsstudie nicht veröffentlicht).
Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung
Seitens einiger Verkehrsjuristen wird argumentiert, die Entscheidung einer Fahrerlaubnisbehörde zu einer MPU müsse auf dem Rechtsweg überprüfbar sein. Die Überprüfung der Entscheidung sei auch aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten, da es sich bei der MPU um einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht handle. Andere Positionen stellen die selbstständige Anfechtung einer MPU-Anordnung generell in Frage.[26]
Der Entscheidungsspielraum der Fahrerlaubnisbehörde ist jedoch sehr eng. Der Gesetzgeber bewertet eine MPU als eine vorbereitende Handlung im Rahmen einer Verwaltungsentscheidung. Er sieht bislang keine Veranlassung, diese Verwaltungsentscheidung auf dem Rechtsweg überprüfbar zu machen. Gegen die Entscheidungen der Fahrerlaubnisbehörden können Rechtsmittel eingelegt werden.
Dienstführerscheine der Bundeswehr
Bei Dienstführerscheinen der Bundeswehr schreibt das Soldatengesetz die Zuständigkeit über Verfahrenswege gesetzlich vor, von denen auch die Strafverfolgungsbehörden nicht abweichen dürfen. Eine MPU ist infolgedessen nur dann anzuordnen, wenn die „lex specialis“ dies auch vorsieht. Hier wird die Zuständigkeit der Fahrerlaubnisbehörde gesetzlich eingeschränkt bzw. „auf Null reduziert“. Die Entscheidung über die Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr eines Soldaten mit Dienstführerschein wird nicht von der zivilen Fahrerlaubnisbehörde getroffen, eine ggf. angeordnete Auflage einer „MPU“ ist rechtsunwirksam. Die Fahrtauglichkeit eines Angehörigen der Bundeswehr wird ausschließlich von seinen dienstvorgesetzten Stellen auf der Grundlage der dort gegebenen "Menschenkenntnis" festgestellt. Maßgebend für die Eignung von Soldaten und Ehemaligen zum Führen eines Kraftfahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr ist der Soldatengesetzkommentar, der Kommentar zur Wehrdisziplinarordnung (WDO) und der Kommentar zur Wehrbeschwerdeordnung (WBO).
MPU-Umgehung
Der Weg der MPU-Umgehung durch den Führerscheinerwerb im europäischen Ausland wurde in der Vergangenheit von vielen Antragstellern praktiziert (vgl. Führerscheintourismus). Diese Praxis hat sich jedoch infolge einer Neuregelung zum 19. Januar 2009 wesentlich geändert, womit wieder mehr Rechtssicherheit und -gleichheit entstanden ist. Die Zahl der Werbeanzeigen für "EU-Führerscheine" hat inzwischen deutlich abgenommen.
Angesichts der weiterhin umstrittenen Rechtslage, möglicher späterer Nutzungsuntersagungen und vieler betrügerischer Angebote mit „Erfolgsgarantien“ ist eine vorherige Information zum Beispiel bei Verkehrsanwälten sinnvoll.
Eignungsuntersuchungen für Berufskraftfahrer
Bewerber und Inhaber der Klassen D, D1, DE, D1E oder einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (z. B. Busfahrer) müssen sich ab Vollendung des 50. Lebensjahres alle fünf Jahre einer eingehenden verkehrsmedizinischen und -psychologischen Untersuchung unterziehen.
Der verkehrspsychologische Teil umfasst die Überprüfung besonderer Anforderungen wie Orientierungsleistung, Konzentrationsleistung, Aufmerksamkeitsleistung, Belastbarkeit und Reaktionsfähigkeit. Diese Vorschriften sind seit dem 1. Januar 1999 gültig. Damit soll sichergestellt werden, dass Berufskraftfahrer die besonderen Anforderungen für diese Tätigkeit erfüllen.
Die Untersuchungen werden von Arbeits- und Betriebsmedizinern, sowie in amtlich anerkannten Begutachtungsstellen für Fahreignung angeboten.
Einzelnachweise
- ↑ a b Register der Begutachtungsstellen in Deutschland bei der Akkreditierungsbehörde (BASt)
- ↑ Suchfunktion für Fachpsychologen für Verkehrspsychologie
- ↑ Suchfunktion für amtlich anerkannte verkehrspsychologische Beraterinnen und Berater
- ↑ a b BDP: Tipps und Hilfen zum Verbraucherschutz
- ↑ Jurathek: Begutachtungs-Leitlinien
- ↑ Aktuelle Berichterstattung zum Thema MPU und EU-Führerschein
- ↑ Du, du - du musst zur MPU. Rap Song des Hiphoppers Jim Pansen zum Thema MPU
- ↑ Inspirationsquelle Idiotentest
- ↑ Lappen weg - Frauen ohne Regeln
- ↑ BASt-Bericht 2009: Begutachtung der Fahreignung 2008
- ↑ Wolfram Heinrich: Betrunken fahren? Das Phänomen des „Ewigen Alkoholfahrers“ (PDF-Datei)
- ↑ a b Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr - GebOSt
- ↑ MPU-Foren: Praktische Beispiele
- ↑ MPU-Mythen am Beispiel Alkohol
- ↑ www.bnv.de
- ↑ Begründung zur Änderung der Fahrerlaubnisverordnung Anlage 14 FeV, PDF
- ↑ Begutachtung der Fahreignung 2006
- ↑ Unfallgeschehen im Straßenverkehr 2005 - Presseexemplar des Statistischen Bundesamts S.33 (www.destatis.de, 610 kB)
- ↑ a b Wolfgang Jacobshagen (2001): Die Wirksamkeit des Modells BUSS – Beratung, Untersuchung und Schulung in der Sperrfrist – bei alkoholauffälligen Kraftfahrern. Blutalkohol 38, S. 233 – 248
- ↑ Werner Winkler, Wolfgang Jacobshagen und Wolf-Rüdiger Nickel (1988): Wirksamkeit von Kursen für wiederholt auffällige Kraftfahrer. Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr 64
- ↑ Wolfgang Jacobshagen und Hans-Dieter Utzelmann (1996): Medizinisch-Psychologische Fahreignungsbegutachtungen bei alkoholauffälligen Fahrern und Fahrern mit hohem Punktestand. Empirische Ergebnisse zur Wirksamkeit und zu deren diagnostischen Elementen. Verlag TÜV Rheinland, Köln
- ↑ Vortrag Edzard Glitsch, zitiert nach Ärzte Zeitung
- ↑ Wolfgang Jacobshagen (1996): ALKOEVA und kein Ende? Blutalkohol 33, S.257–266
- ↑ Egon Stephan (1984): Die Rückfallwahrscheinlichkeit bei alkoholauffälligen Kraftfahrern in der Bundesrepublik Deutschland. Zeitschrift für Verkehrssicherheit 30, 28-34
- ↑ Rüdiger Born (2006): [1]. 2. BNV-Kongress Kassel, 21.-22. September 2006. Verkehrstherapie als Best Practice – Alltag und Aussicht
- ↑ Klaus Weber (2006): Keine selbständige Anfechtbarkeit einer MPU-Anordnung, in: NZV 2006 Heft 8, 399–407.
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