- Meine Seele preist die Größe des Herrn
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Mit den Worten „Magnificat anima mea Dominum“ („Meine Seele preist den Herrn“) beginnt auf lateinisch der psalmartige Lobgesang Marias, mit dem sie nach der Ankündigung der Geburt Jesu durch den Engel Gabriel zu Besuch bei ihrer Base Elisabeth, auf deren prophetischen Willkommensgruß antwortet. Das Magnificat ist eines der drei Cantica des Lukasevangeliums (Lk 1,46-55 EU).
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Maria preist auf Grund ihres Glaubens Gott als den, der sich ihr und allen Geringen, Machtlosen und Hungernden zuwendet, um sie aufzurichten, dagegen die Mächtigen, Reichen und Hochmütigen von ihren Thronen stürzt. Außerdem sagt Maria voraus, dass alle kommenden Generationen sie selig preisen werden (s. Marienverehrung).
Das Gebet erinnert vielfach an den Lobgesang der Hannah, der Mutter des Propheten Samuel, der sich im Alten Testament in 1 Sam 2 EU findet.
Liturgische Verwendung
Das Magnificat gehört zu den Grundtexten des Christentums. Im Stundengebet ist es in der Ostkirche Bestandteil des Morgengebetes. In der Westkirche dagegen ist es der Höhepunkt der abendlichen Vesper, in der es feierlich gesungen wird (an Sonn- und Festtagen mit Inzens und mancherorts mit Leuchtern festlich gestaltet).
Martin Luther regte an, es auf dem 9. Psalmton zu singen.
Jacques Berthier schuf für das tägliche Gebet der Communauté de Taizé mehrere Fassungen (vierstimmige Chorsätze, Kanons) des Magnificats, die in vielen europäischen Gesangbüchern und meditativen Liturgien Einzug gehalten haben.
Musikalische Umsetzung
Viele Komponisten haben Magnificat-Vertonungen geschrieben. Das früheste mehrstimmige Fragment stammt aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Danach gab es namhafte Werke mit diesem Titel, unter anderem von:
- John Dunstable
- Johannes Galliculus
- Thomas Tallis
- Orlando di Lasso (1567)
- Giovanni Pierluigi da Palestrina (vierstimmig, gedruckt 1591)
- Antoine Boësset
- Michael Praetorius
- Samuel Scheidt (1622)
- Heinrich Schütz (Deutsches Magnificat SWV 494, Schwanengesang)
- Claudio Monteverdi
- Francesco Cavalli (achtstimmig)
- Dietrich Buxtehude (BuxWV Anhang 1)
- Jan Dismas Zelenka (a-moll, ZWV 106;C-Dur, ZWV 107; D-Dur, ZWV 108)
- Johann Sebastian Bach (siehe Magnificat)
- Antonio Vivaldi (g-moll, RV 610a)
- Francesco Durante
- Johann Kuhnau
- Georg Philipp Telemann (C-Dur, TWV 9:17, Deutsches Magnificat G-Dur, TWV 9:18)
- Gottfried August Homilius (vier Kompositionen)
- Carl Philipp Emanuel Bach (D-Dur, 1749)
- Baldassare Galuppi (G-Dur, 1778)
- Nikolaus Betscher (D-Dur)
- Franz Schubert (C-Dur, D 486)
- Felix Mendelssohn Bartholdy (op. 65, 1822)
- Anton Bruckner (B-Dur, 1852)
- Charles Gounod (Englisches Magnificat D-Dur, 1872)
- Peter Tschaikowsky (1881/1882)
- Ralph Vaughan Williams (1925)
- Herbert Howells
- Hugo Distler (1933)
- Goffredo Petrassi (1939/1940)
- Krzysztof Penderecki (1974)
- Heinrich Poos (1979)
- Arvo Pärt (1989)
- John Rutter (1990)
- Steve Dobrogosz (2003)
Manche Komponisten haben mehrere Versionen geschaffen, angepasst an das Können der zur (Erst-)Aufführung vorgesehenen Chöre bzw. Solisten.
In der Klangsprache populärer Musik wurde das Magnificat z. B. von Michael Benedict Bender und Alan Wilson vertont.
Neben vokalen Vertonungen des Magnificat sind ebenfalls zahlreiche Kompositionen für Orgel vornehmlich des 16. und 17. Jahrhunderts zu erwähnen, die den cantus firmus des Magnificat in den verschiedenen Kirchentönen als Basis sogenannter Versetten verwenden. Nahezu alle Orgelkomponisten dieser Zeit haben hierzu Werke beigesteuert; besonders zu erwähnen sind Kompositionen von Girolamo Frescobaldi, Claude Balbastre, Jean-François Dandrieu, Nicolas Antoine Le Bègue, Jacques Boyvin, Michel Corrette, Jean-Adam Guilain oder auch Johann Erasmus Kindermann. Die einzelnen Verse des Magnificat wurden hierbei alternierend mit einem Chor oder einer Schola ausgeführt.
Im Zuge der Bemühungen, Sammlungen leichter, qualitätvoller Orgelmusik für die verschiedenen liturgischen Gegebenheiten des Kirchenjahres zu schaffen, wurden von romantischen Komponisten vereinzelt auch wieder solche Magnificatversetten verfaßt, so z. B. von Alexandre Guilmant. Im 20. Jahrhundert schuf auch Charles Tournemire in dieser Tradition seine Postludes Libres pour des Antiennes de Magnificat op. 68.
Der Tonus peregrinus, der als Psalmton gemeinhin mit dem Magnificat assoziiert wird, wurde mit einem verdeutschten Text ("Meine Seel erhebt den Herren") unterlegt und gehört in dieser Form zu den bekanntesten evangelischen Chorälen. Dieser wurde einer Vielzahl von Fugen zugrundegelegt, so auch von Johann Sebastian Bach für seine sog. Fuge über das Magnificat BWV 733; auch der 4. Schüblerchoral BWV 648 basiert auf dieser Melodie, dieser ist eine Transkription einer Arie aus der an das deutsche Magnificat angelehnten Kantate "Meine Seel erhebt den Herren" BWV 10. Ein bekanntes romantisches Orgelwerk, das ebenfalls den "Tonus peregrinus" zitiert, ist die Orgelsonate Nr. 4 a-Moll op 98 von Joseph Gabriel Rheinberger.
Bedeutung
Das Magnificat gilt als einer der großartigsten biblischen Texte und hat zu immer neuer Auseinandersetzung angeregt. Es nimmt die Reich-Gottes-Verkündigung Jesu und die „umwertende“ Bedeutung seines Kreuzes vorweg. Das Magnificat ist nur im Evangelium des Lukas enthalten, der sich von den Evangelisten am meisten für die Ausgegrenzten interessiert, und propagiert gleich am Anfang des Evangeliums die Wichtigkeit dieses theologischen Anliegens. Moderne Deutungen unterstreichen gern die Stärke Marias und den „revolutionären“ Aspekt ihres Liedes.
Text
Griechischer Originaltext
Μεγαλύνει ἡ ψυχή μου τὸν Κύριον καὶ ἠγαλλίασε τὸ πνεῦμά μου ἐπὶ τῷ Θεῷ τῷ σωτῆρί μου,
ὅτι ἐπέβλεψεν ἐπὶ τὴν ταπείνωσιν τῆς δούλης αὐτοῦ. ἰδοὺ γὰρ ἀπὸ τοῦ νῦν μακαριοῦσί με πᾶσαι αἱ γενεαί.
ὅτι ἐποίησέ μοι μεγαλεῖα ὁ δυνατός καὶ ἅγιον τὸ ὄνομα αὐτοῦ, καὶ τὸ ἔλεος αὐτοῦ εἰς γενεὰς γενεῶν τοῖς φοβουμένοις αὐτόν.
Ἐποίησε κράτος ἐν βραχίονι αὐτοῦ, διεσκόρπισεν ὑπερηφάνους διανοίᾳ καρδίας αὐτῶν·
καθεῖλε δυνάστας ἀπὸ θρόνων καὶ ὕψωσε ταπεινούς, πεινῶντας ἐνέπλησεν ἀγαθῶν καὶ πλουτοῦντας ἐξαπέστειλε κενούς.
ἀντελάβετο Ἰσραὴλ παιδὸς αὐτοῦ, μνησθῆναι ἐλέους, καθὼς ἐλάλησε πρὸς τοὺς πατέρας ἡμῶν, τῷ Ἀβραὰμ καὶ τῷ σπέρματι αὐτοῦ εἰς τὸν αἰῶνα.Latein (Vulgata-Übersetzung)
Dieser Text wird in der westlichen Liturgie verwendet und gab dem Magnificat seinen im Westen üblichen Namen.
Magnificat anima mea Dominum,
et exsultavit spiritus meus in Deo salutari meo.Quia respexit humilitatem ancillae suae.
Ecce enim ex hoc beatam me dicent omnes generationes.Quia fecit mihi magna, qui potens est,
et sanctum nomen eius.Et misericordia eius a progenie in progenies
timentibus eum.Fecit potentiam in brachio suo,
dispersit superbos mente cordis sui.Deposuit potentes de sede
et exaltavit humiles.Esurientes implevit bonis
et divites dimisit inanes.Suscepit Israel puerum suum,
recordatus misericordiae suae.Sicut locutus est ad patres nostros,
Abraham et semini eius in saecula.Gloria Patri et Filio
et Spiritui Sancto,sicut erat in principio et nunc et semper
et in saecula saeculorum. Amen.Deutsch (Einheitsübersetzung)
Meine Seele preist die Größe des Herrn,
und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.
Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.Denn der Mächtige hat Großes an mir getan,
und sein Name ist heilig.Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht
über alle, die ihn fürchten.Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten:
Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind.Er stürzt die Mächtigen vom Thron
und erhöht die Niedrigen.Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben
und lässt die Reichen leer ausgehen.Er nimmt sich seines Knechtes Israel an
und denkt an sein Erbarmen,das er unseren Vätern verheißen hat,
Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.Das Magnificat wird in der Vesper wie die Psalmen und anderen Cantica mit einer Doxologie, dem Gloria Patri abgeschlossen:
Ehre sei dem Vater und dem Sohn
und dem Heiligen Geist,wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit
und in Ewigkeit. Amen.Deutsch (Luther)
Meine Seele erhebt den Herrn,
und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilands.Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.
Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder.Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist
und des Name heilig ist.Und seine Barmherzigkeit währet immer für und für
bei denen, die ihn fürchten.Er übet Gewalt mit seinem Arm
und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.Er stößt die Gewaltigen vom Stuhl
und erhebt die Niedrigen.Die Hungrigen füllt er mit Gütern
und lässt die Reichen leer.Er denkt der Barmherzigkeit
und hilft seinem Diener Israel auf,wie er geredet hat unsern Vätern,
Abraham und seinem Samen ewiglich.Ehre sei dem Vater und dem Sohne
und dem Heiligen Geiste,wie es war im Anfang, jetzt und immerdar
und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.Literatur
Deutsche Psalmodie
- Meine Seele preist die Größe des Herrn, in: Gotteslob 689
- Meine Seele erhebt den Herren, in: Evangelisches Gesangbuch, Ausgabe Bayern/Thüringen 799
Magnificat-Lieder
- Erasmus Alber: Mein Seel, o Herr, muß loben dich, in: Evangelisches Gesangbuch 308 (aus dem Jahr 1534)
- Fritz Enderlin: Hoch hebt den Herrn mein Herz und meine Seele, in: Evangelisches Gesangbuch 309 (aus dem Jahr 1952)
- Paul Ernst Ruppel: Meine Seele erhebt den Herren, in: Evangelisches Gesangbuch 310 (dreistimmiger Kanon aus dem Jahr 1938)
- Jacques Berthier: Magnificat anima mea, Doppelkanon für je vier Stimmen, in: Evangelisches Gesangbuch, Ausgabe Württemberg 573 (aus dem Jahr 1978)
- Jürgen Henkys: Gottes Lob wandert, in: Gesangbuch der evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz, (aus dem Jahr 1983), Musik: Manfred Schlenker (1985)
- Maria Luise Thurmair: Den Herren will ich loben, in: Evangelisches Gesangbuch, Ausgabe für Bayern und Thüringen 604 (Jahresangabe 1954/1971)
Interpretationen
- Martin Luther: Das Magnificat, verdeutscht und ausgelegt, Weimarer Ausgabe 7, S. 544-604 (begonnen im November 1520, fertiggestellt auf der Wartburg 1521)
- Paul-Gerhard Nohl, Artikel Magnificat, in: Paul-Gerhard Nohl, Lateinische Kirchenmusiktexte. Geschichte - Übersetzung - Kommentar, Kassel u.a. 2006, 4. Auflage, S. 134-154 ISBN 3-7618-1249-3
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