- Meinhard Miegel
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Meinhard Miegel (* 23. April 1939 in Wien) ist ein deutscher Sozialwissenschaftler und Publizist.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Miegel studierte nach dem Abitur, das er 1957 in Bad Langensalza ablegte, zunächst zwei Semester Musik an der Musikhochschule Weimar. Nach seiner Flucht in die Bundesrepublik begann er 1958 mit dem Studium der Soziologie und Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. 1959 ging er nach Washington D.C. und erwarb dort 1961 den Bachelor of Arts. Von 1961 bis 1966 studierte er in Frankfurt am Main Rechtswissenschaften, Philosophie und Volkswirtschaftslehre. 1966 legte er das 1. und 1969 das 2. juristische Staatsexamen ab. 1967 wurde er zum Dr. iur. utr. promoviert.
Von 1970 bis 1973 war Miegel Syndikusanwalt bei der Firma Henkel in Düsseldorf. Von 1973 bis 1977 war er Mitarbeiter des Generalsekretärs der CDU, Kurt Biedenkopf, ab 1975 Leiter der Hauptabteilung Politik, Information und Dokumentation der Bundesgeschäftsstelle der CDU.
Zusammen mit Kurt Biedenkopf gründete Miegel 1977 das Institut für Wirtschaft und Gesellschaft Bonn (IWG BONN), ein privat finanziertes Forschungsinstitut, dem er bis zu dessen Auflösung (2008) vorstand. 1992 wurde Miegel als außerplanmäßiger Professor an die Universität Leipzig berufen, wo er bis 1998 lehrte und das Zentrum für internationale Wirtschaftsbeziehungen leitete. Dieses Zentrum ist eine interdisziplinäre Forschungseinrichtung, die „die politisch-historischen Rahmenbedingungen und die soziokulturellen Einflüsse des wirtschaftlichen Wandels in Mittel- und Osteuropa“ erforscht. Von 1995 bis 1997 war er außerdem Vorsitzender der Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen.
Seit 2007 ist Miegel Vorstandsvorsitzender des Denkwerks Zukunft – Stiftung kulturelle Erneuerung.
Standpunkte
Im Mittelpunkt von Miegels Arbeiten stehen Analysen der sich ändernden Rahmenbedingungen von Wirtschaft und Gesellschaft. Besonders häufig äußert er sich öffentlich zum demographischen Wandel und dessen Folgen für die umlagefinanzierten sozialen Sicherungssysteme. Er plädiert für die Umwandlung der lohnbezogenen gesetzlichen Rente in eine allgemeine, steuerfinanzierte Grundsicherung im Alter, die durch private Vorsorge zu ergänzen ist.[1][2][3] Miegels Vorschläge zielen darauf ab, „die tradierte Arbeitnehmergesellschaft zu überwinden und eine eigenverantwortliche Bürgergesellschaft aufzubauen.“ Im Rahmen des Denkwerks Zukunft plädiert er für eine Zurückdrängung der Wachstumsideologie und die Schaffung einer zukunfts- und verallgemeinerungsfähigen Kultur.
Miegel war 2003 Mitglied und Sprecher der Vereinigung Bürgerkonvent.
Vorwurf der Verflechtung mit der Versicherungswirtschaft
Miegels Institut für Wirtschaft und Gesellschaft finanzierte sich unter anderem durch Unternehmensspenden und lebte von Auftragsarbeiten, wie etwa für das Deutsche Institut für Altersvorsorge. Da Miegel öffentlich sich für private Altersvorsorge ausspricht, sieht ihn der Ökonom Albrecht Müller als ein Beispiel für die Verflechtung von Politik, Wissenschaft und Versicherungswirtschaft. Miegel selbst weist die Vorwürfe zurück.[4]
Aktive Mitgliedschaften
- Europäische Akademie der Wissenschaften und Künste (seit 1994)
- Kuratorium der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf (seit 1997)
- Global Aging Commission, Center for Strategic & International Studies, Washington, D.C. (seit 1999)
- Konzernbeirat der AXA Konzern AG, Köln (seit 2003)
- Wirtschaftssenat des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft, Berlin (seit 2003)
Auszeichnungen
- Cicero-Preis (1995)
- Schaderpreis (2000)
- Corine (2002)
- Hanns Martin Schleyer-Preis (2004)
- Theodor-Heuss-Preis (2005)
Veröffentlichungen
- Der Unternehmensbegriff des Aktiengesetzes 1965. Unter besonderer Berücksichtigung der allgemeinen Problematik des Unternehmensbegriffs. Gehlen, Bad Homburg/Berlin/Zürich 1970 (Dissertation)
- mit Kurt H. Biedenkopf: Wege aus der Arbeitslosigkeit. Arbeitsmarktpolitik in der sozialen Marktwirtschaft. Verlag Bonn Aktuell, Stuttgart 1978, ISBN 3-87959-083-4
- mit Kurt H. Biedenkopf: Wohnungsbau am Wendepunkt. Wohnungspolitik in der sozialen Marktwirtschaft. Verlag Bonn Aktuell, Stuttgart 1978, ISBN 3-87959-099-0; 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage ebd. 1979, ISBN 3-87959-120-2
- mit Kurt H. Biedenkopf: Die programmierte Krise. Alternativen zur staatlichen Schuldenpolitik. Verlag Bonn Aktuell, Stuttgart 1979, ISBN 3-87959-110-5
- Sicherheit im Alter. Plädoyer für die Weiterentwicklung des Rentensystems. Verlag Bonn Aktuell, Stuttgart 1981, ISBN 3-87959-155-5
- (Hrsg.):Technik 2000 – Chance oder Trauma? Berichtsband über die internationale Fachkonferenz des Instituts für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik am 15./16. Juni 1981 im Wissenschaftszentrum Bonn-Bad Godesberg. Verlag Bonn Aktuell, Stuttgart 1982, ISBN 3-87959-178-4
- Die verkannte Revolution. Einkommen und Vermögen der privaten Haushalte. Verlag Bonn Aktuell, Stuttgart 1983, ISBN 3-87959-196-2
- Arbeitsmarktpolitik auf Irrwegen. Zur Ausländerbeschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland. Verlag Bonn Aktuell, Stuttgart 1984, ISBN 3-87959-229-2
- mit Stefanie Wahl: Gesetzliche Grundsicherung, private Vorsorge – der Weg aus der Rentenkrise. Verlag Bonn Aktuell, Stuttgart 1985, ISBN 3-87959-255-1
- Kurswechsel in der Kohlepolitik? Verlag Bonn Aktuell, Stuttgart 1987, ISBN 3-87959-268-3
- mit Kurt H. Biedenkopf: Investieren in Deutschland. Die Bundesrepublik als Wirtschaftsstandort. Mi-Poller, Landsberg 1989, ISBN 3-478-56826-9
- (Hrsg.): Sentenzen am Wege. Kurt Biedenkopf zum Sechzigsten. Bonn Aktuell, Stuttgart 1990, ISBN 3-87959-414-7
- Wirtschafts- und arbeitskulturelle Unterschiede in Deutschland. Zur Wirkung außerökonomischer Faktoren auf die Beschäftigung. Eine vergleichende Untersuchung. Verlag Bertelsmann-Stiftung, Gütersloh 1991, ISBN 3-89204-051-6
- (Hrsg.): Das Ende der Sowjetunion. Einsturz und Aufbau einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Aufzeichnungen aus einem Symposium des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft Bonn e. V. und des Instituts für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen der Akademie der Wissenschaften der UdSSR vom 18. bis 20. Juni 1991 auf Burg Rheineck, Bad Breisig. Nomos-Verlags-Gesellschaft, Baden-Baden 1992, ISBN 3-7890-2615-8
- mit Stefanie Wahl: Das Ende des Individualismus. Die Kultur des Westens zerstört sich selbst. Aktuell, München/Landsberg 1993, ISBN 3-87959-500-3
- mit Stefanie Wahl: Solidarische Grundsicherung, private Vorsorge. Der Weg aus der Rentenkrise. Aktuell, München 1997, ISBN 3-87959-535-6
- mit Adrian Ottnad & Stefanie Wahl: Zwischen Markt und Mildtätigkeit. Die Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege für Gesellschaft, Wirtschaft und Beschäftigung. Eine Studie des IWG Bonn. Olzog, München 2000, ISBN 3-7892-8033-X
- mit Stefanie Wahl: Arbeitslosigkeit in Deutschland. Phantom und Wirklichkeit. Gutachten. Olzog, München 2001, ISBN 3-7892-8078-X
- Die deformierte Gesellschaft. Wie die Deutschen ihre Wirklichkeit verdrängen. Propyläen, Berlin/München 2002, ISBN 3-549-07154-X; Ullstein, München 2003, ISBN 3-548-36440-3
- „Berlin wird langsam auf die Größe Hamburgs eindunsten“, Interview mit Matthias Kamann, Die Welt, 25. Februar 2002
- Lauter letzte Warnungen, Rezension von Warnfried Dettling, Die Zeit, Nr. 11/2002
- Ende des Konsums, Rezension von Barbara Dribbusch, die tageszeitung, 21. März 2002
- Epochenwende. Gewinnt der Westen die Zukunft? Propyläen, Berlin 2005, ISBN 978-3-549-07177-9; List, Berlin 2007, ISBN 978-3-548-60705-4
- Vertrauter Untergangsgesang, Rezension von Gunter Hofmann, Die Zeit, Nr. 37, 8. September 2005
- Ein düsteres Zukunftsszenario, Rezension von Peter Merseburger, Deutschlandradio Kultur, 14. Oktober 2005
- Die Jäger sind müde geworden, Rezension von Barbara Dribbusch, die tageszeitung, 31. Dezember 2005
- (Hrsg.): Für eine zukunftsfähige Kultur. Bouvier, Bonn 2007, ISBN 978-3-416-03128-8
- mit Thomas Petersen: Der programmierte Stillstand. Das widersprüchliche Verhältnis der Deutschen zu Wirtschaftswachstum und materieller Wohlstandsmehrung. Olzog, München 2008, ISBN 978-3-7892-8258-4
- 2015 – das Jahr der finalen Krise. Interview mit Nils Minkmar. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 3. Juni 2009; erneut in: Frank Schirrmacher & Thomas Strobl (Hrsg.): Die Zukunft des Kapitalismus. Suhrkamp, Frankfurt 2010, ISBN 978-3-518-12603-5
- Exit. Wohlstand ohne Wachstum. Propyläen, Berlin 2010, ISBN 978-3-549-07365-0
- An die Eliten, Rezension von Wolfgang Uchatius, Die Zeit, Nr. 12, 18. März 2010
- Mehr Joint als Venture, Rezension von Dieter Rulff, die tageszeitung, 20. März 2010
Einzelnachweise
- ↑ Meinhard Miegel & Stefanie Wahl: Solidarische Grundsicherung, private Vorsorge. Der Weg aus der Rentenkrise. Aktuell, München 1997, ISBN 3-87959-535-6
- ↑ Hendrik Munsberg: Deshalb quietscht und knirscht es. Interview in der Berliner Zeitung. 15. November 2002
- ↑ Dirk Müller: Miegel: Rente kann nur noch Grundsicherung leisten. Interview im Deutschlandfunk. 15. Februar 2006
- ↑ SWR, „Die Rentenlüge“, 24. April 2008
Weblinks
Literatur
- Literatur von und über Meinhard Miegel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Rezensionen zu Werken von Meinhard Miegel bei perlentaucher.de
Presse
- Vor uns: 30 magere Jahre, Beitrag von Miegel für die Serie Agenda Deutschland in der Zeit, Nr. 31/2002
- Alle Parteien lavieren herum, Interview von Uwe Müller in der Welt, 30. Mai 2005
- Das Versprechen, die Renten nicht zu kürzen, ist unseriös, Interview bei FactCheck
- Die apokalyptischen Reiter, kritischer Artikel zu Miegel von Werner Loewe im Vorwärts, 23. März 2006
- Interview in 'Die Zeit', Januar 2011: „Der Boom beruht ganz wesentlich auf Schulden“
Sonstiges
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