- Methylfluorphosphonsäureisopropylester
-
Strukturformel Allgemeines Name Methylfluorphosphonsäureisopropylester Andere Namen Sarin
Summenformel C4H10FO2P CAS-Nummer 107-44-8 PubChem 7871 Kurzbeschreibung stark flüchtige, farblose Flüssigkeit mit obstartigem Geruch Eigenschaften Molare Masse 140,1 g·mol−1 Aggregatzustand flüssig
Dichte 1,089 g·cm−3 [1]
Schmelzpunkt Siedepunkt 147 °C [1]
Dampfdruck Löslichkeit gut in Alkoholen, Chlorkohlenwasserstoffen, Aceton, Toluol, Benzol
Sicherheitshinweise Gefahrstoffkennzeichnung [1][2] Sehr giftig (T+) R- und S-Sätze R: 26/27/28 S: 13-45 LD50 0,75 mg/kg (Mensch)
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Sarin ist ein chemischer Kampfstoff. Die systematische Bezeichnung ist Methylfluorphosphonsäureisopropylester. Seinen Trivialnamen hat er von seinen Erfindern Schrader, Ambros, Rüdiger und Linde.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Substanz wurde 1939 während der Forschung an Phosphorverbindungen für den Einsatz als Insektenvernichtungsmittel von einer Forschungsgruppe um den Chemiker Gerhard Schrader entdeckt. Es gibt eine hohe strukturelle Ähnlichkeit mit dem Pflanzenschutzmitteln Parathion (E605) und Malathion einerseits und den Kampfstoffen Tabun, Soman und VX-Gas andererseits. Auftraggeber der Forschung war wie auch bei Tabun die deutsche I.G. Farben.
Im Juli 1944 wurden 30 Tonnen Sarin in deutschen Testfabriken hergestellt. Zwei große Anlagen für die Massenfabrikation waren am Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland in Bau.
Während des Kalten Krieges lagerten in den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion große Mengen Sarin.
Der Irak hat Sarin im Golfkrieg gegen den Iran eingesetzt, und dann auch 1988 gegen seine kurdische Minderheit (siehe Giftgasangriff auf Halabdscha). Bei zwei terroristischen Anschlägen Ōmu Shinrikyōs, 1994 in Matsumoto und 1995 in Tokio, wurde ebenfalls Sarin verwendet.
Wirkungsweise
Die Aufnahme von Sarin ist über die Haut und die Atmung möglich, wobei die Aufnahme über die Atemwege den weit überwiegenden Anteil ausmacht, da Sarin wegen seines Dampfdruckes in unserem Klima als flüchtiger Kampfstoff gilt. Nur ein Ganzkörperschutz verhindert sicher eine Aufnahme des Stoffes. Im Körper blockiert Sarin die Acetylcholinesterase in den Synapsen des parasympathischen vegetativen Nervensystems, den acetylcholinvermittelten Synapsen des sympathischen Anteils des vegetativen Nervensystems (Sympathikus) und an der neuromuskulären Endplatte (Motorische Endplatte). Es kommt dadurch zu einem Anstieg des Neurotransmitters Acetylcholin im synaptischen Spalt und damit zu einer Dauerreizung der betroffenen Nerven.
Daher kommt es je nach Stärke der Vergiftung zu folgenden Symptomen: Nasenlaufen, Sehstörungen, Pupillenverengung, Augenschmerzen, Atemnot, Speichelfluss, Muskelzucken und Krämpfe, Schweißausbrüche, Erbrechen, unkontrollierbarer Stuhlabgang, Bewusstlosigkeit, zentrale und periphere Atemlähmung und letztendlich Tod. Die Wirkung am Auge tritt bereits bei geringeren Konzentrationen ein als die Wirkung im Respirationstrakt. Daher treten Akkommodationsstörungen und eine Miosis bereits bei Konzentrationen und Expositionszeiten auf, bei denen andere Vergiftungszeichen noch nicht zu beobachten sind.
Die Wirkung ähnelt den verwandten chemischen Kampfstoffen Tabun, Soman und VX, aber auch Vergiftungen mit verschiedenen Insektiziden wie Parathion (E605).
Herstellung
Durch Einwirken von Methyliodid (2) wird aus dem Phosphorigsäureester der Phosphonsäureester (1) Sarin (3) hergestellt:
Die amerikanische Methode Sarin herzustellen beruht auf der Verwendung von Dimethyl-methylphosphonat (DMMP, CAS-Nr. 756-79-6, 1). Dieses wird mit Thionylchlorid zu Methylphosphonsäuredichlorid (2) umgesetzt, welches nach Fluorierung mittels Flusssäure zu Methylphosphonsäuredifluorid (3) reagiert:
Das Methylphosphonsäuredifluorid, ein Binärkampfstoff, kann schließlich durch Hinzufügen von Isopropanol zu Sarin umgesetzt werden: .
Wirkungsweise und Schutzmaßnahmen
Nervenkampfstoffe sind bereits in kleinsten Mengen tödlich. Angriffsfläche ist der gesamte Körper, wobei besonders eine Aufnahme durch Augen, Haut und Atmungsorgane erfolgt. Ihre Wirkung beruht auf einem Eingriff in die normale Reizübertragung in den Nervenbahnen. Normalerweise wird ein Reiz zwischen zwei Nervenzellen durch den Neurotransmitter Acetylcholin übertragen, der schnell über den Zellzwischenraum auf die Rezeptoren gelangt und dort wieder einen Reiz auslöst. Anschließend wird die Substanz durch das Enzym Acetylcholinesterase wieder entfernt und steht für eine neue Reizübertragung zur Verfügung. Die Nervenkampfstoffe ähneln nun dem Acetylcholin von der Struktur her so stark, dass sie die aktiven, eigentlich für den Neurotransmitter vorgesehenen Stellen am Enzym belegen. Als Folge ergibt sich eine Dauerreizung des Nervensystems, die zu Schweißausbrüchen, Erbrechen, Krämpfen und schließlich zu Atemlähmung und Kreislaufkollaps führt, da der angelagerte Nervenkampfstoff nicht oder nur sehr langsam von der Esterase abgelöst werden kann. Die Behandlung einer Vergiftung mit derartigen Kampfstoffen ist sehr schwierig, da sie abhängig von Zeitpunkt und Stärke der Vergiftung erfolgen muss. Deshalb bietet auch nur ein Ganzkörper-Schutzanzug mit Schutzmaske ausreichenden Schutz.
Vor einem Kampfstoffeinsatz können Oxim-Tabletten eingenommen werden. Bei einer Vergiftung spritzt man Atropin (vgl. Hyoscyamin, Gift der Tollkirsche), ein Parasympatolytikum, das die Wirkung des Überangebotes von Acetylcholin an den Rezeptoren aufheben soll. Im Verlauf der wochenlangen Nachbehandlung kann man versuchen, mit einem Oxim die Acetylcholinesterase zu regenerieren. Im deutschsprachigen Raum wird Obidoxim bevorzugt, im anglo-amerikanischen Sprachraum wählt man eher Pralidoxim.
Für die Dekontamination können unter anderem Oxidationsmittel (z. B. Chlorkalk oder Calciumhypochlorit), alkalische Lösungen und nichtwässrige Medien, z. B. Aminoalkoholate, verwendet werden, da Nervenkampfstoffe zum einen empfindlich gegenüber Oxidationsmitteln sind und zum anderen ihre Hydrolyse im basischen Milieu beschleunigt abläuft. Bei empfindlichen Oberflächen kann z. B. Natriumcarbonatlösung verwendet werden, die jedoch naturgemäß langsamer wirkt.
Siehe auch
- Liste chemischer Kampfstoffe
- Chemische Waffe
- Nervenkampfstoff
- El-Al-Absturz in Amsterdam Freisetzung von 190 Liter DMMP durch Flugzeugabsturz
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e Eintrag zu Sarin in der GESTIS-Stoffdatenbank des BGIA, abgerufen am 10. Dezember 2007 (JavaScript erforderlich)
- ↑ Günter Hommel: Handbuch der gefährlichen Güter. Transport - Gefahrenklassen, Merkblatt 2282, 2002, Springer-Verlag, ISBN 3-540-20348-6
Weblinks
- Orientierung zu Sarin im Zusammenhang mit terroristischer Nutzung, Labor Spiez, 1995
Bitte beachte den Hinweis zu Gesundheitsthemen!
Wikimedia Foundation.