Oer (Adelsgeschlecht)

Oer (Adelsgeschlecht)
Wappen derer von Oer

Oer ist der Name eines alten westfälischen Adelsgeschlecht des Vestes Recklinghausen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Kölner Ministeriale

Ursprung der Familie von Oer war die Villikation Oer. Daraus ist der heutige Stadtteil Oer von Oer-Erkenschwick hervorgegangen. Ausgegraben wurde dort eine Motte. Der Oberhof Oer mit zahlreichen Unterhöfen gelangte in Besitz des Erzbistums Köln und war seit dem 12. Jahrhundert eine Grundherrschaft des Domkapitels.

Erster bekannter Namensträger des Geschlechts war Henricus de Ore, der 1189 urkundlich als Zeuge erwähnt wird.[1] Die Stammreihe beginnt mit dem Ritter Godefridus de Uore (Gottfried von Oer), der urkundlich im Jahr 1204 bei der erblichen Übertragung des Schultheißenamtes belegt ist.[2]

Das Geschlecht gehörte zu den Ministerialen im kurkölnischen Nebenland Vest Recklinghausen. Einige Töchter der Familie traten in das Zisterzienserinnenkloster Flaesheim ein. Über das Vest Recklinghausen spielten die Oer auch im Herzogtum Westfalen, dem zweiten westfälischen Besitz der Erzbischöfe beziehungsweise Kurfürsten von Köln, zeitweise eine bedeutende Rolle. Zwei von ihnen amtierten als Marschall von Westfalen beziehungsweise als Landdrost, das heißt als Stellvertreter des Kurfürsten in seiner Eigenschaft als Herzog von Westfalen. Ähnliche bedeutende Funktionen nahmen Mitglieder der Familie auch im 14. und 15. Jahrhundert im Vest Recklinghausen ein.

Ansatz einer unabhängigen Herrschaft

Im Jahr 1389 wurde Oer Pfand- beziehungsweise Eigenbesitz eines Heidenreich von Oer. Dieser hatte seinen Sitz nun auf der Horneburg im heutigen Stadtgebiet von Datteln. Dessen Sohn Heinrich versuchte den Besitz in eine von Köln unabhängige Herrschaft zu verwandeln. Er scheiterte damit allerdings an einem Bündnis aus Erzbischof Dietrich von Moers und dem Grafen Adolf von Kleve und Berg. Die Verbündeten nahmen 1410 die Horneburg ein. Im Jahr 1417 gelang es von Kaiser Sigismund das Recht auf die Hochgerichtsbarkeit zu erwirken, aber auch dies wurde der Familie von Oer wieder entzogen. Heinrich von Oer musste sich 1418 erneut unterwerfen.

Die Familie von Oer verlor daraufhin ihren Besitz im Vest Recklinghausen. Die Familie lebte zunächst auf der Rauschenburg im Gebiet des Hochstifts Münster. Auch von dort wurde sie 1436 auf Geheiß der Kölner Erzbischöfe vertrieben und lebte danach auf Burg Kakesbeck bei Lüdinghausen.

Frühe Neuzeit

Im Jahr 1500 kam durch Heirat das Rittergut Bruche im Hochstift Osnabrück in den Besitz derer von Oer. Dem folgten weitere Besitzungen in diesem Territorium. Nach der Reformation trat der größte Teil der Familie zur lutherischen Konfession über. Aus der Linie Bruche ging unter anderem Hermann Philipp von Oer († 1703) hervor. Dieser war hannoverscher Generalleutnant, der im Dienste der Republik Venedig gegen die Osmanen kämpfte.

Weitere Mitglieder der Familie dienten als Droste in verschiedenen Ämtern. Aus den katholisch gebliebenen Teilen stammten Domherren in Münster und Osnabrück. Es gab auch zahlreiche Stiftsdamen von Oer in einer Reihe von Damenstiften.

Der größte Teil des Besitzes im Hochstift Osnabrück fiel in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch Heirat an die Grafen von Münster, die sich seither auch Freiherren von Oër nennen.

19./20. Jahrhundert

Ludolf von Oer hatte 1458 Haus Nottbeck erworben. Von dort stammt der Jurist Maximilian von Oer (1806-1846) sowie der Maler Theobald Reinhold von Oer (1807-1885). Auch eine Tochter von diesem, Anna Maria von Oer (1846-1929), wurde Malerin. Der Sohn Alexander von Oer (1841-1896) wurde Professor für Straßen- und Eisenbahnbau und war zweiter Rektor der Technischen Hochschule Dresden. Ernst von Oer (1845-1925) war zunächst Erzieher am sächsischen Hof, trat später in den Benediktinerorden ein und war Verfasser geistlicher Schriften. Franz von Oer (1852-1930) war Domdechant in Graz und Kirchenhistoriker.

Aus der Linie Egelborg stammt Clemens von Oer (1895-1976) Regierungspräsident in Münster, Antonius von Oer (1896-1968) Präsident des westfälisch-lippischen Landwirtschaftsverbandes, Adrian von Oer (*1924) Brigadegeneral, Rudolfine von Oer (*1930) Professorin für Geschichte und Didaktik.[3]

Adelserhebungen

  • Reichsfreiherrnstand am 12. November 1677 in Wien für den landgräflich hessischen Geheimen Rat Burghard von Oer, Gutsherr auf Kakesbeck, Dinkelburg (heute Ortsteil von Körbecke) und Crumbach. Das Gesamtgeschlecht führt seitdem unbeanstandet den Freiherrntitel, dessen Führung in Preußen durch die 1844 erfolgte Aufnahme in das amtliche „Verzeichnis der Familien, deren Freiherrnstand unzweifelhaft erscheint“, anerkannt ist.
  • Königlich sächsischer Freiherrnstand am 13. Juni 1906 in Dresden für die Brüder Klemens Freiherr von Oer, königlich sächsischer Oberstleutnant z.D., Theobald Freiherr von Oer, königlich sächsischer Oberst z.D. und Maximilian Freiherr von Oer, königlich sächsischer Amtshauptmann in Marienberg, sowie für die weiblichen Mitglieder dieser Linie. Die Eintragung in das königlich sächsische Adelsbuch erfolgte am 13. Oktober 1906.

Wappen

Das Oer'sche Wappen auf Burg Kakesbeck

Das Stammwappen zeigt in Gold ein mit vier aneinander gereihten, oben und unten anstoßenden silbernen Spitzen belegten blauen Schrägrechtsbalken. Auf dem Helm mit blau-goldenen Decken ein offener, je schrägeinwärts mit dem Schrägbalken belegter goldener Flug.

Namensträger

Literatur

Einzelnachweise

  1. Rudolfine von Oer: Oer. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, S. 446 f.
  2. Westf. Urkundenbuch 7, Nr. 31
  3. Rudolfine von Oer: Oer. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, S. 446 f.

Siehe auch

Weblinks


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