- Paul Painlevé
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Paul Painlevé (* 5. Dezember 1863 in Paris; † 29. Oktober 1933 ebenda) war ein französischer Mathematiker und Politiker. Er war zweimal Premierminister der Dritten Französischen Republik: vom 12. September bis 13. November 1917, sowie vom 17. April bis 22. November 1925.
Inhaltsverzeichnis
Mathematik
Werdegang
Painlevé studierte von 1883 an der École normale supérieure Mathematik und promovierte 1887, nachdem er zuvor eine Zeit lang bei Felix Klein und Hermann Amandus Schwarz an der Universität Göttingen studiert hatte. Er war Professor an der Université Lille Nord de France, ab 1892 unterrichtete er in Paris an der Sorbonne, der École Polytechnique und später am Collège de France und an der École normale supérieure. Seit 1900 war er gewähltes Mitglied der Pariser Akademie der Wissenschaften, deren Präsident er 1918 wurde. 1904 hielt er einen Plenarvortrag auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Heidelberg (Le problème moderne de l'intégration des équations différentielles).
Seine mathematischen Arbeiten auf dem Gebiet der Differentialgleichungen brachten ihn in Berührung mit deren Anwendungen auf die Theorie des Fliegens und er begeisterte sich aufgrund seiner Neigung für die Ingenieurwissenschaften für die sich gerade entwickelnde Luftfahrt. So war er auch 1908 Wilbur Wrights erster Flugzeugpassagier in Frankreich und rief 1909 die erste universitäre Lehrveranstaltung zur Aeronautik ins Leben.
Arbeiten
Es ist bekannt, dass sich manche Differentialgleichungen mithilfe von elementaren algebraischen Operationen und unter Einbeziehen der trigonometrischen Funktionen sowie der Exponentialfunktion lösen lassen. Weiter ist bekannt, dass viele interessante spezielle Funktionen als Lösungen von linearen gewöhnlichen Differentialgleichungen zweiter Ordnung auftreten. Um die Jahrhundertwende zeigten Painlevé, Charles Émile Picard und B. Gambier, dass aus der Klasse der nichtlinearen gewöhnlichen Differentialgleichungen zweiter Ordnung mit polynomiellen Koeffizienten jede Gleichung in eine von fünfzig kanonischen Formen überführt werden kann, sofern sie eine gewisse technische Eigenschaft, die auch von linearen Gleichungen erfüllt wird (und die heute üblicherweise als 'Painlevé-Eigenschaft' bezeichnet wird, siehe unten), besitzt. Von diesen fünfzig Gleichungen benötigen nur sechs Gleichungen 'neue' transzendente Funktionen, die diese lösen. Diese neuen transzendenten Funktionen werden als Painlevé'sche transzendente Funktionen bezeichnet, und in letzter Zeit wuchs das Interesse an diesen Funktionen wieder u.a. aufgrund ihres Auftretens in der Hochenergiephysik.
Als 'Painlevé-Eigenschaft' bezeichnet man, dass wenn man sich die Singularitäten von Lösungen der Differentialgleichung anschaut, nur die einfachen Pole von den Anfangsdaten abhängen dürfen. Man bezeichnet Singularitäten, die von den Anfangsdaten abhängen für gewöhnlich als bewegbare Singularitäten. Zum Beispiel hat die Differentialgleichung w'(z) = w(z)2 mit Lösung w(z) = (z − a) − 1 einen bewegbaren Pol bei a.
In den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts interessierte sich Painlevé zwischenzeitlich für die Gravitationstheorie sowie die allgemeine Relativitätstheorie, die damals unlängst von Albert Einstein eingeführt worden war. Painlevé führte 1921[1]. ein Koordinatensystem für die Schwarzschild-Metrik (einer Vakuumlösung der Einsteinschen Feldgleichungen) ein. Dieses Koordinatensystem zeigte erstmals deutlich, dass die Singularität der Schwarzschild-Metrik beim Schwarzschild-Radius (der den Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs repräsentiert) nur ein koordinatenabhängiges mathematisches Relikt ist und keine physikalische Singularität darstellt. Dies war bis ungefähr 1963 unter Physikern nicht allgemein anerkannt, als die durch Martin Kruskal und George Szekeres (und anderen) eingeführten Kruskal-Szekeres-Koordinaten das ebenfalls zeigten. Die Koordinaten von Painlevé sind auch als Gullstrand-Painlevé-Koordinaten bekannt, nach der gleichzeitigen Einführung durch Allvar Gullstrand.[2]
Politik
Seine politische Karriere begann 1906, und 1910 gab er seine Professur auf, um sich ganz der Politik zu widmen, insbesondere militärischen Fragen, wo er verschiedenen staatlichen Komitees vorstand. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1915 wurde er Bildungsminister und 1917 Kriegsminister.
Für die Friedensgespräche mit dem österreichischen Diplomaten Nikolaus Revertera-Salandra im August 1917 im Schweizer Freiburg beauftragte er Graf Abel Armand, Major der Nachrichtenabteilung des französischen Generalstabs, Österreich-Ungarn wenig realistische Zugeständnisse, wie die Angliederung Bayerns, Schlesiens und Polens zu offerieren, um Österreich für einen Separatfrieden zu gewinnen.[3] Das Staatengebilde sollte den Namen „Confédération Danubienne“ unter habsburgischem Szepter führen.[4] Die Verhandlungen scheiterten weil Revertera keinen Auftrag hatte über einen Sonderfrieden zu verhandeln, wie ihn Painlevé anstrebte.
Painlevé war zweimal Premierminister der Dritten Französischen Republik: vom 12. September bis 13. November 1917 (in diese Zeit fiel eine Konferenz der Alliierten in Rapallo), sowie vom 17. April bis 22. November 1925. Zuvor wurde er 1924 als Mitglied der regierenden Koalition Präsident der Abgeordnetenkammer. Er war außerdem später unter anderem nochmals Kriegsminister und 1932 Luftfahrtminister.
Schriften
Weblinks
- Literatur von und über Paul Painlevé im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Paul Painlevé. In: MacTutor History of Mathematics archive (englisch)
- Painleve „Gewöhnliche Differentialgleichungen- Existenz der Lösungen“, Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften, 1900
Einzelnachweise
- ↑ Paul Painlevé La mécanique classique et la théorie de la relativité, C. R. Acad. Sci. (Paris), Band 173, 1921, S. 677–680
- ↑ Allvar Gullstrand Allgemeine Lösung des statischen Einkörperproblems in der Einsteinschen Gravitationstheorie, Arkiv. Mat. Astron. Fys. 16(8), 1–15 (1922)
- ↑ Wolfgang Steglich: Die Friedensversuche der kriegführenden Mächte im Sommer und Herbst 1917. Quellenkritische Untersuchungen, Akten und Vernehmungsprotokolle. Verlag Steiner, Stuttgart 1984, ISBN 3-515-02455-7, S. 46 (Nr.3) und S. 52f. (Nr.9); und André Scherer, Jacques Grunewald: L’Allemagne et les problèmes de la paix pendant la première guerre mondiale. Documents extraits des archives de l'Office allemand des Affaires étrangères. 4 Bände (deutsche Originaldokumente), Paris 1962/1978, ISBN 2-85944-010-0, Band 2, S. 378 ff. (Nr.231).
- ↑ Wolfgang Steglich: Die Friedensversuche der kriegführenden Mächte im Sommer und Herbst 1917. Quellenkritische Untersuchungen, Akten und Vernehmungsprotokolle. Verlag Steiner, Stuttgart 1984, ISBN 3-515-02455-7, S. 65 (Nr.21).
Vorgänger Amt Nachfolger Alexandre Ribot
Édouard HerriotPremierminister von Frankreich
12. September 1917-16. November 1917
17. April 1925-28. November 1925Georges Clemenceau
Aristide BriandLucien Lacaze
Charles Nollet
Édouard Daladier
Louis GuillaumatKriegsminister von Frankreich
20. März 1917-16. November 1917
17. April 1925-29. Oktober 1925
28. November 1925-23. Juni 1926
19. Juli 1926-3. November 1929Georges Clemenceau
Édouard Daladier
Louis Guillaumat
André MaginotRaoul Péret Präsidenten der französischen Nationalversammlung
9. Juni 1924-22. April 1925Édouard Herriot Albert Sarraut Bildungsminister von Frankreich
29. Oktober 1915-12. Dezember 1916René Viviani Kategorien:- Mathematiker (19. Jahrhundert)
- Analytiker (20. Jahrhundert)
- Premierminister (Frankreich)
- Verteidigungsminister (Frankreich)
- Bildungsminister (Frankreich)
- Hochschullehrer (Universität Lille I)
- Mitglied der Abgeordnetenkammer (Frankreich)
- Mitglied der Académie des sciences morales et politiques
- Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften
- Franzose
- Geboren 1863
- Gestorben 1933
- Mann
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