- Peter Franz (Theologe)
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Peter Franz (* 10. Mai 1941 in Apolda) ist ein deutscher Theologe und Autor.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Franz wuchs bei seinen Großeltern auf, von denen er erste Anregungen zu sozialistischem Leben und Denken erhielt. Er besuchte in Apolda von 1955 bis 1958 die Oberschule. Wegen unerlaubten Abspielens westlicher Tanzmusik bei einer Schüler-Geselligkeit wurde er der Schule verwiesen, konnte aber in Weimar 1959 sein Abitur ablegen.
Von 1959 bis 1961 absolvierte er einen Dienst bei der Nationalen Volksarmee u. a. als Fallschirmspringer und Panzersoldat und wollte anschließend in Jena ein Studium aufnehmen. In einem inoffiziellen Literatur- und Gesprächskreis unter Gleichgesinnten erhielt er erste Anreize, sich mit der Bibel zu beschäftigen. Das führte dazu, dass er als „Anhänger der kirchlichen Ideologie“ unehrenhaft aus der NVA entlassen wurde. Weil ihm auch die Zulassung zum Studium entzogen worden war, arbeitete er ein Jahr als Apparatefahrer in einem Apoldaer Chemiebetrieb. Während dieser Zeit fand er Anschluss an eine evangelische Kirchgemeinde und ließ sich 1962 taufen. Im Herbst gleichen Jahres begann er ein Studium der Evangelischen Theologie in Jena. Zu seinen Lehrern gehörten u. a. der Praktische Theologe und religiöse Sozialist Erich Hertzsch und der Systematiker Hans-Georg Fritzsche.
Im Jahre 1965 heiratete er und wurde in den folgenden Jahren Vater von vier Kindern. Nach seinem Ersten theologischen Examen 1967 wurde er Vikar in Kapellendorf und wurde nach dem Zweiten Examen 1969 von Landesbischof Mitzenheim zum Pfarrer ordiniert und in Kapellendorf angestellt.
Franz' seelsorgerisches Interesse galt vor allem der Kinder- und Jugendarbeit. Unter seiner Anleitung entstanden Seminarräume, ein Übernachtungshaus und ein Keller der Jungen Gemeinde. Hier fanden im Laufe von zwei Jahrzehnten zahlreiche Freizeiten und Lehrgänge statt, in denen junge Christen für ein Leben als Christen im Sozialismus ermutigt wurden.
Gleichzeitig nahm Franz kommunalpolitische Verantwortung wahr als Abgeordneter des Kreistages unter dem Mandat der CDU der DDR, der er 1973 beigetreten war. Dazu gehörte die Bearbeitung und Weiterleitung von Eingaben und Beschwerden seiner Mitbürger über gesellschaftliche Missstände und persönliche und familiäre Nöte. Im Jahre 1975 gründete er das Evangelische Gemeindezentrum „Thomas Müntzer“.
In der folgenden Zeit erweiterte sich das Spektrum seiner kirchlichen Arbeit zunehmend auf die Felder Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, wie sie - einer Anregung Bonhoeffers folgend - vom Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR bearbeitet wurden. Anregung und Hilfestellung dafür fand Franz in der Christlichen Friedenskonferenz, der er sich anschloss und in der er in der Folgezeit mit einer Gemeindegruppe korporativ tätig war. Dazu gehörten grenzüberschreitende Seminare und Begegnungen mit kirchlichen und Friedensgruppen aus anderen europäischen Ländern. In einer vom Kalten Krieg auch innerkirchlich geprägten Situation setzte er sich für vertrauensbildende Begegnungen zwischen Christen aus unterschiedlichen Gesellschaftssystemen ein. Weil er davon überzeugt war, dass auf diesem Feld auch westliche Nachrichtendienste Einfluss zu gewinnen versuchten, ging er auf die Bitte eines MfS-Mitarbeiters ein, den staatlichen Stellen der DDR Einblick in diese Szene zu ermöglichen.
Um einer möglichen Destabilisierung der DDR keinerlei Ansatzpunkte zu bieten, arbeitete er ab Mitte der 1970er Jahre aus Überzeugung als inoffizieller Mitarbeiter für das MfS, das ihn per Handschlag verpflichtete, unter dem Decknamen IM "Johannes". Er erteilte bereitwillig über Mitglieder seiner Gemeinde, über Kollegen und in- und ausländische Gäste seines Hauses Auskunft. Seelsorgerliche Aspekte sparte er nach eigenen Angaben aus. Franz war wegen seiner DDR-Treue in Thüringen auch als "roter Pfarrer" bzw. der "rote Franz" von Kapellendorf bekannt.
Nach dem Untergang der DDR 1990 und der Offenlegung dieser Kontakte offenbarte er sich seiner Gemeinde und Kollegen, bei denen er teilweise Toleranz und Verständnis, aber auch Unverständnis und Ablehnung fand. Als 1992 ein Fernsehteam des WDR eine Filmsequenz „Kumpanei mit der Stasi“ ausstrahlte, sah sich die Kirchenleitung gedrängt, ihn vom Dienst zu suspendieren. Weil er sich weigerte, freiwillig aus seinem Pfarramt zu weichen, eröffnete die Landeskirche gegen ihn ein Amtszuchtverfahren, das durch zwei Instanzen ging und vor einer Kammer der EKD 1997 mit seiner endgültigen Entfernung aus dem Amt eines Pfarrers und der Aberkennung aller Rechte und dem Verlust aller Anwartschaften endete.
Seither bestreitet er als Freier Geistlicher seinen Unterhalt mit Reden bei Geburtsbegrüßungen, Eheschließungen und Begräbnissen. Seine Beschäftigung mit der säkularen und kirchlichen Regionalgeschichte hatte zur Folge, dass er seit 1992 Autor von Büchern über jüdisches Leben, Verfolgung und Widerstand im NS-Regime, über Kriegerdenkmäler und zur eigenen erlebten Zeitgeschichte wurde. In seinem Wohnort unterhält er auf ehrenamtlicher Grundlage eine „DDR-Bücherstube“, in der er tausende Bücher aus öffentlichen Bibliotheken, die nach 1990 auf den Müll gekippt werden sollten, seinen Lesern kostenlos ausleiht. Seit 2007 ist er der spiritus rector des Prager-Haus e. V. Apolda, der ein ehemaliges jüdisches Wohn- und Geschäftshaus retten und zum Ort der Begegnung, der Erinnerung und des geschichtlichen Lernens ausgestalten will.
Werke
- Kirche im Sündenfall, Band IV der Weißbücher "Unfrieden in Deutschland", Hg. Gesellschaft für Bürgerrechte und Menschenwürde (GBM), Berlin 1995, ISBN 3-929994-42-9
- Martialische Idole. Die Sprache der Kriegerdenkmäler in Thüringen. Eine landesweite Darstellung des Bestands und eine kritische Analyse ihrer ikonografischen und verbalen Botschaften, Hg. Thüringer Forum für Bildung und Wissenschaft e.V., Jena 2001, ISBN 3-935850-04-2
- Der gewöhnliche Faschismus. Über die alltägliche Herrschaft der "Nationalsozialisten" am Beispiel einer Mittelstadt des Deutschen Reiches (Apolda). Eine Chronologie in Jahresscheiben, = „gesucht 4. Die Vergangenheit für die Zukunft retten!", Hg. Geschichtswerkstatt Weimar/Apolda e.V., Weimar 2001, ISBN 3-935275-00-5
Als Ko-Autor und Mitarbeiter
- Die Rosewitz, Prager, Lichtenstein, Autor und Hg.: Thomas Bahr, dabei konzeptionelle Mitarbeit, Apolda 1992
- Die Stadt Apolda und die umliegenden Konzentrationslager, = gefangen im Netz. Die Konzentrationslager in Thüringen, Hg. Geschichtswerkstatt Weimar-Apolda e.V. Zusammen mit Udo Wohlfeld, in der Reihe "gesucht 3. Die Vergangenheit für die Zukunft retten!", Weimar 2000, ISBN 3-935275-02-1
- Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Band 8 Thüringen, Hg. TVVdN-BdA und Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945, Hamburg o.J. Darin zusammen mit Udo Wohlfeld das Kapitel: Kreis Weimarer Land, Hamburg o.J., ISBN 3-88864-343-0
- Spurensicherung VI. Spuren aus der DDR in die Zukunft, Hg. Unabhängige Autorengemeinschaft „So habe ich das erlebt“. Darin Essay: Spuren in die Zukunft, Berlin 2004, ISBN 3-89819-180-X
- Spuren der Wahrheit. Bewahrenswertes DDR-Erbe. Erlebnisse, Betrachtungen, Erkenntnisse, Dokumente, Hg. Unabhängige Autorengemenschaft „Als Zeitzeugen erlebt“. Darin Essay: Fern der Macht – fern von Ohnmacht. Worauf Christen und Kirchen bauen sollten, Schkeuditz 2005, ISBN 3-89819-208-3
- Kleines Lexikon historischer Schlagwörter, Hg. Kurt Pätzold / Manfred Weißbecker, Leipzig 2005. Darin die Essays: Der deutsche Michel, Der Gott der Eisen wachsen ließ, Gott mit uns, Leipzig 2002, 2005, Köln o.J., ISBN 3-86189-618-4
- Gelebte Ideen. Sozialisten in Thüringen. Biographische Skizzen, Hg. Mario Hesselbarth, Eberhart Schultz, Manfred Weißbecker, Jena 2006. Darin Essay: Ein sozialistischer Basisarbeiter: August Baudert, ISBN 3-935850-37-9
- Jüdische Familien in Apolda. Diffamierung, Ausgrenzung, Entrechtung, Vertreibung, Deportation, Vernichtung, Ungehorsam. Die Apoldaer Judenheit während des Faschismus. Zusammen mit Udo Wohlfeld = „gesucht 6. Die Vergangenheit für die Zukunft retten!", Hg. Geschichtswerkstatt Weimar/Apolda e.V., Weimar 2006, ISBN 3-935275-04-8
- Ein neuer Faschismus?, Hg. Wolfgang Richter. Darin: Essay „Christlich-religiöse Wurzeln des Faschismus“, Schkeuditz 2007, ISBN 978-3-89819-242-2
- Thomas Müntzer in der Erinnerungskultur. Das Beispiel bildende Kunst, Hg. Günter Vogler. Darin: „Unser kleiner Ort hat heute einen neuen Einwohner bekommen. Die Übergabe der Müntzer-Statue in Kapellendorf 1989“, Thomas-Müntzer-Gesellschaft Mühlhausen 2008, ISBN 3-935547-24-2
- Peter Franz, Tina Unglaube, Udo Wohlfeld: Die Pragers. Eine jüdische Familie in Apolda. Geschichtswerkstatt Weimar-Apolda e.V., Apolda 2008, ISBN 3-935275-07-2
- Karl Berger, Peter Franz, Udo Wohlfeld: August Berger. Sozialdemokrat in Apolda. Geschichtswerkstatt Weimar-Apolda e.V., Apolda 2008, ISBN 3-935275-08-0
- Wolfgang Peller, Peter Franz, Udo Wohlfeld: Die Pellers. Eine jüdische Familie in Apolda. Geschichtswerkstatt Weimar-Apolda e.V., Apolda 2008, ISBN 3-935275-10-2
Aufsätze
- in den Zeitschriften RotFuchs (ständiger Autor) sowie Ossietzky und ICARUS (gelegentliche Mitarbeit)
Als Herausgeber
- Hinter der Mauer und doch frei. Ein NachLeseBuch von DDR-Christen", Schkeuditz 1997, ISBN 3-929994-96-8
Ehrungen
- Anerkennungsurkunde bei der Teilnahme am SONNTAG-Wettbewerb „Das Haus, in dem ich wohne", 1976
- Ehrenmedaille der Nationalen Front der DDR in Silber, 1984
- Otto-Nuschke-Ehrenzeichen in Bronze, 1986
- Ehrenabzeichen der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM) für Verdienste um Frieden, Solidarität und Menschenrechte, 2004
Literatur
- Ernst Uhl: Der Fall Peter Franz. Eine Nachlese zur Thematik evangelische Kirche und DDR-Staatssicherheit. Bremen 2003
- Michael Ploenus: Der Fall des „roten Franz“ von Kapellendorf. Oder: die Kontinuität von Feindbildern. In: Gerbergasse 18, 4/2006, S. 15-18.
Weblinks
- Literatur von und über Peter Franz (Theologe) im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Website von Peter Franz (Theologe)
Einzelnachweise
Personendaten NAME Franz, Peter KURZBESCHREIBUNG deutscher Theologe GEBURTSDATUM 10. Mai 1941 GEBURTSORT Apolda
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