- Poissonprozess
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Ein Poisson-Prozess ist ein nach Siméon Denis Poisson benannter stochastischer Prozess.
Der Poisson-Prozess ist ein Erneuerungsprozess, dessen Zuwächse unabhängig und poissonverteilt mit Parameter λ sind. λ wird auch als Intensität des Prozesses bezeichnet, da pro Zeiteinheit genau λ Sprünge erwartet werden (Erwartungswert der Poissonverteilung ist ebenfalls λ). Die Höhe jedes Sprunges ist eins, die Zeiten zwischen den Sprüngen sind exponentialverteilt. Der Poisson-Prozess ist also ein diskreter Prozess in stetiger (d.h. kontinuierlicher) Zeit.
Die mit einem Poisson-Prozess beschriebenen seltenen Ereignisse besitzen aber typischerweise ein großes Risiko (als Produkt aus Kosten und Wahrscheinlichkeit). Daher werden damit oft im Versicherungswesen zum Beispiel Störfälle an komplexen Industrieanlagen, Flutkatastrophen, Flugzeugabstürze, usw. modelliert.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Ein stochastischer Prozess über dem Wahrscheinlichkeitsraum heißt (homogener) Poisson-Prozess mit Intensität und , falls folgende drei Bedingungen erfüllt sind:
- (Siehe Fast sichere Konvergenz.)
- . Dabei bezeichnet die Poisson-Verteilung mit Parameter .
- Sei . Dann sind und stochastisch unabhängige Zufallsvariablen.
Für die Definition des inhomogenen Poisson-Prozesses siehe hier.
Eigenschaften
- Ein Poisson-Prozess ist offenbar ein stochastischer Prozess mit unabhängigen Zuwächsen.
- Ein homogener Poisson-Prozess ist ein Markow-Prozess.
- Der Zeitraum zwischen zwei Zuwächsen, also ist exponentialverteilt mit dem Parameter λ.
- Ist ein Poisson-Prozess, so ist wieder ein Poisson-Prozess. Ein homogener Poisson-Prozess ist somit streng stationär.
- Für den Erwartungswert gilt .
- Für die quadratische Variation gilt < Pλ > t = Pλ,t.
- Da der Pfad des Prozesses monoton steigt, ist ein Submartingal bezüglich seiner natürlichen Filtrierung.
- Die Pfade des Poisson-Prozesses sind càdlàg, also rechtsstetig mit Grenzwerten links.
- Zieht man allerdings den Erwartungswert von ab, also , so ist ein Martingal bezüglich seiner natürlichen Filtrierung. Dieser neue Prozess wird als kompensierter Poissonprozess bezeichnet.
- Ein Poisson-Prozess ist gedächtnislos (Es gilt also , d.h. die Restwartezeit auf den nächsten Sprung ist unabhängig von der bisherigen Wartezeit. (Dies ergibt sich aus der Exponentialverteilung).
- Die Verteilung der Sprungstellen in einem festen Intervall folgt einer stetigen Gleichverteilung.
Zusammengesetzte Poisson-Prozesse
Ist Nt ein Poisson-Prozess mit Intensität μ sowie unabhängige, identisch verteilte Zufallsvariablen unabhängig von Nt, so wird der stochastische Prozess
als zusammengesetzter Poisson-Prozess bezeichnet. Wie der ursprüngliche Poisson-Prozess ist auch X ein Sprungprozess unabhängiger Zuwächse und exponential(µ)-verteilter Abstände zwischen den Sprüngen, mit Sprunghöhen, die nach Y verteilt sind.
Es gilt die Formel von Wald (nach dem Mathematiker Abraham Wald),
obwohl Nt keine Stoppzeit ist!
Für die Berechnung des Erwartungswertes im Falle dass X_t nur abzählbar viele Werte annimmit kann man auf {Nt = k} bedingen und den Satz der totalen Wahrscheinlichkeit benutzen
Inhomogener Poisson-Prozess
In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, λ nicht als Konstante, sondern als Funktion der Zeit aufzufassen. λ(t) muss dabei die beiden Bedingungen
- λ(t) > 0 für alle und
- für
erfüllen.
Für einen inhomogenen Poisson-Prozess gilt abweichend von einem homogenen Poisson-Prozess:
- , wobei wieder die Poisson-Verteilung mit dem Parameter bezeichnet.
- Für den Erwartungswert gilt .
- Für die Varianz gilt ebenfalls .
- Sind τ1 und τ2 zwei Sprungstellen des inhomogenen Poisson-Prozesses, dann ist exponentialverteilt mit dem Parameter 1.
Cox-Prozess
Ein inhomogener Poisson-Prozess mit stochastischer Intensitätsfunktion λ(t) heißt doppelt stochastischer Poisson-Prozess oder nach dem englischen Mathematiker David Cox auch Cox-Prozess. Betrachtet man eine bestimmte Realisierung von λ(t), verhält sich ein Cox-Prozess wie ein inhomogener Poisson-Prozess. Für den Erwartungswert von Pλ(t),t gilt
-
- .
Anwendungsbeispiele
- Allgemein:
- Zählung von gleichverteilten Ereignissen pro Flächen-, Raum- oder Zeitmaß (z.B. Anzahl der Regentropfen auf einer Straße; Anzahl der Sterne in einem Volumen V ist ein dreidimensionaler Poisson-Prozess).
- Bestimmung der Häufigkeit seltener Ereignisse wie Versicherungsfälle, Zerfallsprozesse, Reparaturaufträge.
- Bediensysteme:
- die zufällige Anzahl von Telefonanrufen pro Zeiteinheit.
- die zufällige Anzahl der Kunden an einem Schalter pro Zeiteinheit.
- die Zeitpunkte, in denen Anforderungen (Personen, Jobs, Telefonanrufe, Heap,...) bei einem Bediener (Bank, Server, Telefonzentrale, Speicherverwaltung, ... ) eingehen.
- Fehler, Ausfälle, Qualitätskontrolle:
- die zufällige Anzahl von nichtkeimenden Samenkörnern aus einer Packung.
- die Orte, an denen ein Faden Noppen hat.
- Anzahl der Pixelfehler auf einem TFT-Display.
- Anzahl der Schlaglöcher auf einer Landstraße.
- Anzahl der Druckfehler in einem Buch.
- Anzahl der Unfälle pro Zeiteinheit an einer Kreuzung.
- Auf [1] wird der Versuch unternommen, die Abfolge von Selbstmorden am Massachusetts Institute of Technology als Poisson-Prozess zu modellieren.
- Physik:
- die Zeitpunkte, in denen eine radioaktive Substanz ein α-Teilchen emittiert.
- zufällige Anzahl der α-Teilchen, die von einer radioaktiven Substanz in einem bestimmten Zeitraum emittiert werden.
- Versicherungsmathematik:
- die Zeitpunkte von Großschäden einer Versicherung. In der Finanz- und Versicherungsmathematik wird das Auftreten von zu deckenden Schäden üblicherweise durch einen zusammengesetzten Poisson-Prozess beschrieben, bei dem die einzelnen, unabhängig voneinander auftretenden Schäden nach Y verteilt sind. Versieht man diesen Schadensprozess dann noch mit einem deterministischen, negativen Drift (Versicherungsbeiträge), so erhält man einen Vermögensprozess des Versicherungsunternehmens. Dem schließen sich Fragestellungen an wie: Wie wahrscheinlich ist es, dass der Vermögensprozess einen gewissen Schwellwert x, das heißt die Rücklagen der Versicherung, überschreitet und damit einen Konkurs erleidet? Wie stark muss der negative Drift beziehungsweise der Beitragssatz sein, um die Wahrscheinlichkeit eines Konkurses unter eine vorgegebene Schwelle zu drücken?
- Finanzmathematik:
- Modelle für Kurse von Aktien, wobei auch Sprünge erlaubt sind. Hierfür werden zwar oft Lévy-Prozesse verwendet, aber da unendliche Aktivität oft schwer zu messen ist, werden auch zusammengesetzte Poissonprozesse verwendet.
- Kreditrisikomodelle helfen CDS -Spreads und andere Kreditderivate zu preisen und modellieren.
Literatur
Ross, Sheldon M.: Stochastic Processes. Wiley, New York.
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