Politisches System der Slowakei

Politisches System der Slowakei
Das slowakische Staatswappen

Das politische System der Slowakischen Republik ist als parlamentarische Republik organisiert. Zentrale Bedeutung haben die stark miteinander konkurrierenden politischen Parteien. Die legislative Gewalt bildet der Nationalrat, ein Einkammerparlament. Die Wahlen in den Nationalrat sowie die Europawahlen werden als Verhältniswahlen durchgeführt. Staatsoberhaupt ist der Präsident, der direkt vom Volk gewählt wird. Über die Einhaltung der Verfassung wacht das Verfassungsgericht.

Inhaltsverzeichnis

Staatliche Institutionen

Legislative

Nationalrat

Gebäude des Nationalrats

Träger der legislativen Gewalt ist der Nationalrat der Slowakischen Republik (Národná rada Slovenskej republiky), ein Einkammerparlament mit 150 Abgeordneten. Die Abgeordneten werden nach einem Verhältniswahlverfahren auf vier Jahre gewählt. Aufgabe des Nationalrats ist in erster Linie die Kontrolle der Regierung und die Verabschiedung von Gesetzen. Das Mandat wird frei ausgeübt. In bestimmten Krisensituationen kann der Nationalrat vom Präsidenten aufgelöst werden.

Wahl

Das Abgeordnetenhaus wird nach einem Verhältniswahlverfahren gewählt. Das ganze Staatsgebiet bildet einen einzigen Wahlkreis. Es gibt eine Sperrklausel von 5 % für einzelne Parteien, für eine Koalition von zwei bis drei Parteien 7 % und für vier und mehr Parteien 10 %. Die Stimmen werden nach dem Hagenbach-Bischoff-Verfahren in Mandate umgerechnet. Die Bürger haben die Möglichkeit, mit vier Präferenzstimmen konkrete Kandidaten aus der Liste zu wählen. Dies hat einen Einfluss auf die Reihenfolge der Liste, wenn mehr als drei Prozent der abgegebenen Stimmen für einen Kandidaten die Präferenzstimmen ergeben. Nur dann verändert sich gemäß den Präferenzstimmen die Reihenfolge auf der Wahlliste. Bei der Europawahl wird auch Verhältniswahlverfahren verwendet.

Siehe auch: Wahlen in der Slowakei - Parlamentswahlen

Exekutive

Präsident

Fahne des Präsidenten der Slowakischen Republik
Sitz des Präsidenten, Palais Grassalkovich

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und repräsentiert den Staat nach außen. Er wird seit 1999 in direkten Wahlen vom Volk gewählt, zuvor wählte ihn der Nationalrat mit einer Dreifünftelmehrheit aller Abgeordneten. Der Kandidat, der im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen bekommt, wird zum Präsidenten gewählt. Falls kein Kandidat im ersten Wahlgang die nötige Anzahl der Stimmen erreicht, findet ein zweiter Wahlgang statt, an welchem die zwei Kandidaten teilnehmen, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhielten. In diesem Wahlgang genügt die einfache Mehrheit. Die Wahlperiode beträgt fünf Jahre, die Wiederwahl ist einmal möglich.

Der Präsident ernennt selbstständig den Ministerpräsidenten und im Einvernehmen mit ihm dann die Minister. Laut der Verfassung verhandelt und ratifiziert er internationale Verträge, er kann diese Befugnis aber auch an die Regierung übertragen. In bestimmten Krisensituationen kann er den Nationalrat auflösen. Im Legislativverfahren unterzeichnet er Gesetze und verfügt über ein suspensives Veto. Er kann so einen Gesetzesentwurf (ggf. auch mit Änderungsvorschlägen) an den Nationalrat zurückleiten (dies gilt nicht im Falle eines Verfassungsgesetzes). Er ernennt die Richter des Verfassungsgerichtes und den Generalstaatsanwalt. Er ist oberster Befehlshaber der Streitkräfte. Er hat das Recht Strafen zu mildern oder zu tilgen und kann Amnestien erlassen.

Der Nationalrat kann mit einer Dreifünftelmehrheit aller Abgeordneten ein Abwahlverfahren des Präsidenten einleiten, welches aus einem Volksentscheid besteht. Falls in diesem das Volk den Präsidenten bestätigt, wird damit automatisch das Misstrauen dem Nationalrat ausgesprochen und dieser aufgelöst.

Der Präsident kann nicht strafrechtlich verfolgt werden. Er kann ausschließlich wegen absichtlichem Verfassungsbruchs oder Hochverrats angeklagt werden, und zwar vor dem Verfassungsgericht und auf Anklage des Nationalrats. Die einzig mögliche Strafe ist Amtsverlust und Einbuße der Amtstauglichkeit.

Regierung

Die Regierung ist das höchste Organ der Exekutive und besteht aus dem Ministerpräsidenten (predseda vlády), den stellvertretenden Ministerpräsidenten (podpredseda) und den Ministern. Ein Regierungsmitglied kann nicht gleichzeitig Abgeordneter im Nationalrat sein. Falls es zu dieser Situation kommt, wird das Abgeordnetenmandat nicht ausgeübt und für die gegebene Zeit tritt im Nationalrat ein Ersatzmann an.

Die Regierung benötigt nach ihrem Antritt das Vertrauen des Nationalrats. Ebenso kann der Nationalrat mit einem Misstrauensvotum die Regierung zum Rücktritt zwingen. Das Parlament kann auch einzelnen Regierungsmitgliedern Misstrauen aussprechen. In diesem Fall muss der Präsident das Regierungsmitglied aus seinem Amt entlassen. Die Regierung ist dem Nationalrat verantwortlich. Formal gesehen entscheidet die Regierung als Kollegium. Zur Annahme eines Beschlusses ist die Zustimmung der Mehrheit ihrer Mitglieder erforderlich. Sie kann zur Durchführung von Gesetzen Verordnungen erlassen.

Regionale Verwaltung

Die Slowakei ist ein Einheitsstaat. Das Gebiet wird in 8 Selbstverwaltungslandschaftsverbände (samosprávny kraj) bzw. höhere Gebietseinheiten (vyšší územný celok) unterteilt. In diesen Gebietskörperschaften existieren als Selbstverwaltungsorgane gewählte Vertretungen (zastupiteľstvo). Die staatliche Verwaltung wird auf dieser Ebene von den Landschaftsverbandsämtern (krajský úrad) ausgeführt. Die staatliche Verwaltung wird weiter in 50 Verwaltungsbereiche (územný obvod obvodného úradu) mit Bereichsämtern (obvodný úrad) unterteilt. Die erste Stufe der Selbstverwaltung bilden die Gemeinden.

Siehe auch: Verwaltungsgliederung der Slowakei

Judikative

Die Judikative besteht aus dem Verfassungsgericht und den allgemeinen Gerichten. Die allgemeinen Gerichte sind in drei Stufen organisiert, es besteht ein zweistufiger Instanzenzug.

Verfassungsgericht

Das Verfassungsgericht (Ústavný súd Slovenskej republiky) ist ein unabhängiges Verfassungsorgan und ein spezielles Gericht auf dem Gebiet des Verfassungsrechts. Die wichtigste Kompetenz des Gerichts besteht in der Außerkraftsetzung verfassungswidriger Gesetze. Das Gericht besteht aus 13 Richtern. Die Richter werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag des Nationalrats auf 12 Jahre ernannt. Das Verfassungsgericht siedelt in Košice.

Allgemeine Gerichte

Das System der Gerichte besteht aus dem Obersten Gericht der Slowakischen Republik (Najvyšší súd Slovenskej republiky) in Bratislava, acht Landschaftsverbandsgerichten (krajský súd), 54 Bezirksgerichten (okresný súd), dem Höheren Militärgericht (Vyšší vojenský súd) in Trenčín und drei militärischen Bezirksgerichten (vojenský obvodový súd) in Bratislava, Banská Bystrica und Prešov.

Im Jahr 2004 wurde das Sondergericht (Špeciálny súd) eingerichtet, welches zusammen mit einem Amt der Sonderstaatsanwaltschaft (Úrad špeciálnej prokuratúry) für Kriminalfälle im Bereich Korruption, Bestechung, besonders ernsthafte Finanz- und Eigentumsstraftaten oder organisierte Kriminalität tätig ist. Die Zuständigkeit ist namentlich für bestimmte Personengruppen (z. B. Richter, Inhaber hoher Staatsämter, Abgeordnete) sowie für bestimmte Arten von Straftaten auf dem Ganzen Gebiet der Slowakei festgelegt. Das Gericht siedelt in Pezinok.

Weitere Verfassungsorgane

Weitere Verfassungsorgane sind die Staatsanwaltschaft der Slowakischen Republik (Prokuratúra Slovenskej republiky), der Ombudsmann (Verejný ochranca práv) und die Oberste Kontrollbehörde der Slowakischen Republik (Najvyšší kontrolný úrad Slovenskej republiky).

Parteien

In der Slowakei hat sich ein gemäßigter Pluralismus etabliert. Nach den Wahlen im Jahr 2010 sind im Nationalrat folgende Parteien vertreten:

In der jungen slowakischen Geschichte waren außerdem die Volkspartei – Bewegung für eine demokratische Slowakei (Regierungspartei bis 1998 und 2006-2010), die Partei der ungarischen Koalition (Regierungspartei 2002-2006), die Arbeiterassoziation der Slowakei (Regierungspartei 1994-1998) sowie die Kommunistische Partei der Slowakei (im Parlament von 2002-2006) wichtig.

Literatur

  • Petr Just. Politický systém Slovenska. In: Ladislav Cabada - Vladimíra Dvořáková. Komparace politických systémů III. Praha: Oeconomica, 2004, 330 S., ISBN 80-245-0806-0 (auch online)
  • Kopeček, Lubomír. Politické strany na Slovensku 1989 až 2006. Brno: Centrum pro studium demokracie a kultury, 2007, 628 S., ISBN 978-80-7325-113-0
  • Rüdiger Kipke. Das politische System der Slowakei. In: Ismayr, Wolfgang [Hrsg.]. Die politischen Systeme Osteuropas. Opladen: Leske+Budrich, 2002. S. 273-308
  • Radoslav Štefančík. Christlich-demokratische Parteien in der Slowakei. Trnava: UCM, 2008, ISBN 978-80-8105-016-9

Weblinks

Legislative

Exekutive

Judikative

Politische Parteien

Anderes


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