Politisches System Schwedens

Politisches System Schwedens

Das politische System Schwedens beschreibt die Gesamtheit der politischen sowie staatlichen Akteure, Institutionen und Prozesse der Entscheidungsfindung in Schweden. Das politische System Schwedens ist als dezentraler Einheitsstaat und parlamentarische Monarchie organisiert. Von zentraler Bedeutung sind die direkt gegeneinander konkurrierenden Parteien und der Reichstag, der zur Wahl des Ministerpräsidenten beauftragt ist. Der König von Schweden als Staatsoberhaupt nimmt nur repräsentative Aufgaben wahr.

Zentrales Element der Schwedischen Demokratie: Der Reichstag.

Inhaltsverzeichnis

Verfassung

Die schwedische Verfassung besteht aus vier Grundgesetzen:

Dabei entspricht das Grundgesetz zur Regierungsform am ehesten dem Idealtypus der neuzeitlichen Verfassung.

Der König Carl XVI. Gustaf und Silvia von Schweden am Tag der Hochzeit von Kronprinzessin Victoria

Staatsoberhaupt

Schwedens Staatsoberhaupt ist dem Grundgesetz zur Regierungsform (Regeringsformen) nach der König von Schweden. Die Thronfolge wird durch ein weiteres Grundgesetz, Successionsordningen, geregelt.

Die Aufgaben des Staatsoberhauptes sind gemäß Verfassung rein repräsentativ und zeremoniell. Der König hat keinerlei politische Machtbefugnisse und nimmt nicht am politischen Leben teil.

Legislative (der Reichstag)

Der Plenarsaal des Reichstages.

Schweden hat mit dem Reichstag ein Einkammernparlament. Es besteht aus 349 Abgeordneten, die nach Verhältniswahl und Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren bestimmt werden. Eine Legislaturperiode dauert vier Jahre, Wahltag ist stets der dritte Sonntag im September.

Die im Reichstag vertretenen Parteien bilden Fraktionen (schwed. riksdagsgrupp), deren Arbeitsweise gesetzlich nicht geregelt ist. Die Fraktionen entscheiden selbst, wie sie arbeiten wollen, doch bekommen sie finanzielle Unterstützung.

Die wichtigsten Aufgaben des Reichstages sind:

  • Wahl des Premierministers
  • Gesetzgebung
  • Beschlussfassung bezüglich Staatshaushalt, Steuern und Abgaben
  • Kontrolle der Regierung
  • Entlassung einzelner Regierungsmitglieder oder des Premierministers durch ein Misstrauensvotum

Verfassungsänderung

Um die Verfassung zu ändern, benötigt ein vorgebrachter Änderungsvorschlag im Reichstag zunächst die einfache Mehrheit. Falls diese zustande gekommen ist, muss der Vorschlag in der darauffolgenden Legislaturperiode abermals mit einfacher Mehrheit angenommen werden. In jedem Fall also muss zwischen den beiden Abstimmungen eine Reichstagswahl liegen, so dass das Volk Einfluss auf die Parteien- bzw. Mehrheitsverhältnisse der zweiten Abstimmung nehmen kann.

Neben dieser in der Praxis gebräuchlichsten Art der Verfassungsänderung gibt es auch noch Modifikationen dieses Verfahrens.

Gesetzgebung im Konsensverfahren

Gesetzesentwürfe können von der Regierung (Proposition) oder von Abgeordneten (Motion) eingebracht werden. Bei komplexen Gesetzesvorhaben wird ein auf Konsens ausgerichtetes "Remiss-Verfahren" angewendet. Danach wird zunächst eine Kommission berufen, die den Sachverhalt untersucht. Die Kommissionsergebnisse werden publiziert („Statens Offentliga Utredningar", SOU) und gehen allen betroffenen öffentlichen und privaten Einrichtungen zu, damit diese dazu Stellung nehmen können. Erst nach diesem Diskussionsprozess macht die Regierung eine „Proposition“, welche die wichtigsten Untersuchungsergebnisse, Stellungnahmen und den eigentlichen Gesetzesvorschlag enthält. In den Ausschüssen des Reichstages kommt es dann selten zu substantiellen Änderungen des auf diese Weise erzielten Gesetzesvorschlages.[1] Der Reichstag beschließt oder verwirft den Gesetzesvorschlag oder verweist ihn (durch ein Drittel der Abgeordneten) an den Ausschuss zurück.

Auflösung des Reichstages

Der Reichstag wird vor Neuwahlen aufgelöst. Die Regierung hat das Recht, Neuwahlen auszuschreiben. In diesem Fall dauert die Legislaturperiode eines durch Neuwahlen hervorgegangenen Reichstages nur bis zum Ende der regulären Wahlperiode.

Notstandsregelung

In Krisenfällen kann eine Kriegsdelegation, bestehend aus dem Reichstagspräsidenten und 50 Reichstagsabgeordneten für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt werden, um den Reichstag zu ersetzen.

Exekutive

Die Regierung

Die schwedische Regierung besteht aus dem Premierminister (schwed. statsminister) und den Ministern (schwed. statsråd). Nur der Ministerpräsident wird vom Reichstag gewählt, die Minister werden vom Ministerpräsidenten ernannt und dem Reichstag bekanntgegeben. Der Wahl des Ministerpräsidenten geht ein Vorschlag des Reichtstagspräsidenten voraus. Der von ihm vorgeschlagene Kandidat ist gewählt, wenn nicht mehr als die Hälfte der Reichstagsmitglieder gegen ihn stimmt. Die Regierung fasst ihre Beschlüsse kollektiv, wobei der Konsens vom Ministerpräsidenten festgestellt wird.

Die Minister sind i. d. R. einem der zehn Ministerien (schwed. departement) zugeordnet, entweder als deren Leiter oder als Bereichsleiter. Die Hauptaufgabe der Ministerien ist die Vorbereitung von Regierungsbeschlüssen im jeweiligen Fachbereich. Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten dürfen die Ministerien aber keine Weisungen an die ihnen unterstellten Behörden erteilen (diese Ostnordische Verwaltungsform wird auch in Finnland gebraucht).

Die Verwaltung

Schweden ist ein dezentraler Einheitsstaat, ist also nicht föderal organisiert. Jedoch stellen die Gemeinden Selbstverwaltungskörper mit gewisser Autonomie dar.

Staatliche Verwaltung

Das Firmenregistrierungsamt in Sundsvall.

Die staatliche Verwaltung ist der Regierung unterstellt. Jede Behörde (schwed. ämbetsverk) ist einem Ministerium zugeordnet. Die Behörden sind für die Umsetzung der vom Reichstag und der Regierung gefassten Beschlüsse und Verordnungen zuständig, sind aber in deren Durchführung selbständig, da sie nicht weisungsgebunden sind.

Jede Behörde steht unter der Leitung eines Generaldirektors und eines Verwaltungsrates, dessen Vorsitzender der Generaldirektor ist. Deren Tätigkeit wird durch das Verwaltungsgesetz aus dem Jahr 1986 geregelt. Die Behörden sind in der Regel nicht in der Hauptstadt Stockholm, sondern in anderen Städten angesiedelt.

Regionale Verwaltung

Zur Durchführung regionaler Aufgaben der Staatsverwaltung ist das Land in 21 Provinzen eingeteilt (schwed. län). Die regionalen Verwaltungsaufgaben werden von einer Provinzialregierung (schwed. länsstyrelse) wahrgenommen, deren Vorsitzender der von der Regierung für sechs Jahre ernannte Regierungspräsident (schwed. landshövding) ist. Unter anderem sind die Provinzialregierungen zuständig für Polizeiwesen, öffentlichen Verkehr und Verkehrssicherheit, Zivilverteidigung, Landwirtschaft und Fischerei, Tierschutz und vieles andere.

Kommunale Verwaltung

Stockholms Landsting auf Kungsholmen.
Gemeindeverwaltung in Lerum.

Die kommunale Verwaltung erfolgt auf zwei Ebenen: der Gemeinde (schwed. kommun) und dem Provinziallandtag (schwed. landsting). Auf beiden Ebenen gibt es vom Volk alle vier Jahre gewählte Beschlussorgane.

Die Gemeinden (sog. Primärkommunen), deren Zahl sich von 1952 bis heute durch Zusammenlegungen von ungefähr 2.500 auf 290 verringert hat, sind mit der Durchführung von Aufgaben im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung betraut. Wichtige Aufgaben sind u.a. die Kinderbetreuung, das Schulwesen (Grundschulen und Gymnasien), der Sozialdienst, die Altenpflege und die Betreuung von Behinderten, Städteplanung und Bauwesen u.a.

Die Provinziallandtage (sog. Sekundärkommunen) sind für Aufgaben im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung zuständig, die für einzelne Gemeinden zu umfassend sind. Die wichtigste Aufgabe ist das Gesundheitswesen, die Krankenpflege sowie der regionale Kollektivverkehr.

Gemeinden und Provinziallandtage finanzieren ihre Tätigkeit vor allem durch die Erhebung direkter Einkommenssteuern.

Judikative

Das schwedische Gerichtswesen im Straf- und Zivilrechtsbereich ist auf drei Ebenen organisiert: die Gerichte erster Instanz (tingsrätt), Gerichte zweiter Instanz (hovrätt) und die dritte Instanz, der Oberste Gerichtshof (Högsta domstolen). Letzterer ist letzte Instanz in Zivil- und Strafsachen, die Entscheidungen des Gerichts haben Präjudizwirkung.

Ebenfalls die Verwaltungsgerichte weisen drei Instanzen auf: Verwaltungsgerichte erster Instanz (länsrätt), die zweiter Instanz (kammarrätt) und der Oberste Verwaltungsgerichtshof (Regeringsrätten).

Parteien

Ergebnis der Wahl 2010

Im schwedischen Reichstag sind seit der Wahl 2010 acht Parteien vertreten:

Daneben gibt es lokale und regionale Parteien, die Abgeordnete in Gemeindeversammlungen oder Provinziallandtage entsenden. Seit 2003 gibt es die europakritische Partei Junilistan, der 2004 mit 14,5 % der Stimmen der Einzug in das Europäische Parlament gelang, aber 2009 mit 3,6 % keinen Sitz mehr erringen konnte. Die 2006 gegründete Piratpartiet (Piratenpartei) erhielt bei den Europawahlen 2009 insgesamt 7,13 % der Stimmen und konnte sich einen Sitz sichern. Bei der erwarteten Erweiterung des Europaparlaments auf 751 Sitze würde der Partei ein weiteres Mandat zufallen. In der Reichstagswahl 2010 konnte die Partei jedoch nicht mehr an diesen Erfolg anknüpfen und erhielt nur 0,63 % der Stimmen. Die 2005 von der früheren Vorsitzenden der Vänsterpartiet, Gudrun Schyman, gegründete Partei Feministiskt initiativ (Fi) erhielt zwar erhebliche mediale Aufmerksamkeit, konnte aber bislang in kein regionales oder nationales Parlament einziehen. Der größte Erfolg bislang waren 2,22 % bei der Europawahl 2009. Lediglich in der Heimatkomme Schymans, Simrishamn, errang die Partei 4 der 49 dort zu vergebenden Mandate im Gemeinderat.

Siehe auch

Literatur

  • Detlef Jahn: Das politische System Schwedens. In: Wolfgang Ismayr (Hrsg.): Die politischen Systeme Westeuropas. 3. Auflage, UTB, 2003, ISBN 3825280993, S. 93-130.
  • Werner Jann / Jan Tiessen: Gesetzgebung im politischen System Schwedens. In: Wolfgang Ismayr (Hrsg.): Gesetzgebung in Westeuropa. EU-Staaten und Europäische Union. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2008, S. 99-131.

Einzelnachweise

  1. Gurgsdies, Erik: Schweden. Zivilgesellschaft im universalistischen Sozialstaat, in: Meyer, Thomas (Hg.), Praxis der Sozialen Demokratie, Wiesbaden 2006, S. 54f.

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