Privilegierter Eisenbahn-Durchgangsverkehr

Privilegierter Eisenbahn-Durchgangsverkehr

Als Privilegierter Durchgangsverkehr (PED) oder Korridorverkehr wird der Eisenbahnverkehr bezeichnet, der über fremde Staatsterritorien erfolgt, ohne dass entsprechende Zoll- oder Passkontrollen stattfinden. Die Züge werden oft als Korridorzug bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Zuglaufschild des „Transalpin“ mit Hinweis auf den Korridorverkehr

Ein Privilegierter Durchgangsverkehr wird in der Regel durch Abschluss eines Staatsvertrages geregelt. Darin wird unter anderem festgelegt, welcher Verkehr (Personen, Fracht) dem Privilegierten Durchgangsverkehr unterliegt, welche Kontrollen durchgeführt werden dürfen und welche Kosten anfallen.

Durchgangsverkehr über das Gebiet anderer Staaten kann aus verschiedenen Gründen nötig sein. So kann es auf Grund der geografischen Situation unmöglich sein, die Eisenbahntrasse ohne Grenzüberschreitung verlaufen zu lassen. Auch als Folge der Änderung von Ländergrenzen kann ein Teil einer durchgehenden Bahnverbindung über das Gebiet eines anderen Staates führen.

Reisende, Gepäck und Güter werden nach den Bestimmungen des Binnenverkehrs der Ausgangsbahn abgefertigt, durch die Transitbahn erfolgt üblicherweise keine Kontrolle der Fahrausweise oder der Ladung. Sie stellt nur die Fahrplantrasse und, wenn notwendig, Triebfahrzeug und Lokpersonal und erhält dafür eine pauschale Vergütung.

Abhängig von den jeweiligen zwischenstaatlichen Beziehungen der beiden betreffenden Staaten, werden die Eisenbahnzüge unter verschiedenen Bedingungen geführt. Teilweise halten die Korridorzüge nicht im Transitland, oft sind Ein- und Aussteigen dort nicht erlaubt. Mitunter sind auch die Waggons versperrt oder plombiert. In der Regel finden für Transitreisende keine Pass- und Zollkontrollen statt. Erleichterungen im internationalen Reiseverkehr wie etwa Aufhebung der Visapflicht führen zur Verwischung der Regeln des PED. Aufgrund des Wegfalls der Grenzkontrollen im Zuge der Umsetzung des Schengener Abkommens haben die meisten europäischen Korridorverkehre einen Teil ihrer Besonderheiten gegenüber dem übrigen Eisenbahnverkehr verloren.

Eine Abart des privilegierten Durchgangsverkehr war der Sperrwagen. Damit war es möglich, einen oder mehrere Personenwagen über Strecken des anderen Staates zu bewegen, ohne dass dieser Kontrollen unterlag.

Entwicklung in einzelnen Ländern

Deutschland

Außerfern- und Mittenwaldbahn

Die ersten Verträge über solchen Verkehr betrafen vor allem den Personenverkehr.

1869 wurde ein Staatsvertrag für den Bau der Strecke Scheibe (heute Mittelherwigsdorf)–Warnsdorf–Seifhennersdorf zwischen Sachsen und Österreich abgeschlossen, die den böhmischen Bahnhof Warnsdorf ans sächsische Bahnnetz anschloss. 1871 wurde der Betrieb aufgenommen. Der Bahnhof selbst blieb im Eigentum der Böhmischen Nordbahngesellschaft. Die Züge fuhren von Eibau über Zittau bis ins böhmische Reichenberg.

Ein weitere PED war auf der Strecke Plauen–Eger notwendig. Die Strecke querte zwischen Raun und Voitersreuth mehrmals die Staatsgrenze, so dass ab 1918 der Abschluss eines Vertrages zwischen der Tschechoslowakei und dem Deutschen Reich erforderlich wurde. Insbesondere zur Bedienung des tschechischen Bahnhofs Plesná wurde nach 1945 ein Durchgangsverkehr zwischen der ČSD und der DR vereinbart.

Ein gegenseitiger Durchgangsverkehr zwischen Bayern und Österreich wurde auf der Außerfernbahn ab 1913 zwischen Steinach und Reutte eingerichtet. Nach der Eröffnung der Strecke Scharnitz-Reutte am 20. Mai 1913 konnte die Bayerische Staatsbahn von Kempten über Reutte nach Garmisch-Partenkirchen fahren, während die österreichische Bahn von Innsbruck nach Reutte fahren konnte. Hier wurden den normalen Zügen Sperrwagen mitgegeben, die in Deutschland verschlossen waren und in denen keine Grenzkontrollen stattfanden. Seit 1994 gibt es keine durchgehende Züge Innsbruck–Reutte mehr. Es muss in Garmisch-Partenkirchen umgestiegen werden. Damit gilt auf dieser Verbindung der österreichische Binnentarif nicht mehr, jedoch der Tiroler Verbundtarif.

Durch die Grenzziehungen in der Folge des Versailler Vertrages wurden verschiedene privilegierte Durchgangsverkehre durch den polnischen Korridor eingerichtet. Dabei erfolgte die Abwicklung durch polnische Lokomotiven und polnisches Personal. PED bestanden bis 1936 auf folgenden Strecken:

  • Berlin – Stettin – Stolp – Groß Boschpol – Danzig – Dirschau – Marienburg – Königsberg
  • Berlin – Schneidemühl – Firchau – Konitz – Dirschau – Marienburg – Königsberg
  • Berlin – Schneidemühl – Bromberg – Thorn – Deutsch Eylau – Allenstein – Insterburg
  • Berlin – Neu Bentschen – Posen – Thorn – Deutsch Eylau – Allenstein – Insterburg
  • Breslau – Posen – Thorn – Deutsch Eylau – Allenstein – Insterburg

Ab 1936 wurden nur noch die Strecken über Groß Boschpol und Firchau bedient. Auch nach der deutschen Besetzung Polens 1939 konnten die Züge nur mit Genehmigung verlassen werden.

Neißetalbahn

Durch die Besetzung des Sudetenlandes nach dem Münchener Abkommen 1938 war das Deutsche Reich bestrebt, eine Bahnverbindung zwischen Berlin und Wien auf dem kürzesten Weg zu etablieren, der nicht der Kontrolle der tschechoslowakischen Behörden unterlag. Es wurden deshalb Durchgangsverkehre zwischen Oberschlesien und Österreich eingerichtet. Die Grenzziehung zwischen dem Deutschen Reich und dem Protektorat Böhmen und Mähren orientierte sich nicht an den bestehenden Bahnstrecken. Es war deshalb erforderlich, im Grenzgebiet weitere Durchgangsverkehre einzurichten.

Kompliziert stellte sich nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges die Situation im neu entstandenen Dreiländereck DDR-Tschechoslowakei-Polen dar. Hier war es erforderlich, einen Durchgangsverkehr für Züge aus der DDR durch Polen auf der Bahnstrecke Zittau–Hagenwerder (Neißetalbahn) einzurichten. Eine Besonderheit der Strecke ist, dass auch der Bahnhof der Stadt Ostritz auf polnischem Gebiet liegt. Die PED-Vereinbarung sah deshalb auch einen Halt der deutschen Züge im nun Krzewina Zgorzelecka genannten Bahnhof vor, der von Ostritz aus über eine Fußgängerbrücke zugänglich ist.

In Folge der deutschen Teilung wurden kurzzeitig Durchgangsverkehre im Westen Thüringens eingerichtet. Dies betraf die Strecken Wartha–Gerstungen, Mühlhausen–Treffurt sowie die Verbindung von Wenigentaft-Mansbach nach Vacha. 1952 wurden diese Verkehre eingestellt. Die Strecke von Eisenach über Wartha, Gerstungen nach Bebra kreuzte mehrmals die innerdeutsche Grenze. Personenverkehr innerhalb der DDR gab es dort seit 1952 nicht mehr, aber Güterverkehr. Nach dem Bau einer Verbindungsstrecke war Gerstungen ab 1962 wieder direkt von DDR-Gebiet aus erreichbar.

Kein PED waren die Transitzüge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin. Ein Sonderfall waren die S-Bahnzüge durch den Nord-Süd-Tunnel in Berlin. Hier konnten Reisende aus West-Berlin das Gebiet Ost-Berlins ohne Kontrollen durchqueren und auch im Bahnhof Friedrichstraße umsteigen. Die Bahnen wurden bis 1984 jedoch von der Deutschen Reichsbahn der DDR betrieben, so dass man hier nicht von PED spricht.

Tschechoslowakei, Tschechien, Slowakei

Entlang der Strecke (Varnsdorf–Großschönau–Zittau und weiter nach Liberec besteht PED für Reisende aus der Tschechoslowakei (später Tschechien) durch deutsches (bzw. DDR-)Gebiet. Dabei liegt seit 1945 zudem ein Teilstück auf polnischem Territorium.

Ein weiterer solcher Verkehr mit Polen besteht auf der Strecke Hanušovice–Krnov, wo zwischen Mikulovice u Jeseníku und Jindřichov ve Slezsku polnisches Territorium und der Bahnhof Głuchołazy (früher Ziegenhals Hbf) genutzt wird. Dieser PED wurde 1888 und nach 1945 wieder eingerichtet.

In der Slowakei wurde am 12. September 1951 ein PED über ungarisches Territorium von Lučenec nach Veľký Krtíš aufgenommen. Mit einer neugebauten Strecke von ungarischen Nógrádszakál aus konnten die Kohle- und Kiesgruben um Veľký Krtíš und Malé Straciny am wirtschaftlichsten erschlossen werden.

Polen

Auch für die polnische Eisenbahn war es ab 1938 nach der Besetzung eines Teils des Sudetenlandes durch Polen erforderlich, einen Durchgangsverkehr auf der Strecke Bohumín (polnisch Bogumin) – Rybnik über deutsches Gebiet einzurichten.

Weitere PED waren ab 1945 an der Ostgrenze auf der Strecke Przemyśl–Zagórz und der Strecke Malhowice–Krościenko durch die Sowjetunion notwendig.

Österreich

Die Grenzänderungen in Folge des Endes des Ersten Weltkrieges brachten die Notwendigkeit mit sich, auf weiteren Strecken neben dem Durchgangsverkehr mit Deutschland PED einzurichten. PED besteht seitdem auf den Stecken BrennerbahnPustertalbahn zwischen Innsbruck und Lienz durch Italien und auf der Burgenlandbahn von Loipersbach im BurgenlandSopronDeutschkreutz durch Ungarn.

Zur Beschleunigung des Verkehrs von Wien und Salzburg nach Innsbruck wurde ab dem 28. Mai 1967 auf der Strecke über das große deutsche Eck bei Rosenheim ein PED neu aufgenommen. In diesem Zusammenhang wurde 1982 auf Kosten der Österreichischen Bundesbahn eine Verbindungskurve in Rosenheim gebaut.

Frankreich, Italien

Ein Privilegierter Durchgangsverkehr besteht auf der Tendabahn zwischen Frankreich und Italien. Mit der in der Vergangenheit mehrfach geänderten Grenzziehung in diesem Bereich änderten sich auch die jeweiligen Vereinbarungen.

Russland

Zwischen der russischen Exklave, der Oblast Kaliningrad, und den Zielen im russischen Kernland, Moskau, Sankt Petersburg und Anapa besteht ein entsprechender Durchgangsverkehr durch Litauen und Weißrussland.

Literatur

  • Erich Preuß: Der Privilegierte Durchgangsverkehr 1. Teil. In: Modelleisenbahner. transpress, Berlin Mai 1988, ISSN 0026-7422, S. 12-13.
  • Erich Preuß: Der Privilegierte Durchgangsverkehr 2. Teil. In: Modelleisenbahner. transpress, Berlin Juni 1988, ISSN 0026-7422, S. 8-11.
  • Erich Preuß: Der Privilegierte Durchgangsverkehr 3. Teil. In: Modelleisenbahner. transpress, Berlin Juli 1988, ISSN 0026-7422, S. 7-8, 12.

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