Sabine Azéma

Sabine Azéma
Sabine Azéma bei der César-Verleihung 1998

Sabine Azéma (* 20. September 1949 in Paris) ist eine französische Theater- und Filmschauspielerin. Sie gehört in ihrem Heimatland zu den populärsten Schauspielerinnen und ist vor allem durch ihre Darstellung extrovertierter Figuren in Autorenfilmen und Komödien bekannt geworden. Eine jahrzehntelange Zusammenarbeit verbindet sie mit den Akteuren Pierre Arditi und André Dussollier sowie dem Filmregisseur Alain Resnais, der sie seit Anfang der 1980er Jahre in den meisten seiner Werke besetzt und seit 1998 auch ihr Ehemann ist.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Ausbildung und Anfänge am Theater

Sabine Azéma wurde 1949 als Tochter eines Anwalts geboren und wuchs mit zwei Schwestern in der französischen Hauptstadt auf.[1] Schon als Kind von der Schauspielerei fasziniert, nahm sie bereits während ihrer Schulzeit Kurse am Pariser Lycée Carnot bei François Florent,[2] der später die bekannte Schauspielschule Cours Florent gründete. Um ihre Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern, ging sie nach dem Abitur nach England, wo sie ihren (späteren) ersten Ehemann, den Dramatiker Michel Lengliney, kennenlernte.[2] Zurück in Frankreich besuchte sie Theaterkurse bei Jean Périmony, um im Alter von zwanzig Jahren eine Schauspielausbildung am renommierten Conservatoire national supérieur d’art dramatique (CNSAD) zu beginnen,[1] wo so bekannte Akteure wie Jean-Paul Belmondo oder Michel Bouquet gelernt hatten. Nach der Ausbildung am Conservatoire (ihr Mentor war Antoine Vitez) holte sie Claude Sainvinal an die Comédie des Champs-Elysées, wo sie 1974 mit Jean Anouilhs La valse des toréadors an der Seite des von der Bühne scheidenden Louis de Funès einen erfolgreichen Einstand im französischen Theater hatte. Danach erschien Azéma in weiteren Stücken von Arnouilh (Le Scénario, 1977), Françoise Dorin (Si t'es beau, t'es con mit Jean-Claude Brialy, 1978) sowie ihres Ehemannes Michel Lengliney (Silence... on s’aime, 1980) und wusste die Zuschauer vor allem durch ihr komödiantisches Talent zu begeistern, das während ihrer Schauspielausbildung verborgen geblieben war.[3]

Parallel zu ihrer Arbeit am Theater sah man Azéma 1975 in der Serie La Preuve par treize erstmals im französischen Fernsehen. Ein Jahr später feierte die 1,67 m große Schauspielerin ihr Kinodebüt in Georges Lautners Komödie On aura tout vu (1976) an der Seite von Pierre Richard und Miou-Miou, nachdem sie zuvor ihr Mitwirken in Bertrand Taverniers preisgekrönter historischer Komödie Wenn das Fest beginnt ... (1975) wegen einer Theatertournee hatte absagen müssen.[2] Es folgten weitere Nebenrollen bei Film und Fernsehen, darunter in Claude Gorettas preisgekröntem Kinodrama Die Spitzenklöpplerin (1977) mit Isabelle Huppert, ehe sie ihre erste Hauptrolle in der Kinokomödie On n'est pas des anges... elles non plus (1981) von Michel Lang erhielt und am Pariser Théâtre de la Michodière neben Michel Galabru in La Patemouille, einem Stück ihres damaligen Ehemannes Michel Lengliney, auftrat. Dadurch wurde Alain Resnais auf Azéma, die mit Muriel oder die Zeit der Wiederkehr (1963) im Alter von 15 oder 16 Jahren zum ersten Mal einen Film von ihm gesehen hatte, aufmerksam.[4] Der bekannte Nouvelle Vague-Regisseur gab der zerbrechlich wirkenden Schauspielerin, die zu jener Zeit oft unter lähmendem Lampenfieber litt,[5] eine tragende Rolle in seinem Spielfilm Das Leben ist ein Roman (1983). Das zwischen Drama, Komödie und Roman angesiedelte Werk erzählt in drei Zeit- und Realitätsebenen von dem Scheitern eines Glücksexperiments auf einem Schloss in den Ardennen. Mit dem Part der verklemmten, romantischen Schullehrerin mit Heiratsambitionen an der Seite von Vittorio Gassman und Geraldine Chaplin gelang ihr der Durchbruch als Filmschauspielerin, 1984 wurde sie als Beste Nebendarstellerin für den César nominiert.

César-Gewinn und Zusammenarbeit mit Alain Resnais

Hatte Azéma bei der Vergabe des wichtigsten französischen Filmpreises noch gegenüber Suzanne Flon (Ein mörderischer Sommer) das Nachsehen gehabt, katapultierte sich die improvisationsfreudige Komödiantin mit der weiblichen Hauptrolle in Bertrand Taverniers Ein Sonntag auf dem Lande (1984) in die Riege der führenden französischen Filmschauspielerinnen und wurde auch einem internationalem Kinopublikum bekannt. In dem Drama gibt sie die Tochter eines alternden und wehmütigen Provinzmalers (gespielt von Louis Ducreux), der an einem Spätsommer-Sonntag des Jahres 1912 Besuch von seiner Familie erhält. Die Rolle der unverheirateten Irène, die der Vater wegen ihres ungestümen Lebensstils dem bürgerlichen Sohn (Michel Aumont) vorzieht und mit der er bereitwillig über sich selbst, den Tod und die Kunst spricht, brachte der 35-Jährigen den Preis des amerikanischen National Board of Review und einen César als Beste Hauptdarstellerin ein. Zwei Jahre später – nach Das Leben ist ein Roman und der Hauptrolle als tragische Heldin in Liebe bis in den Tod (1984) – spielte sie erneut unter der Regie Resnais'. In Mélo (1986), der Verfilmung eines Theaterstücks von Henry Bernstein, schlüpft sie in die Rolle einer jungen Ehefrau, die aus Liebe zu einem stadtbekannten Verführer (gespielt von André Dussollier) plant, ihren Mann (Pierre Arditi) zu vergiften. Aus Verzweiflung über die treuherzige Anhänglichkeit ihres Mannes und der Gefühllosigkeit des Geliebten wählt sie aber als letzten Ausweg den Freitod in der Seine. Erneut brachte ihr der zwischen Boulevardtheater, Dreiecksgeschichte und Melodram angesiedelte Film[6] das Lob der Kritik und 1987 den zweiten César für die beste weibliche Hauptrolle ein, was bis dahin nur Romy Schneider und Isabelle Adjani gelungen war.

Azéma im Jahr 1996

Azéma avancierte nach Das Leben ist ein Roman, Liebe bis in den Tod und Mélo zur Muse Alain Resnais, mit dem sie ab Ende der 1980er Jahre auch das private Glück fand. Resnais bedachte sie seit ihrer ersten Zusammenarbeit im Jahr 1983 mit Hauptrollen in nahezu allen seinen Werken (ausgenommen I Want to Go Home, 1989). Unter seiner Regie agierte sie weiterhin in so unterschiedlichen Rollen wie als frustrierte Geschäftsfrau in dem César-Gewinner Das Leben ist ein Chanson (1996), als untreue Industriellengattin in der Operettenverfilmung Pas sur la bouche (2003), als religiöse Christin mit erotischen Geheimnissen in Herzen (2006; ihre Szenen werden von der Welt später zu den großen Kinomomenten des Jahres 2007 gezählt)[7] oder auch als Erzählerin in einem Musikdokumentarfilm (Gershwin, 1992).

Mit Resnais teilt sie die Liebe zu musikalischen Komödien und deren naive Fröhlichkeit. Er zwingt ihr, laut Azéma, nie eine Sicht auf und weiß genau ihre Schwächen und Fehler in Filmprojekten einzubauen. „Ohne ihn würde ich vieles nicht wagen und wahrscheinlich nie richtig lustig sein.“, so Azéma.[8] Häufig war sie an der Seite von Pierre Arditi zu sehen, mit dem sie bisher elfmal vor der Kamera stand und eng befreundet ist.[5] Ein Höhepunkt ihrer Zusammenarbeit war Resnais’ César-Gewinner Smoking / No Smoking (1993), die Verfilmung von Alan Ayckbourns Theaterstück Intimate Exchanges, in dem beide Darsteller englische Kleinstädter überspielen und alle neun Filmrollen verkörpern. Ausgangspunkt beider in sich geschlossener Filme ist die Entscheidung der unsicheren Celia Teasdale, der Frau eines alkoholkranken Schuldirektors, zur Zigarette zu greifen. Nach dem „entweder/oder“-Prinzip ergeben sich je nach den Entscheidungen der Figuren zwölf verschiedene Schlüsse,[9] woraufhin die französische Tageszeitung Libération als Ehrerbietung die beiden Schauspieler in „Sapierre Ardema“ umtaufte.[8]

Neben Resnais arbeiten auch weitere bekannte französische Filmemacher mit der Schauspielerin, die sich selbst in einem Interview 1994 mit der tageszeitung außerhalb der Kamera als „ziemlich scheu“ beschrieb.[8] Bertrand Tavernier setzte sie in seinem Kriegsdrama Das Leben und nichts anderes (1990) erneut als elegante und standesbewusste Dame aus reichem Hause in Szene, die mit Hilfe Philippe Noirets ihren im Ersten Weltkrieg vermissten Ehemann sucht. Bertrand Blier vertraute ihr 1996 den Part einer Nymphomanin neben Anouk Grinberg und Gérard Lanvin in der Tragikomödie Mein Mann – Für deine Liebe mach' ich alles an. In Étienne Chatiliez' Komödie Das Glück liegt in der Wiese (1996) agierte sie als zickige und untreue Ehefrau von Michel Serrault, der sich als ruinierter Kleinunternehmer mit falscher Identität in der Provinz niederlässt. Der deutsche film-dienst bemerkte später, dass es die differenzierte Schauspielkunst und das leicht persiflierende Spiel von Azéma ist, die manche kruder Szene die Spitze nimmt.[10]

Im Verlauf ihrer Karriere immer kecker geworden zu sein und ihr komödiantisches Talent kultiviert zu haben, das stellte sie dem General-Anzeiger zufolge in der erotisch aufgeladen Ménage à quatre Malen oder Lieben der Gebrüder Jean-Marie und Arnaud Larrieu unter Beweis - die bislang einzige Zusammenarbeit mit Daniel Auteuil.[11] Chatiliez setzte sie 2001 für die Komödie Tanguy – Der Nesthocker ein, in der sie mit Filmehemann André Dussollier zusammen versucht, den gemeinsamen 28-jährigen Sohn (gespielt von Eric Berger) aus dem Haus zu ekeln. Ein familiärer Rosenkrieg, den beide Darsteller „mit der lustvollen Albernheit von Kindern“ zelebrieren, so die Süddeutsche Zeitung.[12] Mit ihm könne sie – ebenso wie mit Arditi – schauspielerisch weiter gehen, da ihr Zusammenspiel mit den Jahren immer tiefer schürfe, so Azéma.[13] Mit Dussollier war sie 2009 das zehnte Mal in Alain Resnais Drama Vorsicht Sehnsucht zu sehen, der Verfilmung eines Romans von Christian Gailly.

Privatleben und Arbeit als Regisseurin

Azéma ehelichte 1973 den Dramatiker Michel Lengliney. Seit 1998 ist sie mit dem französischen Regisseur Alain Resnais verheiratet.[14] Beide Ehen blieben kinderlos. Eine enge Freundschaft verband sie mit dem Fotografen Robert Doisneau (1912–1994), über den sie 1992 den dokumentarischen Kurzfilm Bonjour Monsieur Doisneau ou Le photographe arrosé veröffentlichte.[15] 1997 führte sie Regie für den deutsch-französischen Sender Arte bei dem Fernsehfilm Quand le chat sourit, an dem unter anderem Resnais und ihre Filmkollegen aus Das Leben ist ein Chanson, Pierre Arditi, Jane Birkin und André Dussollier, mitwirkten.

1987 war Azéma unter anderem neben Vittorio Storaro, Károly Makk und Michael York in der Wettbewerbsjury der Filmfestspiele von Venedig vertreten, die unter der Leitung der griechischen Schauspielerin Irene Papas das Drama Auf Wiedersehen, Kinder von Louis Malle mit dem Goldenen Löwen auszeichnete.[16] 1996 führte sie als Gastgeberin (Maîtresse de Cérémonie) durch die Eröffnungsfeier der Filmfestspiele von Cannes.[17] Nach siebzehnjähriger Bühnenabstinenz übernahm sie im Juni 1999 am Stephen Joseph Theatre in Scarborough eine Rolle in dem englischsprachigen Stück Garden (House & Garden) von Alan Ayckbourn, der die literarischen Vorlagen für Smoking/No Smoking und Herzen geliefert hatte. Für ihren Part als französische Filmdiva Lucille erntete sie Lob seitens der Kritik.[18][19]

Filmografie

Schauspielerin (Auswahl)

  • 1976: On aura tout vu
  • 1976: Der Pförtner vom Maxim (Le Chasseur de chez Maxim's)
  • 1977: Die Spitzenklöpplerin (La Dentellière)
  • 1983: Das Leben ist ein Roman (La vie est un roman)
  • 1984: Ein Sonntag auf dem Lande (Un dimanche à la campagne)
  • 1984: Liebe bis in den Tod (L'amour à mort)
  • 1986: Death Town (Zone rouge)
  • 1986: Mélo
  • 1989: Geheimauftrag Erdbeer Vanille (Vanille fraise)
  • 1989: Das Leben und nichts anderes (La vie et rien d'autre)
  • 1989: Fünf Tage im Juni (Cinq jours en juin)
  • 1993: Smoking / No Smoking
  • 1995: 101 Nacht – Die Träume des M. Cinéma (Les Cent et une nuits de Simon Cinéma)
  • 1995: Das Glück liegt in der Wiese (Le bonheur est dans le pré)
  • 1996: Mein Mann – Für deine Liebe mach' ich alles (Mon homme)
  • 1997: Das Leben ist ein Chanson (On connaît la chanson)
  • 1999: Le Schpountz
  • 1999: La Bûche
  • 2001: Die Offizierskammer (La Chambre des officiers)
  • 2001: Tanguy – Der Nesthocker (Tanguy)
  • 2003: Das Geheimnis des gelben Zimmers (Le mystère de la chambre jaune)
  • 2003: Pas sur la bouche
  • 2005: Malen oder Lieben (Peindre ou faire l'amour)
  • 2005: Le Parfum de la dame en noir
  • 2005: Olé!
  • 2006: Herzen (Cœurs)
  • 2007: Faut que ça danse!
  • 2008: Le Voyage aux Pyrénées
  • 2009: Vorsicht Sehnsucht (Les herbes folles)
  • 2009: Les derniers jours du monde
  • 2010: Donnant, donnant

Regie

  • 1992: Bonjour Monsieur Doisneau ou Le photographe arrosé (Dokumentar-Kurzfilm)
  • 1997: Quand le chat sourit (TV)

Theaterstücke

Auszeichnungen

César

  • 1984: nominiert als Beste Nebendarstellerin für Das Leben ist ein Roman
  • 1985: Beste Hauptdarstellerin für Ein Sonntag auf dem Lande
  • 1987: Beste Hauptdarstellerin für Mélo
  • 1990: nominiert als Beste Hauptdarstellerin für Das Leben und nichts anderes
  • 1994: nominiert als Beste Hauptdarstellerin für Smoking / No Smoking
  • 1996: nominiert als Beste Hauptdarstellerin für Das Glück liegt in der Wiese
  • 1998: nominiert als Beste Hauptdarstellerin für Das Leben ist ein Chanson

Europäischer Filmpreis

  • 1989: nominiert als Beste Darstellerin für Das Leben und nichts anderes

Weitere

National Board of Review

  • 1984: Beste Nebendarstellerin für Ein Sonntag auf dem Lande

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b vgl. Biografie bei allocine.fr (französisch; aufgerufen am 6. August 2008).
  2. a b c vgl. Biografie bei cinema.aliceadsl.fr (französisch; aufgerufen am 6. August 2008).
  3. vgl. Biografie in Lexikon des internationalen Films 2000/2001 (CD-ROM).
  4. vgl. Peron, Didier: "On est dans une sensation de recherche continuelle". In: Libération, 22. November 2006, Cinéma, S. 2–3.
  5. a b vgl. Schulz-Ojala, Jan: Koffer fürs Leben. In: Tagesspiegel, 29. März 2007 (aufgerufen am 7. August 2008).
  6. vgl. Filmkritik von Josef Schnelle im film-dienst 03/1988.
  7. vgl. Hanns-Georg Rodek, Peter Zander: Die schönsten Filmszenen 2007. In: Die Welt, 28. Dezember 2007, Ausg. 302/2007, S. 27.
  8. a b c vgl. Marcus Rothe: "Ja, es ist gut, sich zu entscheiden". In: die tageszeitung, 22. Februar 1994, S. 21.
  9. vgl. Filmkritik von Stefan Lux im film-dienst 21/1994.
  10. vgl. Filmkritik von Rolf-Ruediger Hamacher im film-dienst, 10/1996.
  11. vgl. Raffelsiefen, Norbert: Film-Reigen. In: General-Anzeiger, 15. Juni 2006, S. 33.
  12. vgl. Sterneborg, Anke: Tanguy zu dritt zu Hause. In: Süddeutsche Zeitung, 3. Juni 2002, Nr. 125, S. 14.
  13. vgl. Midding, Gerhard: Die Freuden des Partnertauschs. In: Berliner Zeitung, 14. Juni 2006, Ausg. 136, S. 19.
  14. vgl. Alain Resnais. In: World who's who : Europa biographical reference. London : Routledge, 2002.
  15. vgl. Guerrin, Michel: Robert Doisneaule braconnier de l'éphémère Le plus célèbre photographe français est mortle 1er avril à Paris. In: Le Monde, 4. April 2004.
  16. vgl. Filmfestspiele von Venedig 1987 in der Internet Movie Database (IMDb; englisch); aufgerufen am 8. August 2008.
  17. vgl. Carrière, Christophe: Casting : Et dans le rôle des maîtresses... In: L'Express, 8. Mai 2003, S. 48.
  18. vgl. Cliff, Nigel: Single cast in double delight. In: The Times, 22. Juni 1999, Features.
  19. vgl. Billington, Michael: Master of marital pain. In: The Guardian, 21. Juni 1999, S. 16.

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