- Sammlerstück
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Der Begriff Sammeln bezeichnet die systematische Suche, Beschaffung und Aufbewahrung einer abgegrenzten Art oder Kategorie von Dingen oder Informationen.
Für viele Tiere und auch heute noch für viele Menschen ist das wildbeuterische Sammeln und die Vorratshaltung (das Horten) vor allem von Lebensmitteln überlebenswichtig (vergleiche: Jäger und Sammler).
Ein übereifriger, des Sammelns willen tätiger Sammler wird im norddeutschen Raum heute umgangssprachlich auch als Zedler bezeichnet, abgeleitet von der ursprünglichen Berufsbezeichnung der Zedlerei oder Zeidlerei, dem Raubsammeln von Honig.
Heute wird in Industrieländern das Sammeln von Gegenständen oder Lebensmitteln hauptsächlich als Hobby betrieben.
Eine weitere Form des Sammelns ist das professionelle und institutionalisierte Anlegen von Sammlungen, z. B. von Museen, Bibliotheken oder Archiven sowie das Sammeln von Fossilien und in der Archäologie zu Zwecken der Forschung und der Bewahrung.
Inhaltsverzeichnis
Sammeln als Hobby
Grundsätzlich kann und wird alles gesammelt, aus Platzgründen vor allem aber handliche Dinge. Dabei gibt es den systematischen Sammler, der Objekte eines bestimmtes eingegrenzten Gebiets (einer Region, Epoche, Gattung bzw. Thematik) oder Produkte eines Herstellers möglichst vollständig besitzen will, und den eher unsystematischen Sammler, der nur die Dinge sammelt, die ihm gefallen oder die ihn an etwas erinnern. Dabei wecken besonders seltene Gegenstände (Raritäten) häufig ein besonderes Interesse bei Sammlern, beliebte Sammelobjekte werden teilweise schon bei der Produktion künstlich verknappt (limited Editions - begrenzte Auflagen).
Sammlerprofile zeigen, dass am Anfang häufig ein Zufall stand, durch Geschenke, Erbschaft u. a. war das Interesse zu weiterem Erwerb geweckt, dabei spielten ästhetische Gesichtspunkte besonders häufig eine Rolle. Die erste Sammlung wird sehr oft durch weitere Sammlungen erweitert, der ersten Sammlung bleibt der Sammler aber fast immer treu, ein Sammler bleibt in der Regel bei seiner Sammeltätigkeit sein Leben lang. Ehepaare sammeln - wenn auch auf verschiedenen Gebieten - gemeinsam.
Eine große Zahl von Sammlern strebt ehrgeizig nach Wissen über seinen Gegenstand und versucht über Ausstellungen und Publikationen seine Kenntnisse und Erkenntnisse weiterzutragen (s. o. = Systematischer Sammler). Viele Sammler organisieren sich in Vereinen. Auch Tauschbörsen werden veranstaltet, wo die Sammler miteinander Kontakt aufnehmen können und Sammlerstücke austauschen oder kaufen. In beliebten Sammelgebieten können Händler damit ihren Lebensunterhalt verdienen, und viele Objekte werden auch aus kommerziellem Interesse eigens für Sammler in limitierten Auflagen (mit Sammlerzertifikat) hergestellt. Einige besonders begehrte Hersteller organisieren eigene Sammlerklubs mit Sonderangeboten.
Fundquellen für Sammler sind oft Auktionen, Flohmärkte, Antiquitätenläden oder Antiquariate und zunehmend Online-Angebote. Das Internet hat besondere Bedeutung für Sammler sehr exotischer Dinge, die sich so einfach und schnell weltweit austauschen können. Meist ist der Erhaltungsgrad der Sammelobjekte mitentscheidend für die endgültige Festsetzung des Preises.
Wertvolle Sammelstücke werden gefälscht: Siehe dazu Fälschung, Kunstfälschung, Briefmarkenfälschung.
Populäre Sammelgebiete
Es gibt ungezählte Dinge, die gesammelt werden. Dazu zählen etwa historische Aktien und Wertpapiere, Ansichtskarten, Anstecknadeln, Antiquitäten, Autogrammkarten, Automobile (insbesondere Oldtimer), Auto- oder Eisenbahnmodelle, Banknoten, Bierdeckel (Bierfilze), Bierdosen oder Flaschen, Bierkrüge, Blechspielzeug (z. B. Schuco-Autos), Briefmarken, Briefpapier, Bücher, Comics, Fotografien, Feuerzeuge (z. B. Zippos), Gemälde, Gläser, Grafiken, Handtaschen, Kameras (insbesondere Leicas), Keramik, Flaschen-Kronkorken, Lesezeichen, Militaria, Mineralien und Fossilien, Münzen (siehe Münzen sammeln) und Medaillen, Musikinstrumente, Porzellan, Sammelbilder, Schallplatten, Schmetterlinge, Schmuck, Schuhe, Servietten, Spardosen, Spielzeug, Streichholzschachteln, Telefonkarten, Figuren aus Überraschungseiern, Waffen, Zeitungen und Zigarettenbilder.
Geschichte
Bis zum 17. Jahrhundert war das Sammeln ein Vanitas-Motiv, und die „Sammlung“ diente in einschlägigen Darstellungen als mahnendes Beispiel der Eitelkeit und Besessenheit. Mit dem Absolutismus, der mit einer starken Aufwertung der Organisation in allen Lebensbereichen verbunden war, kam jedoch die Vorstellung auf, dass Sammelleidenschaft nicht nur zu Chaos, sondern auch zu Ordnung führen könne. Statt als wahllose Gier zu gelten, die sich bloß als Machtbeweis oder Selbstbezichtigung ausstellen konnte, durfte nun ein besonderes Verständnis für das Gesammelte öffentliche Anerkennung finden.
In Museen und Archiven, die seit dem späteren 18. Jahrhundert entstanden, erhält das Sammeln seinen offiziellen Rahmen. Durch den öffentlichen Charakter verloren die Sammlungen ihren egoistischen Anstrich und bekamen etwas Gemeinnütziges. Sie gehen in vielen Fällen auf Privatsammlungen von Fürsten und weiteren Herrschern zurück, welche damit einst ihre Macht demonstrierten. Zum Beispiel waren Rudolf II. und August der Starke als begeisterte Sammler bekannt. Für Museumssammlungen ist die systematische Dokumentation der Fundumstände und des Gebrauchskontexts der Dinge wesentlich. Im Museum geht es allerdings nicht nur um Sammeln und Dokumentieren, Archivieren und Konservieren, sondern auch um pädagogische Präsentation (Museumspädagogik), Wissensvermittlung und Forschung.
Auch Gelehrte und Wissenschafter sind als Sammler in Erinnerung geblieben: Petrarca etwa vermachte seine riesige Büchersammlung der Republik Venedig mit der Bedingung, diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Johann Wolfgang von Goethe karikierte sich und seine Sammelleidenschaft in dem Dialog Der Sammler und die Seinigen als ein Beherrscher, der „die Welt nach seiner Idee“ modelliert. Er erhob sich also nicht über die traditionellen Vanitas-Vorstellungen. Er soll eine Kunstsammlung mit über 25.000 Einzelstücken besessen haben.
Aus einer Verwissenschaftlichung des Reliquienkults hat sich zur gleichen Zeit das Sammeln von Fossilien und archäologischen Fundstücken entwickelt, ist seither ein Bestandteil der Forschung und dient zur Dokumentation der Kulturgeschichte des Menschen. Hierzu leisten auch private Sammler einen Beitrag, indem sie das Recht auf Grabungen (zum Beispiel bei Tiefbauarbeiten) erwerben und die Sammelstücke dokumentieren, bewahren und gegebenenfalls als Leihgabe Museen zur Verfügung stellen.
Psychologische Aspekte
Kritische Aspekte
- Jagen und Sammeln
- Überlebensnotwendige Urinstinkte des Menschen aus der Zeit der Jäger und Sammler treten heute oft kritisch in Erscheinung und führen zum „Jagen“ nach noch fehlenden Einzelstücken in der Sammlung und zum Sammeln als Ausdruck des Besitzes.
- Dominanztrieb
- Im Besitzen-wollen von Sammlerstücken drückt sich eine Machtdemonstration und das Beherrschen wollen aus.
- Ausweichverhalten
- Menschen, die von ihrem Alltag überfordert sind, flüchten oft ins Sammeln, weil sie sich dort, auf einem eingeschränkten und überschaubaren Betätigungsfeld, bewähren können. Auch die Angst vor sozialen Kontakten kann zu einem Rückzug und zu einer bevorzugten Beschäftigung mit Gegenständen führen.
- Kompensation unerfüllter sozialer Wünsche
- Menschen, die im Alltag nicht ausreichend Bestätigung und Anerkennung erfahren, bekommen diese mit Hilfe ihrer Sammlung im Kreise anderer Sammler.
- Kompensation unerfüllter sexueller Wünsche
- Sigmund Freud - er sammelte mit Begeisterung Skarabäen, Ringe und Statuetten - sieht die Sammlerleidenschaft auch als Ersatzbefriedigung zur Kompensation unerfüllter sexueller Wünsche.
- Bewältigung unbewusster Ängste
- Dem Sammeln und Horten kann auch eine unbewusste Angst vor Mangel zugrunde liegen, die mit dem Sammeln kompensiert werden kann. Das Sammeln ist daher häufig bei Menschen, die in ihrer Kindheit Mangel erfahren haben (z. B. Armut, Kriegserfahrungen, Mangel der Nachkriegszeit etc.).
Sammler können dem Krankheitssymptom der Sammelwut verfallen und sich selbst, die Partnerschaft und andere soziale Kontakte vernächlässigen. Im Extremfall kann das als Sucht dazu führen, dass nicht nur eine Sammlung in einem klar abgegrenzten Sachgebiet angelegt wird, sondern dass alles gesammelt wird: jedes Stück Verpackungspapier, jeder Kassenbon, alles was dem Sammler in die Hände kommt. (vgl. z. B. Bibliomanie und Messie-Syndrom).
Positive Aspekte
- Entspannung
- Sammeln kann als entspannende Tätigkeit der Hektik und dem Stress entgegen wirken.
- Freizeitbeschäftigung
- In Gesellschaften, in denen die Menschen mehr Freizeit haben, dient das Sammeln bestimmter Objekte dem Zeitvertreib und verhindert Langeweile und Untätigsein.
- Weiterbildung
- Sammeln dient der persönlichen Weiterbildung in der Freizeit, da sich Sammler in der Regel mit historischen, kunsthistorischen und geographischen oder technischen Aspekten ihrer Sammelobjekte auseinandersetzen.
- Kontakt zu anderen Menschen
- In Gesellschaften, in denen viele Menschen gegen eine Vereinsamung ankämpfen müssen, ermöglicht der Austausch mit gleichgesinnten Sammlern Kontakt und Kommunikation.
- Gesellschaftliche Stellung
- Da der Sammler einer große Sammlung zu einem ganz bestimmten Sammelgebiet Anerkennung zumindest bei gleichgesinnten Sammlern finden wird, bessert sich seine Stellung in der Gesellschaft. Er kann zur Verbreitung von Wissen beitragen. Viele Sammler werden als Experten ihres Fachgebietes geschätzt oder präsentieren sich als Leihgeber.
- Beitrag zum Lebensunterhalt
- In vielen Gesellschaften ist das Sammeln von Dingen zum Lebensunterhalt (zum Beispiel Brennholz oder Nahrungsmittel) auch heute überlebenswichtig. In Industriegesellschaften ist dieses Sammeln in der Regel ein Hobby, es vermittelt jedoch das positive Gefühl der Wertschöpfung und trägt somit zum Wohlbefinden bei.
Philosophie des Sammelns
Neuere philosophische Überlegungen kritisieren eine einseitige, psychopathologisierende Betrachtung des Sammelns (als „zwangsneurotisch“) und legen demgegenüber den Akzent auf die kreative Potenz des Sammelns als Gestaltung einer eigenen „Wunschwelt“.
Sammeln als Phänomen der Industrieländer
Die Komplexität der modernen Industriegesellschaft weckt oft den Wunsch nach Einfachheit und Überschaubarkeit, deren Illusion durch die Beschäftigung mit überschaubaren Sammelgebieten erzeugt werden kann. Die Vereinzelung und Individualisierung führt zudem zu einem Mangel an Sozialkompetenz, so dass sich viele Menschen bevorzugt der Beschäftigung mit Gegenständen widmen. Als weiterer Punkt führt die hochgradige Arbeitsteilung zu einem ausgeprägten Spezialistentum, das zu einem Mangel an Kompetenzen in anderen Lebensbereichen führt. Die Folge ist eine allgemeine subtile Lebensunsicherheit, die wiederum das Bedürfnis weckt, sich mit überschaubaren Themen zu beschäftigen, um ein Gefühl der Sicherheit wiederherzustellen. Die allgemeine Angst vor Arbeitsplatzverlust und sozialem Abstieg wirkt in gleicher Weise.
Siehe auch: Simple living.
Literatur
- Lothar Beinke: Sammeln und Sammler. Tönningen u.a. 2005, ISBN 3-89959-359-6
- Inge und Lothar Beinke: Sammlerprofile, Tönningen u.a. 2007, ISBN 978-3-89959-607-6
- Philipp Blom: Sammelwunder, Sammelwahn. Szenen aus der Geschichte einer Leidenschaft. Eichborn, Frankfurt am Main 2004. (Die andere Bibliothek) ISBN 3-8218-4537-6
- Justus Engelfried, Sammeln, Sammler und Gesammeltes - Ein Handbuch für den intelligenten Sammler. Shaker Media 2008, ISBN 978-3-940459-99-2
- Boris Groys: Logik der Sammlung. Am Ende des Musealen Zeitalters. Hanser, München u.a. 1997 ISBN 3-446-18932-7
- Adam Lindemann: Collecting Contemporary. Taschen Verlag, Köln 2006, ISBN 978-3-8228-4938-5
- Werner Muensterberger: Sammeln. Eine unbändige Leidenschaft. Psychologische Perspektiven. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1999. ISBN 3-518-39524-6
- Andreas Urs Sommer, Dagmar Winter, Miguel Skirl: Die Hortung. Eine Philosophie des Sammelns. Parerga Verlag, Düsseldorf 2000. ISBN 3-930450-54-2.
- Manfred Sommer: Sammeln. Ein philosophischer Versuch. Frankfurt am Main 1999. ISBN 3-518-58279-8
Weblinks
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