Sozialhilfe (Schweiz)

Sozialhilfe (Schweiz)

Die Sozialhilfe in der Schweiz ist eine öffentlich-rechtliche Sozialleistung, die im System der sozialen Sicherheit die Funktion einer Mindestsicherung des untersten Auffangnetzes innehat. Die Sozialhilfe erlaubt mittellosen Menschen, ein menschenwürdiges Dasein nach dem Kriterium des soziokulturellen Existenzminimums zu ermöglichen. Dies entspricht einem weiten Spektrum von der sogenannten Nothilfe für abgewiesene Asylbewerber bis zu einem breiten Band an Leistungen, welches für alle übrigen Aufenthalter in der Schweiz einen weiten Leistungskatalog umfasst. Dieser beinhaltet neben Grundzahlungen sogenannte Ergänzungsleistungen, die unter anderem Zuschläge für Kinder in der Ausbildung beinhalten, jedoch auch für Krankenkassenprämien und Versicherungen anderer Art aufkommen, sowie Feriengelder, Zuschüsse für private Fahrzeuge und vieles mehr leisten.

Die Sozialhilfe läuft unabhängig von anderen Sozialwerken wie der Altersversicherung oder der Invalidenversicherung. Die Sozialhilfe ergänzt jedoch subsidiär den Umfang jeglicher Einkünfte, so dass das Existenzminimum jeweils gewährleistet ist.

Inhaltsverzeichnis

Gesetzgebung

Bundesebene

Als einziges europäisches Land neben Österreich hat die Schweiz kein nationales Sozialhilfegesetz.[1] Auf Bundesebene existiert nur das Zuständigkeitsgesetz, ZUG. [2] Dieses befasst sich mit dem Sozialhilferecht und regelt im Wesentlichen die Kostenersatzpflicht zwischen den Kantonen (hinsichtlich Unterstützungswohnsitz, Wohnkanton, Heimatkanton, etc.). Weiter ist im ZUG auch die Zuständigkeit bei Schweizern mit permanentem Wohnsitz im Ausland, Ausländern, Flüchtlingen oder Staatenlosen festgehalten.

Kantonale Ebene

In jedem Kanton gibt es ein eigenes Sozialhilfegesetz[3], welches vom jeweiligen Parlament verabschiedet worden ist. Die Details werden durch eine Sozialhilfeverordnung geregelt. Diese wird von der kantonalen Regierung erlassen. Dadurch variiert die Gesetzgebung von Kanton zu Kanton. Allerdings sind weder im Gesetz noch in der dazugehörigen Verordnung Details der Unterstützung (z.B. Beiträge in Franken) geregelt. Die meisten Kantone orientieren sich in der Praxis an den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS). [4]

Organisation

Die Sozialhilfe wird stets von der Wohngemeinde des Empfängers ausgerichtet. Grössere Gemeinden und Städte verfügen über spezialisierte Sozialberatungen, welche als Anlaufstelle für Sozialhilfegesuche dienen und in Gesprächen mit den Betroffenen deren Situation zu verbessern oder zu lösen versuchen.

Kommunale Sozialhilfebehörden, üblicherweise in der Exekutive vertreten, entscheiden über Sozialhilfegesuche. Diese Behörden werden in Dörfern vom Volk und in Städten meistens von einem Parlament gewählt. Die Sozialhilfebehörde erledigt auch Einsprachen gegen Entscheide. In zweiter Instanz befasst sich in der Regel eine kantonale Aufsichtsbehörde damit. Als letzten Schritt können rekurrierende Personen auch an die zuständigen Gerichte gelangen.

Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe

Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) ist ein privater Verein und Fachverband, in dessen 51-köpfigem Vorstand zuständige Personen von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie Mitglieder von Sozialhilfebehörden vertreten sind. Mitglieder sind die Kantone, Bundesämter, Städte, Gemeinden sowie private Organisationen. Der Verband wurde 1905 als „Konferenz der Armenpfleger“ gegründet und nannte sich zwischenzeitlich „Schweizerische Konferenz für öffentliche Fürsorge (SKöF)“. Die SKOS erarbeitet Richtlinien für die Bemessung der Sozialhilfe. Die so genannten SKOS-Richtlinien werden von fast allen Kantonen angewendet. Einige Kantone erklärten die Richtlinien als verbindlich, was in der Praxis einer erweiterten Gesetzgebung entspricht. Die SKOS-Richtlinien werden auf Grund statistischer Grunddaten und fachtlicher Erwägungen erarbeitet. Ein breiter Vernehmlassungsprozess bei den Mitgliedern sichert die politische Akzeptanz der Richtlinien. Die letzte Revision trat per Januar 2009 in Kraft. Präsident der SKOS ist seit 1999 Walter Schmid, Rektor der Hochschule für Soziale Arbeit Luzern. Neben dem Erarbeiten der Richtlinien leistet die SKOS Lobbyarbeit und betreibt Forschungsarbeit zu sozialpolitischen Fragen.

Zahlen

Von der schweizerischen Sozialhilfe abhängig sind häufig Alleinstehende, Jugendliche, kinderreiche Familien, Bauern, Langzeitarbeitslose und Menschen ausländischer Herkunft. 2004 waren rund 300.000 Personen von der Sozialhilfe abhängig, was 4 % der Gesamtbevölkerung entspricht. Gründe für die Zunahme in den letzten Jahren sind die anhaltende Arbeitslosigkeit sowie das grössere Angebot an Arbeitsplätzen mit niedrigen Löhnen, welche das Existenzminimum nicht mehr decken können.[5]

Im Kanton Basel-Stadt ist jede fünfzehnte Person und sogar jede siebte unter 18 Jahren von der Sozialhilfe abhängig. 11,2 Prozent der 18- bis 25-jährigen Basler und Baslerinnen bezogen auch Sozialhilfe. Im selben Kanton leben übrigens auch prozentual die meisten Bezüger und Bezügerinnen von Invalidenrenten. Die Sozialhilfe der Stadt Basel wendet für einen durchschnittlichen Fürsorgefall jedes Jahr 14.000 Franken auf. Da dies monatlich etwa 1170 Franken entspricht (vgl. Tabelle zum Grundbedarf), erklärt sich diese tiefe Zahl dadurch, dass die Sozialhilfe auch ein Einkommen, das nicht existenzsichernd ist, um einen entsprechenden Betrag ergänzt.

In allen Grossstädten sind zwischen 3,5 % und 8 % der Menschen von der Sozialhilfe abhängig. Die typische Altersverteilung der Sozialhilfeempfänger einer Grossstadt, hier am Beispiel Winterthur:

Personengruppe Anteil, der Sozialhilfe bezieht
unter 18 Jahren 9,6 %
18 bis 25 Jahre 6,7 %
25 bis 36 Jahre 6,4 %
36 bis 51 Jahre 5,2 %
51 bis 65 Jahre 2,5 %
über 65 Jahre 0,5 %

Die gesamte Sozialhilfequote über alle Personengruppen liegt in Winterthur bei 5,2 %. Andere Städte zeigen in etwa das gleiche Muster. Über 65-Jährige, die eine AHV- oder IV-Rente beziehen und denen dieses Einkommen nicht ausreicht, haben Anspruch auf Ergänzungsleistungen. Diese Leistungen sind im Bundesgesetz für Sozialversicherungsrecht ATSG geregelt. [6] Bezieht ein Kind Sozialhilfeleistungen, so beziehen alle Geschwister Sozialhilfe, da die Unterstützungen pro Haushalt ausgerichtet werden (Grundbedarf richtet sich nach der Anzahl Personen). Dies hat zur Folge, dass Kinder und zum Teil auch Jugendliche in der Altersstatistik überrepräsentiert sind.

In Zürich gab es 2006 13597 Fälle - erstmals seit fünf Jahren einen leichten Rückgang (es wurden deutlich mehr Missbräuche aufgedeckt).

Geschichte

Mittelalter

Im Mittelalter war die Sozialhilfe, damals als Armenfürsorge bezeichnet, eine Sache der Kirchen, welche Almosen an Bedürftige verteilten. Religiöse Orden führten einfache Spitäler und Hospizen, wo die Armen kostenlos behandelt wurden. Im Spätmittelalter begannen die Dörfer und Städte selber solche Armenhäuser zu unterhalten.

16. bis 19. Jahrhundert

1551 entschied die Tagsatzung der Alten Eidgenossenschaft, dass jede Gemeinde oder Pfarrei für seine eigenen Armen aufkommen solle. Dies entsprach auch der Entwicklung in England und Frankreich: Die Armen sollen dort bleiben, wo sie sind. Ebenso war man der Ansicht, dass Armen dort geholfen werden sollte, wo ihre Bedürfnisse bekannt sind - nämlich dort, wo sie leben. Wurde ein Schweizer «armengenössig», also unterstützungsbedürftig, so hatte die Heimatgemeinde für ihn aufzukommen.[7]

Die Tagsatzung beschloss 1681, dass der Heimatort eines Armen für dessen Unterstützung aufkommen soll. Dadurch wurde die Verantwortung über Arme, Nichtsesshafte und Obdachlose oft einfach abgeschoben, und in manchen Gemeinden machten diese Randgruppen bis zu 10 % der Bevölkerung aus.

Die notorische Geldknappheit änderte sich erst im 18. Jahrhundert, als die Gemeinden Fonds aus Schenkungen und Bussgeldern eröffneten, um flüssige Mittel für die Armen zur Verfügung zu haben. Gleichzeitig wurde öfters das Prinzip angewandt, dass die Verwandten von Notleidenden für deren Unterstützungen aufkommen mussten.

Die Regelung mit dem Heimatort führte zuweilen zu einer gewissen Diskriminierung, da man seinen Heimatort nicht verlieren kann. Einen zweiten oder einen dritten Heimatort zu erwerben, war und ist nur durch eine kostspielige Einbürgerung am neuen Wohnort möglich. Der Vermehrung der Armen versuchte man teilweise auch mit Heiratsverboten Herr zu werden, was mit der Verfassung von 1874, die eine Unterscheidung der Menschen nach sozialer Situation untersagte, beendet wurde. Noch bis Ende des 19. Jahrhunderts erhielten jedoch Fürsorgeabhängige Geld, um nach Amerika auszuwandern. Als «Gegenleistung» wurde der Arme für heimatlos erklärt, so dass keine Schweizer Gemeinde mehr für ihn aufkommen musste.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen die ersten Kantone, Gesetze über Fürsorgeleistungen zu schaffen; 1920 existierten schliesslich in allen Schweizer Kantonen solche Regelungen. Eine entscheidende Änderung begann 1857, als der Kanton Bern entschied, dass neu die Wohnortgemeinde, aber nicht mehr der Heimatort für die Unterstützung Armer zuständig ist, obwohl damals noch 59 % der Menschen im Heimatort wohnten. Bis 1939 haben alle Kantone die Wohnortregelung übernommen. Nur noch bei offensichtlich wohnsitz- und obdachlosen Bedürftigen muss der Heimatort das Existenzminimum berappen.

20. Jahrhundert

Nach dem Ersten Weltkrieg entstanden besondere Ausbildungsgänge, um die ersten Sozialarbeiter auszubilden. Sie leiteten Heime für Waisen und Behinderte. Es entstanden mit der Zeit die Sozialversicherungen (AHV, IV, Erwerbsersatz EO), welche einen Teil der vorherigen Armenfürsorge übernahmen.

Subsidiarität

Die Sozialhilfe ist immer subsidiär. Sie unterstützt nur, wenn der Lohn, das Vermögen, die Arbeitslosenversicherung, die Stipendien, die Alimente oder andere finanzielle Ansprüche an Institutionen das Existenzminimum nicht decken können. Sie zahlt auch Unterstützungen, falls Dritte nicht rechtzeitig ihre Leistungen erbringen können. Dies ist zum Beispiel der Fall beim Anrecht auf Bezug von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung oder einer IV-Rente. Oft kann diese Zeit vom Hilfesuchenden nicht überbrückt werden.

Das Vermögen ist bis auf einen Freibetrag aufzubrauchen. Bei Einzelpersonen liegt dieser bei 4'000, bei Paaren bei 8'000 Franken und bei einem Kind bei 2'000 Franken. Es besteht eine Obergrenze von 10'000 Franken pro Familie (verbindliche Regelung im Kt. Zürich). Verzichtbare Wertsachen, Immobilien, teure Autos und ähnliches sind zu veräussern, um möglichst lange vom eigenen Kapital leben zu können. Finanzielle Ansprüche gegenüber Dritten (Taggelder, Alimente, etc.) müssen vom Sozialhilfeempfänger zwingend eingefordert werden.

Besteht Anspruch auf Sozialhilfe, kann bei den Verwandten in auf- und absteigenden Verwandtschaftsbeziehungen die Verwandtenunterstützung eingefordert werden. Geschwister sind nicht unterstützungspflichtig, wohl aber Ehepartner. Seit der Revision der SKOS-Richtlinien im Dezember 2008 wird den Verwandten - gestützt auf ein Bundesgerichtsentscheid - ein gehobener Lebensstandard attestiert. Bei Einzelpersonen empfiehlt die SKOS eine Einkommensgrenze von 10'000, bei Einzelpersonen, 15'000 Franken bei Ehepaaren. Der Vermögensfreibetrag wird bei 250'000, bzw. bei 500'000 Franken empfohlen.

Leistungen

Jeder Mensch hat Anspruch auf den Grundbedarf plus Mietkosten einer angemessenen Wohnung. Dazu kommen weitere zwingende und existenzsichernde Auslagen wie die Prämie der Krankenkasse, Kinderbetreuung, Berufsauslagen und ähnliches. Wer pro Monat weniger als diese Summe - das sogenannte Existenzminimum - an Geld zur Verfügung hat, hat Anspruch auf Sozialhilfe. Bei einer Familie erhält der Haushaltsvorstand für alle Berechtigten die finanzielle Unterstützung. Bei Wohngemeinschaften, bei welcher nicht unbedingt eine gegenseitige Unterstützungspflicht gilt, kommt eine getrennte Berechnung zur Anwendung.

Gemäss SKOS-Richtlinien (neue Beträge 2011) beträgt der Grundbedarf:

Anzahl Personen im Haushalt Grundbedarf, CHF
1 977
2 1495
3 1818
4 2090
5 2364
6 2638
7 2912
pro weitere Person 274

Wegen der Zunahme von Sozialhilfebezügern bzw. den explodierenden Sozialhilfekosten wird die Bemessung des Anspruchs seit Oktober 2005 neu berechnet. Der Grundbedarf wurde gekürzt. Als Kompensation kann man sich Zulagen "verdienen", wenn man gewisse Leistungen erbringt. Die SKOS nennt dies "Anreizsystem". Der Grundbedarf wie auch die Zulagen können als Sanktion gekürzt werden. Die Quote der Kürzung ist kantonal geregelt, da die SKOS-Richtlinien nicht in allen Kantonen verbindlich sind.

Die Sozialhilfe entrichtet nur Unterstützungen für laufende Ausgaben, wie den Grundbedarf, angemessene Wohnung, obligatorische Versicherungen, medizinische Behandlungen und Pflege, Fremdbetreuung und andere Aufwendungen, die notwendig erscheinen. Die Sozialhilfe finanziert nicht den Besitz, Unterhalt und Gebrauch von Personenwagen, sofern sie nicht dem Erhalt der Arbeitstätigkeit dienen oder vom gesundheitlichen Aspekt her notwendig sind, etwa bei Gehbehinderungen. Die Sozialhilfe saniert auch keine Schulden.

Etwa im Kanton Basel-Landschaft, welcher die SKOS-Richtlinien anwendet, umfassen die Leistungen mit einem pauschalen Betrag folgende Auslagen:

"Nahrung, auswärtige Verpflegung, Kleidung und Berufsbekleidung, persönliche Auslagen, Haushaltsverbrauchsmaterial, Post, Telefon, Radio- und TV-Gebühren, Elektrizität, Gas, Kehrichtgebühren, Prämien (Kosten) für Hausrats- und Haftpflichtversicherung sowie deren Selbstbehalte, Abonnement für Öffentlichen Verkehr, Unterhalt von Fahrrad oder Mofa, Haustiere, Hobbys, Spielsachen, Geschenke, Vereinsbeiträge und Ähnliches". (Sozialhilfeverordnung, § 8 [8])

Bei medizinischen Behandlungen übernimmt die Sozialhilfe die Jahresfranchise sowie den Selbstbehalt der Krankenkasse. Ungedeckte, aber unerlässliche Behandlungskosten werden ebenfalls bezahlt. Zahnbehandlungen müssen einfach, wirtschaftlich und zweckmässig sein.

Sicherheitshalber ist der zuständigen Behörde vor der Einwilligung zu einer Behandlung durch den Sozialhilfeempfänger ein Kostenvoranschlag, falls möglich per Einschreiben zuzustellen. Die Behörde kann diesen durch einen Vertrauensarzt, welcher gegenüber dieser zur ärztlichen Schweigepflicht verpflichtet ist auf Plausibilität überprüfen lassen, muss die dadurch entstandenen Kosten jedoch selbst tragen, wenn die angeordnete Untersuchung durch den Vertrauensarzt der Behörde ungerechtfertigterweise erfolgte.

Ferien werden von der Sozialhilfe eigentlich nicht bezahlt. Sozialhilfeempfänger müssen mit ihrem zur Verfügung gestellten Geld leben können. Ausführliche Informationen darüber, was die Sozialhilfe übernimmt und was nicht - sofern der Kanton überhaupt deren Richtlinien übernimmt - finden sich auf der Website der SKOS.

Nothilfe

Die Nothilfe für abgewiesene Asylbewerber umfasst nur ein Obdach, Nahrung, Kleidung und medizinische Notbehandlungen. Die Kantone pflegen eine unterschiedliche Auslegung dieser Nothilfe, welche nicht an die Sozialhilfegesetzgebung, sondern nur an den Artikel 12 der Bundesverfassung geknüpft ist. Die Nothilfe muss auf einem Gemeindeamt beansprucht werden; doch sind die Gemeindemitarbeiter in einigen Kantonen verpflichtet, allfällige Gesuchsteller sofort der Fremdenpolizei zu melden. Aus Furcht vor einer Ausschaffung tun dies erfahrungsgemäss nur die wenigsten Bezugsberechtigten. Für viele der abgewiesenen Asylbewerber scheint das Untertauchen und der Einstieg in die Kriminalität die günstigere Lösung zu sein als die Ausschaffungshaft anzutreten.

Pflichten des Bezügers

In jedem Falle hat der Sozialhilfeempfänger in seinem Gesuch um Sozialhilfe wahrheitsgemäss über seine Lage - insbesondere, was Vermögen und Einkommen betrifft - Auskunft zu geben. In einigen Kantonen beginnen seine Verpflichtungen, die er als Sozialhilfeempfänger eingeht, schon vor dem Bezug der Unterstützungen. So kann er verpflichtet sein, sich zum Beispiel in zumutbarer Weise um Arbeit zu bemühen, noch bevor er das Gesuch um Sozialhilfe stellt. Andere Kantone sprechen klar davon, dass die Verpflichtungen erst mit dem Bezug der Sozialhilfeleistungen beginnen. Werden diese Pflichten schuldhaft verletzt, können Leistungen bis zu einem bestimmten Mass gekürzt werden (gemäss SKOS-Richtlinien beträgt die maximale Kürzung 15% des Grundbedarfs).

Der Pflichtenkatalog umfasst etwa im Kanton Basel-Landschaft:

  • alle Unterlagen und Auskünfte betreffend seiner Lage wahrheitsgemäss und vollständig der zuständigen Behörde zu übermitteln
  • Alle seiner Person zustehenden Ansprüche (etwa aus Verträgen etc.) geltend machen oder sich so verhalten, dass sie nicht verwirken
  • Vermögenswerte und Löhne, die Drittpersonen dem Unterstützten schulden, müssen eingefordert und der unterstützenden Gemeinde abgetreten werden bis zum Betrag der Unterstützungsleistungen
  • sich um den Erhalt der Arbeitsstelle bemühen
  • eine Arbeitsstelle suchen und anzunehmen, falls nicht ernsthafte Gründe dagegen sprechen (insbesondere Gründe, welche die spätere Wiederaufnahme der angestammten Beschäftigung verunmöglichen)
  • allfälliges Einkommen und die Unterstützungen müssen korrekt verwendet werden
  • den Weisungen der Behörden ist zu folgen, dies betrifft etwa Vorladungen zu Kontrollgesprächen[9])

Der Sozialhilfeempfänger erleidet abgesehen von diesen Pflichten keinerlei Einbussen bezüglich seiner Handlungsfähigkeit. Er kann zum Beispiel nach wie vor die Wohnung oder den Wohnort wechseln, heiraten oder Verträge abschliessen.

Die Rolle von Art. 12 der Bundesverfassung

Nach herrschender juristischer Lehrmeinung hat jemand aber nur Anspruch auf Sozialhilfe, wenn er sich selber nicht mehr helfen kann: Art. 12 BV: Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.[10]

So hat das Bundesgericht mehrmals erkannt, dass die Sozialhilfebehörde bei groben Verletzungen der Pflichten - ungeachtet des anderslautenden Sozialhilfegesetzes, welches nur von Kürzungen spricht - die Hilfeleistung vollständig streichen kann. So geschah es zum Beispiel im Fall [11], als ein Sozialhilfeempfänger eine zumutbare Arbeitsstelle ablehnte.

Rückerstattung der Leistungen

Hat sich die Lage des Sozialhilfeempfängers massiv verbessert, muss er die bezogenen Unterstützungsleistungen vollständig zurückerstatten (Regelung kantonsabhängig). Sämtliche Leistungen der Sozialhilfe sind als ein zinsloses Darlehen zu betrachten, welche nach zehn Jahren verjähren. Unterstützungen, die Verwandte leisten mussten, müssen nach Ablauf von 5 Jahren nicht mehr an sie zurückgezahlt werden.

Hat jemand unrechtmässig Sozialhilfeleistungen bezogen oder sie nicht korrekt verwendet, muss er diese ebenfalls zurückerstatten, falls kein Härtefall vorliegt. Insbesondere wenn jemand während des Bezugs von Sozialhilfe arbeitet und Geld verdient, muss er dieses Einkommen gegenüber der Sozialhilfebehörde deklarieren; so können die Leistungen angepasst werden. Bei Fehlverhalten kann der Sozialhilfebezüger wegen Betrugs [12] angezeigt werden. Allerdings setzt dies gemäss Strafgesetzbuch die sogenannte Arglist voraus.

Weblinks

Quellen

Einzelnachweise

  1. Tages-Anzeiger, 29. März 2007
  2. Das Zuständigkeitsgesetz ZUG
  3. Sozialhilfegesetze aller Kantone www.sozialinfo.ch
  4. Die Richtlinien sind unter www.skos.ch einzusehen, aber man kann sie nicht ausdrucken (kostenpflichtig).
  5. Tagesschau 5. Januar 2004, Schweizer Fernsehen
  6. Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) www.admin.ch
  7. Heimatrecht in Abhängigkeit von Besitz, Abstammung, nationalen Spezifika Peter Joksch, 18. Juli 2001
  8. http://www.baselland.ch/docs/recht/sgs_8/850.11.htm#top
  9. Sozialhilfegesetz § 11
  10. http://www.admin.ch/ch/d/sr/101/a12.html
  11. 2P.147/2002, Urteil vom 4. März 2003
  12. Art. 146 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs

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