Speicherstadt

Speicherstadt
Speicherstadt aus östlicher Richtung gesehen; mittig: der Zollkanal als Abgrenzung zur Altstadt; am unteren Bildrand: der Teerhof mit dem Zollgebäude und die Poggenmühlenbrücke

Die Speicherstadt in Hamburg ist der größte auf Eichenpfählen gegründete Lagerhauskomplex der Welt und steht seit 1991 unter Denkmalschutz. Sie wurde ab 1883 als Teilstück des Hamburger Freihafens erbaut, der erste Abschnitt war 1888 fertiggestellt. Die Bauleitung hatte der Oberingenieur der Hamburger Baudeputation Franz Andreas Meyer, ihm zur Seite standen der Wasserbaudirektor Christian Nehls und der Baudirektor Carl Johann Christian Zimmermann sowie ein Konsortium aus 15 Ingenieuren, 24 Architekten und Bauzeichnern. Seit dem 1. Januar 2003 ist die Speicherstadt aus dem Gebiet des Freihafens herausgenommen, zum 1. März 2008 wurde sie verwaltungsrechtlich mit dem Neubebauungsgebiet auf dem Großen Grasbrook zum Stadtteil HafenCity im Bezirk Hamburg-Mitte erklärt.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Lage in Hamburg

Die Speicherstadt steht auf der rund 26 Hektar großen Fläche (einschließlich der Fleete) der ehemaligen Elbinseln Kehrwieder und Wandrahm, auf einer Länge von etwa 1,5 Kilometer und 150 bis 250 Metern Breite im nordöstlichen Hamburger Hafen. Sie zieht sich von der Kehrwiederspitze und dem Sandtorhöft im Westen bis zum ehemaligen Teerhof bei der Oberbaumbrücke im Osten. Dabei wird sie von sechs Fleeten durchzogen:

  • Kehrwiederfleet: beginnt zwischen der Kehrwiederspitze und dem Sandtorhöft, verläuft bis zur Sandbrücke (Auf dem Sande) und geht dort über in den Brooksfleet;
  • Brooksfleet: ist die Verlängerung des Kehrwiederfleets ab Sandbrücke (Auf dem Sande), verläuft bis zur Einmündung des Kleinen Fleets bei der Neuewegbrücke und geht dort über in den St. Annenfleet;
  • St. Annenfleet: verläuft parallel zu der Straße Am St. Annenufer, zwischen Neuewegbrücke und St. Annenbrücke, er ist die Verlängerung des Brooksfleet und geht über in den Holländischbrookfleet
  • Holländischbrookfleet: Verlängerung des St. Annenfleet ab St. Annenbrücke bis zur Einmündung in den Wandrahmsfleet vor der Poggenmühlenbrücke
  • Kleiner Fleet: Verbindungsfleet zwischen Zollkanal, Wandrahmfleet und Brooksfleet im Übergang zum St. Annenfleet
  • Wandsrahmsfleet: verläuft vom Kleinen Fleet (Kannengießerortbrücke), fließt vor der Poggenmühlenbrücke mit dem Holländischbrookfleet zusammen bis zum Zollkanal auf Höhe der Oberbaumbrücke

Durch die ehemalige Wasserstraße Dat Deep, gebildet aus Binnenhafen, Zollkanal und Oberhafen, wird die Speicherstadt vom Altstadtkern getrennt und wiederum mit acht Brücken verbunden. Nach Süden ist sie durch den Straßenzug Am Sandtorkai, Brooktorkai und Oberbaumbrücke von dem alten Hafenbereich und jetzigem Stadtentwicklungsprojekt verschiedener HafenCity-Quartiere abgegrenzt. Dieser Straßenzug entspricht in etwa der alten Hamburger Befestigungsanlage, deren vorgelagerter Stadtgraben bei der Hafenentwicklung in die Hafenbecken des Sandtorhafens, des Brooktorhafens und des Ericusgrabens umgebaut wurde.

Geschichte

Zollgeschichte

Hamburg war mit der Reichsgründung 1871 Bundesstaat des Deutschen Reiches. Der Bau einer Speicherstadt wurde notwendig nach dem Zollanschlussabkommen von 1881 zwischen Hamburg und dem Deutschen Reich, um die Aufnahme der Stadt in den Deutschen Zollverein zu ermöglichen. Hamburgs Staatsgebiet war aber Zollausschlussgebiet. Um den Hafenbetrieb nicht durch Zölle zu stören, wurde der Bau eines Viertels nötig, das nicht dem deutschen Zollgebiet angehörte, sondern Freihafengebiet war. In dieser Enklave sollte weiterhin das angestammte Privileg der Hamburger Kaufleute gelten, Importgüter zollfrei lagern, veredeln und verarbeiten zu dürfen. Dadurch konnte der Überseehandel zollfrei abgewickelt werden. Als Hamburg 1888 dem Deutschen Zollverein beitrat, wurde termingerecht die Speicherstadt als Freihafengebiet eröffnet.

Brooktorabschnitt der Speicherstadt aus Richtung Großer Grasbrook gesehen
Brooktorabschnitt der Speicherstadt aus Richtung Großer Grasbrook gesehen

Baugeschichte

Der Sandtorhafen (erste
Schuppenreihe Sandtorquai)
mit der Speicherstadt um 1898
Türme (v.l.n.r.): das neue Rathaus, St. Nikolai, St. Petri, St. Jakobi und St. Katharinen

Baubeginn der Speicherstadt war 1883. Dabei wurden zunächst die ab dem 16. Jahrhundert auf den Elbinseln Kehrwieder und Wandrahm gewachsenen Wohnviertel abgerissen. Der Kehrwieder galt als Arbeiter- und Handwerkerviertel mit teilweise enger Gängeviertelbebauung, der Wandrahm war vor allem mit Kaufmanns- und Bürgerhäusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert bebaut und insbesondere von holländischen Einwanderern geprägt. Etwa 20.000 Menschen wurden zwangsumgesiedelt, die einen in die binnen weniger Jahre hochgezogenen Arbeiterviertel in Barmbek und Hammerbrook, andere bauten ihre Sommerhäuser an der Alster oder Elbe in Hauptwohnsitze um. 1.100 Häuser wurden niedergelegt. Der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark, prägte aus diesem Anlass das Wort von der „Freien und Abrissstadt Hamburg“.

1888 fand die Einweihung der Speicherstadt mit feierlicher Schlusssteinlegung durch Kaiser Wilhelm II. statt. 1898 war das Bauprojekt zu zwei Dritteln fertiggestellt. Die weiteren Bauarbeiten im östlichen Teil konnten noch vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 beendet werden. Von den alphabetisch benannten Blöcken wurden die Blöcke Y und Z, für die das Gelände der Ericusspitze vorgesehen war, nicht mehr gebaut.

Die Realisierung und Verwaltung der Speicherstadt wurde im Jahr 1885 durch die Hamburger Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft (HFLG) übernommen. Sie wurde von Anbeginn als Aktiengesellschaft angelegt: die Stadt steuerte den Grundbesitz von 30.000 Quadratmetern bei und die Norddeutsche Bank das Kapital in Höhe von neun Millionen Reichsmark. Aus der Dividende wurde ein Ankaufsfonds errichtet, mit dem die Stadt die Anteile der Bank abkaufte. Ab 1927 war die Stadt Hamburg Alleinaktionär. Geschäftssitz wurde das 1902 fertiggestellte sogenannte Speicherstadtrathaus am St. Annenufer, das sich durch seinen Neorenaissance-Stil von den backsteingotisch anmutenden Speichergebäuden absetzt. Aus der HFLG ging die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) hervor.

Im Zweiten Weltkrieg wurde durch alliierte Bombenangriffe etwa die Hälfte der Bausubstanz zerstört. Der in weiten Teilen originalgetreue Wiederaufbau nach dem Krieg war 1967 abgeschlossen.

Aktuelle Entwicklung

Durch die Zunahme des Containerumschlags und der damit verbundenen Verlagerung der Umschlagplätze sowie automatisierter Lagerverwaltungssysteme, die die Erfassung unverzollter Ware an jedem Ort ermöglichen, wurde der Freihafenstatus der Speicherstadt entbehrlich.

Im Jahre 2003 wurde die Freihafengrenze verlegt und zunächst der Bereich Kehrwieder aus dem Freihafengebiet herausgenommen. Seit 2004 liegt das gesamte Gebiet der Speicherstadt außerhalb des Freihafens und ist somit – mit Ausnahme der zahlreichen Teppichlager – zollrechtlich Inland. Die Zollgrenze verläuft jetzt weiter südlich kurz vor den Hamburger Elbbrücken. Diese Verlagerung diente der Vorbereitung für den Aufbau der HafenCity, die auch die historische Speicherstadt umfasst.

Architektur

Querschnitt durch die Speicherstadt


Die Lagerhäuser (Speicher) in neugotischer Backsteinarchitektur haben jeweils auf der einen Seite Anbindung ans Wasser (Fleet) und auf der anderen Seite an die Straße. Gelagert wurde Stückgut und vor allem Kaffee, Tee und Gewürze auf fünf „Böden“ (Stockwerke) übereinander und über eine eigene jeweils am Hausgiebel montierte Seilwinde erreichbar. In den Lagerhäusern, die meistens unbeheizt waren und Holzfußboden hatten, herrschten relativ gleichmäßige klimatische Lagerbedingungen.

Historische und aktuelle Nutzung

Die Lagerung, eventuell auch eine Weiterverarbeitung, wurde von Quartiersleuten für die Importeure, die keine eigenen Lager unterhielten, übernommen. Die Quartiersleute waren meist auf bestimmte Güter spezialisiert und verfügten über eine fundierte Sachkenntnis. Insbesondere bei Tee und Kaffee wurden die importierten Sorten verkostet und Mischungen fertig konfektioniert. Zu ihren Aufgaben gehört noch heute die Qualitätsprüfung der Waren und der Versand von Proben. Infolge der Rationalisierung des Überseehandels durch die „Blechschachteln“ haben sich die Betriebe näher an den Containerterminals angesiedelt.

Die Speicherstadt liegt in einem Gebiet, das bei einer Sturmflut vom Elbwasser überflutet werden kann, wodurch sich der untere Boden nicht zum Lagern eignet und nur zu Versandvorbereitungen dient.

Heute beträgt die Nutzfläche der Speicherstadt etwa 630.000 Quadratmeter und beherbergt neben zahlreichen Teppichhändlern und Agenturen diverse Museen, wie das Speicherstadtmuseum, das Zollmuseum und das Gewürzmuseum. Auch die größte Modelleisenbahnanlage der Welt ist seit 2000 hier untergebracht. Im Sandtorquaihof an der Straße Pickhuben haben Verlag und Redaktion der Zeitschrift Mare ihren Sitz. Am Neuen Wandrahm ist seit 2006 die Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA) untergebracht, die 2005 aus dem ehemaligen Amt für Strom- und Hafenbau der Stadt Hamburg hervorging.

Brücken in der Speicherstadt

Durch die Fleete und die Wasserweg-Abgrenzung zur Altstadt weist die Speicherstadt mit 20 Brücken einen hohen Anteil an verschiedenartigen Überführungen auf, von denen 14 unter Denkmalschutz stehen:

Brücken von der Altstadt zur Speicherstadt:

  • Niederbaumbrücke: Verbindung zwischen Baumwall und Kehrwieder, über den Binnenhafen im Mündungsbereich Zollkanal; 1957 wurde parallel eine östliche Niederbaumbrücke zur mehrspurigen Verkehrsführung angelegt;
  • Kehrwiedersteg: Verbindung zwischen Altstadt und Kehrwieder mit Weiterführung zum Sandtorkai, über den Binnenhafen / Zollkanal und den Kehrwiederfleet, führt von der Straße Hohe Brücke bis Am Sandtorkai, reine Fußgängerbrücke, steht nicht unter Denkmalschutz;
  • Brooksbrücke: Verbindung zwischen Cremon und Kehrwieder, über den Zollkanal, führt von der Straße Mattentwiete zu Auf dem Sande
  • Kibbbelstegbrücken: Verbindung zwischen Cremon über den Kehrwieder zum Großen Grasbrook, über den Zollkanal und den Brooksfleet, Neubau 2002, Fußgängerbrücke auf zwei Ebenen, nicht unter Denkmalschutz
  • Jungfernbrücke: Verbindung zwischen Grimm (Katharinenkirche) und Wandrahm, über den Zollkanal, führt von der Straße Zippelhaus zum Neuen Wandrahm, Fußgängerbrücke
  • Kornhausbrücke: Verbindung zwischen Grimm und Wandrahm, über den Zollkanal, führt von der Straße Brandstwiete zu Bei St. Annen;
  • Wandrahmsteg: Verbindung zwischen Messberg und Wandrahm, über den Zollkanal, führt von der Willy-Brandt-Straße und zur Zollstraße, Fußgängerbrücke, steht nicht unter Denkmalschutz;
  • Oberbaumbrücke: Verbindung zwischen Deichtor und Wandrahm, über den Zollkanal, führt von der Deichtorstraße auf den Brooktorkai, steht nicht unter Denkmalschutz;
Blick vom Kehrwiederfleet über die Wilhelminenbrücke auf die Alte Wache
Zusammenfluss von Holländischerbrookfleet (links) und Wandrahmsfleet (rechts) bei Ebbe, Blick von der Poggenmühlenbrücke.

Brücken innerhalb der Speicherstadt:

  • Wilhelminenbrücke: auf dem Kehrwieder, verbindet Kehrwiederspitze und Sandtorhöft mit der Straße Am Sandtorkai, über den Kehrwiederfleet, steht nicht unter Denkmalschutz, Besonderheit: auf dem Fußweg ist ein aus Stein stilisierter Teppich eingelassen, eine Arbeit des Künstlers Frank Raendchen aus dem Jahr 2005;
  • Sandbrücke: auf dem Kehrwieder, über den Kehrwiederfleet / Brooksfleet, in Verlängerung der Brooksbrücke durch die Straße: Auf dem Sande;
  • Kannengießerbrücke: Verbindung zwischen Kehrwieder und Wandrahm, über den Kleinen Fleet, im Verlauf der Straßen Brook und Neuer Wandrahm, parallel zum Zollkanal (nicht zu verwechseln mit der Kannengießerortbrücke);
  • Pickhubenbrücke: Verbindung zwischen Kehrwieder und Wandrahm, über den Kleinen Fleet, mit dem Verlauf der Straße Pickhuben;
  • Kannengießerortbrücke: auf dem Wandrahm, über den Wandrahmsfleet, im Verlauf der Straße Kannengießerort (nicht zu verwechseln mit der Kannengießerbrücke);
  • Wandbereiterbrücke: auf dem Wandrahm, über den Wandrahmsfleet, im Verlauf der Straße Bei St. Annen, in Verlängerung der Kornhausbrücke;
  • Wandrahmsfleetbrücke: auf dem Wandrahm, über den Wandrahmsfleet, führt vom Zoll zum Holländischen Brook im Verlauf der Straße Dienerreihe
  • Holländischbrookfleetbrücke: auf dem Wandrahm, über den Holländischbrookfleet, führt vom Holländischen Brook zum Brooktorkai im Verlauf der Straße Dienerreihe), in Verlängerung der Wandrahmsfleetbrücke
  • Poggenmühlenbrücke: auf dem Wandrahm, über den Zusammenfluss Wandrahmsfleet und Holländischbrookfleet, im Verlauf der Straße Poggenmühle

Brücken zwischen Speicherstadt und ehemaligem Hafengelände:

  • Neuerwegsbrücke: Verbindung zwischen Wandrahm und Sandtorkai, über den St.Annenfleet, in Verlängerung der Straße Pickhuben:
  • St. Annenbrücke: Verbindung zwischen Wandrahm und Brooktorkai, über den St.Annenfleet / Holländischbrookfleet, im Verlauf der Straße Bei St. Annen, steht nicht unter Denkmalschutz;
  • Brooktorkaibrücke: Verbindung zwischen Wandrahm und Brooktorkai, über der Wasserstraße zwischen Holländischbrookfleet und Brooktorhafen, im Verlauf der Straße Brooktorkai.

Sehenswürdigkeiten

Teilausschnitt eines Speichers in der Hamburger Speicherstadt

Die Speicherstadt ist als architektonisches Denkmal einen Besuch wert. Sie kann von der Land- und Wasserseite besichtigt werden. Von der Landseite her ist sie gut zu Fuß von den U-Bahn-Haltestellen Baumwall und Meßberg zu erreichen. Von der Wasserseite her wird sie bei Hafenrundfahrten mit Barkassen angefahren. Größere Rundfahrtschiffe können unter den niedrigen Brücken der Speicherstadt nicht verkehren.

In der Speicherstadt ist heute eine Vielzahl touristischer Attraktionen untergebracht:

Kunst

Die Speicherstadt ist ebenfalls für kunstinteressierte Menschen ein spannendes Terrain. Das Körber-Forum zum Beispiel bietet ein monatliches wechselndes Programm von Lesungen, Künstlergesprächen, Buchpräsentationen u. ä. an. Auch ein Theater in der Speicherstadt ist hier zu Hause, jährlich finden Aufführungen des bekannten „Hamburger Jedermann“ statt, das Kehrwieder-Theater bietet regelmäßig wechselnde Varieté-Programme und mit der Joop van den Ende Academy findet sich in der Speicherstadt sogar eine Ausbildungsstätte für werdende Musicaldarsteller.

Literatur

  • Thomas Hampel, Heinz-Joachim Hettchem, Ralf Lange, Michael Batz: Speicherstadt. Ein Viertel zwischen Tradition und Vision, Christians, Hamburg 2004, ISBN 3-7672-1440-7
  • Dierk Lawrenz: Die Hamburger Speicherstadt, EK-Verlag, Freiburg 2008, ISBN 3-88255-893-8
  • Boris Meyn: Die rote Stadt. Rowohlt, Reinbek 2003, ISBN 3-499-23407-6; historischer Roman eines promovierten Kunst- und Bauhistorikers, der sich detailliert mit Planung und Bau der Speicherstadt beschäftigt.

Weblinks

 Commons: Speicherstadt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Speicherstadt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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