St. Sebald (Nürnberg)

St. Sebald (Nürnberg)
Frontansicht der Sebalduskirche, 2010
Nordfassade von St. Sebald, 2006
St. Sebald, Ostchor von SO

Die mittelalterliche Kirche St. Sebald in Nürnberg, auch Sebalduskirche genannt (nach dem wohl im 8. Jahrhundert in der Gegend von Nürnberg lebenden Einsiedler Sebaldus), ist neben der Frauenkirche und der Lorenzkirche eine der herausragenden Kirchenbauten der Stadt. Sie liegt auf dem Weg zur Burg nördlich etwas oberhalb des Hauptmarkts und gleich westlich vor dem Rathaus. Erstaunlich reichhaltig hat sich die Ausstattung im Innern erhalten. Seit der Reformation ist die Sebalduskirche neben der Lorenzkirche eine der beiden großen evangelischen Stadtkirchen Nürnbergs, die heutzutage beide zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern gehören.

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

Die Sebalduskirche ist die ältere der beiden großen Stadtpfarrkirchen Nürnbergs und die älteste (seit 1525) evangelisch-lutherische Pfarrkirche der Stadt. Dass St. Sebald stets edler und bedeutender war als St. Lorenz, ist seit dem Bau des Bahnhofs nicht mehr am Stadtbild abzulesen. Doch schon die direkte Nachbarschaft des Hallenchors der Kirche zum Alten Rathaus unterstreicht ihre einstige Bedeutung als „Ratskirche“ Nürnbergs, in der mit dem heiligen Sebald auch der Schutzpatron der Stadt begraben liegt.

Von einem Vorgängerbau, der wohl dem Hl. Petrus geweiht war (12. Jahrhundert ?), konnte eine offensichtlich zweischiffige Krypta ausgegraben werden. Anstelle dieses Vorgängers wurde die Sebalduskirche zwischen 1225/30 und 1273 als doppelchörige Pfeilerbasilika errichtet. Sie folgt in vielen Baumotiven dem Vorbild des Bamberger Doms (Doppelchörigkeit, Doppelturmfassade mit polygonaler Apsis am 1274 geweihten Westchor u.a.), so dass trotz des gotischen Innenaufrisses einige romanisch anmutende Bauelemente übernommen wurden.

Bereits 1309 wurden die beiden Seitenschiffe wieder abgebrochen und auf die heutige Breite in der Flucht der Stirnmauern der Querschiffe verbreitert; diese Baumaßnahme wurde wohl in den 1330er Jahren abgeschlossen.

In der Parlerzeit wurde von 1361 bis 1372 der Ostchor über der Grablege des Stadtheiligen Sebaldus zu einem zeittypischen Hallenumgangschor ausgebaut; vgl. als etwa zeitgleiche Architektur den Hallenbau der Frauenkirche oder die Wenzelkapelle des Veitsdoms in Prag. In die Zeit dieser letzten großen Baumaßnahme des Mittelalters fällt wohl auch die Umwidmung der Kirche von St. Petrus auf St. Sebald.

Bei den Luftangriffen auf Nürnberg wurde St. Sebald weitgehend zerstört. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges erfolgte der Wiederaufbau. Am 1. Advent 1952 wurden die neuen Glocken (Schlagtonfolge a0–cis1–e1–fis1) geweiht. Das Langhaus diente bis zur Wiederherstellung des Ostchores den gottesdienstlichen Zwecken, und am 22. September 1957 konnte die um den rekonstruierten Ostchor ergänzte Kirche im Beisein von Bundespräsident Theodor Heuss in ihrer ursprünglichen Form wieder eingeweiht werden.

Ausstattung

Sebaldus-Grab

In St. Sebald hat sich ein äußerst wertvolles Inventar v.a. vorreformatorischer Kunst erhalten. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Stiftungen Nürnberger Ratsfamilien, denn seit dem 14. Jahrhundert etablierte sich die Sebalduskirche als „Ratskirche“ Nürnbergs. Im Gegensatz zur Lorenzer Kirche war es bis ins späte 15. Jahrhundert nämlich beinahe ausschließlich den Nürnberger Ratsgeschlechtern gestattet, feste Ausstattungsstücke in St. Sebald zu stiften. Vereinzelt stellte auch der gesamte Rat durch Stiftungen seine Einheit und Geschlossenheit zur Schau, so etwa in Gestalt der Fenster des Hallenchors, die von den Bürgermeistern des Jahres 1379 gestiftet wurden (teils um 1500 erneuert). Dabei war das Bildprogramm der Kunstwerke bis zum Ende des 15. Jh.s stets der Raumnutzung durch die Liturgie unterworfen.

Schon an der Außenfassade befinden sich teils bemerkenswerte Steinfiguren, so etwa das Schreyer-Landauer-Epitaph von Adam Kraft, der monumentale Schlüsselfelder-Christophorus aus dem 15. Jh. (Original heute im Germanischen Nationalmuseum) oder die Figuren des prächtig ausgestalteten Brautportals an der Nordseite aus dem 14. Jh.

Das für die vorreformatorische Kirche aber zweifellos wichtigste Ausstattungsstück ist das Grabmal des Stadtpatrons St. Sebald, zu dessen Verehrung der Hallenchor überhaupt erst errichtet wurde. Es handelt sich um ein reiches, nach Plänen von Peter Vischer 1508–1519 durch seine Söhne angefertigtes Kunstwerk in Form einer Kleinarchitektur, die reichen Figurenschmuck aufweist (u.a. Szenen aus der Vita des Hlg. Sebaldus). Der Bronzeguss gilt als frühes Beispiel für die Rezeption von Formen der italienischen Renaissance nördlich der Alpen.

Weiterhin sind verschiedene Werke des Bildschnitzers Veit Stoß hervorzuheben, so sein Apostel Andreas und die Figuren der Volckamer'schen Gedächtnisstiftung, bei der er an einem Relief auch sein Können als Steinmetz unter Beweis stellte. Hierbei handelt es sich nur um eines unter vielen künstlerisch wertvollen Epitaphien von Nürnberger Patrizierfamilien (z. B. Tucherepitaph von Hans Süß) im Kirchenraum.

Auch sei auf die größtenteils im Original erhaltenen Glasfenster im Hallenchor hingewiesen, von denen einige um 1500 nach Entwürfen Dürers und Hans Süß' von Kulmbach durch den Glasmaler Veit Hirsvogel gefertigt wurden.

Orgeln

Die belegbare Geschichte der Orgeln in St. Sebald reicht zurück in das 15. Jahrhundert. Gewisse Vermauerungen an einem Triforium der Südwand des Langhauses lassen indes vermuten, dass dort schon in spätromanischer Zeit eine Orgel in der Bauweise eines Blockwerks gewesen sein dürfte. In den Jahren 1440–43 schuf der Mainzer Orgelbauer Heinrich Traxdorf, der auch zwei kleine Orgeln in der Frauenkirche erbaute, eine Hauptorgel für St. Sebald. Das gotische Gehäuse der Traxdorf-Orgel, das im Ostchor über dem Spitzbogen des südlichen Seitenschiffs hing, ist leider im Krieg völlig zerstört worden; es galt bis zu seinem Untergang als der älteste erhaltene Orgelprospekt weltweit. Lediglich zwei kleine Figuren und der sog. Rohraffe blieben erhalten und zieren den heutigen modernen Orgel-Prospekt.

1947 erhielt das wiederhergestellte Langhaus der Kirche eine Gebrauchtorgel der Firma Steinmeyer (Oettingen), die 1904 als op. 844 für die St.-Jakobs-Kirche in Oettingen erbaut worden war. Das Instrument hatte ursprünglich 26 Register auf zwei Manualen und Pedal. Nach dem Wiederaufbau des Ostchores wurde es am neuen Standort an der Chor-Südwand in den Jahren 1957 und 1962 von der Erbauerfirma bis auf 57 Register auf drei Manualen und Pedal erweitert, damit es auch für Konzerte, maßgeblich während der Internationalen Orgelwochen in Nürnberg, genutzt werden konnte. Diese Interims-Orgel wurde 1975 an die St.Petri-Kirche in Soest abgegeben.

Das heutige Orgelwerk wurde 1975-1976 am gleichen Ort wie die Vorgängerorgel von dem Orgelbauer Willi Peter (Köln) errichtet. Die Hauptorgel hat 71 Register auf drei Manualen und Pedal. Das Schleifladen-Instrument hat mechanische Trakturen, die Koppeln sind elektrisch. Die fahrbare mechanische Chororgel hat 12 Register auf einem Manual und Pedal. Beide Instrumente sind auch mit elektromagnetischen Trakturen ausgestattet, so dass die gesamte Orgelanlage von einem fahrbaren 4-manualigen Spieltisch aus spielbar ist.[1]

I Hauptwerk C–a3
Praestant 16'
Bordun 16'
Principal 8'
Metallflöte 8'
Spitzgambe 8'
Großnasat 51/3'
Octave 4'
Spitzflöte 4'
Schwiegel 22/3'
Octave 2'
Rohrschweizerpfeife 2'
Kornett V 8'
Hintersatz III-IV 4'
Mixtur VI-VII 2'
Trompete 16'
Trompete 8'
Trompete 4'
Glocken
II Schwell-Positiv C–a3
Rohrpommer 16'
Grobgedeckt 8'
Quintadena 8'
Weidenpfeife 8'
Principal 4'
Rohrflöte 4'
Nasatquinte 22/3'
Kleinoctave 2'
Überblasender Dulcian 2'
Gemsterz 13/5'
Kleinquinte 11/3'
Sifflet 1'
Septnone II 11/7'
Scharfmixtur IV-VI 1'
Cimbel III 1/3'
Rohrkrummhorn 16'
Voix humaine 8'
Schalmei 8'
Tremulant
III Schwell-Oberwerk C–a3
Nachthorngedeckt 16'
Schwellprincipal 8'
Rohrgedeckt 8'
Flaut d'amore 8'
Flaut lament (Schwebung) 8'
Octava nazarda 4'
Koppelflöte 4
Terzflöte 31/5'
Octave 2'
Flute douce 2'
Rohrgemsquinte 11/3'
Span. Hintersatz III 4'
Sesquialtera II 22/3'
Mixtur V-VI 11/3'
Oberton II 8/11'
Fagott 16'
Trompete harmonique 8'
Clairon 4'
Tremulant
Xylophon
Pedalwerk C–f1
Principalbass 32'
Principalbass 16'
Subbass 16'
Gedecktbass 16'
Salizetbass 16'
Octavbass 8'
Bassflöte 8'
Octave 4'
Gemshorn 4'
Doppelrohrflöte 2'
Bauernflöte 1'
Rauschzink IV 51/3'
Mixtur IV 22/3'
Bombarde 32'
Posaunenbass 16'
Trompetenbass 8'
Bärpfeife 8'
Feldtrompete 4'
Tremulant
(IV) Chororgel C–a3
Gedeckt 8'
Engl. Gambe 8'
Principal 4'
Rohrtraverse 4'
Octave 2'
Quinte 22/3'
Mixtur III-IV 1'
Musette 8'
Tremulant


Pedal (Chororgel) C–f1
Pommer 16'
Bassflöte 8'
Choralbass II 4'
  • Koppeln: II/I, III/I, III/II, IV/I, IV/II, IV/III, I/P, II/P, II 4'/P, III/P, IV/P
  • Spielhilfen 7000-fache elektronische Setzeranlage, Diskettenlaufwerk, feste Kombinationen (pleno, tutti), Absteller, Crescendowalze,stufenlose Winddrosseln für jedes Teilwerk der Hauptorgel (für avantgardistische Orgelwerke wie von Ligeti).

1999 wurde St. Sebald das Nagelkreuz von Coventry verliehen.

Glocken

Die vier Glocken sind auf beide Türme verteilt, wobei die große Glocke allein im Südturm hängt. Das Geläut ist auf das der Lorenzkirche abgestimmt. Die Glocken 4, 2 und 1 ersetzen die jeweiligen 1945 zerstörten Vorgängerglocken, worauf ihre Inschriften anspielen. Glocke 3 erinnert in ihrer Inschrift an den Wiederaufbau der Sebalduskirche.

Nr. Name Gussjahr Gießer, Gussort Durchmesser
(mm)
Gewicht
(kg)
Nominal
(16tel)
Glockenstuhl
1 Sturmglocke 1952 Glockengießerei Bachert, Karlsruhe 1900 3856 a0 ±0 Südturm, unten
2 Chorglocke 1952 Glockengießerei Bachert, Karlsruhe 1495 1835 cis1 +1 Nordturm, oben
3 1952 Glockengießerei Bachert, Karlsruhe 1255 1090 e1 +1 Nordturm, oben
4 Uhrglocke 1952 Glockengießerei Bachert, Karlsruhe 1115 765 fis1 +1 Nordturm, oben

Pfarrhof

Pfarrhof mit Chörlein

Zur Sebalduskirche gehört der gegenüber liegende Sebalder Pfarrhof. Er ist hauptsächlich um 1361/1379 entstanden. Hier wohnten einst der Sebalder Klerus: Prediger, Diakone, „Schaffer“ (Verwalter) und Bedienstete. Rund um die Uhr war in der „Wöchnerstube“ im wöchentlichen Wechsel immer jemand bereit, Sterbenden die Letzte Ölung zu spenden. Als Speise- und Versammlungsraum diente der „Kapitalsaal“. Die ostwärts gewandte Apsis der Hauskapelle ist das weltbekannte Chörlein, heute eine Kopie von 1898/1902, das gotische Original kann im Germanischen Nationalmuseum besichtigt werden.

Historischer Abbildungen

Siehe auch

Literatur

  • Gerhardt Weilandt: Die Sebalduskirche in Nürnberg. Bild und Gesellschaft im Zeitalter der Gotik und Renaissance. Imhof, Petersberg 2007, ISBN 978-3-86568-125-6, Inhaltsangabe online.
  • Birgit Friedel, Ulrich Großmann: St. Sebald. Baubeobachtungen zu den Türmen, dem Westchor und der Krypta. In: Birgit Friedel, Claudia Frieser (Hrsg.): Nürnberg, Archäologie und Kulturgeschichte. „... nicht eine einzige Stadt, sondern eine ganze Welt ...“. 1050 - 2000, 950 Jahre Nürnberg. Verlag Dr. Faustus, Büchenbach 1999, ISBN 3-933474-03-5, S. 136–147. (nicht eingesehen)
  • Andreas Marx: Der Ostchor der Sebalduskirche. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 71, 1984, ISSN 0083-5579, S. 23 ff., (online), (nicht eingesehen)
  • Helmut Baier (Hrsg.): 600 Jahre Ostchor St. Sebald – Nürnberg. 1379–1979. Schmidt, Neustadt a. d. Aisch 1979, ISBN 3-87707-021-3.
  • Friedrich Wilhelm Hoffmann: Die Sebalduskirche in Nürnberg. Ihre Baugeschichte und ihre Kunstdenkmale. Überarbeitet und ergänzt von Th[eodor] Hampe. Gerlach & Wiedling, Wien 1912, (nicht eingesehen)
  • Herbert Bauer, Herbert Liedel: Freche Putten, verführerische Frauen, wilde Männer. Entdeckungen am Sebaldusgrab. 1. Auflage. context medien und verlag, Nürnberg 2010, ISBN 978-3-939645-28-3.

Kirchenführer

  • Thomas Bachmann, Markus Hörsch, Rainer Elpel: Sebalduskirche Nürnberg. Carl, Nürnberg 2004, ISBN 3-418-00100-9.

Einzelnachweise

  1. Nähere Informationen zu den Orgeln von St. Sebsald

Weblinks

 Commons: St. Sebald, Nuremberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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