Moll

Moll

Moll (lat. mollis „weich“; engl. minor) bezeichnet in der Musik ein Tongeschlecht. Dieses kann sich auf eine Tonart, eine Tonleiter oder einen Akkord beziehen. Moll ist neben Dur das Tongeschlecht, das sich im 17. Jahrhundert gegenüber den Kirchentonarten durchgesetzt hat, man spricht auch vom dur-moll-tonalen Tonsystem.

Kennzeichnend für den Moll-Charakter ist das Intervall einer kleinen Terz zwischen Grundton und Terz des Tonmaterials. Die kleine Terz über dem Grundton wird auch Mollterz genannt.

Inhaltsverzeichnis

Molltonleiter

Natürliches Moll

Die natürliche Molltonleiter (auch „reines Moll“, „äolisches Moll“ oder „Naturmoll“ genannt) besteht aus sieben Tönen, mit Halbtonschritten zwischen der zweiten und dritten sowie der fünften und sechsten Stufe und Ganztonschritten zwischen den übrigen. Seit dem 16. Jahrhundert ist die Mollskala die nach der Durskala am zweithäufigsten verwendete Tonleiter der abendländischen Musik. So ergeben z. B. die Stammtöne A, H, C, D, E, F, G, A die natürliche a-Moll-Tonleiter.

Amoll.png
Hörbeispiel: reine c-Molltonleiter?/i (Bild: a-Moll)

Harmonisches Moll

Diese Tonleiter ist eine Variante der natürlichen Molltonleiter, bei der die siebte Stufe um einen Halbton erhöht ist. Dies ist dann notwendig, wenn in einer Molltonart die Dominante in Dur erklingen soll. Da die Dur-Dominante den Halbtonschritt zwischen siebter Stufe und Grundton als Leitton benötigt, muss sie erhöht werden. Dies geschieht aus harmonischen Überlegungen, woraus sich der Name dieser Variante ergibt. Die siebte Stufe (g) von a natürlich Moll würde zu Gis erhöht, um den Leitton der Dominante E-Dur in den Grundton der Tonika zu erhalten.

So entsteht zwischen sechster und siebter Stufe ein so genannter Hiatus-Schritt (drei Halbtöne). Der Hiatus, welcher der Skala einen orientalischen Anklang gibt, wird aufgrund seiner Unsanglichkeit weitgehend vermieden und findet sich allenfalls in der Instrumentalmusik.

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Hörbeispiel: harmonische Molltonleiter?/i

Melodisches Moll

Die harmonische Molltonleiter enthält den schwer singbaren und melodisch schlecht verwendbaren Hiatus-Schritt zwischen sechster und siebter Stufe. Um ihn zu vermeiden, wird beim melodischen Moll die sechste Stufe ebenfalls erhöht. Damit entspricht die Skala bis auf die kleine Terz der Dur-Skala.

Da der künstlich erzeugte Leitton beim Abwärtsgehen nicht nötig ist, wird dann das natürliche Moll verwendet.

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Hörbeispiel: melodische Molltonleiter?/i
Literaturbeispiel
Noten zu "Ich steh an deiner Krippen hier"

Für die Einbeziehung der Leiter in die Akkord-Skalen-Theorie ist jedoch die unterschiedliche Form je nach Aufwärts- oder Abwärtsbewegung der Leiter unbrauchbar. Man verwendet daher hier nur die Aufwärts-Form und bezeichnet sie als „Melodisch Moll aufwärts“ (kurz „MMA“). Die MMA-Leiter ist Grundlage für viele im Jazz oft verwendete Tonleitern.

Zigeunermoll

Diese weitere Variante der Molltonleiter wird in der Musik der Zigeuner (Sinti und Roma), aber auch z. B. bei Franz Liszt (Ungarische Rhapsodien) verwendet. Sie entspricht dem harmonischen Moll mit erhöhter vierter Stufe. Dadurch entsteht ein zweiter übermäßiger Sekundschritt (Hiatus) zwischen der dritten und vierten Stufe, der – ähnlich wie beim harmonischen Moll – einen besonderen orientalischen Anklang erzeugt.

Amoll.zigeuner.png
Hörbeispiel: Zigeunermoll-Tonleiter?/i

Siehe auch: Zigeunertonleiter

Siehe auch: Harmonisch Dur

Bildliche Darstellungen

Beziehungen zu Dur

Durvariante

Die Varianttonart einer Molltonart hat denselben Grundton (z. B. a-Moll und A-Dur), besitzt jedoch aufgrund der bei Dur unterschiedlichen Stufenfolge andere Vorzeichen. Die Durvariante liegt im Quintenzirkel stets drei Schritte weiter in Kreuz-Richtung als die zugrundeliegende Molltonart, unterscheidet sich von dieser also immer um drei Vorzeichen. So wird z. B. e-Moll mit einem Kreuz, E-Dur aber mit vier Kreuzen vorgezeichnet.

Durparallele

Zu jeder Molltonart gibt es eine Paralleltonart in Dur, auch Durparallele genannt, die die gleichen Töne enthält und daher auch mit den gleichen Vorzeichen notiert wird, jedoch eine kleine Terz höher beginnt (z. B. a-MollC-Dur).

Gegenklang

Der Gegenklang eines Moll-Akkords ist ebenfalls ein Dur-Akkord, siehe auch Mediante.

Etymologie

Die Ausdrücke Dur und Moll entstammen dem Erscheinungsbild der verschiedenen Zeichen, die einst zur Unterscheidung der benachbarten Töne B und H vor die Notenköpfe gesetzt wurden. In den früheren Tonleitern (siehe Hexachorde) benötigte man, vom Ton G ausgehend, eine höhere Variante des Tones B (unser heutiges H) als dritte Stufe, während man, vom Ton F ausgehend, diesen höheren Ton als vierte Stufe vermeiden musste (siehe Tritonus) und stattdessen das tiefere B einsetzte. Zu diesem Zwecke notierte man vor den tieferen Ton B einen kleinen Buchstaben b mit rundem Bauch (b molle oder b rotundum), vor das höhere B einen Buchstaben b mit eckigem Bauch (b durum oder b quadratum), aus dem sich später ein H entwickelte. Die heutige Form der Versetzungszeichen (ein für den tieferen Ton, ein für den höheren) geht ebenfalls darauf zurück. Dem entsprechen auch die italienischen Bezeichnungen „bemolle“ für das -Vorzeichen und „bequadro“ für das Auflösungszeichen.

Die Assoziation der Tongeschlechter mit Charakteristika wie „hart“ (= Dur) und „weich“ (= Moll) kam erst sehr viel später mit dem Verschwinden der Kirchentonarten und der Manifestation des Dur-Moll-Systems auf, hat sich aber in der Musiklehre verfestigt und wird selbst in etymologischen Wörterbüchern immer noch vertreten.

Wirkung

Es ist in der abendländischen Musik verbreitet, Durtonarten vorwiegend als „fröhlich“ und Molltonarten eher als „traurig“ zu charakterisieren, wenngleich die Wahl des Tongeschlechts nicht allein ausschlaggebend für den Charakter eines Musikstückes sein muss. Auch wenn diese grobe Einteilung oft zutrifft, lassen sich zahlreiche Beispiele anführen, in denen die Charaktere der Tonarten mehrdeutig oder sogar genau entgegengesetzt wirken. Besonders in der Kunstmusik findet man viele Beispiele für eine Umdeutung der klassischen Einteilung. Der amerikanische Psychologe Norman Cook will mittels Computerberechnungen nachgewiesen haben, dass sich die traurigsten Emotionalitäten des Tongeschlechts Moll vom urtümlichen, menschlichen Lautgebaren ableitet.[1]

Akustische Gründe für den unterschiedlichen Klangwert von Dur- und Molldreiklang

Für den - verglichen mit dem Durdreiklang - geringeren Klangwert (Konsonanzgrad) des Molldreiklangs gibt es mindestens zwei unabhängige Gründe:

  • In der Obertonreihe z.B. des (großen) C ist ein C-Dur-Dreiklang als vierter, fünfter und sechster Oberton enthalten: c’ - e’ - g’. Der c-Moll-Dreiklang kommt jedoch in der Obertonreihe des C nicht vor.
    Die hierdurch bedingte unterschiedliche Wirkung von Dur- und Molldreiklang lässt sich durch ein Experiment am Klavier verdeutlichen. Schlägt man mit der linken Hand ein C an und gleichzeitig mit der rechten Hand einen Dur-Akkord bestehend aus c’, e’ und g’, so ergibt sich ein vollkommen natürlich wirkender und in sich ruhender Klang. Ersetzt man jedoch hierbei den Dur- durch einen Moll-Dreiklang (c’, es’, g’), so reibt sich die Moll-Terz es’ mit dem e’, das als 5. Oberton des Grundtons C mitschwingt. Lauscht man diesem Klang längere Zeit nach, kann man beobachten, dass wegen des schnelleren Verklingens der höheren Töne der anfängliche Moll-Dreiklang allmählich verklingt und nach einem diffusen klanglichen Übergangsfeld der von den Obertönen des Grundtons C generierte Dur-Dreiklang übrig bleibt.
  • Zum Vergleich von Dur- und Molldreiklang kann man auch das Phänomen der Kombinationstöne heranziehen. Hier genügt bereits eine Betrachtung der Differenztöne 1. Ordnung, deren Frequenzen sich aus der Frequenzdifferenz der beteiligten Einzeltöne ergeben. Beim C-Dur-Dreiklang (c’ - e’ - g’) ergeben sich als Differenztöne aller enthaltenen Intervalle (Quint, große und kleine Terz): c, C und C, beim c-Moll-Dreiklang (c’ - es’ - g’) entsprechend: c, As1 und Es. Die Kombinationstonverhältnisse sind also beim Mollakkord deutlich komplizierter und "belastender" als beim Durakkord.

Das „Mollproblem“ im Detail

Während der Dur-Dreiklang (Grundton, große Terz und reine Quinte) sich leicht aus der Naturtonreihe ableiten lässt, sind entsprechende Versuche für den Moll-Dreiklang nicht in gleichem Maße schlüssig.

Der Molldreiklang (oder -Akkord) setzt sich aus dem Grundton, dem dritten und dem fünften Ton der Molltonleiter(n) zusammen. Werden diese Intervalle – unabhängig von der jeweiligen Stimmung – als harmonisch-rein aufgefasst (also Prime 1:1, kleine Terz 6:5 und Quinte 3:2), so ergibt sich – analog zum Durdreiklang 4:5:6 – das Schwingungsverhältnis 10:12:15.

\frac{1}{1}:\frac{6}{5}:\frac{3}{2} auf einen Nenner gebracht = \frac{10}{10}:\frac{12}{10}:\frac{15}{10}=\frac{10:12:15}{10}\quad\ldots\quad 10\,:\,12\,:\,15

Damit hat der Moll-Akkord zwar ebenfalls eine Entsprechung in der Obertonreihe, doch ist diese im Gegensatz zum Dur-Akkord in mehrfacher Hinsicht problematisch:

 Moll in der Obertonreihe.jpg  Dur und Moll in der Obertonreihe?/i

Zum einen wird dieser Molldreiklang durch dazwischenliegende Teiltöne (11, 13, 14) unterbrochen, wodurch ihm ein komplexeres Schwingungsverhältnis als dem Durdreiklang zukommt, und zum anderen hat diese sog. „monistische“ (d. h. aus der Obertonreihe abgeleitete) Deutung des Moll-Akkordes keinen eindeutigen Grundton, da der „Erzeugerton“ der Obertonreihe (hier: C) nicht mit der Prim des Dreiklangs (hier: e2 in e-Moll) übereinstimmt. Nach der Funktionstheorie Hugo Riemanns handelt es sich bei diesem e-Moll-Akkord um einen sog. „Leittonwechselklang“, einer „Scheinkonsonanz“, die sich aus den zwei benachbarten Dur-Akkorden (C-Dur 8:10:12 und G-Dur 12:15:18) zusammensetzt und damit einem bitonalen Konstrukt gleichkommt.[2] Dies erschien vielen namhaften Musiktheoretikern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (etwa Moritz Hauptmann[3], Arthur von Oettingen[4], Hugo Riemann[5] und Sigfrid Karg-Elert[6]) dem Mollgeschlecht nicht angemessen, da sich sowohl aus dem komplexeren Schwingungsverhältnis, als auch aus dem doppelten Grundton auf einen dissonanten Klang schließen lässt.

Laut Paul Hindemith und vielen Anderen entsteht der Moll-Akkord dagegen durch Tiefalteration („Trübung“) der großen Dur-Terz, die er durch das Unvermögen des Hörers oder Instrumentalisten, bei gleitenden Tonhöhen (Glissando) zwischen Groß- und Kleinterz zu unterscheiden, legitimiert sah:

„Was ist aber der Molldreiklang wirklich? Ich halte ihn, einer auch nicht mehr ganz neuen Theorie folgend, für eine Trübung des Durdreiklangs. Da es nicht einmal möglich ist, kleine und große Terz einwandfrei gegeneinander abzugrenzen, glaube ich nicht an einen polaren Gegensatz der beiden Akkorde. Sie sind die hohe und tiefe, starke und schwache, helle und dunkle, eindringliche und matte Fassung ein und desselben Klanges.“

Paul Hindemith: Unterweisung im Tonsatz. S. 101[7]

Bei dieser „Trübungstheorie“ wird der Moll-Akkord allerdings zu einem künstlich erzeugten Variantklang degradiert, der mit seinem Schwingungsverhältnis 4:44/5:6 keine Entsprechung in der Naturtonreihe aufweist. Die kleine Terz 6:5 entsteht dabei durch einen chromatischen Halbtonschritt abwärts (e–es in C-Dur/c-Moll), dem so genannten kleinen Chroma 25:24:

\frac{5}{4}:\frac{25}{24}=\frac{6}{5} aus diesem ergibt sich auch das Verhältnis {4}:({5}:\tfrac{25}{24}):6=4\,:\,4\tfrac{4}{5}\,:\,6

Gegen eine solche Auffassung sprach sich bereits Johann Wolfgang von Goethe aus.

Die aus heutiger Sicht fast schon esoterisch anmutende Deutung des Moll-Akkordes als „Unterklang“ mit dem Schwingungsverhältnis  Moll in der Untertonreihe.jpg  Moll und Dur in der Untertonreihe?/i

Aus diesem resultiert der Moll-Akkord als intervallgetreue, spiegelsymmetrische Umkehrung des Durdreiklangs, wobei sich die Dur-Terz – mathematisch betrachtet – als arithmetisches Mittel von Prime 1:1 und Quinte 3:2 und umgekehrt die Moll-Terz als deren harmonisches Mittel erschließt; eine Betrachtungsweise, die bereits Gioseffo Zarlino in „Le Istituzioni harmoniche“ (1558) in ähnlicher Weise beschrieben hat:[9]

\frac{1}{2}\cdot\left(\frac{1}{1}+\frac{3}{2}\right)=\frac{1}{2}\cdot\frac{2+3}{2}=\frac{5}{4}\quad\ldots\quad{2}:\left(\frac{1}{\frac{1}{1}+\frac{3}{2}}\right)={2}:\left(\frac{1}{1}+\frac{2}{3}\right)={2}:\frac{5}{3}=\frac{6}{5}

Zwar stellt der „harmonische Dualismus“ damit die angestrebte Gleichberechtigung von Dur und Moll her, doch erschien vielen Kritikern diese Herleitung (insbesondere die Bezeichnung v. Oettingens, Riemanns und Karg-Elerts eines c-Molldreiklangs als „Unter-g“ – mit der Chiffre °g, im Gegensatz zu c+ für C-Dur) nicht nur unnötig kompliziert:

„Aber so gelehrt bin ich schon lange nicht mehr angehaucht gewesen, dass ich mich für den Dualismus und die Bezeichnung des Moll-Akkordes entscheiden sollte.“

Max Reger: Brief vom 13. November 1900 an Johannes Schreyer[10]

Dies war vielmehr auch praxisfern und mit den Ergebnissen der Musikpsychologie unvereinbar.

Trotz der unterschiedlichen Lehrmeinungen, wie das „Mollproblem“ zu lösen sei, bleibt die Intonation des Moll-Akkordes selbst bis hierhin unberührt und die Ergebnisse der einen Theorie lassen sich in die der anderen umrechnen, wobei aus (rein) mathematischer Sicht dem einfachsten Zahlenverhältnis der Vorzug gebührt:

„Nun ja --
Daß aber noch heute bei sehr vielen Theoretikern der Mollakk. als ein Durakk.(!) mit alterierter(!!) Terz gilt, ist eher zum Weinen als zum Lachen! Ein Handwerker weiß um sein Material besser Bescheid, als diese Leute, die sich schließlich noch für ‚Musikgelehrte‘ halten … Der Durakkord ist in S-Auffassung [Schwingungsverhältnis] der Komplex von 1 3 5,resp. in enger Grundstellung 4 : 5 : 6. Der Mollakkord ist in S-Auffassung entweder 4 : 44/5(!) : 6 oder 10 : 12 : 15. Im letzten Falle hätte er keine Prime, auf die sich die 12 (d. i. 6 od. 3) beziehen könnte. Nun ist 4 : 44/5 : 6 gleich 20/5 : 24/5 : 30/5, d.i. gekürzt 10 : 12 : 15, d.i. ferner auf Generalzähler 60 gebracht: \tfrac{60\ 60\ 60}{6\ :\ 5\ :\ 4} gekürzt \overleftarrow{6 :  5 : 4}!“

Sigfrid Karg-Elert: Polaristische Klang- und Tonalitätslehre. S. 18

Einige Musiktheoretiker (etwa Otakar Hostinský[11] und Josef Achtélik[12]) versuchten dagegen die Schwächen der „monistischen“ Moll-Theorie durch zwar einfachere Zahlenproportionen des Moll-Akkordes auszugleichen, jedoch kann dies nur auf Kosten der harmonisch-reinen Intonation geschehen. Zur Diskussion stand etwa der Komplex aus 6., 7., und 9. Oberton, der scheinbar einem g-Molldreiklang (g–b–d) entspricht. Hierbei wird allerdings aus der reinen Kleinterz 6:5 die so genannte „septimale Kleinterz“ 7:6, die mit ihren 266,87 Cent um einen Viertelton (ca. 48,77 Cent) zu klein erscheint. Ein solcher Dreiklang 6:7:9 kann bestenfalls als Teil des Sept-Nonenakkordes 4:5:6:7:9, also eines dissonanten(!), dominantischen(!) Dur(!)-Akkords aufgefasst werden, zudem ergäbe sich als dessen Durparallele (b–d–f) das (unbrauchbare) Schwingungsverhältnis 7:9:10½ = 14:18:21  Hörbeispiel?/i.

Noch problematischer ist der 11. Oberton, das sog. „Alphorn-fa“. Dieses liegt nun mit 551,318 Cent (für das Intervall 11:8) fast exakt zwischen den Tonstufen f (temperiert 500 Cent) und fis (600 Cent), und liefert damit „neutrale Terzen“ 11:9 (weder Dur noch Moll). Ein solcher neutraler Klang ergibt sich aus dem Schwingungsverhältnis 9:11:13½ = 18:22:27 (d–f/fis–a); beim 9., 11., und 15. Oberton (d–f/fis–h), einer Umkehrung des h-Moll-Akkordes, führt er dagegen zu einer verstimmten Wolfsquinte 22:15 (ca. 663 Cent)  Hörbeispiel?/i.

Das „Mollproblem“ bleibt damit zwar eines der ungelösten Schismen der Musiktheorie, doch hat es in der musikalischen Praxis kaum eine Bedeutung. Allerdings mag das Nebeneinander der drei verschiedenen Moll-Tonleitern und die künstlich erhöhte Picardische Terz am Ende eines Musikstücks in der weniger stark ausgeprägten Grundton-Empfindung der Moll-Harmonik seinen Ursprung haben. Insbesondere die Komponisten der Romantik und Spätromantik, also eben die Komponisten jener Zeit, in der das Moll zu einem „Problem“ stilisiert wurde, sahen in der latenten Ambivalenz des Mollgeschlechts keinen Nach-, sondern im Gegenteil einen Vorteil. Die heute übliche Harmonielehre (etwa die Hermann Grabners[13] oder Wilhelm Malers[14]) kommt ihnen insofern entgegen, als dass sie sich des spekulativen Überbaus der Riemannschen Funktionstheorie sukzessive entledigte und sich mehr und mehr an den Verhältnissen der temperierten Stimmung orientiert.

Quellen

  1. Manfred Dworschak: Täler des Wohlklangs. In: Der Spiegel. Nr. 32, 2008, S. 118-120 (online).
  2. vgl.: Rudolf Klein: Zur Definition der Bitonalität. In: Österreichische Musikzeitschrift. 6, 1951, S. 313; Klein, ein überzeugter „Monist“ spricht tatsächlich von der „Bitonalität des einfachen Mollakkords.“
  3. Moritz Hauptmann: Die Natur der Harmonik und Metrik. Leipzig 1853
  4. Arthur von Oettingen: Harmoniesystem in dualer Entwicklung. Studien zur Theorie der Musik. Dorpat u. Leipzig 1866; überarbeitete zweite Auflage als Das duale Harmoniesystem. Leipzig 1913
  5. Hugo Riemann: Das Problem des harmonischen Dualismus. Leipzig 1905
  6. Sigfrid Karg-Elert: Polaristische Klang- und Tonalitätslehre. Leipzig 1930
  7. Paul Hindemith: Unterweisung im Tonsatz. I. Theoretischer Teil. Mainz 1937
  8. Hugo Riemann: Die objective Existenz der Untertöne in der Schallwelle. Kassel 1875
  9. vgl.: Carl Dahlhaus: War Zarlino Dualist? In: Die Musikforschung. 10, 1957, S. 286ff
  10. Else Hase-Koehler (Hrsg.): Max Reger – Briefe eines deutschen Meisters – ein Lebensbild. 2. Auflage. Leipzig 1938, S. 81
  11. Otakar Hostinský: Die Lehre von den musikalischen Klängen. Prag 1879
  12. Josef Achtélik: Der Naturklang als Wurzel aller Harmonien. Eine aesthetische Musiktheorie in zwei Teilen. Leipzig 1922 u. 1928
  13. Hermann Grabner: Handbuch der funktionellen Harmonielehre. Regensburg 1944
  14. Wilhelm Maler: Beitrag zur durmolltonalen Harmonielehre. München 1957

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Moll – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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