- Verwaltung Aufklärung
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Die Verwaltung Aufklärung war der militärische Nachrichtendienst der Nationalen Volksarmee (NVA) der Deutschen Demokratischen Republik, welcher 1956 aus dem Militärischen Nachrichtendienst (Mil-ND) gebildet wurde. Der Dienst hatte sein Hauptquartier in Berlin-Treptow und war in der DDR weitgehend unbekannt.
Obwohl strukturell ein unabhängiger Nachrichtendienst, unterstand er faktisch jedoch der geheimen Kontrolle der Hauptabteilung I des MfS, die ihn sowohl mit Inoffiziellen Mitarbeitern infiltriert hatte, als auch an entscheidenden Führungspositionen Offiziere im Besonderen Einsatz (OibE)s platziert hatte. Dennoch existierten offizielle Abkommen zwischen den beiden zuständigen Ministerien, die das Anwerben von Quellen untereinander regelten (keine Doppelanwerbung, gemeinsame Quellennutzung nur in Ausnahmefällen) und der Verwaltung Aufklärung alle Rechte gab, nachrichtendienstlich unabhängig zu arbeiten (Legenden, agenturische Arbeit, Führen von eigenen Quellen im Operationsgebiet „BRD“).
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Hintergrund und Aufstellung
Entsprechend der sowjetischen Militärtradition, wurde mit der Gründung der NVA auch ein militärischer Nachrichtendienst (militärischer Aufklärungsdienst) eingerichtet, bei der die GRU Pate stand. Von dem jungen MfS argwöhnisch als unliebsamer Konkurrent betrachtet, setzte sich aber das sowjetische Militär damit durch und sorgte formal für eine relative Unabhängigkeit der Verwaltung Aufklärung, die direkt dem Hauptstab der NVA referierte.
Mil-ND 1952-1956
Der Militärische Nachrichtendienst (Mil-ND) der DDR war ein dem Ministerium für Nationale Verteidigung unterstellter Nachrichtendienst, welcher sein Hauptquartier (Objekt 123) in der Oberspreestrasse in Berlin-Köpenick hatte. In diesem befand sich auch das Verbindungsbüro des sowjetischen Militärnachrichtendienstes GRU, sowie die „Verwaltung 2000“ des Ministerium für Staatssicherheit der DDR, zuständig für die Spionageabwehr innerhalb der Militäraufklärung und deren Überwachung. Das Gelände wurde 1990 durch die Bundeswehr übernommen und beherbergt heute das Kreiswehrersatzamt Berlin.
Hervorgegangen ist der Mil-ND aus der 1950 gegründeten Verwaltung 19 (Aufklärung) der Kasernierten Volkspolizei (KVP).
Neustrukturierung 1956
Nach der Gründung der NVA 1956 wurde der Dienst umbenannt und als Verwaltung Aufklärung mit fünf relativ selbständigen Verwaltungen weitergeführt. Seine Aufgabe war die Beschaffung militärischer Informationen über die benachbarten westlichen Staaten (Bundesrepublik Deutschland, Benelux und Dänemark), aber auch im geringen Maße über neutrale Staaten, außereuropäische Staaten und internationale Organisationen durch beispielsweise Militärattachés. Der Mil-ND trug während seines Bestehens die Namen "Verwaltung 19", "Verwaltung für Koordination" und "Verwaltung 12".
Der Mil-ND (noch als "Verwaltung 19") wurde nach dem 17. Juni 1953 in die einheitliche militärische Führung einbezogen. Am 23. Juni 1953 beschloss der Ministerrat der DDR, das Kommando über die damalige Kasernierten Volkspolizei (KVP), die Volkspolizei-See (VP-See) und die Volkspolizei-Luft (VP-Luft) an Generalleutnant Heinz Hoffmann zu übertragen. Damit ging auch die Verantwortung für die Militäraufklärung an den späteren Verteidigungsminister der DDR über.
Abwicklung
Am 3. Oktober 1990 wurde die Militäraufklärung der Verwaltung Aufklärung - im Personalumfang um fast 50 % reduziert, nachdem es im März des gleichen Jahres in „Informationszentrum beim Ministerium für Abrüstung und Verteidigung“ (IZ) umbenannt und umstrukturiert worden war, von der Bundeswehr übernommen und bis zum 31. Dezember 1990 vollständig aufgelöst. Seine Tätigkeit stellte das IZ ebenfalls zum 3. Oktober 1990 ein, die Agenturaufklärung endete bereits im Mai 1990.
Organisation
Struktur
1. Verwaltung
Bis zum Februar 1990 ist die Aufgabe der ersten Verwaltung, 1990 unter Leitung von Oberst Harry Schreyer, für die Agenturaufklärung innerhalb der NATO-Staaten zuständig. Dazu gehörten Unterabteilungen mit der Zuständigkeit für die Rüstungsindustrie, der NATO-Militärtechnik, der NATO in Westeuropa und zur Struktur der Bundeswehr.
2. Verwaltung
Die zweite Abteilung, geleitet von Generalmajor Günter Oldenburg, leitete die Militärattachés, deren Legalisten genannte Gehilfen und die illegalen Offiziere in der Bundesrepublik und Drittstaaten.
3. Verwaltung
Für die Truppenaufklärung war die dritte Verwaltung, letzter Chef Generalmajor Gerhard Rother, zuständig. Weiterhin unterstanden ihr die Abteilungen der Funkaufklärung wie das Funkaufklärungsregiment in Dessau und der Truppenaufklärung über die NVA-Verbände sowie dem taktischen Vorfeld der Grenztruppen der DDR.
4. Verwaltung
Unter Leitung von Oberst Alfred Bujak war die vierte Verwaltung zuständig für die sogenannte operativ-technische Sicherstellung. Hierzu zählte u.a. die Errichtung der Spionagetechniken und Erstellung falscher Pässe und Dienstausweise der NATO-Mitgliedsarmeen. Weiterhin untersteht ihr der Funkverkehr mit den Agenten und das Chiffrierwesen, die Fahrzeuge, die allgemeine Versorgung, die Waffenkammern sowie der Objektkommandant und das Zivilpersonal.
5. Verwaltung
Die fünfte Verwaltung, der Informationsdienst, galt als das Kernstück des Mil-ND und wurde als letztes von Generalleutnant Kurt Gottwald geleitet. Vom 1. Januar 1965 bis 1988 leitete diese Verwaltung Generalmajor Alexander Karin. Die erste Unterabteilung dieser Verwaltung wertete sämtliche inoffizielle Informationen und Dokumente aus, während die zweite Unterabteilung die offiziellen Informationen aus den Medien und Fachliteratur auswertete. In der dritten Unterabteilung wurden diese Informationen aufgearbeitet und elektronisch gespeichert. Bestandteil des Informationsdienstes war ebenfalls das Lagezentrum mit seinem diensthabenden System.
Dienstsitze
Zentrale
Das erste Hauptquartier hatte die Militäraufklärung bis 1952 in der Neue Schönholzer Straße 16 im Ost-Berliner Stadtbezirk Pankow. Dort waren alle Verwaltungen, bis auf die 3. Verwaltung (Truppenaufklärung), untergebracht. Diese befand sich in der damaligen Buchhornstraße in Berlin-Wendenschloß.
Ab April 1953 befindet sich der Dienst in der Behrenstraße in Berlin-Mitte, da im vorherigen Domizil die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden konnte und die Räumlichkeiten nicht mehr ausreichten. Da dieses Objekt jedoch zu dicht an der Sektorengrenze lag, wurde es nach einem Beschluss des ZK der SED vom Februar 1956 wieder aufgegeben.
Bis 1957 befanden sich einige Abteilungen dann im "Objekt Wendenschloß" in der Buchhornstraße 42-44 und in der Walter-Rathenau-Straße 21 in Grünheide. Nach der Flucht der Haushälterin von Karl Linke, welche über CIA-Verbindungen verfügte, wurden jedoch auch diese Objekte aufgegeben.
Unter strenger Geheimhaltung bezog die gesamte Verwaltung Aufklärung Ende 1957 ihr neues Domizil in der Regattastraße 12-28 in Berlin-Grünau. Auf Anweisung von Verteidigungsminister Stoph durfte das Objekt über keine sichtbaren Masten für Sendeanlagen verfügen und äußerlich wie eine Fachschule oder Institut wirken. Hier wurde der Name "Verwaltung für Koordination" verwendet.
Nach der Flucht von Oberstleutnant Siegfried Dombrowski im August 1958 nach West-Berlin, musste jedoch auch dieses Objekt nach kurzer Zeit aus Sicherheitsgründen aufgegeben und gegen eine Zwischenlösung in der Schnellerstraße 139 in Berlin-Niederschöneweide eingetauscht werden. Aufgrund der dortigen ungünstigen Arbeitsbedingungen, und entsprechender Bitten des Chefs der Verwaltung Aufklärung Arthur Franke, stimmte Verteidigungsminister Heinz Hoffmann am 5. Februar 1968 einem Neubau zu.
Im November 1972 wurde das neu errichtete Domizil in der Oberspreestrasse 61-63 in Berlin-Köpenick bezogen. Die offizielle und äußerlich sichtbare Bezeichnung des Gebäudekomplexes wurde mit "Mathematisch-Physikalisches Institut der NVA" festgelegt. Die Mitarbeiter wurden zu absoluter Verschwiegenheit über die tatsächliche Nutzung des 16 Hektar umfassenden Areals verpflichtet und durften auch in der Umgebung keine Lokalitäten nutzen.
Das Militärwissenschaftliche Institut (MWI) Klietz
Direkt der Verwaltung Aufklärung unterstellt war ebenfalls das Militärwissenschaftliche Institut (MWI) in Klietz. Dieses diente der Ausbildung der Offiziere des Militärischen Nachrichtendienstes und auch der Militärattachées.
Die Institut befand sich südlich von Klietz am Ostufer des Klietzer Sees und am Rande des gleichnamigen Truppenübungsplatzes und wurde ursprünglich 1935 als Werk der Westfälisch-Anhaltinischen Sprengstoff AG (WASAG) zur Produktion von Spreng- und Treibstoffen errichtet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg zog 1948 in den noch vorhandenen Gebäuden die Kasernierte Volkspolizei (KVP) der DDR ein und betrieb dort ein Lungensanatorium. Erst ab 1957 begann die NVA die Liegenschaft als Schule zur Ausbildung von Offizieren der Verwaltung Aufklärung zu nutzen. Um eine gewisse Geheimhaltung zu gewährleisten, war das Schulgelände anfangs von einer hohen Mauer umgeben, die erst Mitte der 1980er Jahre durch einen Zaun ersetzt wurde.
1979 wurde die Schule zum Militärwissenschaftliches Institut erklärt und war somit berechtigt, den Lehrgangsteilnehmern nach Abschluss ihres Studiums den akademischen Abschluss des Diplom-Militärwissenschaftlers zu verleihen.
Das Areal inklusive des Truppenübungsplatzes wurde 1990 durch die Bundeswehr übernommen und weiter genutzt.
Der Zentrale Funkdienst
Der Zentrale Funkdienst (ZFD) befand sich auf dem Gelände der ehemaligen Junkers Flugzeug- und Motorenwerke in Dessau war das stationäre Aufklärungsorgan der Verwaltung Aufklärung und ging aus dem Funkaufklärungsregiment 2 (FuAR-2) "Hans Jahn" hervor. Es bestand aus dem Funkaufklärungszentum Kurzwelle (FuAZ KW), dem Funkaufklärungszentrum Satelliten (FuAZ Sat), dem Funkaufklärungszentrum Nord (FuAZ Nord) stationiert in Rüggow, dem Funkaufklärungszentrum Süd (FuAZ Süd) stationiert in Zella-Mehlis und dem Luftaufklärungszentrum (LuAZ) stationiert in Dresden.
1990/91 übernahm der Zentrale Funkdienst auch die beiden zentralen Auklärungsobjekte der HA III des MfS/AfNS, nachdem dessen Auflösung am Runden Tisch beschlossen worden war. Das waren das Satellitenaufklärungszentrum in Biesenthal nördlich von Berlin und das Richtfunk- und UKW-Aufklärungszentrum auf dem Brocken, Harz.[1]
Führung
Leiter der Verwaltung Aufklärung [2]
- Generalmajor Karl Linke, Juli 1952 bis 31. August 1957
- Oberst Willy Sägebrecht, August 1957 bis Januar 1959
- Generalmajor Arthur Franke, Februar 1959 bis November 1974
- Generalleutnant Theo Gregori, Dezember 1974 bis 30. September 1982
- Generalmajor Alfred Krause, 1. Oktober 1982 bis 2. Oktober 1990
Verweise
Literatur
- Klaus Behling: Der Nachrichtendienst der NVA. Geschichte, Aktionen und Personen. Ed. Ost, Berlin 2005, S. 80–86. ISBN 3-360-01061-2
- Andreas Kabus: Der militärische Geheimdienst der DDR, Auftrag WINDROSE. Verlag Neues Leben, Berlin 1993. ISBN 3-355-01406-0
- Dieter Krüger, Armin Wagner (Hrsg.): Konspiration als Beruf. Deutsche Geheimdienstchefs im Kalten Krieg, Christoph Links Verlag Berlin 2003. ISBN 3-86153-287-5
- Walter Richter: Der Militärische Nachrichtendienst der Nationalen Volksarmee der DDR und sein Kontrolle durch das Ministerium für Staatssicherheit. Die Geschichte eines deutschen Geheimdienstes. Europäische Hochschulschriften Band 439, 2. überarb. Aufl., Frankfurt am Main 2004. ISBN 3-631-52020-4
- Helmut Roewer, Stefan Schäfer, Matthias Uhl: Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert. Herbig, München 2003. ISBN 3-7766-2317-9
- Bodo Wegmann: Die Militäraufklärung der NVA. Die zentrale Organisation der militärischen Aufklärung der Streitkräfte der Deutschen Demokratischen Republik. 2. Auflage. Köster, Berlin 2006. ISBN 3-89574-580-4
Weblinks
- ddr-wissen.de: Der Militärische Nachrichtendienst (Mil-ND)
- Hans Rudolf Fuhrer: Die Schweiz und Österreich im Fadenkreuz des Militärischen Nachrichtendienstes der DDR?
- Thomas Wegener Friis: Die Militärspionage der NVA in Dänemark
- Die Verwaltung Aufklärung der NVA der DDR
- Collection: Warsaw Pact Records in the German Military Archives
- Die Verwaltung Aufklärung der NVA der DDR (Das Informationszentrum aller Teilbereiche der militärischen Aufklärung nach außen, das Institut für Mathematik und Physik der NVA)
- Überlieferung von Unterlagen in der BstU
Einzelnachweise
- ↑ Der Zentrale Funkdienst (ZFD) (Stand: September 1990).
- ↑ Richter, Walter: Der Mil.-ND der NVA der DDR[...], 2. überarb. Aufl., Frankfurt am Main 2004, S. 26 - 182.
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