Vicke Schorler

Vicke Schorler

Vicke Schorler (* um 1560; † 1625) war ein Rostocker Krämer, der zwei historisch bedeutende Werke über die Hansestadt anfertigte: die Vicke-Schorler-Rolle sowie die Rostocker Chronik von 1583 bis 1625.

Inhaltsverzeichnis

Quellenlage

Eingangsnotiz zur Vicke-Schorler-Rolle

So ungewöhnlich viel Schorler vom Rostock seiner Zeit hinterlassen und damit erhalten hat, so wenig kann über sein Leben gesagt werden. Dass er beispielsweise der Verfasser der anonymen Rostocker Chronik ist, konnte nur durch Zufall herausgefunden werden. Gerade einmal auf der Vicke-Schorler-Rolle hinterließ er seinen Namen. Er zeichnete diese Rolle zwischen 1578 und 1586, begann sie also sehr wahrscheinlich als 18-Jähriger und war bei ihrer Fertigstellung 25 Jahre alt. In dieser Zeit machte er vermutlich seine Lehre als Krämer. Nichts lässt darauf schließen, dass er die Chronik und die Rolle als Auftragswerk schuf. Seine Arbeit wird also eher in einem persönlichen Interesse für seine Heimatstadt begründet gewesen sein.

Leben und Wirken

Herkunft

Vicke war im Niederdeutschen eine übliche Koseform für den Namen Friedrich; Schorler nannte sich selbst nur so. Ob er tatsächlich in Rostock geboren wurde, ist nicht sicher, aber wahrscheinlich. Er hatte einen Bruder, Hans Schorler, der Kaufmann war. Da die Brüder zu Beginn nicht vermögend waren, wird angenommen, dass sie beide Witwen heirateten und in deren Häuser zogen. Das Bürgerrecht konnte Vicke Schorler am 11. Januar 1589 als Krämergeselle erwerben. Er machte sich selbständig, heiratete und wurde am 3. Februar 1589 Mitglied der Krämerkompanie, muss also zu diesem Zeitpunkt schon genügend finanzielle Mittel besessen haben. Das Eintrittsgeld in diese Kompanie betrug ein Amtsgeld von 50 und ein Kapellengeld von 3 Gulden. Aus dem Jahr 1589 findet sich eine Quelle, aus der hervorgeht, dass Schorler ein Haus Am Schilde bewohnte, das früher dem Beutler Marten Randow gehört hatte. Dessen Witwe, Margarete Schmidt, ließ es am 4. Juli 1590 auf Schorler überschreiben. Demzufolge muss die Hochzeit von Vicke Schorler und Margarete Schmidt 1589 stattgefunden haben. Margarete Schmidt kann nicht lange mit ihrem früheren Mann verheiratet gewesen sein, denn seine frühere Frau (Anna) starb erst 1582. Trotzdem brachte sie aus dieser Ehe zwei Kinder mit und machte Vicke Schorler zum Stiefvater. Schorler selbst hatte mindestens zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn.

Schorlers Frau war Tochter eines Kürschners beziehungsweise Buntmachermeisters (ein auf Eichhörnchenfell spezialisierter Kürschner), der ein Haus in der Blutstraße besaß, dem heutigen Teil der Kröpeliner Straße vom Neuen Markt bis zum Universitätsplatz. Sie erbte dieses Haus später und ließ es ebenfalls auf Schorler als ihren ehelichen Vormund überschreiben. Den Tod ihres Vaters vermerkte Schorler in der Rostocker Chronik:

Anno 1600 den 5 Septembris ist Frantz Schmidt, ein buntmacher, in der Blutstrassen wonhaftig und ein feiner bürger dieser stadt, selig im herren entschlafen und den 7. Septembris in sein begrebniß zu Sanct Johannis zur erden bestettigt worden, seines alters 67 jahr […]

und fügte später dazu:

Anno 1613 den 25 Martii ist auch seine frau gestorben und dem 29. Martii bei ihm zu Sanct Johannis begraben worden.

Auch der Tod von Schorlers Frau ist in seiner Chronik zu finden, was gleichzeitig den einzig wirklichen Hinweis auf die Identität des Autors der Chronik lieferte:

Anno 1624 den 11. Novembris, war auf Martinitagk, ist meiner schwestertochter Annen Lemeyers hochzeit gewesen mit ihrem breutgamb Hans Pentsin, auf welcher hochzeit meine liebe hausfrau Margarethe Schmiedes ist kranck geworden, welche kranckheit mit ihr so sehr überhandt genommen, das sie den 13. Novembris von Sonabendt auf Sontag in der nacht zwischen 12 und 1 uhr diese welt gesegnet und todes verblichen, welcher leichnamb den 15. Novembris auf einen Montagk mit christlichen ceremonien in St. Johanniskirchen ist zu erden bestettigt worden […]

Sehr wahrscheinlich ist Schorler bis zu seinem Tod Mitglied des Hundertmännerkollegiums der Stadt gewesen, hatte also neben dem des Ältermannes der Landfahrer-Krämerkompanie zur Heiligen Dreifaltigkeit ein wichtiges politisches Amt in Rostock inne. Womit er tatsächlich handelte, ist nicht nachweisbar. Da er zu den reichsten Krämern gehörte, ist anzunehmen, dass er Seiden-, Gewürz- oder Eisenkrämer gewesen ist, da diese zu den angesehensten gehörten. Die letzte Eintragung in Schorlers Chronik stammt vom Februar 1625, knapp drei Monate nach dem Tod seiner Frau. In den Steuerlisten des Jahres 1626 ist er bereits als verstorben vermerkt.

Familie

Auch Schorlers Sohn, der vermutlich nach dem Schwiegervater Franz genannt wurde, war wie sein Vater Krämer. Seine Einschreibung in der Krämerkompanie stammt vom 4. April 1616. Das Bürgerrecht erwarb er im folgenden Jahr, am 1. Februar 1617. So ließ Schorler bereits am 4. April 1617 das Haus Am Schilde auf seinen Sohn übertragen unter der Bedingung, dass ihm und seiner Frau der Keller als Wohnung für immer vorbehalten bliebe. Auch das Haus in der Blutstraße verkaufte er um diese Zeit. Als Käufer ist ein Hans Klein vermerkt, Schorlers Schwiegersohn, Ältester des Goldschmiederates und später Münzmeister der Hansestadt. Allerdings verkauften sich kurze Zeit später Hans Klein und Franz Schorler die Häuser gegenseitig. Vicke Schorler, der in dem Haus Am Schilde wohnen blieb, lebte dort bis zu seinem Tod.

Schorlers Sohn starb spätestens ein Jahr nach dem Tod des Vaters. 1624 hatte er das Haus erneut verkauft, wahrscheinlich aus Geldsorgen, denn neben Kindern und einer Witwe hinterließ er einige Schulden. Auch Vicke Schorlers Tochter lebte nicht viel länger, was daraus zu schließen ist, dass im Jahr 1632 die Witwe Anna Fickers als die neue Frau ihres Mannes Hans Klein vermerkt wird. Er machte sich im Übrigen später einen Namen, als er im Dienste des englischen Königs das große Siegel Karls II schuf. Schorlers Bruder, der nicht viel älter als er selbst gewesen sein dürfte, starb mit ungefähr 38 Jahren zwischen 1600 und 1603. Mit der Witwe, die er geheiratet hatte und die fünf Kinder mit in die Ehe brachte, hatte er noch zwei eigene. Daneben müssen die beiden Brüder auch eine Schwester gehabt haben, die ebenfalls in Rostock lebte.

Aus Schorlers Familie ist viel über die übliche Familienstruktur Rostocks in dieser Zeit abzulesen. Er lebte in bürgerlichen Verhältnissen, die stark geprägt waren von Versorgung und Unterhalt, finanzieller, aber auch juristischer Sicherheit. Die Familienstrukturen waren von einer hohen Frauen- und Kindersterblichkeit bestimmt. Es gab viele Waisen, Halbwaisen und Witwen. Selten waren Bürger nur einmal verheiratet.

Die Vicke-Schorler-Rolle

Die Rolle, die sich heute im Stadtarchiv Rostock befindet, ist eine kolorierte Federzeichnung mit einer Länge von 18,68 Metern und einer Höhe von 60 Zentimetern, die Rostock und die Umgebung der Stadt abbildet. Überschrieben ist sie mit dem Titel: Wahrhaftige Abcontrafactur der hochloblichen und weitberuhmten alten See- und Hensestadt Rostock – Heuptstadt im Lande zu Meckelnburgk. Hauptstadt ist hier nicht politisch gemeint, sondern bedeutet vielmehr die wichtigste und größte Stadt im Land. Das spiegelt sich auch im Bildaufbau wider. Rostock steht im Zentrum und beansprucht fast die gesamte Rolle. Nur an den Rändern befinden sich Kirchdörfer wie Kessin und Schwaan oder etwas größer die fürstliche Residenz Güstrow (dessen älteste Abbildung im Übrigen die auf der Schorler-Rolle ist); auch Warnemünde ist in einer Aufsicht zu erkennen. Auf dieser Rolle sind wichtige Gebäude, Straßen und Handelswege zu sehen, aber auch Schiffe und auch Personen, wie Händler und Studenten, die bei ihren Tätigkeiten zu sehen sind. Acht Jahre hatte Schorler daran in seiner Freizeit gearbeitet, bis er darunter schreiben konnte: „Anno Domini 1586 am Tage Sankt Johannis des Teuffers habe ich, Vicke Schorler dis vorgehemde Werck gantz un gar vollenbracht.“

Vicke Schorler: ›Wahrhaftige Abcontrafactur der hochloblichen und weitberuhmten alten See- und Hensestadt Rostock – Heuptstadt im Lande zu Meckelnburgk‹
Vicke Schorler: ›Wahrhaftige Abcontrafactur der hochloblichen und weitberuhmten alten See- und Hensestadt Rostock – Heuptstadt im Lande zu Meckelnburgk‹

Rezeption

Die Wokrenterstraße in Rostock mit den historischen Giebelformen

Mit der Rolle schuf Vicke Schorler ein tatsächlich einmaliges, kulturhistorisches Zeugnis nicht nur der Hansestadt Rostock, sondern auch ein Bild der hansisch geprägten Kultur an sich, so zeigt sie eine Architektur, die auf dem Höhepunkt der Gotik ist, und eine, die bereits den Einfluss der Renaissance verdeutlicht.

Die Darstellung der Stadt ist überaus detailliert. Damit präsentiert Schorler die Stadt Rostock in ihrem ganzen hanseatischen Reichtum und liefert ein Bild ihrer Zeit, das aufgrund der Einmaligkeit der Rolle nicht nur für Rostock bedeutsam ist. Wichtig hierfür war auch die Form der gewählten perspektivischen Darstellung als dem Zeitgeschmack entsprechender Mischform zwischen Vedute und Vogelperspektive, die Schorler laienhaft für sich übernahm.

Die Rolle hat besonderen kulturgeschichtlichen Wert für das Wissen über die Architektur Rostocks vor dem Brand im Jahr 1677, der große Teile der Stadt zerstörte.

Das von Schorler dargestellte Stadtbild ist gemeinsam mit der Vogelschau des Wenzel Hollar und der Stadtkarte des Hospitalmeisters am Heilig-Geist-Hospital Julius Michael Tarnow aus der Zeit zwischen 1780 und 1790 heute Grundlage des digitalen Historischen Informationssystems[1] Rostock um 1600[2].

Künstlerische Darstellung der Schorler-Rolle von Jo Jastram

Einige nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs neu errichteten Gebäude, wie die in der Wokrenterstraße, konnten von ihren Architekten originalgetreu nach der Darstellung in der Vicke-Schorler-Rolle gestaltet oder in ihrer Erscheinung, so wie das Fünf-Giebel-Haus, zumindest beeinflusst werden.

Im Andenken an Schorler und die Rolle wurde 2006 eine stilistische Abbildung eines Teils der Rolle als Bronzerelief von Jo Jastram gestaltet und an einer Fassade beim Glatten Aal in Rostock angebracht.

Kunstgeschichtliches

Schorler fertigte seine Rolle in einer Zeit, in der sich die Darstellung von Städten gerade verändert hatte. Das Tafelbild des Hochaltars der ehemaligen Dominikanerkirche zu Rostock aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zeigt noch die Heimfahrt der Heiligen Drei Könige in einer Kogge vor der Stadt. So wie die Stadt nicht mehr so stark typisiert dargestellt war wie in anderen Abbildungen, so begann sie sich auch aus der Hintergrundgestaltung z. B. religiöser Themen zu lösen. Künstler wie Albrecht Dürer hatten dazu beigetragen, dass die Stadt in einer realistischen Darstellung immer stärker zum selbständigen Motiv von Malern und Grafikern werden konnte. Bei dieser Entwicklung spielte auch die Weltchronik des Nürnberger Stadtarztes Hartmann Schedel eine wichtige Rolle. Sein Liber chronicarum erschien 1493 in lateinischer und in deutscher Ausgabe. Es enthielt mehr als 1800 Holzschnitte von Wilhelm Pleydenwurff und Michael Wohlgemut, Dürers Lehrer. Von den Holzschnitten waren 116 mit Ortsnamen überschrieben, 30 stellten bereits realistische Ansichten dar. Im 15. und 16. Jahrhundert waren es vorwiegend die humanistischen Gelehrten, welche die Herausgabe dieser doch recht populären Darstellungen im Buchformat förderten.

In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass die Fertigung der Rolle insofern eine besondere Leistung Schorlers darstellt, als er eben kein Künstler war. Er wird nicht einmal eine akademische Bildung genossen haben und hatte auch keine Auftraggeber für sein Werk. So ist auch die Form des Werkes, vor allem die Darstellung aus dem Inneren der Stadt, schwer künstlerisch einzuordnen.

Als ein mehr oder weniger direktes Vorbild Schorlers für seine Rolle kann die Stadtansicht Hans Weigels angenommen werden, der um 1550/60 einen Holzschnitt fertigte mit dem Titel: „Wahrhafftige Contrafactur der alten herrlichen Stat Rostock“. Die Ähnlichkeit mit dem Titel Schorlers ist unverkennbar. Auch die Genauigkeit der Darstellung von Toren, Kirchen, Häusern ähnelt der Vicke Schorlers.

Hans Weigel: Wahrhafftige Contrafactur der alten herrlichen Stat Rostock (mit Versen von Hans Sachs)

Allerdings gibt es Unterschiede nicht nur in der jeweils gewählten Perspektive, sondern auch in den Maßen der Bilder: Mit 1,09 m Länge und 0,256 m Breite ist Weigels Werk weitaus kleiner als die Schorler-Rolle. Ein weiterer Unterschied ist, dass Schorler keine Druckgrafik des Stadtbildes anfertigte, wie es üblich war, um das Bild reproduzieren und diese Drucke auch verkaufen zu können. Eine wichtige Rolle für diese Entwicklung hatte die gewachsene Bedeutung des Buchdrucks und -handels gespielt. Bei der Dimension der Schorlerschen Rolle von über 18 Metern Länge und über einem halben Meter Breite kam ein Druck freilich nicht in Frage. Neuem gegenüber war Schorler immer sehr aufgeschlossen. Das zeigt sich insbesondere bei der Darstellung der Gebäude, die er perspektivisch aufbrach, um sie von mehreren Seiten zu zeichnen.

Bildkomposition

Die drei horizontalen Ebenen dargestellt in der Rostocker Karte von 1683

Schorler gliederte seine Abcontrafactur in fünf Abschnitte, die er durch die perspektivische Ansicht verdeutlichte. Warnemünde, Güstrow und andere Orte an den beiden Rändern der Rolle stellte er in einer Aufsicht dar, die Stadt Rostock selbst indes frontal. Die Darstellung, die in ihrer Größe einen Kontrast zum „Umland“ bildet, macht somit die Hansestadt deutlich zur „Haupt-Stadt“ im Land Mecklenburg.

Drei weitere Abschnitte sind horizontal angelegt und folgen der gesamten Länge der Rolle. Sie bilden drei verschiedene Wege, auf denen der Betrachter die Stadt durchqueren kann. Unten, an der Basis des Bildes, folgt er der Warnow, dem Hafen und dem Strand; hier sind auch die beiden Hafenkräne zu finden, von denen heute einer als Rekonstruktion zu sehen ist. (Abb.) Ganz oben im Bild folgt er dem Weg vom Kröpeliner Tor zum Mühlentor und passiert dabei die repräsentativsten und bedeutendsten Gebäude: Kirchen, Klöster, das Rathaus, den Marktplatz, das Steintor und wichtige Bürgerhäuser. In der Mitte indes bewegt er sich auf einem Außenring durch die Stadt: durch das Bramower Tor bis zum Gerberbruch zeigt Schorler die Stadtmauer, die Hafentore und die Türme, sowie die Giebelhäuser-Reihen am Hafen.

Umsetzung

Rohrfedern

Die Schorler-Rolle besteht aus einfachem Kanzleipapier in den üblichen Bögen von 30 cm × 40 cm. In dieser Größe wurde es damals üblicherweise von Krämern verkauft. Allerdings ist das Papier nicht einheitlich, die Rolle besteht aus ganz unterschiedlich strukturierten Papiersorten. Schorler wird sich also Bögen besorgt haben, wenn er sie denn gerade brauchte. Das ist auch an verschiedenen Wasserzeichen erkennbar. Meist ist das der mecklenburgische Stierkopf mit Halsfell, Krone und Nasenring, Zeichen der fürstlich mecklenburgischen Papiermühlen in Grabow und Neustadt. Auf drei Bögen findet sich auch ein Wasserzeichen als Lilienwappen mit der Inschrift MSAVOIS, sicher französischen Ursprungs.

Die gesamte Rolle ist aus zwei Papierreihen mit insgesamt 127 Blättern zusammengesetzt. Die obere der beiden Reihen besteht aus 63 Foliobögen, von denen jeder 30 cm × 40 cm groß ist, die untere aus 64 halben Bögen mit einer Größe von je 30 cm × 20 cm. Die Anzahl entspricht sich nicht exakt, da Schorler auch einige schmale Bögen benutzte. Es ist davon auszugehen, dass er diese erst um 1586 zu einer Rolle von 18,68 Meter Länge und einer Breite von 60 cm zusammenfügte. Jedes Blatt enthält einen Teil des Gesamtbildes. Nur die Seitenteile sind blattübergreifend gezeichnet.

Die Chronologie seiner Arbeiten hielt er genau fest. Den Beginn und das Ende markierte er mit kleinen Texten. Dass er die Rolle am Johannistag sowohl begann (1578) als auch beendete (1586), ist auf die Verleihung des Stadtrechts Rostocks an diesem christlichen Feiertag zurückzuführen. Weitere Jahreszahlen vermerkt er auf Schriftbändern, Portalbögen und Windfahnen. Allein die Jahreszahl auf dem Steintor ist auf dessen Entstehung zurückzuführen. Interessant ist weiter, dass er die Rolle zwar 1578 begann, aber erst 1582 wirklich mit der Arbeit begonnen zu haben schien, da Jahresangaben aus diesem Zeitraum fehlen. Warum, ist nicht bekannt.

Zur Herstellung der Rolle verwendete Schorler eine Kiel- oder Rohrfeder. Mit Lineal und Zirkel zeichnete er die Vorlagen der Gebäude nach. Als Farbe verwendete er, so ergaben die Untersuchungen zur Restaurierung im Jahr 1938, gebrannte, gemahlene Tonerde und Ruß, als Bindemittel Honig oder Firnis. Auf diese Weise entstand als Farbgemisch der dunkelbraune Sepiaton des Bildes, der enorm beständig war. Dies kolorierte Schorler mit Wasserfarben, was noch immer recht gut zu sehen ist. Nur das Blau scheint heute teilweise Rot und auch das Grün ist verblasst. Spätere, bei der Restaurierung vorgenommene Korrekturen gelten als eher unsachgemäß.

In seiner Flächigkeit der Darstellung der Gebäude befindet sich Schorler noch in der Tradition des Spätmittelalters. Es finden sich keine Verkürzungen der Linien wie in perspektivischen Darstellungen, trotzdem zeichnete er die Gebäude teilweise von verschiedenen Seiten. Ebenso gestaltete er Turmseiten, Querschiffe, die Rathauslaube, Vorbauten, Dächer, Treppen, etc. Und auch die Reihenfolge der Häuser nebeneinander und übereinander entspricht nicht der Wirklichkeit. Und Häuserfronten, die Schorler von links nach rechts darstellte, reihen sich eigentlich von rechts nach links aneinander. So befanden sich beispielsweise das Rathaus und der daneben dargestellte Brotscharren tatsächlich nicht nebeneinander. Der Grund für seine Darstellung ist darin zu sehen, dass es Schorler eben nicht um eine Gesamtsicht auf die Stadt ging, sondern vor allem um die Darstellung der einzelnen Gebäude in ihren Details. Darin lag für ihn die Wahrhaftigkeit der Darstellung.

Geschichte der Rolle

Eine Zeit lang muss die Rolle im Besitz der Familie Schorler geblieben sein, es gibt darüber keine Aufzeichnungen. Erst 1760, also über einhundert Jahre nach Schorlers Tod, findet sie sich in einem Quellenverzeichnis zur Geschichte und Verfassung der Stadt Rostock. Um diese Zeit muss sie in die alte Ratsfamilie Nettelbladt gelangt sein. Diese verkauften diese Rolle dem Rostocker Rat im Juli 1792 für 150 Taler N⅔ (Neue Zweidrittel). Der Zustand der Rolle zu dieser Zeit kann nicht besonders gut gewesen sein. Der Rat gab gleich nach Kauf der Rolle den Auftrag an die Archivare: „[…] die Charte von der Stadt Rostock vor dem großen Brande mit feinem Leinewand geschickt und behutsam unterfüttern zu lassen.“ Die nächste Ausbesserung wurde am 11. August 1851 vom Rat beschlossen, allerdings wurde sie nur mit einem schwachen Karton etwas versteift.

Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts war das Interesse, insbesondere des Bürgertums, an Kulturgeschichte gestiegen. So wurde 1883 der Verein für Rostocks Altertümer (heute der Verein für Rostocker Geschichte) gegründet. Das Archiv wurde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und es wurde mit Forschungen begonnen. Der erste, der sich dann umfassend mit der Schorler-Rolle befasste, war der Archivar Ernst Dragendorff, der das Werk in den Beiträgen zur Geschichte der Stadt Rostock, der Publikation des Vereins für Rostocks Altertümer, erstmals wirklich publik machte. 1937/38 wurde die Rolle schließlich erstmals umfassend restauriert. Dafür wurde der Berliner Konservator und Restaurator ägyptischer Papyri, Hugo Ibscher, gewonnen, unter dessen Leitung der brüchige, alte Karton abgelöst wurde. Die Rolle wurde gereinigt, ausgebessert und auf einen biegsamen Karton wieder aufgezogen. In dieser Form besteht sie bis heute.

Den Zweiten Weltkrieg und dabei insbesondere die Bombardierung Rostocks überstand sie unbeschadet in den Kellern der Rostocker Bank.

Die Rostocker Chronik des Vicke Schorler

Schorlers Rostocker Chronik

Vicke Schorler fertigte außerdem eine Rostocker Chronik an, die direkt an die Rostocker Chronik des Buchbinders Dietrich vam Lohe anschließt und die Jahre zwischen 1583 und 1625 umfasst. Lange war nicht bekannt, wer der Urheber dieser Chronik gewesen war, bis der Stadtarchivar Ernst Dragendorff (1869–1938) Schriftbilder aufwendig verglich und Schorler eindeutig identifiziert werden konnte. In der Chronik finden sich Berichte zu Unglücken wie Stürmen, Bränden, Unfällen, aber auch Hochzeiten oder wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Ereignissen, den Kämpfen und Machenschaften der Frau von Bülow um ihr Recht oder den Verdächtigungen, die alte Frau Thamar sei eine Hexe. Die Chronik ist eines der sehr wichtigen und interessanten Zeugnisse, die heute noch über das Alltagsleben in der Stadt dieser Zeit berichten.

Die Schorlersche Chronik befindet sich in einem grauschwarzen Buch im Quartformat (siehe Abbildung). Sehr gut ist hier die Genauigkeit der Arbeitsweise Schorlers zu sehen: Exakte Linienführung, dünne, mit Bleistift und Lineal gezogene Hilfslinien, ein fast korrekt eingehaltener Rand, kaum Streichungen und selbst die Schrift, die Tinte und die Feder scheinen im gesamten Text unverändert.

Vor seiner eigenen Arbeit fertigte er eine Abschrift der vam Loheschen Chronik. In dessen Original sind darum seine Randbemerkungen zu finden. Der Unterschied zu dieser Abschrift ist vor allem, dass Schorler statt in Niederdeutsch in Hochdeutsch schrieb. Damit gehörte er zu einer Generation von Bürgern, welche die Veränderungen sehr bewusst wahrnahmen und sich dagegen nicht wehrten. Auch wich er von dem vam Loheschen Text inhaltlich ab, indem er teilweise Details, mit denen vam Lohe häufig sparte, hinzufügte. Dass diese Details Schorler immer wichtig gewesen sind, ist vor allem auch an der Schorler-Rolle zu sehen, in der er nicht darauf verzichtete, einzelne Ziegel, Inschriften und Bilder an den Häusern mit einzuzeichnen.

Allerdings finden sich bei ihm keine Wertungen. Er ist in den Schilderungen sehr objektiv. Darin ähnelt er vam Lohe sehr. Diese Wahrhaftigkeit ist es auch, die er schon im Titel der Schorler-Rolle betont. Allein in der Wahl einiger der Dinge, von denen er in der Chronik berichtete, wie dem Wiker-Gelag, ein jährliches Vogelschießen seiner Krämerkompanie, kann etwas Subjektives gesehen werden.

Seine letzten Einträge zeigen schließlich noch einmal die Unglücke, welche die Rostocker erlitten: Die Pestepidemie im Jahr 1624 füllt zwei Seiten der Chronik mit Namen von Toten, welche aber sicher nicht alle gewesen sind. In der letzten Aufzeichnung vom 10. Februar 1625 schildert er noch einmal ausführlich die starke Sturmflut, welche das Wasser in die Stadt trieb, die Keller unter Wasser setzte und die Schiffe bis an die Stadtmauer drückte. Über seinen Tod wurde in keiner Chronik berichtet.

Schorlers, aber auch vam Lohes Chronik nehmen als Chroniken eine Sonderstellung ein, da diese erst Mitte des 16. Jahrhunderts relativ regelmäßig geführt wurden. So gingen, anders als in anderen hansischen Städten, wo viel früher eine Tradition eingesetzt hatte, viele Informationen verloren. Besonders sind sie auch, weil sie beide nicht von Berufsschreibern angefertigt wurden. Erst nach ihnen wurden Stadtchroniken von Gelehrten, vor allem Theologen, geschrieben. Damit sind Namen wie Lucas Bacmeister, David Chyträus, Thomas Lindemann, Nikolaus Gryse und Peter Lindenberg insbesondere verbunden.

Literatur

  • Jan Scheunemann: Das Erscheinungsbild Rostocks am Übergang vom 16.–17. Jahrhundert. Versuch einer Neubewertung der Stadtdarstellung von Vicke Schorler mit Hilfe des Rostocker Grundregisters, in: Kersten Krüger (Hg.), Stadtgeschichte und Historische Informationssysteme. Der Ostseeraum im 17. und 18. Jahrhundert. Beiträge des wissenschaftlichen Kolloquiums in Rostock vom 21. und 22. März 2002, Münster 2003, S. 281–328.
  • Wolfgang Behringer, Bernd Röck (Hrsg.): Das Bild der Stadt in der Neuzeit 1400–1800. Beck-Verlag, München 1999, ISBN 3-406-40998-9.
  • Ingrid Ehlers (Hrsg.): Vicke Schorler – Rostocker Chronik 1584–1625. Verlag Schmidt-Römhild, Rostock 2000. In: Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Mecklenburg. Reihe C, Band 3 ISBN 3795037344.
  • Horst Witt (Hrsg.): Die wahrhaftige „Abcontrafactur“ der See- und Hansestadt Rostock des Krämers Vicke Schorler. Hinstorff, Rostock 1989, ISBN 3356001752.

Weblinks

 Commons: Vicke Schorler – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Bestandteil des Forschungsprojekts „Städtesystem und Urbanisierung im Ostseeraum“, Vgl. K. Krüger, S. Kroll, G. Pápay: Stadtgeschichte und Historische Informationssysteme. Der Ostseeraum im 17. und 18. Jahrhundert. Münster 2003, S. 7–16.
  2. siehe Rostock um 1600
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