- Viktor Orbán
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Viktor Orbán [ˈviktor ˈorbaːn] (Orbán Viktor, * 31. Mai 1963 in Székesfehérvár) ist ein ungarischer Politiker, Vorsitzender der Partei Fidesz – Ungarischer Bürgerbund und seit Mai 2010 Ministerpräsident von Ungarn (Kabinett Orbán II). Von 1998 bis 2002 war Orbán erstmals Ministerpräsident, von 2002 bis 2010 Oppositionsführer im ungarischen Parlament.
Inhaltsverzeichnis
Bildung
Orbán studierte Rechtswissenschaften an der Loránd-Eötvös-Universität in Budapest und erhielt 1989 ein Stipendium an der Universität von Oxford (England).
Politischer Werdegang
1988 war er einer der Gründerväter des Bundes Junger Demokraten (Fiatal Demokraták Szövetsége, Fidesz). Er wurde landesweit durch seine Rede im Rahmen der Umbettung des Nationalidols des Volksaufstandes von 1956, Imre Nagy, bekannt, in der er sich als der Sprecher der Universitätsjugend für den Abzug der sowjetischen Soldaten aussprach. Diese Rede brachte ihm teils Bewunderung, teils heftige Kritik ein.
Nach der Wende 1989 wurde er Mitglied des Ausschusses des Fidesz (d. h. des Führungsgremiums der Partei, da es damals noch keinen Vorsitzenden gab). 1993 wurde er zum Parteivorsitzenden gewählt. Diesen Posten bekleidete er bis zu seinem Rücktritt 2000 und erneut ab 2003.
Viktor Orbán ist seit 1990 Abgeordneter des Parlaments. Zwischen 1990 und 1993 war er Fraktionsvorsitzender.
Unter seiner Ägide wurde die als liberal geltende Partei Fidesz zur führenden konservativen Partei Ungarns. 1998 gewann er die Parlamentswahlen und bildete eine Regierung des Fidesz mit der konservativen Kleinbauernpartei (FKgP) und dem Ungarischen Demokratischen Forum (MDF). Während seiner ersten Regierungszeit trat Ungarn der Nato bei und die öffentlichen Angestellten wurden nach Regierungsanweisung zu einem großen Teil ausgewechselt. 2002 verlor er die Wahl gegen den Kandidaten der damals oppositionellen Sozialisten, Péter Medgyessy.
Orbán bekleidete auch mehrere internationale Positionen. Zwischen 1992 und 2000 war er Vizepräsident der Liberalen Internationale und ist seit 2002 Vizepräsident der Europäischen Volkspartei.
Ein Jahr nach der Parlamentswahl wurde Orbán 2003 erneut zum Parteichef des Fidesz gewählt. Nach seiner Rückkehr an die Parteispitze erhöhte sich die Mitgliederzahl der Partei. Er galt als aussichtsreichster Kandidat gegen den amtierenden sozialistischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány, verlor aber am 8. April 2006 knapp gegen den Amtsinhaber. Vor dem zweiten Wahldurchgang (23. April 2006) verzichtete er zugunsten des früheren Koalitionspartners, des Demokratischen Forums MDF auf das Amt des Regierungschefs, konnte aber die Mehrheitsverhältnisse nicht mehr umdrehen.
Im ersten Wahlgang der Parlamentswahlen vom 11. April 2010 errang Fidesz einen klaren Wahlsieg mit 52,73 Prozent der abgegebenen Stimmen. Am 29. Mai 2010 wählte das neue Parlament Viktor Orbán zum neuen Ministerpräsidenten.
Politik
In gesellschaftlichen Fragen vertritt der Fidesz unter Orbán rechtskonservative Positionen. Er betont dabei insbesondere pro-kirchliche und pro-familiäre Werte. Autoritarismus und Nationalismus sind in der Rhetorik und Politik von Fidesz stark verankert; aufgrund der EU-Mitgliedschaft Ungarns wurde von Beobachtern jedoch mit einer Mäßigung des Nationalismus der Partei in Regierungsverantwortung gerechnet.[1] Verglichen mit der wirtschaftsliberalen SZDSZ und ihrer ersten Regierungszeit 1998-2002 befindet sich die Partei - aufgrund der äußerst schlechten wirtschaftlichen Lage in Ungarn - ökonomisch jedoch auf einem leicht veränderten Kurs.[2] Für die Zeit nach der Wahl 2010 kündigte die Partei als wesentliches Ziel Steuersenkungen an. Aufgrund der Verschuldung war eine Bankenabgabe geplant.[3]
Nach Regierungsantritt wurde der Personalapparat im Staat stark umgestaltet und die Netto-Abfindungen für Entlassene reduziert. Das Verfassungsgericht kippte die Abfindungsveränderungen,[4] im November 2010 hat die Fidesz-MPSZ mit der 2/3 Mehrheit im Parlament daraufhin die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtes in Budgetfragen eingeschränkt.[5]
Bei seinem Besuch in Dezember 2010 in Bratislava verzichtete er auf Gespräche mit der gewählten ungarisch-slowakischen Regierungspartei Most-Híd und traf sich mit einer Organisation der ungarischen Minderheit in der Slowakei, der Partei der ungarischen Koalition, was für Spannungen mit der slowakischen Regierung sorgte.[6][7]. Am 24. Juli 2011 hielt Orbán anlässlich der Sommerakademie Tusványos in Siebenbürgen eine programmatische Rede, in der er seine Vision von der ungarischen Nation in- und außerhalb der Staatsgrenzen skizziert.[8]
Die 1997 eingeführte (seit 1998 bestehende) Pflicht in einer private Rentenversicherung einzuzahlen (und dafür weniger in die öffentliche Versicherung), führte zu hohen Fehlbeträgen in den gesetzlichen Kassen (die vom Staatshaushalt aufgefangen wurden), die für einen Großteil der Rente aufkommen.[9] Um den verschuldeten Staatshaushalt zu sanieren wurden unter der Regierung im Dezember 2010 Einlagen der obligatorischen privaten Rentenkassen in Höhe von umgerechnet rund 10 Mrd. Euro in einen „Fonds für die Rentenreform und den Staatsschuldenabbau“ verschoben. Kontrovers wurde diese Aktion von einigen Medien als „Rentenklau“ kritisiert[10][11] und von Orbán selbst hingegen als Notrettung des ungarischen Pensionssystems gerechtfertigt.[12]
- Innenpolitik
Am 18. April 2011 wurde mit den Stimmen der FIDESZ eine ab dem 1. Januar 2012 gültige neue Verfassung verabschiedet, die unter anderem Gott, Krone (Stephanskrone) und Vaterland, Christentum, Familie, Treue, Glaube, Liebe und Nationalstolz beschworen. Zudem wird der Staat von Republik Ungarn in Ungarn umbenannt, die Staatsform wurde aus dem offiziellen Namen getilgt.[13]
Durch die Festschreibung der traditionelle Familienwerte könnten auch Abtreibungen verboten werden, da die neue Verfassung vorschreibt, das Leben sei vom Moment der Empfängnis an zu schützen, ebenso werden Benachteiligungen für Homosexuelle und Alleinerziehende erwartet. Weiters sieht die Verfassung vor, dass der aus drei Orban-Leuten bestehende Haushaltsrat der Zentralbank das Recht erhält, das Parlament aufzulösen, wenn der Haushalt nicht entsprechend der Normen der neuen Verfassung verabschiedet wurde. Die Kompetenzen des Verfassungsgerichts werden eingeschränkt, insbesondere im wirtschaftlichen und sozialen Bereich. Nun darf nicht mehr jeder Bürger vor diesem Gericht klagen, auch Städten und Gemeinden ist dieses Recht nun verschlossen. Ausnahmslos der Staatspräsident, die Regierung, der Parlamentspräsident, der Ombudsmann für Grundrechte, der jeweilige Gesetzesinitiator (bei noch nicht verkündeten Gesetzen) oder mindestens ein Viertel der Parlamentsmitglieder darf die Überprüfung von Gesetzen durch den Verfassungsgerichtshof veranlassen.[14] Zugleich kann die Regierung ihren Einfluss auf die Justiz ausweiten.[15]
Die Möglichkeiten der Ungarn, über Volksentscheide auf die Politik Einfluss zu üben, werden erheblich eingeschränkt. So darf es unter anderem keine Referenden zu Verfassungsänderungen sowie zu den Wahlgesetzen geben.[16]
- Medienpolitik
Gerade im Zusammenhang mit der Ungarischen EU-Ratspräsidentschaft 2011 steht Orbán in der internationalen Kritik. Mehrfach wurde die Befürchtung geäußert, dass durch das neue Mediengesetz die Pressefreiheit in Ungarn stark eingeschränkt werde und die regierungsnahe geschaffene Medienaufsichtsbehörde Nemzeti Média- és Hírközlési Hatóság (NMHH) ihre Macht missbrauche, da die NMHH nicht vom Parlament kontrolliert wird.[17] Der Medienrat wurde nur mit Angehörigen der Regierungspartei besetzt.[18] Die Fidesz-Partei kontrolliere laut den Vorwürfen nun die staatliche Fernsehanstalt Magyar Televízió und übe auch Einfluss auf wichtige andere Medien des Landes aus. Die sozialdemokratische Tageszeitung Népszava erschien aus Protest am 3. Dezember 2010 mit einer leeren Titelseite. Dem schlossen sich auch die Literaturzeitschrift Élet és Irodalom und das satirische Wochenmagazin Magyar Narancs an.[19][20][21]
Aufgrund der Bestreben zur Medienkontrolle und der generell überwiegend nationalkonservativen Politik wurde Orbán unter anderem Demokratiefeindlichkeit vorgeworfen. Dem Träger des Zürcher Journalistenpreis Bernhard Odehnal zufolge z.B. ist Orbán auf dem demokratischem Wege an die Macht gekommen, aber seine Regierung schaffe jetzt die Demokratie ab. In einem Interview des Schweizer Tagesanzeigers sagt Odehnal, alle klassischen Instanzen der demokratischen Kontrolle seien geschwächt, abgeschafft oder unter Kontrolle der Regierung gebracht worden.[22] Dagegen bezeichnet Jan Mainka, der die rechtskonservative deutschsprachige Budapester Zeitung herausgibt, die Kritik des Westens an dem Gesetz als völlig überzogen.[23] Die ungarische Regierung verteidigt sich gegenüber den Kritikern aus dem Ausland mit dem Argument, das Mediengesetz beinhalte nichts Neues, was nicht in den westlichen Demokratie ebenfalls gesetzliche Praxis sei.[24] Im Zuge der Umgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurden alle vier ungarischen Fernsehsender, sieben Radioprogramme und die Nachrichtenagentur MTI unter dem Dach eines Mediendienstleistungs- und Vermögensfonds MTVA zusammengelegt. Im Juli 2011 begann die neu eingesetzte Führungsspitze mit Massenentlassungen von zunächst 600 Mitarbeitern, denen im September weitere 400 folgen sollen.[25]
Privates
Er ist seit 1986 mit der Juristin Anikó Lévai verheiratet und Vater von fünf Kindern.
Einzelnachweise
- ↑ Tagesschau: Viktor Orban, Populist und Alleinherrscher? (nicht mehr online verfügbar), 26. April 2010
- ↑ Uni Kassel AG Friedensforschung: Ungarn im Griff der Rechten, 13. April 2010
- ↑ Telepolis: Der IWF unterbricht die Gespräche, weil Ungarn eine Bankenabgabe einführen will statt noch stärker zu sparen, 20. Juli 2010
- ↑ Neues Deutschland: Fidesz beschneidet Kompetenzen von Verfassungsgericht / Diskussion um Monarchie, 1. November 2010
- ↑ Der Standard: Parlament beschnitt Befugnisse des Verfassungsgerichtes, 16. November 2010
- ↑ Orbán verärgert gemäßigte slowakische Ungarn, 15. Dezember 2010, abgerufen am 19. Dezember 2010
- ↑ Orbán ignoriert gemäßigte Auslandsungarn, 16. Dezember 2010, abgerufen am 19. Dezember 2010
- ↑ http://stargarten.wordpress.com/2011/08/10/ungarns-groser-sprung-nach-vorn/
- ↑ „Az IMF kényszerítette Magyarországot“, Népszabadság, August 2010 (deutsche Teilübersetzung)
- ↑ Angst vor der Orbanisierung, Der Spiegel, Nr. 52/2010, S.119
- ↑ Ungarn enteignet Pensionskassen-Sparer, 14. Dezember 2010, abgerufen am 19. Dezember 2010
- ↑ Orbán: megmentettük a magyar nyugdíjrendszert, ungarisch 18. Dezember 2010, abgerufen am 19. Dezember 2010; vgl. auch FAZ-Interview mit Viktor Orbán, 10. November 2010
- ↑ http://news.orf.at/stories/2053825/2053840/
- ↑ http://derstandard.at/1302745508389/Parlament-segnet-neue-Verfassung-ab
- ↑ http://news.orf.at/stories/2053825/2053848/
- ↑ http://derstandard.at/1302745508389/Parlament-segnet-neue-Verfassung-ab
- ↑ Frankfurter Rundschau: Außer Kontrolle, 21. Dezember 2010
- ↑ Neue Zürcher Zeitung: Scharfes Mediengesetz in Ungarn, 21. Dezember 2010
- ↑ orf.at: Ungarn: „Nepszava“ erschien aus Protest mit leerem Titelblatt, 3. Dezember 2010, abgerufen am 11. Dezember 2010
- ↑ Ungarn nimmt Medien an die kurze Leine, 16. Dezember 2010, abgerufen am 19. Dezember 2010
- ↑ International Press Institute - Hungary Criticised over Media Secrecy Law, englisch, 9. November 2010, abgerufen am 19. Dezember 2010
- ↑ «Ungarns Regierung schafft die Demokratie ab», 20. Dezember 2010, abgerufen am 21. Dezember 2010
- ↑ «Pressefreiheit ist kein Selbstzweck», 29. Dezember 2010, abgerufen am 5. Januar 2011
- ↑ Orban will sein Mediengesetz behalten
- ↑ http://stargarten.wordpress.com/2011/07/01/ungarn-politische-saeuberung-der-zentralredaktion/
Weblinks
Commons: Viktor Orbán – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Website von Viktor Orbán (ungarisch, englisch)
- DER SPIEGEL: Der Seiltänzer von Budapest
- Reuters Factbox - Regierungspläne von Fidesz unter Orbán (englisch)
- Orbán in Baile Tusnad: Redetext ungarisch-deutsch
Königreich Ungarn (1867–1918):
Graf Gyula Andrássy | Graf Menyhért Lónyay | József Szlávy | István Bittó | Baron Béla Wenckheim | Kálmán Tisza | Graf Gyula Szapáry | Sándor Wekerle | Baron Dezső Bánffy | Kálmán Széll | Graf Károly Khuen-Héderváry | Graf István Tisza | Baron Géza Fejérváry | Sándor Wekerle | Graf Károly Khuen-Héderváry | László Lukács | Graf István Tisza | Graf Moritz Esterházy | Sándor Wekerle | Graf János Hadik | Graf Mihály KárolyiRepublik Ungarn (1918–1919):
Graf Mihály Károlyi | Dénes BerinkeyUngarische Räterepublik (1919):
Sándor Garbai | Antal Dovcsák | Gyula Peidl | István Friedrich | Károly HuszárKönigreich Ungarn (1920–1944):
Sándor Simonyi-Semadam | Graf Pál Teleki | Graf István Bethlen | Graf Gyula Károlyi | Gyula Gömbös | Kálmán Darányi | Béla Imrédy | Graf Pál Teleki | László Bárdossy | Miklós Kállay | Döme Sztójay | Géza LakatosStaat Ungarn (1944–1945):
Ferenc Szálasi | Béla Miklós (in Opposition) | Zoltán TildyRepublik Ungarn (1946–1949):
Ferenc Nagy | Lajos Dinnyés | István DobiVolksrepublik Ungarn (1949–1989):
István Dobi | Mátyás Rákosi | Imre Nagy | András Hegedüs | Imre Nagy | János Kádár | Ferenc Münnich | János Kádár | Gyula Kállai | Jenő Fock | György Lázár | Károly Grósz | Miklós NémethRepublik Ungarn (seit 1989):
Miklós Németh | József Antall | Péter Boross | Gyula Horn | Viktor Orbán | Péter Medgyessy | Ferenc Gyurcsány | Gordon Bajnai | Viktor Orbán
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