- Villenviertel am Orankesee
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Das Villenviertel im Berliner Ortsteil Alt-Hohenschönhausen liegt im Bezirk Lichtenberg an der Grenze zum Bezirk Pankow und wird von zwei kleineren Seen mit ihren Parkanlagen geprägt. Es gehört zum Regionalpark Barnimer Feldmark mit seinen charakteristischen Feldfluren, Alleen, Rinnen, Gräben und Angerdörfern mit ihren Pfuhlen.
Inhaltsverzeichnis
Herkunft
Namensgeber ist der rund 3,9 Hektar große Orankesee, der zu einer eiszeitlichen Seenkette gehört, die vom oberen Barnim bis hinunter in das Berliner Urstromtal an der Spree verläuft. Sein Nachbar, der Obersee, ist dagegen künstlichen Ursprungs. Nördlich schließt sich der Volkspark Der Faule See an. Der Begriff Oranke geht auf die slawische Zeit vor der Gründung der Mark Brandenburg 1157 durch Albrecht den Bären und den anschließenden Landesausbau der askanischen Markgrafen zurück. Das slawische Roderanke, Ruda oder Ranke bedeutet rotbrauner See oder See auf rotbraunem Gelände und weist auf die Färbung der Raseneisensteinböden in diesem Teil der Barnim-Hochfläche hin. Am See entstand 1929 ein Strandbad mit einem 300 Meter langen Sandstrand.
Der etwas kleinere Nachbar Obersee ist ein künstlicher See, der 1895 von der Löwenbrauerei zur Sicherung des Wasserbedarfs in einer Niederung aufgefüllt wurde. Den Namen erhielt der Obersee, weil sein Wasserspiegel rund eineinhalb Meter über dem des Orankesees liegt.
Der alte slawische Name lebt ferner fort im ehemaligen Oranke-Gymnasium (jetzt Manfred von Ardenne-Gymnasium), Sportverein TSV Oranke, einer Kleingartenkolonie, verschiedenen Geschäften sowie in den Straßennamen Orankeweg, Orankestrand und Orankestraße.
Geschichte
Das Viertel entstand ab 1892 infolge der Parzellierung des Gebietes durch den Unternehmer Gerhard Puchmüller und später seinem Nachfolger Henry Suermondt. Die ersten Villen entstanden am Südende des Orankesees, die zweiten um 1900 herum an dem 1895 angelegten Obersee. Die Gegend wurde wegen ihrer hervorragenden Lage und einer gut ausgebauten Infrastruktur beworben. Erfolg hatte sie, denn die Einwohnerzahl nahm drastisch zu, zwischen 1905 und 1910 allein verdoppelte sie sich von ca. 1750 auf knapp 3.500 Bewohner. Neben den zahlreichen Villen entstanden auch rund um die Seen einige Ausflugslokale, das bekannteste befand sich am Orankesee, wo kurze Zeit später das gleichnamige Strandbad eröffnete. Nicht zuletzt deswegen erhielt das Viertel in den 1920er Jahren den Beinamen „Wannsee des Nordens“.
In den 1930er Jahren siedelten sich hier zunehmend Industrielle, Künstler und andere Wohlhabende an. Es folgten einige repräsentative Neubauten im Stil der damaligen Zeit. Der Bauhaus-Architekt Ludwig Mies van der Rohe baute im Auftrag einer Kaufmannsfamilie 1932/1933 das Mies van der Rohe Haus in der Oberseestrasse. Die eminente Entwicklung wurde auch von politischen Interessengruppen wahrgenommen. So unterhielt die NSDAP in der Orankestrasse 86/87 ihre Parteizentrale für Hohenschönhausen. Nach dem Krieg wurde diese zur polizeilichen Meldestelle Nr. 78, zuständig für den nach 1945 bis zur Wende abgeschirmten Bereich. „Sie waren das private Refugium hoher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit, die die Villen aufgrund ihrer Verdienste um die Partei zugesprochen bekommen hatten; häufig mit den Mitteln obrigkeitsstaatlicher Enteignung der Eigentümer.“[1]
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unterhielt in der bevorzugten Wohnlage eigene Anlagen mit Verwaltungs-, Versorgungs- und Sporteinrichtungen, Teile des Gebietes und auch der Seen waren mit hohen Zäunen abgeschirmt. Einige dieser Anlagen verfügten über eine unabhängige Wasserversorgung und Stromzufuhr. Etliche hochrangige Mitarbeiter hatten ihre Domizile in dem Viertel, so Erich Mielkes Sohn und der Leiter der Kommerziellen Koordinierung (KoKo) Alexander Schalck-Golodkowski. Auch Mielke selbst hatte ein Gästehaus am Obersee.
Auflagen für das denkmalgeschützte Mies van der Rohe Haus blieben unbeachtet. Die Besitz- und Strukturprobleme, die sich aus den ehemals angeblich rund 2.700 Stasi-Objekten ergaben, konnten noch nicht restlos geklärt beziehungsweise gelöst werden.
Mittlerweile ist das Viertel wieder eines der Aushängeschilder des Ortsteils. Dennoch herrscht keine vollkommene Zufriedenheit unter den Anwohnern. Der von ihnen gegründete „Förderverein Ober- und Orankesee“ erarbeitete deshalb 2007 ein Konzept zur Umgestaltung der beiden ehemaligen Villenkolonien. Für insgesamt 10 Millionen Euro sollen eine Sichtachse zwischen den beiden Seen angelegt, neue Bäume gepflanzt und Naturlehrpfade angelegt werden. Ebenso sollen die Straßen ausgebessert und die Beleuchtung ausgetauscht werden. Rund um die beiden Gewässer ist die Anlage von Ateliers geplant. Das ganze Konzept soll bis 2011 größtenteils aus Spendenmitteln umgesetzt werden; eine Unterstützung durch die Bezirksverwaltung ist auf Grund der gehobenen Stellung unwahrscheinlich. Für die konkrete Umsetzung ist ein Wettbewerb zwischen sieben deutschen Universitäten geplant, nicht zuletzt um wiederum Geld für die Planung zu sparen.[2]
Sehenswertes
Kino Venus
In der Gleisschleife Degnerstraße an der Ostgrenze des Viertels befindet sich das ehemalige Kino Venus. Bevor das Kino einzog und 1998 wieder seine Pforten schloss, befand sich hier zuallererst das Depot der Elektrischen Kleinbahn Berlin–Hohenschönhausen. Diese verband seit 1899 die Hauptstadt mit dem heutigen Ortsteil entlang der Konrad-Wolf-Straße. Die Endstellen befanden sich in Berlin auf heutiger Höhe der Büschingstraße und in Hohenschönhausen vor der Dorfschule. Neben der Wagenhalle befanden sich außerdem die Verwaltung der Bahn sowie ein Elektrizitätswerk zur Stromversorgung, die Bahn fuhr vom ersten Tag an elektrisch.
Bis 1929 wurde das Gebäude in seiner ursprünglichen Funktion genutzt, danach pachtete es der Unternehmer Carl Bresin und richtete eine Nährmittelfabrik in der Halle ein. Die Fabrik blieb bis zum Zweiten Weltkrieg bestehen, in welchem sie von Bomben stark beschädigt wurde; sie blieb eine Ruine. Kurze Zeit nach dem Krieg kauften Anna und Georg Reichardt die zerstörte Halle, bauten sie mit Trümmerschutt wieder auf und richteten anschließend das Kino Uhu ein. Den Namen verdankt es einem solchen Nachtvogel, der während der Wiederaufbauarbeiten in dem ehemaligen Depot nistete. 1959 mussten die Reichardts aufgrund der Verstaatlichungsmaßnahmen das Kino an den Berliner Magistrat verkaufen. Dieser vollzog anschließend 1967 die Umbenennung in Kino Venus. Planungen, wie etwa die Sanierung der Fassade, wurden in der Folge aber nicht umgesetzt.
In den 1970er und 1980er Jahren befand sich in diesem Kino auch die zweite Spielstätte des Berliner Kabaretts „Die Distel“, die zu damaliger Zeit annähernd immer ausverkauft war.
Nach der Wende war das Kino lange Zeit das einzige im gesamten damaligen Bezirk Hohenschönhausen. Erst 1998 bekam es Konkurrenz durch das Cinemaxx-Multiplexkino am S-Bahnhof Hohenschönhausen. Bereits nach zwei Jahren war der Konkurrenzdruck zu groß und das Kino musste schließen. Ein zweiter Anlauf 2004 scheiterte allerdings auch. Seitdem steht das Gebäude leer. Lediglich die alten Filmankündigungen zeigen noch die ehemalige Nutzung an.
Im Sommer 2007 wurden der „Venus“-Schriftzug und die Fenster und Kassenhäuschen im Foyer entfernt. Danach wurden neue Fenster eingesetzt und ein Zettel ausgehängt, wonach in das ehemalige Foyer ein Café und in den übrigen Teil Büros und Lofts einziehen sollten. Danach fanden kleinere Umbauarbeiten statt, doch die geplante Neunutzung hat noch nicht begonnen (Stand März 2008).
Am Gebäude befindet sich eine Tafel zur Erinnerung an die erste Straßenbahn nach Hohenschönhausen.
Alte Feuerwache
Das Hotel Alte Feuerwache befindet sich direkt neben dem ehemaligen Kino Venus im früheren Dienstgebäude der Freiwilligen Feuerwehr Hohenschönhausen. Diese zog 1912 in das eigens für diesen Zweck errichtete Haus ein, nachdem sie zuvor auf dem Hof des Hohenschönhausener Schlosses untergebracht war.
Neben dem Garagenschuppen für die Löschfahrzeuge und der Dienststelle befanden sich auch elf Wohnungen für die Feuerwehrleute und Gemeindebediensteten. Bis 1988 wurde das Gebäude in seiner ursprünglichen Funktion als Feuerwache genutzt, danach zog die Dienststelle in ein neueres Gebäude an der Ferdinand-Schultze-Straße. Die folgenden Jahre stand das Gebäude leer.
Im Jahr 2004 übernahm der Verein „Alte Feuerwache e. V., Haus der offenen Kinder- und Jugendarbeit“ das Haus. Dieser sah bis 1998 zusätzlich zur Jugendarbeit die Einrichtung eines Jugendhotels vor, dessen Einnahmen für die Rückzahlung der Kredite eingesetzt werden sollten. Zunächst hatte man vor, mit erwirtschafteten Mitteln eine Stiftung zu speisen. Der Umbau begann im August 1997 und dauerte bis Mai 2000. Durch Bauverzögerungen konnte die Bewirtschaftung jedoch nicht rechtzeitig beginnen. So wurde ein Familienbetrieb aus der Hotelbranche als Betreiber gewonnen. Das heutige Aussehen des Hauses geht auf die ursprünglichen Ansichten und auf das Konzept des Trägers zurück. Lediglich ein Uhrentürmchen wurde aus Kostengründen nicht nachgestaltet. Die Baubegleitung erfolgte durch den Trägerverein des Hauses, der weiterhin die Leitung des Hauses in der Hand hält und mit mehr als 50 Prozent der Fläche größter Nutzer im Objekt ist. Für den zweieinhalb Jahre dauernden Umbau wurden rund 5,5 Millionen D-Mark eingesetzt. Neben Mitteln der Deutschen Klassenlotterie, dem größten Geldgeber, flossen auch private Mittel einer Wohnungsbaugesellschaft, einer Privatperson, Restmittel des Jugendamtes Hohenschönhausen aus 1999 und Kredite der Hausbank des Trägers in den Umbau.
Mies van der Rohe Haus
- Hauptartikel: Mies van der Rohe Haus
An der Oberseestraße, die den gleichnamigen See nördlich tangiert, befindet sich mit Hausnummer 60 das Mies van der Rohe Haus. Es ist das letzte von Ludwig Mies van der Rohe entworfene Wohnhaus in Deutschland und zudem eine international bedeutende Sehenswürdigkeit des Viertels.
Literatur
- Ganz Berlin-Ost. Hrsg. von Axel Besteher-Hegenbart u. Klaus Esche. Berlin: Stattbuch-Verlag, 1991.
- Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR, Hauptstadt Berlin II; Seiten 155-159 (Hohenschönhausen), Hrsg. Institut für Denkmalpflege im Henschelverlag, Berlin 1984
- Hans-Michael Schulze: In den Villen der Agenten – Die Stasi-Prominenz privat, Berlin 2003.
Weblinks
Commons: Oranke – Album mit Bildern und/oder Videos und AudiodateienEinzelnachweise
- ↑ Lit.: Ganz Berlin-Ost, S. 202)
- ↑ Pläne für das Seen-Viertel, Berliner Zeitung, 8. März 2007
52.5513.483333333333Koordinaten: 52° 33′ N, 13° 29′ OKategorien:- Ort in Berlin
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