Walter von Kielpinski

Walter von Kielpinski

Walter von Kielpinski (* 29. April 1909 in Chemnitz, Verbleib unbekannt), war im nationalsozialistischen Deutschen Reich SS-Obersturmbannführer, Mitglied der Einsatzgruppe IV in Polen und Leiter des Referates III C 4 des Reichssicherheitshauptamtes.

Inhaltsverzeichnis

Studium

Walter von Kielpinski wurde am 29. April 1909 in Chemnitz geboren. Er studierte von 1929 bis 1934 in Halle, Berlin und Leipzig Germanistik und neuere Sprachen. Schon während seines Studiums engagierte Kielpinski sich politisch für den Nationalsozialismus. So arbeitete er für die „Chemnitzer Tageszeitung“, das örtliche Blatt der NSDAP, und war als Dozent an der Fichte-Hochschule Leipzig für ein Semester im Sinne der nationalsozialistischen Anschauung tätig.

Beim Sicherheitsdienst der SS

Nach der „Machtergreifung“ trat Kielpinski im Juni 1933 in die SS ein. Am 1. Juli 1934 bewarb er sich beim Sicherheitsdienst der SS (SD), wo er zunächst ehrenamtlich in der Schrifttumsstelle beschäftigt wurde, die ihren vorläufigen Sitz in der Deutschen Bücherei in Leipzig hatte (s. Wilhelm Spengler).

Im Dezember 1934 legte Kielpinski sein Staatsexamen ab und wurde hauptamtlicher Leiter des Referates II 22 (Presse und Schrifttum) in der von SS-Untersturmführer Dr. Franz Six geleiteten Abteilung II/2 (Lebensgebietsmäßige Auswertung) des SD-Hauptamtes. Am 9. November 1935 wurde er zum SS-Scharführer befördert. 1936 wurde das Referat mit der Organisationsbezeichnung II 224 versehen. Anlässlich des Reichsparteitages 1936 erfolgte die nächste Beförderung zum SS-Oberscharführer.

1937 veröffentlichte Kielpinski einen Aufsatz mit dem Titel „Der Einbruch des Katholizismus in die Wissenschaft“ in der von Ernst Krieck, dem führenden Interpreten einer nationalsozialistischen Pädagogik und von 1937 an Rektor der Universität Heidelberg, herausgegebenen Zeitschrift „Volk im Werden“. Am 9. November 1937 wurde Kielpinski zum SS-Untersturmführer und damit in den Offiziersrang befördert.

Im Reichssicherheitshauptamt

Nach Gründung des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) am 27. September 1939 und der damit verbundenen Zusammenfassung von Sicherheitspolizei (Sipo = Kripo und Gestapo) und SD unter der Führung von Reinhard Heydrich, wurde das Referat mit der Nummer 4 dem Amt III C (Kultur) des RSHA, Leiter Wilhelm Spengler, unterstellt. Kielpinski wurde gleichzeitig zum Vertreter Spenglers bestellt.

Bei den Einsatzgruppen

Im März 1938 war Kielpinski beim Anschluss Österreichs als Mitglied der besonderen polizeilichen Einsatzgruppe der Sipo und Orpo (Ordnungspolizei) an der Sicherstellung und Beschlagnahmung wichtigen politischen Materials beteiligt. Die gleichen Aufgaben nahm er bei der Annexion des Sudetenlandes im Herbst 1938 und der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren im März 1939 wahr. Im Polenfeldzug gehörte Kielpinski dem Stab der von Lothar Beutel geführten Einsatzgruppe IV an. Anschließend wurde er in der SD-Abteilung (Leiter Erich Ehrlinger) beim Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Warschau verwendet.

Leiter des Referates III C 4 des RSHA

Im Juni 1940 übernahm er nach seiner Rückkehr aus Polen wieder das Referat III C 4 des RSHA. Am 28. Mai 1941 nahm Kielpinski als RSHA-Vertreter an der Gründungssitzung der „Deutschen Gesellschaft für Dokumentation“ (DGD) in Berlin teil. Deren Aufgabe und Ziel bestand neben der umfassenden Bestandsaufnahme des aktuellen Standes der geistes- und naturwissenschaftlichen sowie technischen Disziplinen des In- und Auslandes vor allem auch darin, Fachinformationen zu beschaffen, zu erschließen und zentral für die deutsche Wissenschaft und Wirtschaft zur Verfügung zu stellen. Die DGD änderte ihren Namen 1998 in „Deutsche Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis e.V.“. Kielpinski forderte am 20. Dezember 1941, dass die Deutschen endlich, ihnen seiner Meinung nach zustehende, Vorsitzende-Posten in der Internationalen Gesellschaft für Dokumentation sowie im Internationalen Verband der Bibliothekare, aufgrund der derzeitigen Machtposition des Reiches, besetzen müssen.[1]

Kielpinski war auch Teilnehmer einer Tagung der Abwehrdienststellenleiter der Stapostellen (Staatspolizei) und der SD-Abschnittsführer am 18. Mai 1942 in Prag, die eine bessere Koordinierung der verschiedenen Aufgabenträger zum Ziele hatte und mit einem deutlichen Kompetenzzuwachs des RSHA gegenüber der militärischen Abwehr endete.

Kielpinski war zusammen mit Himmler, Rudolf Brandt (SS-Mitglied), Gottlob Berger, Mohammed Amin al-Husseini genannt Großmufti, Otto Ohlendorf u. a. mit der im Herbst 1943 diskutierten Frage befasst, ob Hitler als Vorläufer eines bald kommenden neuen Propheten im Sinne des Koran zu propagieren ist; die entsprechenden Flugblätter in arabischen Sprachen wurden in hohen Auflagen gedruckt.[2] Im Bundesarchiv heißt es dazu, es schreibt der NS-Orientalist Walther Wüst an Brandt, Himmlers persönlichen Referenten:

Nach umfangreichen Erkundigungen in der Angelegenheit, (Hitler als) "Licht des Propheten", die durch unsere Propaganda unter den Mohammedanern ausgewertet werden soll, lege ich in der Anlage die Ausführungen unseres Abteilungsleiters im Ahnenerbe, Dozent Dr. Rössler, Tübingen, als das mir am brauchbarsten erscheinende Ergebnis bei... Es erscheint mir durchaus möglich, den Führer als eine von dem Licht-Charisma durchdrungene Persönlichkeit darzustellen, wobei ich noch einmal auf die iranische Herkunft der Lichtlehre hinweisen möchte. Vorher klären: 1. welche Stellung die islamische Theologie dazu einnehmen würde, 2. wie weit Mentalität und Aufnahmefähigkeit der islamischen Völker darauf eingehen würden... Falls es der Reichsführer SS wünscht, würde ich über den mir persönlich bekannten Grossmufti Erkundigungen über Punkt 1. einziehen.[3]

Am 30. Januar 1944 wurde Kielpinski zum SS-Obersturmbannführer ernannt; das Datum seiner Beförderung zum SS-Sturmbannführer ist nicht bekannt. Das von ihm geleitete Referat III C 4 des RSHA wurde 1944 durch das Aufgabengebiet „Einzelauswertung“ erweitert. In seinen Zuständigkeitsbereich fiel somit auch die Auswertung der von der Gestapo erstellten Verhörprotokolle der Hitlerattentäter vom 20. Juli 1944. Die wesentlichen Fakten und Erkenntnisse dieser Verhöre fasste Kielpinski in Berichten für den Reichsleiter Martin Bormann zusammen. Diese Berichte speisten sich aus einer Vielzahl von Ermittlungen, die elf Sondergruppen des RSHA mit etwa 400 Mitarbeitern durchführten. In einer für Hitler bestimmten Zusammenfassung über die führenden Personen des Widerstandes lieferte Kielpinski eine Begründung: ihr eigentlicher Grund, den Nationalsozialismus abzulehnen, und damit für ihren anschließenden Hochverrat, ist letztendlich ein liberales Denken, nachdem Juden grundsätzlich die gleiche Stellung zukommt wie jedem (sc. anderen) Deutschen.

Über das Nachkriegsschicksal Kielpinskis ist nichts bekannt. Er gilt seit Kriegsende als vermisst.

Literatur

  • Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Hamburger Edition 2002, ISBN 3-930908-75-1.
  • Jeffrey Herf: Nazi propaganda for the Arab world. Yale UP, New Haven 2009, ISBN 978-0-300-14579-3. (jedoch im Text verschrieben zu „Kilepinski“, S. 199; online les- und durchsuchbar bei einem Internet-Buchhändler)

Weblinks

Belege

  1. siehe Weblinks, Gerd Simon
  2. Der Vorgang hieß: "Betreff: Koranstellen, die sich auf den Führer beziehen sollen." In: Jeffrey Herf: Nazi propaganda for the Arab world. Yale UP, New Haven 2009, ISBN 978-0-300-14579-3, S. 199 & Anm.
  3. BA: Quelle NS 21 / 37. Die Theorie vom „Licht des Propheten“ spielt in der endzeitlichen Heilserwartung des Sufismus eine Rolle.

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