Beckhardt

Beckhardt

Fritz Beckhardt (* 27. März 1889 in Wallertheim; † 13. Januar 1962 in Wiesbaden) war ein hoch dekorierter deutsch-jüdischer Jagdflieger im Ersten Weltkrieg.

Fritz Beckhardt in den 1950er Jahren

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend

Fritz Beckhardt wird schon als Knabe in der deutschen Turnerschaft mit dem Geist des Nationalismus der Kaiserzeit infiziert. Er gehört zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur assimilierten, patriotischen Mehrheit unter den deutschen Juden. Aus einer rheinhessischen Händler- und Kaufmannsfamilie stammend, die man dem Milieu des Landjudentums des 19. Jahrhunderts zurechnen kann, macht er eine Lehre als Textilkaufmann in Bingen, Hadamar und Hamburg.

Geburtstagskarte Fritz Beckhardts an seine Schwester Martha aus der Militärdienstzeit 1912

Von Oktober 1909 an absolviert er beim 4. Unter-Elsässischen Infanterie-Regiment Nr. 143 aus Straßburg im Elsaß seinen zweijährigen Militärdienst. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs arbeitet Beckhardt bei einem Onkel in Marseille, der dort eine große Tuchfabrik unterhält.

Erster Weltkrieg

Am 3. August 1914 meldet er sich in Altona freiwillig zum Kriegsdienst beim Infanterie-Regiment „Graf Bose“ (1. Thüringisches) Nr. 31 (12. Kompanie); am 30. November 1914 wechselt er zum Reserve-Infanterie-Regiment 86 (RIR 86). Während Beckhardt mit seiner Kompanie in den ersten Kriegsmonaten ein eher ruhiges Soldatenleben als Bedeckung einer 42cm-Mörserbatterie (Dicke Berta) verbringt, zeichnet er sich im Jahre 1915 als Patrouillenführer durch besonders große Tapferkeit aus. Im Regimentsbericht des RIR 86 wird er als einziger Nichtoffizier zweimal namentlich erwähnt und innerhalb von nur 14 Tagen zweimal bis zum Vizefeldwebel befördert. Er erhielt noch als Infanterist bis 1916 unter anderem das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.

Fritz Beckhardt als Jagdflieger 1918

Im Januar 1917 wird Fritz Beckhardt zur Fliegertruppe abkommandiert und bei der Flieger-Ersatz-Abteilung 5 (FEA 5) in Hannover und Hamburg-Fuhlsbüttel zum Flugzeugführer ausgebildet. Am 17. Februar 1918 wird er der Jagdstaffel 26 (Jasta 26) zugeteilt und fliegt wenig später im neugegründeten Jagdgeschwader 3 (JG III) unter der Führung von Bruno Loerzer an der Seite von Hermann Göring. Sein Glückszeichen, das er sich auf seine Flugzeuge malt, ist ein Hakenkreuz[1]. Damit ist Beckhardt der einzige Jude, der dieses Symbol im Ersten Weltkrieg benutzt. Sowohl in Zeitungsberichten als auch in seiner von der SS verfassten Häftlingsakte im KZ Buchenwald wird er mit 17 anerkannten Abschüssen als Jagdflieger geführt. Sieht man von dem getauften Juden und Pour-le-mérite-Träger Leutnant Wilhelm Frankl ab, dann ist Beckhardt bei Kriegsende nach bisherigen Erkenntnissen der höchst dekorierte jüdische Flieger.

Weimarer Republik

Beckhardt wird nach Kriegsende Mitglied im Reichsbund jüdischer Frontsoldaten (RjF). Auf dem Titel des Buches „Jüdische Flieger im Weltkrieg“ von Felix Aaron Theilhaber (Verlag Der Schild, Berlin 1924) ist er in seinem letzten Jagdflugzeug bei der Kampfeinsitzerstaffel 5, einer Siemens-Schuckert D.III mit Hakenkreuz abgebildet. Beckhardt gründet nach dem Krieg die Edeka im Bezirk Mainz.

Durch seine seit der Jugend bestehende Freundschaft mit dem späteren Bürgermeister von Wallertheim Peter Bittmann (SPD) nähert sich Beckhardt der Sozialdemokratie. Er pflegt wie viele Kameraden des RjF freundschaftliche Kontakte zum Wiesbadener Reichsbanner und sein Laden ist zu Beginn der 1930er Jahre ein Treffpunkt für die Eiserne Front.

Zeit des Nationalsozialismus

Fritz Beckhardt wird Mitglied der Bundesleitung des RjF und versucht der Diskriminierung der deutschen Juden durch Kontakt zur neuen Regierung entgegenzuwirken. Die Ausnahmeregelung für Frontsoldaten im Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums schreibt sich der RjF - vermutlich zu Unrecht - auf seine Fahnen. Die Maßnahme wird Hindenburg zugeschrieben. Am 28. April 1933 wird Beckhardt mit weiteren Vorstandsmitgliedern des RjF in der Reichskanzlei von Staatssekretär Hans Heinrich Lammers empfangen. Der Vorstoß des RjF, Einfluss auf die „Einordnung deutscher Juden in das neue Deutsche Reich“ zu nehmen, bleibt weitgehend folgenlos. In der zweiten Jahreshälfte 1933 reist Beckhardt in die NSDAP-Parteizentrale, das Braune Haus in München, wo er mit dem NSDAP-Gauleiter Adolf Wagner zusammentrift. Auch dieses Gespräch zur rechtlichen Stellung der jüdischen Frontsoldaten im neuen Deutschland bleibt vermutlich folgenlos.

Fritz Beckhardt (links) und seine Frau Rosa Emma (ganz rechts) mit Verwandten bei einer Auslandsreise 1934 in Portugal

Beckhardt lebt bis 1934 in Wiesbaden-Sonnenberg als Kaufmann. Nach dem Boykott gegen jüdische Geschäfte vom 1. April 1933 muss er sein Geschäft schließen und übernimmt in der Anonymität der Wiesbadener Innenstadt den Lebensmittelgroßhandel eines ausgewanderten jüdischen Kollegen.

Nach der Geburt eines Sohnes und einer Tochter folgt durch die intime Beziehung mit einer Hausangestellten 1934 die Geburt eines unehelichen Sohnes. In der Folge wird Beckhardt 1937 von einer Nachbarin denunziert und wegen „Rassenschande“ angeklagt, dann am 14. Dezember 1937 wegen seiner „unbestreitbaren außergewöhnlichen Kriegsverdienste“ (Urteil) zu nur einem Jahr und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Im Anschluss wird er auf Anordnung der Gestapo in „Schutzhaft“ genommen und in das Konzentrationslager Buchenwald verbracht, wo er als Jude und „Rasseschänder“ in die Strafkompanie eingewiesen wird.

Im März 1940 wird der Häftling mit der Nr. 8.135 aus dem KZ entlassen. Verschiedene Quellen lassen vermuten, dass dabei Hermann Göring seine Hand im Spiel hatte. Beckhardt emigriert im Dezember 1940 mit seiner Frau Rosa Emma über Portugal nach England, wo mittlerweile seine Kinder leben, die 1939 mit einem Kindertransport Deutschland verlassen konnten.

Nachkriegszeit

1950 kehrt der deutsche Patriot in die Bundesrepublik Deutschland zurück und erhält nach mehrjährigen Prozessen im Zuge der Wiedergutmachung einen Teil seines arisierten Eigentums zurück. 1955 eröffnet er den ersten Lebensmittel-Selbstbedienungsladen im Großraum Wiesbaden.

1962 stirbt Fritz Beckhardt nach mehreren Schlaganfällen. Er ist am Ende seines Lebens verbittert und enttäuscht, denn erst spät realisiert er die mal nur ablehnende, mal offen feindselige Haltung, die ihm als jüdischem Rückkehrer seitens eines Teils der Bevölkerung und der Behörden entgegengebracht wird. Das Grab der Eheleute Beckhardt befindet sich auf dem Friedhof von Wiesbaden - Sonnenberg.

Militärische Auszeichnungen

Beckhardt war Träger der höchsten militärischen Orden und Ehrenzeichen des Kaiserreichs. Als höchste und außerordentlich seltene Auszeichnung erhielt er das nur 18 mal vergebene Inhaberkreuz vom Königlichen Hausorden der Hohenzollern mit Schwertern, neben dem Militärverdienstkreuz die höchste Auszeichnung für Nichtoffiziere. Die erste Publikation zum Inhaberkreuz brachte ein gewisser Schwarke 1936 heraus. Er nannte nur 16 Ausgezeichnete, nicht aber die beiden Juden Edmund Nathanael und Fritz Beckhardt.

Außerdem wurden ihm verliehen:

Literatur

  • Erinnerungsblätter deutscher Regimenter, Reserve-Infanterie-Regiment No. 86. Verlag von Gerhard Stalling, Flensburg, Oldenburg, Berlin 1925
  • F. Theilhaber: Jüdische Flieger im Weltkrieg, Verlag der Schild, Berlin 1924
  • Dieter Hoffmann: ... wir sind doch Deutsche. Zu Geschichte und Schicksal der Landjuden in Rheinhessen. Hg. Stadt Alzey 1992.
  • Der Schild, Zeitschrift des Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, Verlag Der Schild, Berlin 1923 - 1938
  • Eisernes Kreuz und Davidstern. Die Geschichte Jüdischer Soldaten in Deutschen Armeen, von Michael Berger, trafo Verlag, Berlin 2006

Film

Der Jude mit dem Hakenkreuz, Dokumentation von Mathias Haentjes mit Lorenz Beckhardt, Produktion: WDR, Erstsendedatum: 12. November 2007

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Der Jude mit dem Hakenkreuz, Dokumentation des WDR 2007

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