Wilhelm Gustloff

Wilhelm Gustloff

Wilhelm Gustloff (* 30. Januar 1895 in Schwerin; † 4. Februar 1936 in Davos, Schweiz) war Nationalsozialist und Landesgruppenleiter der NSDAP-Auslandsorganisation in der Schweiz.

Nach ihm wurden die Wilhelm-Gustloff-Stiftung und der KdF-Passagierdampfer „Wilhelm Gustloff“ benannt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wilhelm Gustloff schloss die mittlere Reife ab und beendete eine Lehre als Bankkaufmann. Er hatte ein chronisches Lungenleiden und einen angegriffenen Kehlkopf, weshalb er im Ersten Weltkrieg nicht als Soldat einberufen wurde. 1917 siedelte er nach Davos über, um sein Lungenleiden auszukurieren, und blieb dann in der Schweiz. Er fand eine Anstellung am schweizerischen physikalisch-meteorologischen Forschungsinstitut. Er wurde 1921 Mitglied des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes, trat 1929 der NSDAP bei und war ab 1932 hauptamtlicher Landesgruppenleiter der NSDAP-Auslandsorganisation in der Schweiz und gleichzeitig auch „Hilfskassen-Obmann“. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten im Deutschen Reich im Januar 1933 verstärkte Gustloff seine Aktivitäten und legte ein Netz von „Stützpunkten“ in Bern, Glarus, Lausanne und Zuoz und Ortsgruppen in Davos, Lugano, Zürich und Basel an, Mitte 1934 waren es bereits 27 Stützpunkte, 14 Ortsgruppen, an sieben Orten gab es HJ- und BdM-Gruppen, und eine ausgebaute Landesorganisation mit Sekretariat, Adjutant, Propagandaleiter, Schatzmeister und Presseobmann. Bis 1936 warb er unter den 100.000 Auslandsdeutschen in der Schweiz mehr als 5.000 als Parteimitglieder an, fand für den Nationalsozialismus auch unter den Schweizern Sympathisanten und Gönner, ohne das Ziel, die schweizerische Öffentlichkeit zu gewinnen, erreichen zu können.

Seine antidemokratische und antisemitische Propagandatätigkeit und die Durchführung von deutschen Wahlveranstaltungen auf Schweizer Boden führte im Dezember 1933 zur ersten einer Reihe von parlamentarischen Interpellationen (Anfragen), die vom Schweizer Bundesrat Johannes Baumann im September 1935 aus außenpolitischen Gründen hinhaltend beantwortet wurden. Gleichwohl drohte ab Mitte 1935 die Ausweisung Gustloffs, nachdem Gustloffs Propagandablatt Der Reichsdeutsche bekannt gemacht hatte, dass die politischen Leiter der Schweizer NSDAP/AO auf Adolf Hitler vereidigt worden waren. Gustloff und die Leitung der AO in Deutschland versuchten nun, ihn als „Gesandtschafts-Attaché für Deutschtumsfragen“ unter diplomatische Immunität zu stellen, was allerdings die Akkreditierung erfordert hätte, was die Schweizer nicht zulassen wollten und androhten, im Fall auch einen Diplomaten Gustloff zur persona non grata erklären zu können. Der Gesandte Ernst von Weizsäcker konnte zwar die Schweizer Politik zum Einlenken bringen, diese konnte aber die schweizerischen Zeitungen nicht zügeln, welche nun auch eine Verwicklung Gustloffs in die Entführung Berthold Jacobs behaupteten[1]. Weizsäcker musste sich, auch wenn er pflichtgemäß gegen Angriffe der Presse auf deutsche Regierungsmitglieder demarchierte, vom Schweizer Bundesrat aufklären lassen, dass die Schweizer Verfassung keinen Maulkorb für die Presse vorsehe. Schließlich belastete Gustloff der Fall des Nationalsozialisten Hans Kittelmann, der als Jurist beim Schweizer Parlament als Parlamentsstenograf beschäftigt war, und als diese bekannt wurde, seine Mitgliedschaft in der Schweizer Landesgruppe der NSDAP/AO aufgegeben musste. Als Gustloff Kittelmann ersatzweise die Mitgliedschaft in der NSDAP-Organisation der Berliner Zentrale verschafft hatte, wurde Kittelmann fristlos und ohne Pensionsansprüche entlassen. Weizsäcker und Baumann versuchten noch am 20. Januar 1936 in einem diplomatischen Gespräch die Wogen zu glätten, doch die Affäre war am 31. Januar 1936 noch nicht ausgestanden, als das St. Galler Tagblatt einmal mehr das Politische Department und dessen Bundesrat Giuseppe Motta unter der Überschrift Quousque tandem? zu einem schärferen Vorgehen gegen die NSDAP in der Schweiz aufforderte.

Attentat

Gustloff war an seinem 41. Geburtstag, dem Jahrestag der „Machtergreifung“, in Berlin gewesen. Nach seiner Rückkehr, am 4. Februar 1936, erschoss ihn der jugoslawische Medizinstudent David Frankfurter, Sohn eines Rabbiners, mit vier Schüssen aus einem Revolver in Gustloffs Wohnung in Davos.

Die nationalsozialistische Propaganda erhob Gustloff zum „Blutzeugen der Bewegung“ und ließ seinen Sarg per Sonderzug ins Reich bringen. Zugleich war die nationalsozialistische Führung aufgrund der angespannten außenpolitischen Lage und der am 6. Februar beginnenden Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen darauf bedacht, es nicht zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen zu lassen.[2] Am 5. Februar 1936 gab Wilhelm Frick eine Weisung dazu:

„Betr. Verhütung von Ausschreitungen aus Anlass der Ermordung des Gruppenleiters Schweiz der NSDAP Gustloff:
Unter Bezugnahme auf meinen Erlass zur Verhinderung von Ausschreitungen vom 20. . 1935 III P 3710/59 ordne ich im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers Rudolf Heß an, dass Einzelaktionen gegen Juden aus Anlass der Ermordung des Leiters der Landesgruppe Schweiz der NSDAP Wilhelm Gustloff in Davos unbedingt zu unterbleiben haben. Ich ersuche gegen etwaige Aktionen vorzugehen und die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht zu halten.“[3]

Auch Adolf Hitler beschränkte sich bei seiner Rede zu Gustloffs Beerdigung in Schwerin auf eine „relativ zurückhaltende“[2] und „für seine Begriffe maßvolle“ Rede.[4] Der „jüdische Feind“ sei nun zum ersten Mal offen und ohne Mittelsmänner in Erscheinung getreten; für die Schweiz sei es ein „Ruhmesblatt“, dass sich niemand zu dieser Tat habe dingen lassen. Allerdings forderte Hitler bald darauf einen Gesetzentwurf zur Erhebung einer „Judensondersteuer“ und ordnete an, „die Vorbereitungen eines entsprechenden Gesetzentwurfes so zu beschleunigen, dass die Möglichkeit gegeben wäre, das Gesetz bereits nach Ende des Gustloff-Prozesses zu verkünden“.[5] Der Historiker Uwe Dietrich Adam folgert, dass Hitler nur eine politisch weniger brisante Lage abwartete, um dann propagandistisch wirksam mit einer der späteren Judenvermögensabgabe vergleichbaren Strafaktion zu agieren; dies scheiterte schließlich aus Zeitgründen.[6] Ian Kershaw wertet das Ausbleiben einer antijüdischen Gewaltwelle als Beleg dafür, dass das NS-Regime durchaus imstande war, die Aktionen der radikalen Parteimitglieder unter Kontrolle zu halten, wenn es opportun erschien.[2]

Das neueste und größte KdF-Schiff, damals gerade in Auftrag gegeben, hätte auf den Namen „Adolf Hitler“ getauft werden sollen, Hitler entschied jedoch, das Schiff „Wilhelm Gustloff“ zu nennen. Die Taufe vollzog er 1937 gemeinsam mit Hedwig Gustloff, der Witwe des Ermordeten, die vor ihrer Ehe mit Gustloff bis zum 8. November 1923 Hitlers Sekretärin gewesen war.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden unter anderem in Magdeburg, Freital und Benneckenstein Straßen nach Gustloff benannt, die später umbenannt wurden. In Schwerin erinnerte ein Denkmal an ihn und andere „Blutzeugen“. Es wurde nach 1945 entfernt.

Siehe auch

Literatur

  • Günter Lachmann: Der Nationalsozialismus in der Schweiz 1931–1945: ein Beitrag zur Geschichte der Auslandsorganisation der NSDAP. Dissertationsschrift Freie Universität Berlin, 18. Dezember 1962

Roman / Film

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Berthold Jacob wurde ohne Zutun der Schweizer NSDAP/AO aus Basel entführt
  2. a b c Ian Kershaw: Hitler – 1889–1936; Stuttgart 19982; ISBN 3-421-05131-3; S. 720. Saul Friedländer: Das Dritte Reich und die Juden; München 2007; ISBN 978-3-406-56681-3; S. 199.
  3. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945, Band 1: Deutsches Reich 1933–1937; München 2008; ISBN 978-3-486-58480-6; S. 558 (Dokument 225).
  4. Max Domarus: Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. 1; Würzburg 1962; S.573; dort auch Rede im Wortlaut abgedruckt
  5. Zitat aus einem Geheimschreiben in: Uwe Dietrich Adam: Judenpolitik im Dritten Reich; Unv. Nachdr. Düsseldorf 2003; ISBN 3-7700-4063-5; S. 114 + Anm. 88.
  6. Uwe Dietrich Adam: Judenpolitik im Dritten Reich; S. 114 f.

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