Wolfgang Kohlhaase

Wolfgang Kohlhaase
Wolfgang Kohlhaase, 2009
Karlovy Vary Filmfestival

Wolfgang Kohlhaase (* 13. März 1931 in Berlin) ist ein deutscher Drehbuchautor, Regisseur und Schriftsteller. Er gilt als „einer der wichtigsten Drehbuchautoren der deutschen Filmgeschichte“.[1] Seinen „vielfältigen Sprachwitz“ und seine „genaue Beobachtungsgabe einzelner Milieus“ setzen Regisseure und Filmkenner mit dem Können von Erich Kästner und Billy Wilder gleich.[2]

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Wolfgang Kohlhaase ist ein Sohn des Maschinenschlossers Karl Kohlhaase und seiner Frau Charlotte.[3] Er wuchs in Berlin-Adlershof auf und besuchte die Volks- und Mittelschule. Schon während der Schulzeit begann er zu schreiben und wurde 1947 Volontär und Redakteur bei der Jugendzeitschrift Start, dann Mitarbeiter der FDJ-Zeitung Junge Welt. Von 1950 bis 1952 arbeitete er als Dramaturgie-Assistent bei der DEFA in Potsdam-Babelsberg. Seit 1952 ist Kohlhaase freischaffender Drehbuchautor und Schriftsteller.

Wolfgang Kohlhaase, 1971

Seine ersten Filme orientierten sich am Stil des italienischen Neorealismus, die er vor allem mit seinem Freund Gerhard Klein umsetzte.[4] Dem Sozialdrama Berlin – Ecke Schönhauser… (1956/57) mit Ekkehard Schall als einem rebellischen und Orientierung suchenden Hauptdarsteller wurde von offizieller Seite daraufhin eine „zu große Konzession“ an den Neorealismus und eine zu negative Sichtweise vorgeworfen.[5] 1965 wurde ihr Filmprojekt Berlin um die Ecke nach den Beschlüssen des XI. Plenums des ZK der SED vorzeitig beendet und verboten. In diesem Spielfilm war der Hauptspielort die Fabrik, wo Kohlhaases Vater als Reparaturschlosser gearbeitet hatte. Danach zieht er sich vorläufig vom Drehbuchschreiben zurück und verlegt sich auf eine schriftstellerische Arbeit. Doch schon Mitte der 1960er Jahre arbeitet er wieder mit dem Regisseur Konrad Wolf zusammen. Aus ihrer gemeinsamen Arbeit gehen mehrere international prämierte Spielfilme hervor, darunter Ich war neunzehn (1968) und Solo Sunny (1980).

Nach der Wende bleibt er im Filmgeschäft, unter anderem zeichnet er mit Volker Schlöndorff das heikle Kapitel des Exils von RAF-Mitgliedern in der DDR auf eine sensible Weise nach (Die Stille nach dem Schuss, 2000). In den 2000er Jahren arbeitet er zwei Mal mit dem Regisseur Andreas Dresen zusammen, an dem er besonders seine „freundliche“, „beinahe zärtliche“ Sicht- und Umgangsweise mit den Schauspielern und ihren dargestellten Figuren schätzt.[6] Dresen wiederum bestätigt, dass Kohlhaase und er dieselbe „Sicht auf Welt und Menschen“ teilen.[7] Kohlhaases Kunst habe immer etwas mit Partnerschaft und Freundschaft zu tun.[7]

Seine Filmstoffe handeln bis heute über Geschichten aus dem Alltag und sind an einer differenzierten, realistischen Darstellung der Protagonisten und ihrer jeweiligen Lebensumstände interessiert.[8] Am Stil seiner Drehbuchdialoge wird „ein knapper, lakonischer Ton“ geschätzt, ein „Dialogwitz“, der „lebensklug“ und „melancholisch, manchmal sogar bitter“ wirke.[1] Anlässlich der Verleihung des Goldenen Ehrenbärs für sein Lebenswerk auf der Berlinale 2010 lobte die Jury Kohlhaases „Gespür für Authentizität in seinen Figuren wie in seinen Geschichten, seine lakonische, sehr ökonomische Sprache und seine feine Ironie.“[9]

An verschiedenen Hochschulen gibt er Kurse über das Schreiben von Drehbüchern.[3]

1972 wurde Kohlhaase Mitglied der Akademie der Künste der DDR, 1991 ist er in die Akademie der Künste Berlin-Brandenburg aufgenommen worden. Der Verband deutscher Drehbuchautoren (VDD) ernannte ihn auf der Berlinale 2011 zum Ehrenmitglied.

Am 8. April 2011 erhielt er von der Deutschen Filmakademie die Lola für sein Lebenswerk. In seiner Dankesrede sagte er: „Ich bin nicht nur erfreut, sondern auch ermutigt. Und das braucht man in jedem Alter.“[10]

Er lebt in Berlin und Reichenwalde und ist mit der Tänzerin und Choreografin Emöke Pöstenyi verheiratet.

Filmographie

Drehbuch

Regie

  • 1979: Solo Sunny – Buch; Co-Regie mit Konrad Wolf
  • 1992: Inge, April und Mai – Buch; Regie mit Gabriele Denecke
  • 1998: Victor Klemperer – Mein Leben ist so sündhaft lang – Buch und Regie mit Ullrich Kasten

Bücher

  • Alarm im Zirkus. Berlin 1954
  • Eine Berliner Romanze. Berlin 1956
  • Nagel zum Sarg. Geschichten. Berlin 1976
  • Silvester mit Balzac und andere Erzählungen. Berlin 1977; Berliner Taschenbuch Verlag BVT 2006, ISBN 978-3-8333-0450-7; Edition Schwarzdruck, Berlin 2003, ISBN 978-3-935194-15-0
  • Die Grünstein-Variante. Eine Geschichte in Erinnerung an Geschichten, die Ludwig Turek erzählt hat. Hörspiel. Berlin 1980
  • Fisch zu viert. Ein Moritatsachenbericht über eine höchst beklagenswerte Affäre im Jahre 1838 sowie im Märkischen bei Neuruppin. München 1981
  • Der Bruch – Das Buch zum Film. Lübbe, Bergisch Gladbach 1989, ISBN 3404132211
  • Sommer vorm Balkon. Mit Interviews von Regine Sylvester. Aufbau-Taschenbuch-Verlag, Berlin 2005, Ill., ISBN 3-7466-2189-5
  • Schreiben in zwei Systemen. Ein Werkstattgespräch mit dem Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase von Jochen Brunow. In: Scenario 1. Drehbuch-Almanach, Berlin 2007, ISBN 978-3-86505-175-2, S. 12–47.

Auszeichnungen

Wolfgang Kohlhaase (rechts) erhält den Kunstpreis des FDGB, 1989
Stern von Wolfgang Kohlhaase auf dem Boulevard der Stars in Berlin

Fernseh-Dokumentation

  • Leben in Geschichten – Wolfgang Kohlhaase. Fernseh-Dokumentation, Deutschland, 2006, 45 Min., Buch und Regie: Lutz Pehnert, Produktion: cine film, arte, rbb, Erstausstrahlung: 18. August 2007 in arte, Inhaltsangabe von arte

Weblinks

 Commons: Wolfgang Kohlhaase – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Interviews

Einzelnachweise

  1. a b Susanne Beyer; Martin Wolf: Ein Mann der Zwischengröße. In: Der Spiegel, 31. August 2009, Nr. 36, S. 132–134, hier S. 132. (online)
  2. Wolfgang Kohlhaase wird 80, dapd / Freie Presse, 11. März 2011: „Nach Ansicht von Cineasten, Filmwissenschaftlern und Regisseuren verfügten in der deutschen Filmgeschichte nur noch zwei Drehbuchautoren über einen solch vielfältigen Sprachwitz und eine so genaue Beobachtungsgabe einzelner Milieus: Billie (Billy) Wilder (1906-2002), der das Land 1933 verlassen musste, und Erich Kästner (1899-1974).“
  3. a b Eintrag Wolfgang Kohlhaase auf filmportal.de
  4. In: Leben in Geschichten - Wolfgang Kohlhaase, arte, rbb, 18. August 2007
  5. Berlin - Ecke Schönhauser. Spielfilm DEFA 1957, RBB, 20. Februar 2010
  6. Audiointerview zu Whisky mit Wodka, stichwortdrehbuch.de, 38:32 Min. (Äußerungen zu Dresen gegen Ende des Interviews)
  7. a b Andreas Dresen: Liebe, Tod und Wetter. Eine Hommage, Die Zeit, 11. Februar 2010, Nr. 7
  8. Wolfgang Kohlhaase in der Filmdatenbank film-zeit.de
  9. vgl. Pressemitteilung bei berlinale.de, 3. Dezember 2009 (aufgerufen am 4. Dezember 2009)
  10. Deutscher Filmpreis. Goldene Lola für „Vincent will Meer“, FAZ.net, 9. April 2011, mit Fotogalerie
  11. vgl. Deutscher Filmpreis 2011: Ehrenpreis für Wolfgang Kohlhaase, net-tribune.de, 23. Februar 2011

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