Berliner Tiergarten

Berliner Tiergarten
Teilansicht des Großen Tiergartens am Großen Stern

Der Große Tiergarten ist ein Park im Zentrum Berlins, im Ortsteil Tiergarten des Bezirks Mitte. Mit 210 Hektar ist er der größte Berliner Park und die zweitgrößte innerstädtische Parkanlage Deutschlands (zum Vergleich: der Englische Garten in München bedeckt eine Fläche von 417 ha, der Hyde Park in London 141 ha, der Central Park in New York 341 ha). Einige große Autostraßen durchschneiden den Park, darunter die Straße des 17. Juni; sie kreuzen sich am Großen Stern, in dessen Mitte die Siegessäule steht.

Inhaltsverzeichnis

Jagdrevier und Barockpark

Siegessäule und typische Tiergarten-Laterne

Ein erster Tiergarten wurde schon 1527 angelegt, allerdings an anderer Stelle, nämlich in der Nähe des Berliner Schlosses, westlich der Cöllner Stadtmauer. Das kleine Gebiet wurde seit 1530 nach Westen und Norden hin durch Zukäufe erweitert, bis zu den Grenzen des heutigen Tiergartens und darüber hinaus. Man setzte Wildtiere aus und hinderte sie durch Zäune daran, auf die umliegenden Äcker zu entweichen. Das Gelände diente als Jagdrevier der Kurfürsten von Brandenburg. Als die Stadt Berlin wuchs, wurde das Jagdgebiet nach und nach verkleinert.

In der Regierungszeit Friedrich I. entstanden Strukturen, die bis heute sichtbar sind. In Verlängerung der Allee Unter den Linden wurde eine breite Schneise durch den Tiergarten geschlagen, als Verbindung zwischen Stadtschloss und dem zwischen 1695 und 1699 erbauten Schloss Charlottenburg. Der Große Stern mit acht und der Kurfürstenplatz mit sieben Alleen wurden angelegt. Damit begann die allmähliche Umwandlung des Wildreviers in einen zur Erholung bestimmten Waldpark.

Friedrich II. (Friedrich der Große) schätzte die Jagd nicht. 1742 gab er dem Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff den Auftrag, die Zäune niederreißen zu lassen und den Tiergarten zu einem Lustpark für die Bevölkerung umzugestalten. Er ließ nach dem Geschmack des Barock Blumenbeete, Rabatten und Spaliere in geometrischen Anordnungen pflanzen, Labyrinthe, Wasserbecken und Zierteiche anlegen und Skulpturen aufstellen. Entlang der Alleen entstanden so genannte Salons, kleine, mit Hecken oder Bäumen eingefasste Plätze, die mit Sitzgelegenheiten, Brunnen und Vasen gewissermaßen möbliert waren und den Besuchern Abwechslung boten. Eine Fasanerie wurde eingerichtet – die Keimzelle des Zoologischen Gartens, der 1844 eröffnet wurde. In der Nähe durften zwei Refugiés – Flüchtlinge aus den Hugenottenkriegen oder deren Nachkommen – seit 1745 Zelte aufstellen und den Spaziergängern Erfrischungen verkaufen. Der Straßenname In den Zelten erinnert daran. Am 6. März des Revolutionsjahres 1848 verlangte man hier in einer ersten Versammlung die Abschaffung der staatlichen Zensur.

Landschaftsgarten

Der Tiergarten im Jahre 1833

Knobelsdorffs spätbarocke Formen des Tiergartens wurden seit Ende des 18. Jahrhunderts allmählich abgelöst durch erste Beispiele des neuen, landschaftlichen Gartenideals: den Schlosspark Bellevue (1786–1790) und die Neue Partie mit der Rousseau-Insel, 1792 durch den Hofgärtner Justus Ehrenreich Sello angelegt. 1818 erhielt Peter Joseph Lenné, damals noch Gartengeselle in Sanssouci, den Auftrag für die Neugestaltung des Tiergartens. Er plante einen landschaftsähnlichen Volkspark, der zugleich – in Erinnerung an die Befreiungskriege – eine Art preußischer Nationalpark zur moralischen Erbauung der Besucher werden sollte. König Friedrich Wilhelm III. lehnte Lennés „Idealplanung“ allerdings ab. Gegen den Widerstand einer zögerlichen Bürokratie setzte Lenné ein verändertes Planungskonzept durch, das in den Jahren 1833–1840 realisiert wurde. Es entstand ein Landschaftspark nach englischem Vorbild. Lenné nahm dabei aber auch Rücksicht auf wichtige Ordnungselemente seines Vorgängers Knobelsdorff. Feuchte Waldgebiete wurden trockengelegt, Reit-, Fahr- und Spazierwege entstanden. Charakteristische Bestandteile wurden weite Rasenflächen, von kleinen Wasserläufen durchzogen und mit Baumgruppen bestanden, Seen mit kleinen Inseln, zahlreiche Brücken und Alleen. Wiesen und Lichtungen wurden zu großen Räumen und Sichtachsen zusammengefasst. Einzelne schmuckgärtnerische Anlagen – Luiseninsel, Rosengarten, Englischer Garten – kamen hinzu.

In der Form, die Lenné ihm gegeben hatte, bestand der Park nahezu unverändert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Kleinere Veränderungen betrafen die Ausstattung mit patriotischen Denkmälern (seit 1849) und die Anlage des Königsplatzes (später Platz der Republik) mit der Siegessäule.

Tierplastiken und großformatige Jagdszenen in Bronze schmücken den Park, zahlreiche Standbilder erinnern an allerlei Berühmtheiten, etwa an Preußens beliebte Königin Luise und an ihren Mann, Friedrich Wilhelm III. (dessen Denkmal schuf 1849 der Bildhauer Friedrich Drake, die Sockelreliefs preisen allegorisch den Tiergarten); andere Skulpturen zeigen Goethe, Lessing, Fontane, Richard Wagner, Lortzing und, gemeinsam auf dem sogenannten Komponistendenkmal, Beethoven, Mozart und Haydn – auf Grund seiner eigenwilligen Neorokoko-Form mit dem Beinamen Musikerofen belegt. Bis 1881 befand sich der Park in königlichem Besitz, danach wurde er zu Berlin eingemeindet.

Die Siegesallee war ein von Kaiser Wilhelm II. 1895 in Auftrag gegebener und finanzierter Prachtboulevard im Tiergarten, der 1901 vollendet wurde.

Nach 1937 hatten die Nationalsozialisten auch den Tiergarten in ihre maßlosen Pläne für die Neugestaltung Berlins einbezogen. Die Charlottenburger Chaussee (heute Straße des 17. Juni) wurde als Ost-West-Achse von 27 auf 53 Meter verbreitert, und teilt in dieser Form bis heute den Tiergarten.

Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit

Gemüsebeet im Großen Tiergarten nahe der Siegessäule, 1945
Landwirtschaftlicher Anbau im baumlosen Tiergarten; im Hintergrund Reichstag, Sowjetisches Ehrenmal und Brandenburger Tor, Juli 1946

Im Zweiten Weltkrieg haben Bomben und Granaten auch den Tiergarten schwer beschädigt. Unmittelbar nach dem Krieg diente die Ost-West-Achse zeitweise sogar als Flugpiste, auf der Siegessäule war ein Kontrollposten stationiert. In der Nachkriegszeit wurden Bäume und Sträucher aufgrund des Kohlemangels verheizt, auf den freien Flächen wurden Kartoffeln und Gemüse angebaut, eine offiziell von den britischen Besatzungstruppen genehmigte vorübergehende Nutzung: es entstanden etwa 2550 Parzellen. Von ehemals rund 200.000 Bäumen standen noch etwa 700. Die Gewässer waren verschlammt, alle Brücken zerstört, die Denkmäler umgestürzt und beschädigt. Pläne, die Teich- und Fließlandschaft des Tiergartens mit Trümmerschutt aufzufüllen, wurden durch den Leiter des Berliner Hauptamtes für Grünplanung, Reinhold Lingner, verhindert.

Am 2. Juli 1945 fasste der Berliner Magistrat den Beschluss zur Wiederherstellung des Großen Tiergartens. Reinhold Lingner und der Professor für Gartengestaltung an der Berliner Universität, Georg Pniower, legten 1946/1947 die ersten Entwürfe für die Neugestaltung vor. Beide Planungen wurden im Zuge der Teilung der Stadt fallen gelassen, der Wiederaufbau des Tiergartens nach vergleichsweise pragmatischen Plänen des Tiergartendirektors Willi Alverdes in Anlehnung an die bis 1945 bestehende Gestalt vorgenommen. Alverdes plante einen möglichst ruhigen, weiträumigen landschaftlichen Erholungspark. Im Rahmen eines Notstandsprogramms wurde der Tiergarten zwischen 1949 und 1959 wieder aufgeforstet. Am 17. März 1949 pflanzte der Berliner Oberbürgermeister Ernst Reuter als ersten Baum eine Linde. Westdeutsche Städte übernahmen Patenschaften, aus der ganzen Bundesrepublik kamen insgesamt 250.000 gespendete Jungbäume (sogar während der Berlin-Blockade per Flugzeug) in die ehemalige Hauptstadt. Nach Alverdes' Konzept galten allerdings die strukturell noch vorhandenen barocken Teile als nicht mehr zeitgemäß, die typische Synthese barocker und landschaftlicher Elemente, für die der Tiergarten berühmt war, wurde aufgegeben. Besonders zwischen 1961 und 1989 war die naturnahe Parklandschaft ein wichtiges Naherholungsgebiet für die West-Berliner, die durch die Berliner Mauer eingeschlossen und von ihrem Umland getrennt waren.

1987 wurde anlässlich der 750-Jahrfeier Berlins in der Nähe der Kongresshalle, die heute das Haus der Kulturen der Welt beheimatet, das Carillon im Tiergarten errichtet. Der 42 Meter hohe Turm ist mit seinen 68 Glocken das viertgrößte Carillon der Welt. Das Glockenspiel erklingt im Sommer an jedem Sonntag. In seiner Nähe befindet sich auch das 2001 errichtete Bundeskanzleramt.

Nach 1989

Neue Partie im Herbst
An der Luiseninsel, im Hintergrund: Denkmal Friedrich Wilhelms III.
Langgraswiese

Seit der deutschen Wiedervereinigung 1989 haben sich insbesondere einige Randgebiete des Tiergartens stark verändert. An den Straßen, die den Park nach Süden begrenzen, wurden alte Botschaftsgebäude, die Jahrzehnte als Ruinen überdauert hatten, wieder instand gesetzt und andere, wie die Nordischen Botschaften, neu errichtet. An der Nordostseite entstanden das neue Bundeskanzleramt und Bürogebäude für die Alltagsarbeit der Abgeordneten, das Reichstagsgebäude als altes und neues Parlament erhielt seine gläserne Kuppel – und statt des Wildwuchs-Areals aus den Jahren der deutschen Teilung, das gerne für Picknicks mit oder ohne Grill und für Ballspiele genutzt wurde, erstrecken sich dort ordentliche, repräsentative Rasen- und Freiflächen.

Das Großbauvorhaben einer Nord-Süd-Verkehrsachse mit vier Tunnelröhren für Straße und Bahnen unterhalb des Tiergartens sorgte für heftige Diskussionen. Naturschützer befürchteten Vegetationsschäden durch Absinken des Grundwasserspiegels und verlangten einen Baustop. Der Antrag wurde durch Gerichtsbeschluss abgewiesen, gewisse Bedenken hinsichtlich der langfristigen Entwicklung bestehen weiterhin. Seit 1996 fand das Massenereignis Loveparade im Tiergarten statt, mit den Teilnehmerzahlen (1999: 1,5 Millionen) stieg ständig auch die ökologische Belastung des Parks. Nachdem das Interesse an der Loveparade nachzulassen schien, wurde die Veranstaltung im Jahre 2005 abgesagt. Jedoch stand der Tiergarten dem Technofest im Sommer 2006 wieder zur Verfügung. Ein besonderer Anziehungspunkt war ferner die Fanmeile auf der Straße des 17. Juni während der Fußballweltmeisterschaft 2006 und der Fußballeuropameisterschaft 2008.

Ein letztes, größeres Wiederherstellungsprogramm betrifft den östlichen Teil des Tiergartens, der, im Schatten der Mauer gelegen und durch die vielbefahrene Entlastungsstraße vom Hauptteil des Parks getrennt, lange Zeit kaum genutzt und gärtnerisch vernachlässigt worden war. Seit dem Frühjahr 2006 verläuft der Nord-Süd-Verkehr unterirdisch, sodass die Entlastungsstraße zurückgebaut wurde. Nun können beide Teile des Tiergartens wieder zusammenwachsen, alte Wegeführungen werden rekonstruiert, verwilderte Flächen in Anlehnung an die historischen Pläne Lennés neu gestaltet.

Zwischen Brandenburger Tor und Lennéstraße entsteht das Global Stone Projekt. In der Nähe des Denkmals für die ermordeten Juden Europas wurde das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen errichtet. Südlich des Reichstages entsteht das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma.

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Rundumblick von der Siegessäule
Rundumblick von der Siegessäule

Literatur

  • Klaus von Krosigk: Der Berliner Tiergarten. Berlin-Edition, Berlin 2001, ISBN 3-8148-0030-3
  • Folkwin Wendland, Gustav Wörner, Rose Wörner: Der Berliner Tiergarten, Vergangenheit und Zukunft. Kulturbuch-Verlag, Berlin 1986
  • Susanne Twardawa: Der Tiergarten in Berlin: das Abenteuer liegt um die Ecke. Motzbuch, Berlin 2006, ISBN 3-935790-08-2

Weblinks

52.51333333333313.3583333333337Koordinaten: 52° 30′ 48″ N, 13° 21′ 30″ O


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