Bernard Herrmann

Bernard Herrmann

Bernard Herrmann (* 29. Juni 1911 in New York City; † 24. Dezember 1975 in Los Angeles) war ein US-amerikanischer Dirigent und Komponist, der durch seine Filmkompositionen bekannt wurde. Besondere Berühmtheit erlangte Herrmann durch seine Zusammenarbeit mit Regisseur Alfred Hitchcock, für den er unter anderem die Musik zum Filmklassiker Psycho komponierte.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Herrmanns Vater förderte früh das Interesse seines Sohnes an Musik, nahm ihn mit zur Oper und ermutigte ihn, Violine zu lernen. Nachdem Herrmann im Alter von 13 Jahren in einem Wettbewerb 100 Dollar gewonnen hatte, entschloss er sich, sich weiter auf Musik zu konzentrieren, und begann ein Studium an der Juilliard School in New York. 1931 trat er der Young Composers Group um den bekannten Aaron Copland bei, zu dessen Mitgliedern auch Herrmanns Jugendfreund Jerome Moross, Henry G. Brandt und Elie Siegmeister gehörten. Die Gruppe, gegründet zur Förderung der zeitgenössischen amerikanischen Musik, war jedoch nur kurzlebig.

Danach war er eine Zeit lang als Dirigent tätig und arbeitete auch als Komponist für den Sender CBS.

Beim Sender traf er den jungen Regisseur Orson Welles und übernahm die musikalische Leitung bei dessen Hörspiel „Krieg der Welten“, das aus dem Mercury Theater im Radio übertragen wurde (er verwendete hier jedoch ausschließlich Werke anderer Komponisten). Als sich Welles danach dem Film zuwandte, schrieb Herrmann die Musik für seine beiden berühmtesten Filme, „Citizen Kane“ (1941) und „Der Glanz des Hauses Amberson“ (The Magnificent Ambersons, 1942). Letztere Musik wurde allerdings, wie der Film selbst, vom Studio beim Schnitt schwer verstümmelt.

Herrmann arbeitete aber auch weiterhin für die CBS und übernahm 1940 die Leitung des „CBS Symphony Orchestra“. In dieser Funktion förderte er sowohl amerikanische Komponisten – Herrmann setzte sich für die damals als unerhört bzw. unspielbar geltende Musik von Charles Ives ein, lange bevor es Leonard Bernstein tat – als auch europäische, vor allem englische Musik. Die Werke von Ralph Vaughan Williams, Constant Lambert, Arthur Bliss und Arnold Bax. Seine besondere Liebe galt auch der Musik von Joachim Raff, dessen Symphonie Nr.5 „Lenore“ Herrmann in den sechziger Jahren erstmals auf Tonträger einspielte. Herrmanns Ambitionen, einmal einem berühmten Orchester als Leiter vorstehen zu dürfen, erfüllten sich jedoch nicht. Dennoch leitete er als Gastdirigent Aufführungen des New York Philharmonic Orchestra, des Royal Philharmonic Orchestra, des London Philharmonic Orchestra und mehrfach des Hallé Orchestra in Manchester, dessen Leiter John Barbirolli ein enger Freund Herrmanns wurde.

Große Bekanntheit erwarb sich Herrmann auch durch seine Arbeiten für Alfred Hitchcock, für den er unter anderem die Filme „Immer Ärger mit Harry“ (The Trouble with Harry, 1956), „Vertigo – Aus dem Reich der Toten“ (Vertigo, 1958), „Der unsichtbare Dritte“ (North by Northwest, 1959) bis hin zu „Marnie“ (Marnie, 1964) vertonte.

Beim Film „Die Vögel“ (The Birds, 1963) konnte er nur das Sounddesign überwachen, da der Film keine Musik enthielt, sondern nur elektronische Toneffekte, unter anderem von Oskar Sala. Für elektronische Musik hatte sich Herrmann schon früh interessiert, als er für den William-Dieterle-Film „Jenny – Das Porträt einer Liebe“ (A Portrait of Jennie, 1948) komponierte und dabei das frühe elektronische Instrument Theremin einsetzte, das dann erneut in seiner Komposition zu Robert Wises Science-Fiction-Film „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ (The Day the Earth Stood Still, 1951) Verwendung fand.

In Hitchcocks eigenem Remake von „Der Mann, der zuviel wußte„ (The Man Who Knew Too Much) von 1956 war Herrmann dann sogar in Person im Film zu sehen. Er dirigierte in der Royal Albert Hall die Storm Clouds Cantata des australischen Komponisten Arthur Benjamin, die im Kontext des Filmes eine wichtige Rolle spielte. (Das berühmte Lied „Que Sera, Sera“ der Hauptdarstellerin Doris Day stammte jedoch nicht aus Herrmanns Feder.) Die wohl berühmteste und aufgrund ihrer stilistischen Eigenart meistzitierte Filmmusik für Hitchcock schrieb Herrmann 1960 für den Film „Psycho“ (Psycho). Außergewöhnlich ist diese Partitur durch den ausschließlichen Einsatz eines Streichorchesters. Die Szene des Mordes unter der Dusche, eine der visuell bekanntesten des Films, sollte nach Hitchcocks Vorstellungen erst gar keine Musik erhalten. Die von Herrmann komponierten dissonanten hochlagigen Violinschreie überzeugten ihn vom Gegenteil, und die Szene wurde zu einem der größten Momente der Filmgeschichte.

1966 kam es zum Bruch zwischen Hitchcock und Herrmann. Der Komponist hatte die Anweisung des Regisseurs, für den Film „Der zerrissene Vorhang“ (Torn Curtain) eine eingängige Musik mit einem als Filmsong verwertbaren Popthema zu schreiben, missachtet und stattdessen eine aggressive, eiskalte Thrillermusik für eine große Bläserbesetzung mit nur wenigen hohen Streichern entworfen. Die Partitur sieht folgende Besetzung vor: zwölf Flöten, sechzehn Hörner, neun Posaunen, zwei Tuben, zwei Gruppen Pauken, acht Celli, acht Kontrabässe sowie eine kleine Geigen- und Bratschengruppe. „The sound of twelve flutes will be terrifying“, teilte Herrmann seinem Freund und Kollegen Laurie Johnson mit.[1] Hitchcock erschien zu den Aufnahmen, hörte sich die Titelmusik an und lehnte die Partitur und jede weitere Diskussion darüber ab. Obwohl die Aufnahmen bereits angesetzt und bezahlt waren, untersagte er deren Fortgang. Damit endete die Zusammenarbeit. Den englischen Komponisten John Addison beauftragte man mit einer neuen Musik. Die abgelehnte Musik Herrmanns wurde später auf Schallplatte und CD eingespielt, und zwar von Elmer Bernstein bzw. Joel McNeely.

Da man ihn in Hollywood nunmehr zum „alten Eisen“ rechnete, zog Herrmann nach England und schrieb dort 1966 die Musik zu François TruffautsFahrenheit 451“ (Fahrenheit 451) und später auch zu dessen Kinofilm „Die Braut trug schwarz“.

Herrmann schuf weitere Filmmusiken zu Science-Fiction- und Fantasy-Filmen, so für „*Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ (Journey to the Center of the Earth, 1959), „Sindbads siebente Reise“ (The Seventh Voyage of Sinbad, 1958), „Jason und die Argonauten“ (Jason and the Argonauts, 1963), „Die Geheimnisvolle Insel“ (Mysterious Island, 1961), „Herr der drei Welten“ (The Three Worlds of Gulliver, 1960), und „Die Wiege des Bösen“ (It's Alive!, 1974).

Die Musik zur Verfilmung des Romans „Die Nackten und die Toten“ (The Naked and the Dead, 1958) von Norman Mailer stammt ebenfalls von ihm.

Eins seiner heute bekanntesten Stücke, „Georgie's Theme“, schrieb er als Hauptthema seines Soundtracks für den 1968er Psychothriller „Twisted Nerve“. Dieses Thema hat Quentin Tarantino in „Kill Bill – Volume 1“ wiederverwendet (und zwar für die Szene im Krankenhauskorridor, in der die dämonische, einäugige Krankenschwester „Elle Driver“ den Gang entlang geht).

Ab den späten 1950er-Jahren schrieb Herrmann auch Musik für Fernsehserien. Die wohl bemerkenswertesten Arbeiten lieferte er für die Serie Twilight Zone, inklusive einer nur in der ersten Staffel verwendeten Einleitungsmusik. Auch für die Serien „Die Leute von der Shiloh Ranch“ (The Virginian, 1962) „Die Seaview – In geheimer Mission“ (Voyage to the Bottom of the Sea, 1964) oder Convoy (1965 entstanden nach dem gleichnamigen Kinofilm) steuerte er Musik bei.

Zu den letzten Arbeiten Herrmanns gehörten Filmmusiken für die Regisseure Brian De Palma (Die Schwestern des Bösen und Schwarzer Engel) und Martin Scorsese („Taxi Driver“ [Taxi Driver, 1976]). Bernard Herrmann starb im Schlaf, einen Tag, nachdem er die Musikaufnahmen für Taxi Driver beendet hatte. Der Film wurde seinem Andenken gewidmet.

Neben der Filmmusik schrieb Herrmann auch eine Reihe von Werken für den Konzertsaal, zum Beispiel die dramatische Kantate Moby Dick (1938) und eine Symphonie (1941). Die Uraufführung seiner Oper Wuthering Heights am 6. November 1982 in Portland erlebte er nicht mehr. Zwei seiner kammermusikalischen Werke sind das Streichquartett Echoes (1965) und das Quintett Souvenirs de Voyage (1967).

Filmografie

Auszeichnungen

Seine Filmmusiken zu Vertigo – Aus dem Reich der Toten und Psycho erreichten Platz 12 und Rang 4 in der vom American Film Institute herausgegebenen Liste der 25 größten Filmmusiken aus 100 Jahren. Bernard Herrmann gehört gemeinsam mit Max Steiner, Elmer Bernstein und Jerry Goldsmith zu jenen Komponisten, die zweimal in der Liste vertreten sind. Nur John Williams brachte es auf drei Nennungen.

Filmdokumentation

  • Music For The Movies: Bernard Herrmann. Dokumentarfilm von Joshua Waletzky, 1992, 58 Minuten [als DVD bei Kultur Video 2007]

Literatur

  • Steven C. Smith: A Heart at Fire's Center. Life and Music of Bernard Herrmann. University of California Press 1991, ISBN 0-52007123-9
  • Bernard Herrmann über Filmmusik und Die Filmmusiken von Bernard Herrmann in Tony Thomas: Filmmusik. Die großen Filmkomponisten – ihre Kunst und ihre Technik (Film Score). Heyne, München 1996, ISBN 3-453-09007-1, S. 189-195
  • Olaf Kiener: Bernard Herrmann – Der schwarze Romantiker, in: Filmharmonische Blätter. Heft 6/Juni 1987, S. 28-39

Quellen

  1. nachzulesen in Steven C. Smith: A Heart at Fire's Center. Life and Music of Bernard Herrmann. University of California Press 1991, S. 271

Weblinks


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