Bronislaw Wladislawowitsch Kaminski

Bronislaw Wladislawowitsch Kaminski
Kaminski im Jahr 1944, mit dem EK I. sowie darunter die Tapferkeitsauszeichnung für Angehörige der Ostvölker (Deutsches Bundesarchiv)

Bronislaw Wladislawowitsch Kaminski (russisch Бронислав Владиславович Каминский; * 16. Juni 1899 in Wizebsk; † 28. August 1944 in Litzmannstadt) war gelernter Chemie-Ingenieur und Waffen-Brigadeführer der Waffen-SS.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Herkunft und Jugend, Verbannung in Sibirien

Kaminskis Vater war Pole, seine Mutter Deutsche, weshalb er u. a. fließend Deutsch sprach. Er studierte am Staatlichen Polytechnischen Institut in Sankt Petersburg, nahm am Russischen Bürgerkrieg teil und arbeitete danach als Chemieingenieur. 1935 wurde er als „bürgerlicher Intellektueller“ zu zehn Jahren Verbannung in Sibirien verurteilt, die er in einem sowjetischen Arbeitslager verbrachte. 1941 wurde er jedoch amnestiert und im Gebiet von Brjansk zwangsangesiedelt.

Tätigkeit während des Zweiten Weltkriegs

Im Sommer 1941, nach dem Rückzug der Roten Armee und vor dem Eintreffen der 2. Panzerarmee im Gebiet rund um das Städtchen Lokot (Локоть) begann er eine rege Tätigkeit zur Verbreitung nationalsozialistischer Ideen. Er fand besonders bei Bewohnern der Stadt Sympathie, die wie er ursprünglich aus Weißrussland stammten. Er bewährte sich in seiner neuen Rolle als Organisator, galt aber als äußerst ehrgeizig und arrogant.

Kaminski gründete eine Gruppe, die in die Wälder um Lokot ging und begann, aktiv die sowjetische Armee und die mit ihr verbündeten Partisanen zu bekämpfen, die sich selbst erst organisieren mussten. Im Frühjahr 1942 nahm er Kontakt zu den Deutschen auf. Seine Gruppe bestand damals aus etwa 300 Mann, meist Russen und Weißrussen, darunter viele ehemalige Bauern, die als Kulaken während der Zwangskollektivierung zu Beginn der 1930er Jahre enteignet wurden. Sie wuchs später bis auf eine Stärke von etwa 7.000 Mann an. Da es von Seiten gewisser Exponenten der Wehrmacht, wie beispielsweise dem Oberbefehlshaber der 2. Panzerarmee, Generaloberst Schmidt, Bestrebungen gab, solche Gruppierungen aufzubauen, weil die sowjetischen Partisanen immer stärkeren Widerstand zu leisten begannen und den Deutschen die Kräfte fehlten, um diese wirksam bekämpfen zu können, trafen sich hier die Bestrebungen Kaminskis mit denen der Deutschen.

Kaminskis Einheit wurde in die Heeresgruppe Mitte eingegliedert und war zuständig für die „Befriedung“ des rückwärtigen Heeresgebiets der 2. Panzerarmee. Auf Anordnung Schmidts wurde Kaminski das Gebiet um Lokot in Eigenregie überlassen, wo er, geduldet von den deutschen Truppen, der uneingeschränkte Herrscher war. Am 8. Januar 1942 war Kaminski zum Bürgermeister von Lokot ernannt worden, das fortan sein „Herrschaftssitz“ werden sollte. Sein „Herrschaftsgebiet“, die so genannte „Republik Lokot“, umfasste mehrere Rajons der Oblaste Orjol (damalige Schreibweise „Orel“; heute Oblast Brjansk) und Kursk. Ferner war er der Führer einer „Nationalsozialistischen Partei Russlands“, die aber kaum in Erscheinung trat, weil er sich um ideologische Fragen nicht kümmerte. Am 9. Juli 1942 hatte ihn Schmidt überdies zum Kommandeur einer Volkswehrbrigade ernannt.

Da das Gebiet von Lokot im Herbst 1943 von der deutschen Wehrmacht geräumt werden musste, evakuierte man Kaminskis Brigade und die ihr angehörenden Zivilisten - insgesamt zwischen 30.000 und 50.000 Menschen - nach Lepel in Weißrussland, wo sie bis zum Juni 1944 laut internen Berichten der SS und Wehrmacht „sehr erfolgreich“ gegen Partisanengruppen in dem von den Deutschen als Generalbezirk „Weißruthenien“ bezeichneten Gebiet eingesetzt wurde. Lepel und Umgebung waren dabei wie bereits die Gegend um Lokot Kaminsiki als „Herrschaftsgebiet“ überlassen worden. Seine Einheit ging auch hier mit gnadenloser Brutalität gegen Partisanen und ihre vermeintlichen Unterstützer vor und erledigte vielfach die „Drecksarbeit“ der deutschen Polizeieinheiten. Je deutlicher sich die deutsche Niederlage abzuzeichnen begann, umso mehr verrohte Kaminskis Einheit, da ihre Mitglieder als Landesverräter in der Sowjetunion keine Gnade zu erwarten hatten. Statt des ursprünglichen Widerstandes gegen das sowjetische Regime stand die Selbstbereicherung auf Kosten der weißrussischen Bevölkerung nun immer stärker im Vordergrund.

Durch die Tätigkeit seiner Brigade in Weißrussland wurde auch die SS auf Kaminski aufmerksam, die gegen Kriegsende die Agenden der Partisanenbekämpfung zunehmend stärker an sich zog. Nachdem Kaminski für seine „Leistungen“ am 27. Januar 1944 das Eiserne Kreuz I. Klasse erhalten hatte (unter Überspringung der II. Klasse), wurde er am 1. August 1944 vom Reichsführer-SS Heinrich Himmler zum Waffen-Brigadeführer der SS und Generalmajor der Waffen-SS befördert. Gleichzeitig wurde seine Einheit, deren Kommandeur er weiterhin blieb, in in die Waffen-SS eingegliedert und formierte nun als Waffen-Sturm-Brigade „RONA“.

Warschauer Aufstand, Todesurteil und Erschießung

Während der sowjetischen Sommeroffensive flohen Kaminski und seine Brigade samt Angehörigen im Juli 1944 vor der Roten Armee von Lepel nach Polen. Dort fanden sie plötzlich wesentlich vermögendere Menschen vor, als sie bisher auf dem Gebiet der Sowjetunion zu Gesicht bekommen hatten. Der von Heinrich Himmler persönlich erteilte Auftrag, an der Niederschlagung des am 1. August ausgebrochenen Warschauer Aufstands teilzunehmen, bot den dazu abkommandierten 1.700 Mann der Kaminski-Brigade unter Major Jurij Frolow ideale Möglichkeiten, ihrem gewohnten „Handwerk“ weiter nachzugehen. Diese Truppe „kämpfte“ vom 3. bis 27. August in den Warschauer Distrikten Ochota und Wola und danach bis 4. September in der Umgebung Warschaus. Die Kaminski-Männer brachten zahlreiche Bewohner der Stadt um, vergewaltigten, folterten und plünderten in einem Ausmaß, das den Deutschen als nicht mehr tolerierbar erschien, weswegen die möglichst rasche Entfernung der Kaminski-Brigadisten verlangt wurde. Der anhaltende Protest deutscher Militärs über die Übergriffe der Kaminski-Männer, speziell in einem Fall, bei dem angeblich zwei dem BDM oder der Organisation KdF angehörende Mädchen vergewaltigt und ermordet wurden (andere Quellen sprechen auch von der Ermordung von Angehörigen der Wehrmacht), kam Kaminski vor ein deutsches Standgericht. Am 28. August 1944 wurde er in dem zu dieser Zeit Litzmannstadt genannten Łódź zum Tode verurteilt und erschossen. Gegenüber Kaminskis Untergebenen wurde indes behauptet, ihr Kommandeur sei einem Partisanenattentat zum Opfer gefallen. Die wahren Hintergründe für Kaminskis Erschießung sind nicht restlos geklärt, möglicherweise ging es der SS dabei auch darum, einen lästigen Zeugen der in Warschau begangenen Verbrechen zu beseitigen.

Siehe auch

Literatur

  • Reuben Ainsztein: Jüdischer Widerstand im deutschbesetzten Osteuropa während des Zweiten Weltkriegs. Oldenburg 1993, S. 363 ff.
  • Erich Hesse: Der sowjetische Partisanenkampf 1941 - 1944. Göttingen 1969, S. 176.
  • J. Armstrong: Soviet Partisans in World War II. Madison 1969, S. 237, 544.
  • Watili Wilenchik: Die Partisanenbewegung in Weißrussland 1941 - 1944. In: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 34 (1984), hier S. 257 ff.
  • Alexander Dallin: The Kaminsky Brigade: A Case-Study of Soviet Disaffection in: Revolution and Politics in Russia. S. 243-280 (Russian and East European Series, vol. 41) Indiana University Press, 1972.

Weblinks

 Commons: Bronislaw Kaminski – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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