- Adolf Wirtz
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Adolf Wirtz (* 3. März 1872 in Neuwied; † 1. Mai 1953 in Bad Pyrmont) war ein deutscher Ingenieur und Leiter der Friedrich Wilhelms-Hütte in Mülheim an der Ruhr.
Er wirkte im angehenden 20. Jahrhundert entscheidend bei der effizienten Energienutzung in der Stahlerzeugung mit. Im Umfeld einer fortschreitenden industriellen Entwicklung war der studierte Ingenieur mit innovativen Ideen nicht nur Impulsgeber im technischen Bereich, sondern auch in der ebenso effizienten wie menschenwürdigen Arbeitsorganisation. Seine Karriere als Hüttendirektor war lang sowie von fachlichen und betriebswirtschaftlichen Erfolgen gekennzeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Vita
Adolf Wirtz wurde als Sohn des Kaufmanns Heinrich Wirtz geboren. Er studierte Eisenhüttenwesen mit Abschluss des Diplomexamens an der Bergakademie Clausthal. Erste berufliche Erfahrungen sammelte er bei der Düsseldorfer Röhren- und Eisenwalzwerke AG, vormals Poensgen, der AG der Gelsenkirchener Gußstahl- und Eisenwerke, vormals Munscheid&Co. sowie bei der Haniel & Lueg GmbH in Düsseldorf. Sein weiterer Weg führte ihn 1902 nach Mannheim, wo er für fünf Jahre die technische Leitung der dortigen Stahlwerke AG übernahm.
1907 kam Wirtz zur Friedrich Wilhelms-Hütte (FWH) in Mülheim/Ruhr und wurde von Hugo Stinnes mit deren Leitung beauftragt. Das traditionsreiche Unternehmen des Ruhrgebiets gehörte seit 1905 zur Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten-AG (Deutsch-Lux). Trotz ungünstiger Voraussetzungen entwickelte Wirtz als Hüttendirektor die FWH zu einem florierenden Betrieb. 1926 wurde er zum Vorstandsmitglied der Vereinigte Stahlwerke AG (VSt) bestellt. Nach der Gründung der Deutsche Eisenwerke AG als eigener Betriebsgesellschaft der VSt im Jahr 1933 wurde er deren Vorstandsvorsitzender. Adolf Wirtz starb im Alter von 81 Jahren und war bis 1995 Ehrenbürger der Stadt Mülheim/Ruhr.
Wärmewirtschaft der FWH
Unter relativ ungünstigen Bedingungen bekam Adolf Wirtz die Verantwortung für die FWH 1907 übertragen. Aber Dank eines zur Verfügung stehenden Investitionskapitals und seiner Innovationskraft gelang der beständige Aufstieg. Hugo Stinnes kommentierte als Konzernchef die Arbeit seines Hüttendirektors im Jahre 1924 mit den Worten: "Sie aber haben aus einem Trümmerhaufen, bestenfalls aus einem Schrotthaufen ein blühendes Werk gemacht".[1]. Vor allem zwei Faktoren hatten dem Misch-Unternehmen, das von der Roheisen-Herstellung bis zum Maschinenbau ausgelegt war, zu schaffen gemacht: Erstens war die FWH mangels eigener Steinkohlenbasis von Kohle-Lieferungen und deren gestiegenen Preisen bzw. minderen Qualität stark betroffen - ein Kostenfaktor und Wettbewerbsnachteil aufgrund daraus folgender höherer Roheisen-Preise. Zweitens hatte die FWH in Mülheim/Ruhr einen Standortnachteil gegenüber den am Rhein gelegenen Werken: die Ruhr war zu diesem Zeitpunkt nicht entsprechend schiffbar. Adolf Wirtz wirkte auch entscheidend an der Verbesserung der "frachtlichen Situation", sprich der Ruhrkanalisierung mit. Diese wurde nach einem Beschluss durch die Mülheimer Stadtverordnetenversammlung von 1910 allerdings erst nach dem Ersten Weltkrieg in den 20er Jahren realisiert.
Für einen Meilenstein in der Entwicklung der Stahlindustrie sorgte der Eisenhüttenmann Wirtz mit dem Ausbau der Wärme- und Kraftwirtschaft der FWH. Er beschritt dazu völlig neue Wege. Die effiziente Nutzung der entstehenden Gase bei der Roheisenherstellung stand dabei im Mittelpunkt. Die Hochofen- und Koksgase wurden auf Veranlassung von Wirtz bereits 1908 in einer Gaszentrale der FWH entscheidend genutzt. "...Ihm gebührt das Verdienst, auf diesem Wege bahnbrechend vorgegangen zu sein, und er ist der erste Hüttenmann, der durch Ausnutzung der überschüssigen Hochofengasmengen das hochwertigere und das begehrtere Koksofen- wie Leuchtgas frei machen will."[2] Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Heinrich Koppers, der das Patent auf den Verbundofen nach dem Doppel-Regenerativ-System besaß, krönte die Inbetriebnahme des ersten Siemens-Martin-Werks der Welt, das allein mit Überschußgasen der Kokerei und mit Gichtgasen der Hochöfen betrieben wurde. Dadurch zeigte sich in den Folgejahren eine wesentliche Kostenreduzierung für die FWH. Die durch die effiziente Beheizung erhöhte Ofentemperatur sorgte auch für eine qualitative Verbesserung des Stahls. Die Erfindung von Koppers und deren Umsetzung durch den FWH-Hüttendirektor Wirtz schufen Standards, die auch lange danach Maßstäbe für die Wirtschaftlichkeit eines Hüttenwerkes setzten. "Heute sind wir soweit, daß ein Hüttenwerk bei normalem Betrieb außer der in der Kokskohle steckenden Energie keine weiteren Kohlen mehr benötigt. Es ist im Gegenteil sogar denkbar, daß ein Werk mit besonders gut ausgebildeter Energiewirtschaft in der Lage ist, Energie in irgendeiner Form nach auswärts abzugeben". [3] Wirtz trug mit der Verwendung der Verbundöfen damit außerdem maßgeblich zu einer späteren Ferngasversorgung für die Stadt Mülheim bei.
Ebenfalls erstmalig wurde 1908 bei der FWH zwischen Hochofen und Gießereien ein mit Hochofengas geheizter Mischer aufgestellt. Und mit der späteren Übernahme des Mülheimer Portlandzementwerks W.Seifer & Co. bot sich die Chance, die Schlacken der Hochofenbetriebe zu verwerten.
Koordinierung der Gießereibetriebe
Ein weiterer Wirkungsbereich von Adolf Wirtz war die Koordinierung der Gießereibetriebe im Ruhrgebiet. Mit der Bildung der Vereinigten Stahlwerke AG im Jahr 1926, an deren Gründung er beteiligt war, erhielt er als Vorstandsmitglied die Leitung weiterer Betriebe neben der FWH übertragen. So leitete er ab diesem Zeitpunkt auch den Schalker Verein in Gelsenkirchen und die Concordia-Hütte in Engers. Wegen der Ruhrbesetzung durch französisches und belgisches Militär als einer Folge des 1. Weltkriegs existierten bereits seit 1924 in den Werken erhebliche Produktionsschwierigkeiten. Wirtz erkannte in der vertikalen Zusammenfassung der Gießereibetriebe einen entscheidenden Vorteil für die Effizienz in der Wertschöpfungskette. 1932 wurden die Gießereien innerhalb der Vereinigten Stahlwerke in einer besonderen Gruppe zusammengefasst, deren Leitung er übernahm. 1934 kamen mit der neugegründeten Deutschen Eisenwerke AG, deren Vorstandsvorsitzender Wirtz bis zu seinem Ruhestand 1942 war, zusätzlich die Gießerei der Hüttenwerke in Duisburg-Meiderich, das Werk Hilden, das Eisenwerk Wanheim GmbH, die Concordiahütte GmbH sowie die Vereinigten Economiserwerke GmbH hinzu.
Gesellschaft und Forschung
Nach den Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung vom 2. März 1919 gehörte Adolf Wirtz als Mitglied der Zentrumspartei diesem kommunalen Gremium der Stadt Mülheim an. Daneben war er im Handels- und Industriebeirat der Rheinischen Zentrumspartei tätig. Nach dem im Jahre 1933 nahegelegten Beitritt zur NSDAP erfolgte im Jahr darauf auf Vorschlag der Gauleitung die Berufung als Ratsherr der Stadt Mülheim. Dort nahm er zudem die Funktionen als Beirat für Finanz- und Haushaltswesen sowie als Beirat für die Angelegenheiten des Hafens und Schifffahrtsweges wahr. Am 3. März 1942 wurde ihm die Ehrenbürgerschaft der Stadt Mülheim verliehen. Zum gleichen Zeitpunkt erfolgte die von der Arbeiterschaft unterstützte Gründung der "Dr. Adolf Wirtz-Stiftung". Nach dem Krieg widmete er sich wieder seiner konservativ-katholisch geprägten politischen Herkunft und gehörte bis zu seinem Tod der CDU in Bad Pyrmont an. Am 23. März 1995 beschloss der Rat der Stadt Mülheim an der Ruhr ihm die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen, weil sie unrechtmäßig gewesen sei.
In Anerkennung seiner Verdienste um die Verwendung von Hochofen- und Koksofengas im Giesserei- und Martinofenbetrieb verlieh die Bergakademie Clausthal an Adolf Wirtz 1922 die Ehrendoktorwürde. Im Jahre 1932 ernannte ihn die Technische Hochschule Aachen zum Ehrenbürger wegen seines Wirkens für die Entwicklung des Aachener Gießerei-Instituts. Die Wirtschaftsvereinigung Gießerei-Industrie sowie der Verein Portland- und Hüttenzementwerke ehrte ihn 1952 für sein jeweiliges Engagement.
Mit seinem Namen verbunden ist auch die Verleihung zahlreicher Patente wie beispielsweise 1934 für das Verfahren zur Erzeugung hochwertigen Graugusses.
Einzelnachweise
- ↑ Zitat aus persönlichem Gespräch zwischen Adolf Wirtz und Hugo Stinnes, Archiv Thyssen AG, FWH 200, Adolf Wirtz, versch. pers. Unterlagen, Niederschrift v. 25. Januar 1951
- ↑ Stahl und Eisen, 31. Jahrgang, Nr. 23, 1911
- ↑ Energiewirtschaft auf Hüttenwerken. Ihre Entwicklung auf der Friedrich Wilhelms-Hütte. In Werkzeitung Nr.8, 1929, zit. nach FWH 400 04-5b
Weblinks
- Nachlass Adolf Wirtz bei der Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv
Literatur
- Fritz Pudor: Lebensbilder aus dem Rheinisch-westfälischen Industriegebiet - Adolf Wirtz, aus: Schriften der volks-und betriebswirtschaftlichen Vereinigung im rheinisch-westfälischen Industriegebiet Heft 17, August Bagel Verlag Düsseldorf, 1957, S. 83.
- Kurt Unbehau: Die Ehrenbürger der Stadt Mülheim an der Ruhr. Mülheim an der Ruhr, 1974, S. 70-73.
- Christian Kleinschmidt: "Menschenökonomie" auf der Friedrich-Wilhelms-Hütte um 1925, in: Mülheim an der Ruhr - Eine eigenwillige Stadt, Grafe/Hombach/Müller (Hrsg.), Klartext-Verlag, Essen 1990, S. 176-189.
- Christian Kleinschmidt: Aus einem Schrotthaufen ein blühendes Werk gemacht: Die Reorganisation der Friedrich-Wilhelms-Hütte vor dem ersten Weltkrieg unter Adolf Wirtz, in: Zeitschrift des Mülheimer Geschichtsvereins, Heft 63/1991, S. 65-82.
- Andreas Zilt: Die Geschichte der Friedrich Wilhelms-Hütte im Spiegel der Firmennamen, in: Findbuch zum Bestand Friedrich Wilhelms-Hütte (1811 -1969), Hrsg. Manfred Rasch, Archiv Thyssen AG, Duisburg 1997.
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