- Wildes Feld
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Wildes Feld (russisch Дикое поле, Dikoje pole; ukrainisch Дике Поле, Dyke Pole, lat. Loca Deserta, sive campi deserti inhabitati[1]), auch Descht-i-Kiptschak genannt, war ein seit der Epoche der Kiewer Rus bis in das 18. Jahrhundert gebräuchlicher Begriff für die Steppenlandschaft der Süd- und Ostukraine [2]. Aufgrund der fehlenden geographischen Barrieren ermöglichte dieser Ausläufer der großen asiatischen Steppe hohe Mobilität und war seit je her ein Durchgangsgebiet für zahlreiche Reitervölker von Ost nach West. Die Nordgrenze des Wilden Feldes zur Waldlandschaft Osteuropas bildete lange Zeit auch die Grenze zwischen nomadischen und sesshaften Zivilisationen. Obwohl die Gebiete des Wilden Feldes durch die hohe Konzentration der Schwarzerde sehr fruchtbar waren, waren sie für die landwirtschaftliche Nutzung aufgrund der ständigen Bedrohung und Angriffe der Reiternomaden lange Zeit unerschlossen und bis in die Neuzeit dünn besiedelt.
Geschichte
Die offenen Landschaften des Wilden Feldes waren im Altertum von den Skythen besiedelt, die zahlreiche Kurgane, Grabstätten und große Steinfiguren hinterließen. Während der Zeit der Völkerwanderung nutzten das Wilde Feld solche Völker wie Hunnen, Awaren, Bulgaren oder Magyaren für Einfälle oder Migrationen nach Westen. Im 8. und 9. Jahrhundert besiedelte der ostslawische Stamm der Ulitschen die Gebiete am Unterlauf des Dnestr und gründete dort die Städte Peresetschen sowie Belgorod. Kurze Zeit danach wurde er jedoch von den Petschenegen verdrängt. Die Rus nutzten den Dnepr als einen Teil des Weges von den Warägern zu den Griechen für Feldzüge und Handel mit Byzanz und mussten dafür die gefährlichen Steppenlandschaften durchqueren. So geriet beispielsweise Großfürst Swjatoslaw I. im Jahr 972 bei der Rückkehr vom Balkan in einen Hinterhalt der Petschenegen und wurde getötet. Nachdem die Petschenegen geschlagen und vertrieben wurden, kamen an ihre Stelle die Kumanen (Polowzer), die die Kiewer Rus weitere 150 Jahre lang heimsuchten.
Aus dem Wilden Feld kamen anfangs auch die Mongolen und schlugen eine russische Streitmacht in der Schlacht an der Kalka im Jahr 1223 in der Nähe des heutigen Donezk. Mit der mongolischen Invasion wurden viele slawische Städte und Siedlungen wieder zerstört, die mit der Zeit immer weiter ins fruchtbare Wilde Feld vorgerückt waren. Das Gebiet gehörte lange Zeit der Goldenen Horde, die die offenen Landschaften weiterhin für Beutezüge und Angriffe auf russische Städte nutzte, die mittlerweile dem Großfürstentum Litauen unterstanden. Als ein Splitterstaat der Goldenen Horde ging das Krimkhanat hervor, das zusammen mit der Nogaier-Horde weite Teile der Steppe beherrschte und regelmäßige Raubzüge in die Ukraine und später nach Russland unternahm, bei denen viele Sklaven erbeutet wurden.
Obwohl das Wilde Feld wegen der krimtatarischen Bedrohung sehr gefährlich war, bot es auch Freiräume für die flüchtigen Bauern aus der historischen Ukraine, die dem feudalen und religiösen Druck Polen-Litauens entkommen wollten. Sie gründeten als Wehrbauern Gemeinschaften der Kosaken und führten ein semilegales Dasein als Räuber, aber auch als Beschützer der Ukraine gegen die Krimtataren. Das Land südlich der Dnepr-Stromschnellen nannte sich Saporoschje (wörtlich: hinter den Stromschnellen) und war namensgebend für die Saporoger Kosaken, die hier ihr Zentrum, die Saporoger Sitsch aufbauten. Hier nahm auch immer wieder der Widerstand gegen die polnische Oberherrschaft über die Ukraine seinen Anfang und mündete 1648 in dem großen Chmelnyzkyj–Aufstand. In Folge des Bündnisschlusses mit Russland stellte sich die Ukraine östlich des Dneprs unter die Herrschaft des Zaren.
Auch wenn die slawische Zivilisation langsam nach Süden vordrang, beispielsweise mit der festen Besiedelung der Sloboda-Ukraine, dauerte es noch über hundert Jahre, bis im Laufe des Russisch-Türkischen Krieg 1768–1774 das Khanat der Krim vom Osmanischen Reich abgetrennt und kurze Zeit später vom Russischen Reich annektiert wurde. Die Beseitigung der Tatarengefahr ermöglichte unter der Leitung des Grafen Grigori Potjomkin ein breit angelegtes Erschließungs- und Besiedlungsprogramm für die neuerworbenen Gebiete, die Neurussland genannt wurden. Am Ende des 18. Jahrhunderts wurden zahlreiche Städte gegründet, die den Begriff des Wilden Feldes obsolet machten. Unter ihnen befanden sich solche Städte wie Jelisawetgrad, Cherson, Nikolajew, Jekaterinoslaw, Odessa und andere. Zur Besiedelung der fruchtbaren Gebiete wurden unter anderem Bauern aus Serbien und Deutschland angelockt. Hauptsächlich wurde das Wilde Feld jedoch von Ukrainern und Russen besiedelt, was bis heute eine kulturelle Nähe dieser Gebiete zu Russland bedingt.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ die Heide = loca deserta (inculta, cs. pušča, russ. step), der Heide (ethnicus, paganus, ajd) [in:] Leistung und Schicksal. 1967. S.36, auch die Pflanze
- ↑ Camporum Desertorum vulgo Ukraina Polen-Litauen von Guillaume le Vasseur de Beauplan, Cum Privilegio S.R.M. Poloniae. Gedani 1648; [1] Campi Deserti citra Boristhenem, abo Dzike Polie Polen-Litauen, von Ian Jansson, c.1663, Amsterdam
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