- Energiekombinat
-
Ein Energiekombinat (auch: VEB Energiekombinat) war ein Kombinat, also eine Gruppe Volkseigener Betriebe (VEB), das im Rahmen der Zentralverwaltungswirtschaft der DDR die Energieversorgung bereitstellte.
Die Kombinate und VEBs der Energieversorgung unterstanden dem Ministerium für Bergbau und Energie. Sie waren sowohl für die Gas- als auch die Stromversorgung zuständig; hierunter fiel der Betrieb von Kraftwerken und von Betrieb von Strom- und Gasnetzen bis zur Versorgung des Endverbrauchers. Beim Kraftwerksbetrieb arbeiteten die Kombinate in enger Abstimmung mit den Betrieben und Kombinaten im Bereich der Braunkohlegewinnung im Mitteldeutschen und Lausitzer Braunkohlerevier.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Entstehung
Die Energiekombinate gingen indirekt aus den mittel- und ostdeutschen Energieversorgern aus der Zeit des Deutschen Reiches vor 1945 hervor, als da wären:[1]
- Elektrowerke AG (EWAG) als Großstromerzeuger
- Regionale Versorger:
- Bewag für die Stadt Berlin
- Aktiengesellschaft Sächsische Werke (ASW) für Ost-Sachsen
- Elektrizitätswerk Sachsen-Anhalt (ESAG) für West-Sachsen und Anhalt
- Märkisches Elektrizitätswerk (MEW) für Mecklenburg und Brandenburg
- Thüringische Landeselektrizitätsversorgungs-AG ("Thüringenwerk") für Thüringen
- zahlreiche Stadtwerke
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges, im Jahre 1946, wandelte die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) alle Anlagen (Kraftwerke, Schalt- und Umspannwerke, Leitungen, ...) der vorgenannten Unternehmen in der Ostzone in "Volkseigentum" um. Die enteigneten Unternehmen wurden teilweise aufgespalten und operierten unter neuer Firma in der Nachkriegsphase bis 1948 zunächst weitgehend ungeordnet.[2]
Umstrukturierungen während der Zeit der DDR
Bereits 1948, vor Gründung der DDR, unterteilte die SMAD die Energieversorgung in der Ostzone in fünf Energiebezirke (Berlin, Nord, Ost, West, Süd), wobei sich die geographische Einteilung weitgehend nach den Gebieten der oben genannten Regionalversorger richtete. Diese Aufteilung entsprach auch annähernd der Ländereinteilung, die die SMAD für die Ostzone vorgenommen hatte, mit der Abweichung, dass der große Bereich "Nord" (MEW) zwei Länder, Mecklenburg und Brandenburg, umfasste. 1950 wurde deshalb vom Bereich Nord ein neuer Bereich Mitte für das Land Brandenburg abgespalten.
Ab dem Jahr 1952 wurden alle Betriebsdirektionen der Energiebezirke in Volkseigene Betriebe (VEB) umgewandelt, die wiederum in der Vereinigung Volkseigener Betriebe VEB Energieversorgung zusammengefasst wurden. Die Bezirke der VVB entsprachen den Energiebezirken.[3] Ab 1954 wurden Gas- und Stromversorgung organisatorisch getrennt.[4]
Ab 1958 wurden die Energiebezirke noch feiner aufgeteilt, wobei die 1952 eingeführte administrative Unterteilung der DDR in vierzehn Bezirk plus Ost-Berlin übernommen wurde. Die Betriebe in jedem der fünfzehn Energiebezirke wurden jeweils zu einem einzigen großen VEB Energieversorgung zusammengefasst, der Stromerzeugung, Gasversorgung und Netzbetrieb umfasste.[3]
Nach Herausgabe einer neuen Energieverordnung im Jahre 1969 wurde das zentrale Energiekombinat aufgelöst und es wurden entsprechend der Aufteilung der Energiebezirke von 1950 sechs regionale Energiekombinate (Berlin, Mitte, Nord, Ost, West, Süd, Mitte) gebildet. Hinzu kam der zentrale VEB Verbundnetz für den Betrieb des gesamten Verbundnetzes in der DDR.[3]
Ab 1979 wurden die Energiekombinate erneut aufgeteilt, wobei die Struktur der fünfzehn Energiebezirke von 1958 übernommen wurde.[1]
Auflösung
Nach der Wende wurden die Energiekombinate durch die Treuhandgesellschaft in Aktiengesellschaften umgewandelt und unter neuer Firma privatisiert. Zunächst, noch unter der letzten DDR-Regierung unter Ministerpräsident de Maizière und Energieminister Steinberg, gab es Pläne, die gesamte ostdeutsche Energiewirtschaft unter den westdeutschen Energiekonzernen Preussag, RWE und Bayernwerk aufzuteilen. Nachdem es gegen eine solche Verteilung von verschiedener Seite Proteste gegeben hatte, wurde im Rahmen des sogenannten Stromvertrages eine modifizierte Lösung unter stärkerer Beteiligung der ostdeutschen Kommunen und weiterer westdeutscher Energieversorger (Badenwerk, Bewag, EVS, HEW und VEW) ausgehandelt.[1][5][6][7]
Bei der Umstrukturierung der ostdeutschen Energiewirtschaft 1990 wurde ein Drei-Ebenen-Modell nach westdeutschem Vorbild verfolgt. Die Anlagen der ehemaligen Energiekombinate, die zuvor alle drei Ebenen bedient hatten, wurden entflochten und auf die drei Ebenen aufgeteilt. Die unterste Ebene für die Endkundenanbindung bildeten kommunale Stadtwerke die ganz oder zumindest mehrheitlich in öffentlicher Hand blieben. Die oberste Ebene, als überregionaler Übertragungsnetz- und Großkraftwerksbetreiber (als Nachfolger der ehemaligen Elektrowerke) bildete die neu gegründete Vereinigte Energiewerke AG (VEAG), die zu 100% privatisiert und anteilig an westdeutsche EVUs verkauft wurde.[7] Ähnlich wurde mit den vorgeschalteten Unternehmen für die Braunkohlegewinnung (LAUBAG und MIBRAG) verfahren. Die mittlere Ebene der regionalen Verteilung wurde von den eigentlichen Nachfolgeunternehmen der privatisierten Energiekombinate gebildet. 1994 wurden diese Unternehmen von der Treuhandgesellschaft verkauft, wobei in der Regel 51% an die westdeutschen EVUs und 49% an ostdeutsche Kommunen gingen (Aufteilung siehe Tabelle im Abschnitt "Übersicht").[1][5]
Im Nachgang zur Privatisierung kam es in den Folgejahren - auch getrieben durch Fusionen in der westdeutschen Energiewirtschaft - zu einer deutlichen Unternehmenskonzentration, in deren Zuge sich die Zahl der Regionalversorger von fünfzehn auf sieben reduzierte (siehe Tabelle unten).[1]
Geographische Übersicht
Die Versorgungsgebiete der Energiekombinate lassen sich in etwa (nicht exakt!) wie folgt den Gebieten der oben genannten Vorgänger- und Nachfolgerunternehmen sowie der Verwaltungsgliederung der DDR zuordnen:
Deutsches Reich (Vorgänger) Ostzone und DDR (1946 - 1990) Bundesrepublik Deutschland (Nachfolger) Unternehmen Energiebezirk
1948-52Energiebezirk
ab 1952
(= Land 1949-52)
= Energiekombinat
1969-79Lage (Karte) Energiebezirk
ab 1958 =
Energiekombinat
ab 1979Privatisierung
(1990)Konzentration Zugehörigkeit heute Berliner Kraft- und Licht-AG (Bewag) Stadt Berlin (Ost)[8] Energieversorgung Berlin AG (EBAG) Bewag → Vattenfall Europe Berlin Vattenfall Europe Märkisches Elektrizitätswerk (ab 1947: Brandenburgisch-Mecklenburgische Elektrizitätswerke AG)[4] Nord Nord[9]
(Land Mecklenburg)Schwerin[10] Westmecklenburgische Energieversorgung AG (WEMAG) WEMAG[9] Rostock Hanseatische Energieversorgung AG (HEVAG) e.dis Energie Nord AG (Preussag → E.ON edis)[4] E.ON Mitte
(Land Brandenburg)Neubrandenburg Energieversorgung Müritz-Oderhaff AG (EMO) Potsdam Märkische Energieversorgung AG (MEVAG) Frankfurt (Oder)[11] Oder-Spree-Energieversorgung AG (OSE) Elektrizitätswerk Sachsen-Anhalt West
(Land Sachsen-Anhalt)Magdeburg Energieversorgung Magdeburg AG (EVM) Avacon (Preussag → E.ON) Halle[12] Mitteldeutsche Energieversorgung AG (MEAG) Energieversorgung Mitteldeutschland (VEW) enviaM (RWE) RWE Aktiengesellschaft Sächsische Werke Ost
(Land Sachsen)Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) Energieversorgung Südsachsen AG (EVSAG) Envia - Energie Sachsen-Brandenburg AG (RWE) Leipzig Westsächsische Energie-AG (WESAG), Markkleeberg Cottbus Energieversorgung Spree-Schwarze-Elster AG (ESSAG) Dresden[13] Energieversorgung Sachsen-Ost AG (ESAG) ENSO Energie Sachsen Ost AG Vattenfall Europe (Minderheit) Thüringische Landeselektrizitätsversorgungs-AG (Thüringenwerke) Süd
(Land Thüringen)Erfurt Energieversorgung Nordthüringen AG (ENAG) TEAG Thüringer Energie AG (Bayernwerk → E.ON) E.ON Gera Ostthüringer Energieversorgung AG (OTEV), Jena Suhl Südthüringer Energieversorgung AG (SEAG), Meiningen Literatur
- Anja Birke, Vanessa Hensel, Olaf Hirschfeld, Thomas Lenk: Die ostdeutsche Elektrizitätswirtschaft zwischen Volkseigentum und Wettbewerb. (= Arbeitspapier Nr. 22). Universität Leipzig, Institut für Finanzen, Abt. Finanzwissenschaft, Leipzig November 2000, ISSN 1437-5761 (Volltext als PDF auf www.uni-leipzig.de).
- Ulrich Krüger: Betriebsgeschichte in der VVB Energieversorgung. In: Jahrbuch für Wirtschaftsbeschichte. 1970/III, S. 249-252 (Online als PDF auf digitalis.uni-koeln.de).
- Ingo Sens: Geschichte der Energieversorgung in Mecklenburg und Vorpommern. Neuer Hochschulschriften-Verlag, Rostock 1997, ISBN 3-929544-43-1 (Rezension und Zusammenfassung von Udo Leuschner).
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e Udo Leuschner: Die Stromwirtschaft der neuen Länder wird ebenso gegliedert wie im Westen. ENERGIE-WISSEN. Abgerufen am 16. Juni 2011.
- ↑ Klara van Eyll, Renate Schwärzel; Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (Hrsg.): Deutsche Wirtschafts Archive: Nachweis historischer Quellen in Unternehmen, Körperschaften des Öffentlichen Rechts (Kammern) und Verbänden der Bundesrepublik Deutschland. Franz-Steiner-Verlag, Stuttgart 1994.
- ↑ a b c Sens (siehe Literatur)
- ↑ a b c Geschichte der Energieversorgung: In der Planwirtschaft. E.ON edis AG, abgerufen am 21. Juni 2011.
- ↑ a b Birke et al. (siehe Literatur)
- ↑ Fritz Vorholz: DDR-Stromvertrag. Falscher Anschluß. In: DIE ZEIT. Nr. 36, 1990 (Volltext im Online-Archiv der ZEIT).
- ↑ a b Joachim Kahlert; Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): Dezentrale Energieversorgung in Ostdeutschland : Entwicklungsstand und Perspektiven. Tagungsbericht zu einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 25. Oktober 1991 in Brandenburg/Havel (= Reihe Wirtschaftspolitische Diskurse; 23). Electronic ed., Bonn 1991, ISBN 3-86077-046-2.
- ↑ Auszug aus der Beständeübersicht des Landesarchivs Berlin: VEB Energiekombinat Berlin. Landesarchiv Berlin, abgerufen am 16. Juni 2011.
- ↑ a b Historische Entwicklung der WEMAG AG. WEMAG, abgerufen am 16. Juni 2011.
- ↑ Jochen Stopperam, Hans Dörfert, Hans Meyenburg: Abriß der Geschichte der Energieversorgungsbetriebe im Bezirk Schwerin von 1945 bis 1989. Abgerufen am 16. Juni 2011.
- ↑ Stadtarchiv Frankfurt (Oder) (Hrsg.): 100 Jahre Strom und Strassenbahn für Frankfurt (Oder). (Online als PDF auf www.stadtarchiv-ffo.de).
- ↑ Rudolf Aster, Harald Horn; VEB Energiekombinat Halle - Energieversorgung Dessau (Hrsg.): 100 Jahre Elektroenergie in Dessau - 1886-1986 - VEB Energiekombinat Halle Energieversorgung Dessau - Ein Meilenstein in der technischen Entwicklung der Stadt. Druckerei Rotation, Dessau 1986.
- ↑ VEB Energiekombinat Dresden. Findbuch Bestand. Hauptstaatsarchiv Dresden, abgerufen am 16. Juni 2011.
Kategorien:- Energiewirtschaft (DDR)
- Energieversorger (Deutschland)
Wikimedia Foundation.