- Europäische Konservative und Reformisten
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Die Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR, nach der englischen Bezeichnung European Conservatives and Reformists) sind eine 2009 gegründete konservative und europaskeptische Fraktion im Europäischen Parlament. Sie umfasst die britische Conservative Party, die tschechische ODS, die polnische PiS sowie mehrere kleinere Parteien aus verschiedenen Ländern. Mit insgesamt 56 Europaabgeordneten ist sie die viertgrößte Fraktion des Parlaments (Stand: Juni 2011). Sie ist de facto die Nachfolgerin der nationalkonservativen Fraktion Union für ein Europa der Nationen (UEN), allerdings mit deutlich veränderter Mitgliederstruktur. Die zugehörige politische Partei auf europäischer Ebene ist die Allianz der Europäischen Konservativen und Reformisten (AECR). Mit der niederländischen ChristenUnie gehört der ECR jedoch auch die einzige im Europäischen Parlament vertretene Mitgliedspartei der Europäischen Christlichen Politischen Bewegung (ECPB) an.
Geschichte
Die ECR wurde am 22. Juni 2009 in Folge der Europawahl 2009 gegründet.[1] Ihre Mitglieder hatten zuvor verschiedenen anderen Fraktionen angehört: Die Conservative Party und die ODS waren als Mitglieder der Europäischen Demokraten in der christdemokratisch-konservativen Fraktion EVP-ED gewesen, während die PiS und andere Mitglieder der nationalkonservativen Fraktion UEN angehört hatten. Einige kleinere Parteien der ECR waren auch in der europaskeptischen Fraktion Ind/Dem gewesen.
Bereits 2006 hatte der Parteichef der britischen Konservativen, David Cameron, seinen Entschluss angekündigt, die Partei nach der Europawahl 2009 aus der EVP-ED-Fraktion austreten zu lassen. Hierzu hatte er zunächst mit der ODS die Bewegung für Europäische Reform gegründet, die nach den ursprünglichen Plänen zu einer eigenen europäischen Partei führen sollte. Da dieses Projekt an der fehlenden Zahl von Mitgliedsparteien scheiterte, begannen ab Anfang 2009 Verhandlungen mit UEN-Mitgliedern, die schließlich kurz vor den Europawahlen zur öffentlichen Ankündigung der Gründung einer neuen Fraktion durch Conservatives, ODS und PiS führten.[2] Diesem Plan schlossen sich weitere Mitglieder der UEN sowie einige Abgeordnete der Ind/Dem-Fraktion an, sodass die ECR die Bedingungen für die Gründung einer Fraktion im Europaparlament erfüllte. Umgekehrt bildete sich aus den verbliebenen Mitgliedern der Ind/Dem-Fraktion und der UEN sowie neu ins Parlament gewählten Parteien die neue Fraktion Europa der Freiheit und Demokratie.
Im Juli 2009 wurde der Tory-Abgeordnete Edward McMillan-Scott aus der Fraktion ausgeschlossen, nachdem er - erfolgreich - bei der Wahl zum Vizepräsidenten des Europäischen Parlamentes gegen den offiziellen Kandidaten der Fraktion Michał Kamiński antrat.[3]
Nach der Gründung der Fraktion schlossen sich meisten ihrer Mitgliedsparteien der neuen europäischen Partei Allianz der Europäischen Konservativen und Reformisten (AECR) an. Bei der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Parlaments am 14. Juli 2009 kam es zu einem Eklat, als der britische ECR-Abgeordnete McMillan-Scott als Kandidat für das Amt eines Parlaments-Vizepräsidenten antrat, obwohl die ECR nicht ihn, sondern den Polen Michał Kamiński vorgeschlagen hatte. Durch die Unterstützung der anderen Fraktionen wurde McMillan-Scott zum Vizepräsidenten des Parlaments gewählt, während Kamiński scheiterte. Unmittelbar darauf wurde McMillan-Scott aus der Fraktion und der Konservativen Partei ausgeschlossen.[4] Kamiński wurde stattdessen zum Fraktionsvorsitzenden der ECR gewählt; Timothy Kirkhope, der ursprünglich von der Fraktion für dieses Amt vorgesehen war, verzichtete darauf.
Ende 2010 waren Kamiński und drei weitere PiS-Abgeordnete an der Gründung der neuen polnischen Partei Polska jest Najważniejsza (Polen ist das Wichtigste) beteiligt, die sich eine gemäßigter konservative Ausrichtung als die PiS gab. Dennoch blieben sie Mitglieder der Fraktion ECR. Kamiński behielt zunächst auch sein Amt als Fraktionsvorsitzender; erst Anfang 2011 kündigte er seinen Rücktritt davon an, um die „innerpolnischen“ Auseinandersetzungen nicht in das Europäische Parlament zu tragen.[5] Sein Nachfolger wurde am 9. März 2011 der Tscheche Jan Zahradil.[6]
Am 8. März trat zudem die dänische Abgeordnete Anna Rosbach neu der ECR-Fraktion bei, nachdem sie aus ihrer Partei, der Dansk Folkeparti, die der EFD-Fraktion angehört, ausgetreten war. Ebenfalls aus der EFD-Fraktion trat am 24. Mai 2011 David Campbell Banneman über, der zudem aus der Partei UKIP aus- und in die Conservative Party eintrat.
Mitglieder der Fraktion
In der folgenden Tabelle werden die nationalen Mitgliedsparteien der Fraktion aufgeführt (Stand: November 2011).
Land Nationale Mitgliedspartei(en) MdEP Europapartei Belgien Lijst Dedecker (LDD) 1 AECR Dänemark parteilos 1 Lettland Tēvzemei un Brīvībai (TB) 1 AECR Litauen Lietuvos lenkų rinkimų akcija (LLRA) 1 AECR Niederlande ChristenUnie (CU) 1 ECPM Polen Prawo i Sprawiedliwość (PiS) 8 AECR Polska jest Najważniejsza (PjN) 3 Solidarna Polska (SP) 3 Adam Bielan 1 Tschechien Občanská demokratická strana (ODS) 9 AECR Ungarn Magyar Demokrata Fórum (MDF) 1 AECR Vereinigtes Königreich Conservative Party 25 AECR Ulster Unionist Party (UUP) 1 AECR Einzelnachweise
- ↑ Presseerklärtung der neu gegründeten Fraktion, vgl. auch EurActiv, 23. Juni 2009: Antiföderalistische Fraktion im Parlament: Eine zerbrechliche Koalition?.
- ↑ EurActiv, 2. Juni 2009: Neue paneuropäische euroskeptische Allianz nimmt Gestalt an.
- ↑ http://www.newstatesman.com/2009/07/mcmillan-scott-european-mep
- ↑ EurActiv, 15. Juli 2009: Tory-Politiker erschüttert Euroskeptiker im Parlament.
- ↑ EUobserver, 27. Januar 2011: Eurosceptic group in turmoil as leader steps down (englisch).
- ↑ EUobserver, 9. März 2011: UK Tories lose leadership of parliament group (englisch).
Europäische Volkspartei | Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten | Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa | Die Grünen/Europäische Freie Allianz | Europäische Konservative und Reformisten | Vereinte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke | Europa der Freiheit und der Demokratie
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