- Evangelische Stadtkirche Dillenburg
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Die Evangelische Stadtpfarrkirche ist die historische Altstadtkirche in Dillenburg.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Kirche befindet sich am Steilhang des Dillenbergs, auf dem zunächst die Dillenburger Burg stand und wo ab der zweiten Hälfte des 15. Jhs. das Dillenburger Schloss als gräfliche Residenz des Hauses Nassau-Dillenburg ausgebaut wurde. Das Gelände gehörte ursprünglich zur Burgfreiheit. Die Kirche wurde ab 1490 über der Grablege der Ottonischen Linie der Grafen und späteren Fürsten von Nassau einschiffig errichtet. Diese Grablege befand sich vermutlich in einer 1454 erstmals erwähnten Marienkapelle. Umstritten ist, ob der Neubau neben oder an Stelle der Kapelle oder unter Einbeziehung von Bauteilen der Kapelle errichtet wurde. Da das Gewölbe des Chors mit einem Schlussstein versehen ist, der eine sehr ursprüngliche Form des Wappens der Grafen von Nassau trägt, die nur bis etwa 1369 in Gebrauch war, wird daraus geschlossen, dass zumindest dieser Teil des Chores noch aus dem 14. Jahrhundert stammt und ein Teil der ursprünglichen Marien- und Begräbniskapelle gewesen sein soll.[1] Dies setzt allerdings voraus, dass der Schlussstein nicht als Spolie aus einem älteren Bau in das Gewölbe übernommen wurde.
Der Neubau wurde bereits am 3. Juni 1491 geweiht, aber erst 1501 vollendet. Er war die erste Dillenburger Pfarrkirche. Zuvor befand sich diese im benachbarten Dorf Feldpach. Die neue Kirche stand zunächst unter dem Patronat von Johannes dem Täufer, den Aposteln und den Evangelisten. 1530 wurde sie im Zuge der Reformation zur evangelischen Kirche. 1640 wurde an der Bergseite, also südseitig, eine Fürstengruft angebaut. Bis 1739 war die Kirche die Grablege des Hauses Nassau-Dillenburg. Auf dem Speicher beherbergte sie 200 Jahre lang die 1551 gegründete Lateinschule, aus der die heutige Wilhelm-von-Oranien-Schule entstand. 1760 übereignete das Haus Oranien-Nassau das Gebäude der Kirchengemeinde, die es nach einem Brand 1669 in den Jahren 1771/72 restaurieren ließ.
Das Gebäude
Das Kirchenschiff ist ein spätgotischer, flach gedeckter Saalbau. Ein Chor mit 5/8-Schluss, der mit einem Sterngewölbe gedeckt ist, und der Westturm fügen sich an. In der Renaissance wurde die Kirche in Folge der Reformation in der Grafschaft Nassau-Dillenburg zu einer reformierten Predigerkirche umgebaut. 1594 – 1597 wurden Kirchenschiff und Westturm durch Konrad Rossbach erneut umgebaut. Aus der Zeit des Umbaus durch Konrad Rossbach stammen weiter auch ein Portal an der Nordseite (1594) und eines an der Südseite (1597) – ein weiteres am Chor ist mit 1630 bezeichnet. Bei dem Umbau durch Konrad Rossbach wurden auch zweistöckige an drei Seiten umlaufende Emporen eingefügt. In ähnlicher Weise sind oder waren auch die Innenräume der Evangelischen Stadtkirche Herborn, die Schlosskirche Beilstein in Beilstein und die Marienkirche in Hanau gestaltet. An der Südseite erhielt die Empore im 18. Jahrhundert eine dritte Etage. Die Verbindung zwischen den beidseitigen Emporen entlang der Westwand wurde erst 1874 geschaffen. 1769 wurde das Gebäude durch einen Brand beschädigt. Die innere Decke des Kirchenschiffs und ihr Stuckschmuck stammen von der anschließenden Renovierung 1771/72.
Der Treppenturm am Chor stammt erst von 1902. Der Innenraum wurde 1988 – 1990 mit Blick auf das 500-jährige Weihejubiläum erneut restauriert. Da die barocke Innenausstattung die einzige war, die komplett belegt werden konnte, wurde diese zur Grundlage der Renovierung gewählt. Seit dem trägt das Holzwerk wieder die barocke Illusions-Marmorierung.
Die Kirche ist ein Kulturdenkmal aufgrund des Hessischen Denkmalschutzgesetzes.
Ausstattung
Die Kirche beherbergt eine Oberlinger Orgel mit 44 Registern und einem Glockenspiel. Das Instrument wurde 1990 in dem historischen Orgelprospekt aus dem 1719 erbaut, der von Florentinus Wang geschaffen wurde. Das Gehäuse, das ein Engel mit einer Posaune krönt, wurde 1990 restauriert.[2] Die Orgel wurde bis 2005 mehrfach ausgebaut.[3]
I Rückpositiv C–g3
1. Gedackt 8' 2. Quintade 8' 3. Traversflöte 8' 4. Principal 4' 5. Koppelflöte 4' 6. Sesquialter II 22/3' 7. Octave 2' 8. Quinte 11/3' 9. Sifflöte 1' 10. Vox humana 8' Tremulant Usignolo II Hauptwerk C–g3 11. Bourdon 16' 12. Principal 8' 13. Bourdon 8' 14. Gamba 8' 15. Octave 4' 16. Gedacktflöte 4' 17. Quinte 22/3' 18. Superoctave 2' 19. Cornett V (ab f0) 8' 20. Mixtur IV 11/3' 21. Cymbel II 1' 22. Trompete 8' Tremulant III Schwellwerk C–g3 23. Hohlflöte 8' 24. Gedackt 8' 25. Salicional 8' 26. Vox coelestis (ab c0) 8' 27. Principal 4' 28. Offenflöte 4' 29. Nasard 22/3' 30. Octavin 2' 31. Terz 13/5' 32. Mixtur III-IV 2' 33. Basson 16' 34. Trompette harmonique 8' 35. Hautbois 8' Tremulant Pedal C–f1 36. Subbass 32' 37. Principalbass 16' 38. Subbass 16' 39. Octavbass 8' 40. Gedacktbass 8' 41. Octavbass 4' 42. Mixtur IV 22/3' 43. Posaune 16' 44. Trompete 8' - Koppeln: I/II, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
- Nebenregister: Cymbelstern; Glockenspiel (koppelbar an jedes Manual)
Das Glockengeläut besteht aus drei Stahlglocken, Ersatz für im Ersten Weltkrieg abgelieferte Bronzeglocken:
- B-Glocke,
- Des-Glocke,
- Es-Glocke,
sowie eine Bronzeglocke von 1510. Diese wurde vor Ort im Beisein von Erbgraf Wilhelm des Reichen und seiner ersten Frau, Walburga von Egmond, gegossen und nach ihr *Walpurgis-Glocke, eine F-Glocke, benannt.
Bestattungen
Als Grablege der nassauischen Grafen, Ahnen des niederländischen Königshauses, zieht sie bis heute viele niederländische Gäste an. Bestattet wurden in der Kirche zahlreiche Mitglieder des Hauses Nassau, u.a.:
- Johann IV. († 1475), bestattet wurde hier nur sein Herz, er selbst in Breda. Das erhaltene Epitaph mit Bild des Herzes wurde 1479 von Meister Jorge aus Marburg geschaffen.
- Wilhelm der Reiche (1487-1559)
- Juliana zu Stolberg (1506 – 1580), Frau von Wilhelm dem Reichen
- Johann VI. (1536-1606)
- Fürst Heinrich von Nassau-Dillenburg (1641-1701)
- Fürstin Dorothea Elisabeth von Schlesien-Leignitz, Frau von Fürst Heinrich (fraglich[4])
- Erbprinz Heinrich August Wilhelm (1700- 1718), Sohn von Fürst Heinrich und Fürstin Dorothea
- Prinzessin Elisabeth Charlotte (1703- 1720), Tochter von Fürst Heinrich und Fürstin Dorothea
- Fürst Wilhelm von Nassau-Dillenburg (1670-1724)
- Herzogin Dorothea Johannette von Holstein-Plön († 1727), Frau von Fürst Wilhelm
Kirchengemeinde
Über 400 Jahre gehörten zur Pfarrei auch die Gemeinden Eibach, Donsbach, Nieder- und Oberscheld sowie Sechshelden.
Die Kirchenmusik ist ein Schwerpunkt im Gemeindeleben.
Literatur
- Folkhard Cremer, Tobias Wolf, u.a.: Georg Dehio. Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Hessen I: Regierungsbezirke Gießen und Kassel. Berlin 2008, S. 173 f.
- G. Ulrich Großmann: Mittel- und Südhessen (Dumont-Kunstreiseführer). Köln 1995, S. 40, ISBN 3-7701-2957-1
- Kirchenvorstand der Evangelischen Kirchengemeinde Dillenburg: Evangelische Stadtkirche Dillenburg. [Faltblatt], o.O., o.J.
- Ernst Petri und Rolf Teutsch: Ein Rekonstruktionsversuch zur Baugeschichte der Ev. Stadtkirche. In: Rolf Teutsch (Hrsg.): Dillenburgs Entwicklung seit die Grafen von Nassau auf dem Dillenberg eine Burg errichten ließen. Dillenburg 1998, S. 40-42.
- Rolf Teutsch: Die Orgeln. In: Rolf Teutsch (Hrsg.): Dillenburgs Entwicklung seit die Grafen von Nassau auf dem Dillenberg eine Burg errichten ließen. Dillenburg 1998, S. 27-33.
- Rolf Teutsch: War der Chor der Ev. Stadtkirche die Marienkapelle? Überraschende Entdeckungen. In: Rolf Teutsch (Hrsg.): Dillenburgs Entwicklung seit die Grafen von Nassau auf dem Dillenberg eine Burg errichten ließen. Dillenburg 1998, S. 34-39.
- Rolf Teutsch: Wappen verraten, was leere Stellen in der Geschichtsschreibung verschweigen. In: Rolf Teutsch (Hrsg.): Dillenburgs Entwicklung seit die Grafen von Nassau auf dem Dillenberg eine Burg errichten ließen. Dillenburg 1998, S. 56-58.
- Heinz Wionski: Baudenkmale in Hessen. Lahn-Dill-Kreis I. Braunschweig 1986, S. 88.
Bilder
Weblinks
Commons: Evangelische Stadtkirche (Dillenburg) – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienEinzelnachweise
- ↑ Teutsch: Chor der Ev. Stadtkirche u. Petri: Rekonstruktionsversuch. Die hier geäußerten übrigen Vermutungen: (1) Der Vorgängerbau sei ein reines Mausoleum gewesen und (2) habe die Form einer achteckigen Rotunde gehabt, sind reine Spekulation, ohne tatsächliche Anhaltspunkte. Zu (1): Im Mittelalter gab es keine solchen Mausoleen. Vielmehr wurde immer so nahe wie möglich am Allerheiligsten beerdigt. Man versprach sich davon größere Sicherheit für das Seelenheil. (2) Eine achteckige Rotunde als Marienkapelle in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wäre ein ziemlich singuläres Bauwerk. Dafür fehlen sowohl urkundliche als auch baugeschichtlich-archäologische Befunde.
- ↑ Vgl. dazu: Teutsch: Die Orgeln.
- ↑ Zur Disposition der Oberlinger-Orgel
- ↑ Teutsch: Wappen.
50.7399558.286653Koordinaten: 50° 44′ 24″ N, 8° 17′ 12″ OKategorien:- Johannes-der-Täufer-Kirche
- Kirchengebäude im Lahn-Dill-Kreis
- Gotisches Kirchengebäude in Hessen
- Renaissancebauwerk in Hessen
- Kulturdenkmal im Lahn-Dill-Kreis
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- Disposition einer Orgel
- Kirchengebäude der Renaissance in Deutschland
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