Glas Goggo

Glas Goggo
Glas Goggo-Roller mit ILO M200V Motor (197 cm³) Ausführung ohne Anlasser mit altem Armaturenbrett
Glas Goggo-Roller mit 200 cm³ und passendem Anhänger von 1953 im Deutsches Zweirad- und NSU-Museum in Neckarsulm
Glas Goggo-Roller mit Seitenwagen
Glas Goggo-Roller von der Seite
Glas Goggo-Roller in der letzten Ausführung mit schrägem Vorderkotflügel und Seitenwagen

Der Glas Goggo, auch Goggo Motorroller oder Goggo Roller sowie anfangs Volksmotorroller Goggo, ist ein Motorroller der früheren Firma Glas aus Dingolfing in Niederbayern (seit 1966 Teil von BMW), der in drei Hauptserien und einer Lastenroller-Variante von 1951 bis 1957 gebaut wurde. Er war zu Produktionszeiten der meistverkaufte Roller Deutschlands und im Export als Glas Isaria bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorgeschichte

Die im Jahr 1883 in Pilsting als Landmaschinenfabrik Glas gedründtete spätere Hans Glas GmbH galt seither in Niederbayern als erfolgreiches Familienunternehmen. Eine rückläufige Nachfrage nach Landmaschinen in den späten 1940er-Jahren veranlasste die zu diesem Zeitpunkt von Hans Glas geleitete Firma jedoch, sich mit der ebenfalls dazugehörigen Maschinenfabrik Isaria neu zu orientieren, diesmal hin zum Bau von Kraftfahrzeugen.

Entwicklung

Der Siegeszug der Vespa-Motorroller von Piaggio in Italien ließ auch im Nachkriegsdeutschland einen Bedarf an diesen leichten und praktischen sowie auch preisgünstigen Kraftfahrzeugen erwarten. Die Idee, einen eigenen Motorroller zu bauen, entstand im Jahr 1949, als Juniorchef Andreas „Anderl“ Glas eine Landmaschinenausstellung in Verona besuchte.

Nachdem er sich anfangs begeistert über dieses damals neuartige Gefährt zeigte, fuhr er vor Ort eine Vespa zur Probe und nahm eine mit nach Bayern. Unter der Leitung des Juniorchefs begann im Jahr 1950 die Entwicklung eines eigenen Motorrollers, der nach seinen Vorstellungen die Nachteile der Vespa, zum Beispiel beim Fahrverhalten, vermeiden und bequemer sein sollte.

Allerdings befürchtete der Seniorchef Hans Glas zunächst, dass Entwicklung und Bau von Motorrollern das eigene kleine Unternehmen überfordern könnte, aber die drei heimlich in Handarbeit entstandenen Prototypen (zwei mit ILO- und einer mit Sachs-Motor) brachten ihn gegen Jahresbeginn 1951 schließlich dazu, seine Meinung zu ändern, und er erlaubte ihre Herstellung.

Serienbau

Schon im Juli 1951 ging der neue Goggo Volksmotorroller mit einem 123 cm³-Einzylinder-Zweitaktmotor der ILO-Motorenwerke in Serie. Benannt war der Roller nach einem Enkel von Hans Glas mit dem Kosenamen „Gogg“, woraus die Modellbezeichnung „Goggo“ wurde. Allerdings waren Produktionsrate und Ausstoß in der Anfangszeit noch gering, da es in dem kleinen Betrieb noch keine Fließbandfertigung gab und die Roller weitgehend in Handarbeit entstanden.

Der Goggo-Roller unterschied sich jedoch technisch stark von der Vespa, seine eher motorrad-ähnliche Vorderradaufhängung über eine Federgabel sowie der vom Hinterrad getrennt im Rahmen eingebaute gebläsegekühlte Motor sorgten für ein wesentlich stabileres und komfortableres Fahrverhalten. Er erwies sich zudem rasch als solide und robust, was am Markt gut ankam. Er wurde daher rasch zum meistverkauften Roller in Deutschland.

Ab 1952 war er auch mit 148-cm³- und 197-cm³-ILO-Motor als Solo-Roller und mit Seitenwagen sowie ab 1953 als dreirädriger Lastenroller (Nutzlast 250 kg) mit verschiedenen Aufbauten zu haben. Der Goggo mit dem 200-cm³-Motor hatte eine Leistung von ca. 10 PS sowie ein neues Vierganggetriebe und war ca. 90 km/h schnell. In Spitzenzeiten soll alle neun Minuten ein Roller das Werk verlassen haben. Bei den Verkaufszahlen übertraf er die Konkurrenz erheblich.

Um 1952, mehr oder weniger gleichzeitig mit dem großen 200-cm³-Modell, erschien auf dem Markt zudem ein kleiner, stilistisch zum Roller passender Anhänger, der jedoch wie manch anderes für diese Roller hergestellte Zubehör, ebenso wie auch die zum Teil nur 40 kg leichten Seitenwagen, recht selten blieb. Im Jahr 1953 erschienen erstmals auch die neuen Versionen mit elektrischem Anlasser und Bordbatterie, was die Verkaufszahlen weiter steigerte.

Der karrossierte Roller bot im Vergleich zu den Motorrädern einen recht guten Schutz für Fahrer und Mitfahrer und galt allgemein als besonders elegant und stilistisch gelungen. Der Goggo Motorroller war daher auch im Export erfolgreich. Zeitweise gingen bis zu 20 % der Produktion unter der (in Deutschland selbst markenrechtlich vergebenen) Bezeichnung Isaria ins europäische Ausland und – eigentlich kaum zu glauben – auch nach Italien.

Das Jahr 1955 brachte eine komplette Überarbeitung der Rollerkarosserie, und auch technisch gab es eine Flut von Neuerungen. Glas arbeitete ständig an Verbesserungen, um nicht den Anschluss an die Konkurrenz zu verpassen. Die neuen Modelle ließen sich leicht an einem neuen, schräg gehaltenen Vorderkotflügel erkennen. Eine neue Vorderrad- und Hinterradaufhängung mit zusätzlichen hydraulischen Stoßdämpfern verbesserte nochmals Fahrverhalten und Fahrkomfort.

Im Jahr 1956 sollte die Herstellung des Goggo trotz des großen Erfolgs eingestellt werden. Die große 200er-Version hatte dabei einen Produktionsanteil von 85 %. Doch der mit den ILO-Motorenwerken aus Pinneberg die auf den geltenden Motorenliefervertrag bestanden und die weiterhin bestehende Nachfrage seitens Händler und Kunden brachten die Firma Glas dazu, eine letzte Auflage des Rollers unter der Zusatzbezeichnung T57 auf den Markt zu bringen.

Im Jahr 1957 stellte Glas den Bau von Motorrollern nach genau 46.666 Exemplaren aller Versionen inklusive der dreirädrigen Lastenroller (nur 450 Exemplare) ein, nachdem die wirtschaftliche Grundlage für den Autobau gefestigt war und der Zweiradboom der Nachkriegszeit nunmehr zu Ende ging.

Der Goggo Motorroller war auch der Namenspatron für das 1954 vorgestellte und 1955 in Serie gegangene vierrädrige Goggomobil, das erste Auto der Marke Glas, das ebenfalls im In- und Ausland ein Erfolg wurde.

Situation heute

Der Goggo Motorroller ist heute trotz der hohen damals gebauten Stückzahl selten geworden und trotz der früheren großen Verbreitung auch bei weitem nicht mehr so bekannt wie die klassischen italienischen Roller wie etwa die Vespa oder die Lambretta. Er ist aber als Urahn aller späteren Glas-Fahrzeuge ein beliebtes Sammlerfahrzeug.

Versionen

Die drei Hubraum-Grundvarianten und der Lastenroller lassen sich wie folgt aufschlüsseln:

  • Goggo 98 (nie gebaut)
  • Goggo 125 (07/1951 bis 10/1953)
  • Goggo 150 (04/1952 bis 10/1953)
  • Goggo 200 (03/1953 bis 10/1953)
  • Goggo 125/2 (10/1953 bis 08/1954)
  • Goggo 150/2 (10/1953 bis 08/1954)
  • Goggo 200/2 T54 (10/1953 bis 08/1954)
  • Goggo Lastenroller (12/1953 bis 08/1954 – nur 485 Exemplare)
  • Goggo 125 T55 (08/1954 bis 09/1956)
  • Goggo 150 T55 (08/1954 bis 09/1956)
  • Goggo 200 T55 (08/1954 bis 09/1956 – letzte 400 Exemplare als T57 noch bis 06/1957)

Kopien und Derivate

In der ehemaligen Sowjetunion erschien im Jahr 1957, also mit Produktionsende des originalen Goggo-Motorrollers, eine 1:1-Kopie von diesem unter dem Namen Tula 200. Obwohl das vom Mischkonzern Tula hergestellte Fahrzeug dem Original ab der 1955er-Serie optisch aufs Haar glich, konnte sich dieses in Westeuropa vor allem in den Benelux-Staaten angebotene Roller-Plagiat jedoch trotz extrem günstigen Preises aufgrund der mangelhaften Qualität nicht durchsetzen.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Goggo Motorroller – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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