Grenzbefestigungen der Schweiz

Grenzbefestigungen der Schweiz
Befestigungen der Stadt Zürich im 17. Jhr.
Festung Aarburg
Festung Luzisteig

Die Grenzbefestigungen der Schweiz waren eine militärische Verteidigungslinie der Schweizer Armee zur Wahrung der Unabhängigkeit [1] im Sinne der bewaffneten Neutralität und des Haager Neutralitätsabkommens. Infolge der rasanten Weiterentwicklung der Kriegstechnik mussten die Grenzfestigungen während dem Zweiten Weltkrieg mit gestaffelten Verteidigungslinien (vorgeschobene Stellungen, Limmatstellung) und dem Reduit ergänzt werden.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Die Grenzbefestigungen befanden sich entlang der Schweizer Grenze an strategisch wichtigen Punkten und sind heute noch grösstenteils erhalten, weil der Rückbau mit hohen Kosten verbunden ist.

Geschichte

Seit Jahrtausenden gab es auf dem Gebiet der Schweiz Grenzbefestigungen. Während die Helvetier reduitähnliche Höhenfestungen bevorzugten, bauten die Römer entlang des Rheins eine Grenzbefestigung (Limes) mit Wachtürmen und Kastellen. Die mittelalterlichen Stadtstaaten schützten sich mit Burgen und ca. 200 Stadtbefestigungen. Je mehr sich die Städte und eidgenössischen Stände (später Kantone) verbündeten, veränderte sich auch deren zu befestigende Aussengrenze. Bald nach dem Bund von 1291 begannen Schwyz und Unterwalden die Zugänge in ihre Täler mit Letzinen zu sichern. Die erhöhte Feuerkraft der Artillerie im 16. Jahrhundert veranlasste Zug, Solothurn, Genf, Zürich und Basel sowie Schaffhausen (Munot) ihre Befestungen zu verstärken. Die Bedrohung der Schweiz im Dreissigjährigen Krieg führten in Genf, Bern, Zürich und Solothurn zum Ausbau der Stadtbefestigungen mit Wällen und Bastionen. In den Grenzgebieten zur jeweils anderen Konfession legen die katholischen wie auch die reformierten Stände Festungen an, um die es in den Villmergerkriegen teilweise zu Kämpfen kommt.

Im 19. Jahrhundert tauchte die Idee einer gestaffelten Grenzverteidigung auf. Die Grenzbefestigungen wurden mit zusätzlichen Festungen im Hinterland verstärkt, um Zeit für das Eintreffen eidgenössischer Verstärkung zu gewinnen. 1831 entstanden die Festungen bei Aarburg, auf dem Luziensteig und eine Talsperre bei Saint-Maurice. 1854 wurden südlich von Bellinzona Festungen gebaut. Die Eröffnung des strategisch wichtigen Gotthardtunnels und das Entstehen der beiden Nationalstaaten Italien und Deutschland führte zwischen 1885 und 1902 zu einer Befestigung des Gotthardgebiets.

Fortifikation Hauenstein: Militärstrasse zur Belchenflue, 1914-15 erbaut

Erster Weltkrieg

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs baute die Schweizer Armee überall in den Grenzgebieten Feldbefestigungen. Im Tessin entstand eine geschlossene Abwehrstellung (Südtessin, San-Jorio-Pass). Auf den Jurahöhen im Raum Olten (Fortifikation Hauenstein) und in der Gegend von Murten (Fortifikation Murten: Sperre auf der Achse Bielersee-Murtensee-Saane) wurden Festungssysteme gebaut, um allfällige Neutralitätsverletzungen durch Deutschland und Frankreich zu verhindern. 1915, nach dem Kriegseintritt Italiens auf der Seite der Alliierten, wurden Befestigungen am Umbrailpass angelegt.

Bunker am Rheinufer: Die Sperrstelle Rheinau-Dachsen-Marthalen besteht aus 50 Objekten
Bunker Felsenau, Rhein-Aarebrücke
Infanteriebunker Räbhüsli von 1938 über dem EW Rheinau (oben links), Sperrstelle auf der Staumauer. Hier gab es bereits keltische und mittelalterliche Befestigungen.

Zweiter Weltkrieg

In der Zwischenkriegszeit wurde das Büro für Befestigungsbauten aufgelöst, weil die Bedeutung der Befestigungen nach den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges relativiert wurde. Der Bau der Maginotlinie durch Frankreich führte zu einem Umdenken. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg entstanden an verschiedenen wichtigen Punkten Festungen im Schweizer Grenzgebiet (Vallorbe, am Rhein). Unmittelbar an der Grenze wurden die Artilleriewerke Festung Ebersberg (Kanton Zürich), Reuenthal (Kanton Aargau), Heldsberg (Kanton St.Gallen) und Geissberg (Aargau) gebaut. Neue Anlagen wurden am Gotthard, in Saint-Maurice und im Raum Sargans (Festung Furggels) erstellt. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges baute die Truppe ausgedehnte Sperrwerke und Panzerhindernisse, denen man auch heute noch in der ganzen Schweiz begegnet.

Die schwach besetzte Schweizer Westgrenze stellte für die Schweiz ein neutralitätspolitisches Problem dar, weil sie eine südliche Umgehung der Maginotlinie durch die deutsche Wehrmacht nicht hätte verhindern können. Deshalb schloss die Armeeführung unter General Guisan mit Frankreich ein geheimes Abkommen (Manöver H), das französischen Divisionen erlaubt hätte, in die Schweiz einzumarschieren und vorbereitete Abwehrstellungen auf dem Gempenplateau zu besetzen. Das Ende März 1940 umsetzungsbereite Abkommen war insofern neutralitätsrechtlich korrekt, weil kein Automatismus bestand und die französischen Truppen erst nach einem deutschen Angriff und einem bundesrätlichen Hilfsgesuch in Marsch gesetzt worden wären. [2]

Unter dem Eindruck der Blitzkriege Deutschlands gegen Polen und Frankreich wurde General Guisan bewusst [3], dass die Armee nicht flächendeckend über die ganze Schweiz, sondern nur schwerpunktmässig in einem begrenzten Gebiet erfolgreich kämpfen könne. Es wurde ein dreistufiges Konzept mit einer Verteidigung in der Grenzzone, einer ersten, vorgeschobenen Stellung im Mittelland (Limmatstellung, Raum Hauenstein, Jura, Jolimont, Mont Vully, Murten, Saane) und einer Zentralraumstellung, dem Reduit entwickelt.

Mit dem Operationsbefehl Nr. 13 wurde dann die vorgeschobene Stellung als operative Stellung aufgegeben. Von der Grenze durchs Mittelland sollte nur noch ein Verzögerungskampf geführt werden, da sich das Gros der Armee in das Reduit in den Alpen zurückzog.

Der Lauf der Geschichte bestätigte die Notwendigkeit von Grenzbefestigungen an allen Abschnitten der Schweizer Landesgrenze, um sich vor militärischer Aggression abzusichern und den Neutralitätsverpflichtungen glaubwürdig nachzukommen. Gleichwohl haben die Festungsbauten des 20. Jahrhunderts nur zu Übungszwecken geschossen und ein Krieg im eigenen Land blieb den Schweizern erspart.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Schweizerische Bundesverfassung, Artikel 2: Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
  2. Jürg Stüssi-Lauterburg: Freier Fels in brauner Brandung. Rede zum 70. Jahrestag der Kriegsmobilmachung, Jegenstorf, 2. September 2009
  3. Operationsbefehle von General Henri Guisan Nr. 12 vom 17. Juli 1940 und Nr. 13 vom 24. Mai 1941

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