- Grenzschutz der DDR
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Der Grenzschutz der DDR ist eine unter der Regierung de Maizière im Jahr 1990 aufgebaute polizeiliche Grenzschutzorganisation beim Innenministerium der DDR, die mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten in den Bundesgrenzschutz (BGS) übernommen wurde.
Inhaltsverzeichnis
Entstehungsgeschichte
Anfang Januar 1990 gab der damalige Vorsitzende des Ministerrates der DDR, Hans Modrow, die Anweisung zum Aufbau eines „Grenzschutz der DDR“ bei gleichzeitiger Reduzierung der Grenztruppen der DDR um 50 Prozent des Personalbestandes auf 28.0000 Mann unter Einschluss der bisher der NVA unterstellten 6. Grenzbrigade Küste und der Passkontrolleinheit (PKE) der Hauptabteilung VI des MfS.[1] Am 2. April 1990 erteilte daraufhin der Ministers für Nationale Verteidigung, Admiral Theodor Hoffmann, den Befehl Nr. 46/90 zur Bildung des „Grenzschutz der DDR“. Nach Bildung der ersten frei gewählten Regierung der DDR wurden im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der „Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion“ zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik am 1. Juli 1990 mit Befehl Nr. 10/90 des Ministers für Abrüstung und Verteidigung, Rainer Eppelmann, vom 26. Juni 1990 "die Maßnahmen der Grenzüberwachung und der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs" an der innerdeutschen Grenze und in Berlin gegenüber Inländern eingestellt. Zugleich wurden die militärisch organisierten Grenztruppen der DDR für die fortzuführenden Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien, den Seegrenzen und Flughäfen in operativen Fragen dem Minister für Innere Angelegenheiten, Peter-Michael Diestel, unterstellt. Eppelmann befahl zugleich, aus Angehörigen der Grenztruppen ab 1. Juli 1990 in Verantwortung des Chefs der Grenztruppen der DDR in Weisungsunterstellung unter den Innenminister einen "Grenzschutz der DDR" zu bilden. Die aufgebauten Dienststellen des Grenzschutzes waren schrittweise an den Innenminister zu übergeben. Am 5. Juli 1990 befahl der Stellvertreter des Ministerpräsidenten und Minister des Innern der DDR, Peter-Michael Diestel, auf der Grundlage eines „Beschlusses des Ministerrates über die weitere Formierung, die Führung und den Einsatz des Grenzschutzes der DDR“, im Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern eine "Hauptdirektion Grenzschutz" zu bilden und einen polizeilichen Grenzschutz mit ca. 7.000 Stellen für Polizistinnen und Polizisten sowie ca. 1.000 Stellen für Verwaltungspersonal zu formieren. Erster Chef dieses polizeilichen Grenzschutzes wurde der letzte Innenminister der DDR-Regierung unter Modrow und spätere Berater Diestels, Generalinspekteur Lothar Ahrendt, erster Stabschef der ehemalige Stellvertretende Chef des Stabes der Grenztruppen, Frithjof Banisch[2]. Diesem Grenzschutz wurde mit dem „Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei“ vom 13. September 1990 als neuer Teil des Ministeriums des Innern die Grenzschutzaufgabe an den Außengrenzen der DDR übertragen.[3]
Gliederung des Grenzschutz der DDR
In Erwartung der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten und unter beratender Einflussnahme des Bundesministeriums des Innern, vor allem von Ulrich Kersten, orientierten sich Aufbau und Organisation des polizeilichen Grenzschutzes der DDR bereits eng am Bundesgrenzschutz der Bundesrepublik Deutschland. Der dem Innenministerium der DDR angegliederten Hauptdirektion des Grenzschutzes der DDR in Berlin mit ca. 250 Angehörigen waren nachgeordnet:
- das Grenzschutzamt Pirna mit ca. 700 Angehörigen an den Grenzschutzstellen Schönberg, Carlsfeld, Oberjugel, Oberwiesenthal, Reizenhain, Olbernhau, Zinnwald, Bahratal, Schmilka, Bad Schandau, Ebersbach, Seifhennersdorf und den mobilen Fahndungsgruppen Marienberg und Pirna (Grenze zur Tschechoslowakei)
- das Grenzschutzamt Frankfurt/Oder mit ca. 870 Angehörigen an den Grenzschutzstellen Zittau, Görlitz, Bad Muskau, Forst, Guben, Eisenhüttenstadt, Frankfurt/Oder, Marxwalde, Schwedt, Pomellen, Linken, Rieth und den mobilen Fahndungsgruppen Eisenhüttenstadt und Schwedt (Grenze zu Polen)
- das Grenzschutzamt Rostock mit ca. 580 Angehörigen an den Grenzschutzstellen Ahlbeck, Stralsund, Warnemünde, Wismar, Saßnitz mit Bootsfahndungsgruppe und Rostock mit Bootsfahndungsgruppe sowie den mobilen Fahndungsgruppen Rostock und Bansin (Grenzen in der Ostsee)
- das Grenzschutzamt Flughäfen mit ca. 120 Angehörigen an den Grenzübergangsstellen Schönefeld, Erfurt, Leipzig, Dresden, Barth und Heringsdorf (ohne Personal für Objektschutz, Außensicherung, Terrorabwehr und Flugsicherheit)
- das Grenzschutzkommando Ost mit 225 Angehörigen und Sitz in Pätz mit den Grenzschutz-Einsatzabteilungen in Perleberg, Eisenach und Berlin-Wilhelmshagen (jeweils ca. 750 Angehörige in drei Grenzschutz-Hundertschaften und einer Stabshundertschaft), der Grenzschutzabteilung Ausbildung in Suhl und dem Grenzschutz-See mit einer Flottille in Warnemünde und Saßnitz
- die Grenzschutz-Schule in Suhl
- die Hubschrauber-Einheit mit ca. 290 Angehörigen in den Hubschrauber-Staffeln in Laage, Marienberg und Diepensee sowie Wartungsbasen in Nordhausen und Diepensee
- das Versorgungslager in Neuseddin, die Werkstatt für Kontroll- und Sicherungstechnik in Berlin-Ahrensfelde, die Werkstatt für Grenzübergangsstellen-Anlagen in Berlin und die Nachrichtenwerkstatt.[4]
Personal des Grenzschutz der DDR
Die Planstellen des Grenzschutzes waren nach den Festlegungen des Innenministeriums für Bewerber aus der Deutschen Volkspolizei, den Grenztruppen der DDR und der Zollverwaltung der DDR auszuschreiben, wobei lediglich 75 Prozent der Stellen aufzufüllen waren, um nach der Wiedervereinigung die weiteren Stellen mit Beamten des Bundesgrenzschutzes (BGS) zu besetzen. Für diese im Juli 1990 veröffentlichten Ausschreibungen wurden durch das Innenministerium der DDR Einstellungskriterien erlassen, welche mit dem Bundesministerium des Innern abgestimmt waren. Darin wurde festgelegt, dass „keine Angehörigen […] der Grenztruppen, sofern sie im Zusammenhang mit der Tötung oder Verletzung von Menschen durch Schusswaffenanwendung im Grenzdienst stehen, in den Grenzschutz eingestellt […] werden“. Die Auswahl der Bewerber oblag Personalauswahlkommissionen des Innenministeriums der DDR, die auch über die Einhaltung der Auswahlkriterien zu wachen hatten. Etwa 3.500 Angehörige der Grenztruppen wurden bis September 1990 für den Grenzschutz der DDR ausgewählt.[5] Die aus dem Bereich des Ministers für Abrüstung und Verteidigung für den Grenzschutz ausgewählten Angehörigen der NVA und der Grenztruppen wurden aus dem aktiven Wehrdienstverhältnis entlassen und schlossen mit dem Grenzschutz der DDR einen neuen Dienstvertrag mit in der Regel niedrigeren Dienstbezeichnungen der Deutschen Volkspolizei. Hinzu kamen ca. 1.800 Angehörige der mit den bahnpolizeilichen Aufgaben in der DDR betrauten Transportpolizei, ca. 1.200 Angehörige der Passkontrolleinheiten der ehemaligen Hauptabteilung VI des MfS sowie 200 ehemalige Angehörige des MfS aus anderen Diensteinheiten (z.B. Terrorabwehr, Personenschutz)[6] und im Wege der Organleihe ca. 60 Angehörigen der Bahnpolizei der Deutschen Reichsbahn aus dem Westteil Berlins, die keine DDR-Bürger waren. Weiterhin wurden in den Grenzschutz ehemalige Angehörige der Zollverwaltung (vor allem an den Grenzübergängen und den Flughäfen, wo sie mit der Kontrolle der Sicherheit des Luftverkehrs betraut waren) eingestellt sowie Angehörige der Bereitschaftspolizei des Ministeriums des Innern und der Betriebsschutzkommandos der Volkspolizei an den Flughäfen, der Kriminalpolizei, der NVA (vor allem Hubschrauberpiloten, Techniker und Angehörige der Marine für die Seeüberwachung) und diverse Zivilbeschäftigte ausgewählt. Die Uniform bestand aus der Uniform der Deutschen Volkspolizei mit dem schildförmigen Ärmelaufnäher „Grenzschutz“.
Übergang in die Bundeszuständigkeit
Die Regierungen der DDR und der Bundesrepublik vereinbarten im Einigungsvertrag, dass der Grenzschutz der DDR in Bundeszuständigkeit übernommen wird[7] und dadurch die Beschäftigungsverhältnisse der Angehörigen des Grenzschutzes der DDR ab dem 3. Oktober 1990 zum Bund fort galten.[8] Bereits in der Aufbauphase überwachte die Bundesregierung den Aufbau des Grenzschutzes sehr eng mit Hilfe von Beratern beim Innenministerium der DDR. Personal und Struktur des Grenzschutzes der DDR wurde am 3. Oktober 1990 vollständig vom Bundesgrenzschutz (BGS) übernommen. Dabei wurde das Grenzschutzkommando Ost als Teil der bereitschaftspolizeilichen Verbände des BGS verselbständigt, erhielt die Fliegerstaffeln unterstellt und gliederte die Verwaltung der Grenzschutzabteilungen zur Grenzschutzverwaltung Ost aus, die Flottille des Grenzschutz der DDR wurde dem BGS See angegliedert und die Grenzschutzämter der Grenzschutzdirektion Koblenz unterstellt. Die bisherige Hauptdirektion Grenzschutz in Berlin wurde eine Außenstelle der Grenzschutzdirektion Koblenz.
Literatur
- Jürgen Ritter/Peter Joachim Lapp: Die Grenze. Links, Berlin 2009, ISBN 978-3-86153-560-7.
- Klaus Froh: Die Generale und Admirale der NVA. Bechtermünz, Augsburg 2003, ISBN 3-8289-0542-0.
- Volker Koop: Ausgegrenzt. Brandenburgisches Verl.-Haus, Berlin 1993, ISBN 3-89488-064-3.
Einzelnachweise
- ↑ Jürgen Ritter/Peter Joachim Lapp, Die Grenze: Ein deutsches Bauwerk, Links, Berlin 2009, S. 140
- ↑ vgl. Klaus Froh: Die Generale und Admirale der NVA. Bechtermünz, Augsburg 2003, S. 284
- ↑ DDR-GBl. I 1990, S. 1989
- ↑ Volker Koop, Ausgegrenzt – Der Fall der DDR-Grenztruppen, Brandenburgisches Verl.-Haus, Berlin 1993, S. 55 und 176
- ↑ Jürgen Ritter/Peter Joachim Lapp, Die Grenze: Ein deutsches Bauwerk, Berlin 2009, S. 143
- ↑ Schriftlicher Bericht des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium des Innern, Eduard Lintner, an den Bundestagsabgeordneten Joachim Clemens (CDU) vom 14. Mai 1993
- ↑ Einigungsvertrag vom 31. August 1990, Artikel 13 Absatz 2, BGBl. II S. 885, 1055
- ↑ Einigungsvertrag vom 31. August 1990, Anlage I, Kapitel XIX, Sachgebiet A, Abschnitt III, Ziffer 1, BGBl. II S. 885, 1055
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