- INDECT
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INDECT ist das Akronym des EU-Projektes Intelligent information system supporting observation, searching and detection for security of citizens in urban environment (Engl.; Dt.: Intelligentes Informationssystem zur Unterstützung von Überwachung, Suche und Erfassung für die Sicherheit von Bürgern in städtischer Umgebung), eines von der Europäischen Union im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms finanzierten Vorhabens im Bereich der intelligenten Sicherheitssysteme.[1] Ziel des Projektes ist es, durch den Einsatz von Videoüberwachung automatisch strafrechtlich relevante Bedrohungen und Taten zu erkennen. Erreicht werden soll dies durch die Bündelung und automatische Auswertung der Videoströme verschiedener Überwachungskameras, um eine präemptiven Polizeiarbeit zu ermöglichen. Primäre Zielgruppen sind Homeland Security Services (Dt. wörtlich Dienste für Innere Sicherheit, sinngemäß Sicherheitsbehörden), Polizeibehörden und Gemeinden.[2]
Inhaltsverzeichnis
Konzept
Ziel des INDECT-Projekts ist die Bündelung von Hard- und Software verschiedener Überwachungstechnologien. Mittels "Predictive Analytics" und "Relationship mining" sollen Risiken analysiert und Straftaten vorhergesehen werden. Dazu setzt man einerseits auf die Überwachung des Internets mit Hilfe von Suchmaschinen zum schnellen Auffinden von Bildern und Videos mithilfe von digitalen Wasserzeichen sowie automatisierte Suchroutinen zur Aufspürung von beispielsweise Gewalt oder „abnormalem Verhalten“ sowohl im World Wide Web als auch im Usenet und in P2P-Netzwerken.[3][4] Dabei wird auch versucht, die Computerlinguistik dahingehend weiterzuentwickeln, dass die Suchroutinen in der Lage sind, Beziehungen zwischen Personen sowie den Kontext einer Unterhaltung, z.B. in Chats, bei der Interpretation der Sprache mit einzubeziehen.[5]
Darüber hinaus soll die Polizei mit Hilfe von INDECT bewegliche Objekte und Subjekte (Personen) beobachten können. Dazu sollen auch Prototypen mobiler Geräte entwickelt werden. Für dieses mobile städtische Überwachungssystem (Mobile Urban Observation System) sollen fliegende Kameras – so genannte Unmanned Aerial Vehicles (UAV, unbemannte fliegende Fahrzeuge) wie etwa Quadrocopter (Helicopter mit vier Propellern für den Auftrieb)– zum Einsatz kommen. Diese UAV sollen intelligent und autonom vernetzt werden und miteinander kooperieren, um verdächtige bewegliche Objekte sowohl zu identifizieren als auch im städtischen Raum verfolgen zu können.[6] Als verdächtig könnte damit bereits ein Rennen oder Flüchten auf öffentlichen Straßen bewertet werden.[7]
Die daraus erhaltenen Daten sollen in einer Datenbank gespeichert und durch bereits vorhandene Daten ergänzt werden. Dazu gehören unter anderem die auf Grund der Vorratsdatenspeicherung erhobenen Kommunikationsdaten, Überwachungskameras, Handyortung, Gesichtserkennung und Telekommunikationsüberwachung.
Durch eine Vernetzung all dieser Informationsquellen können Menschen, die einmal durch anormales Verhalten auffallen, leicht überwacht werden. Beispielsweise könnte eine Person, die ein Drohvideo im WWW postet, über die automatischen Suchroutinen online überwacht und gegebenenfalls identifiziert werden. Fotos aus dem Personalausweis können verwendet werden, um die Person erkennen zu lassen mit Hilfe von Überwachungskameras, die zur Gesichtserkennung ausgestattet sind. Alternativ oder zusätzlich dazu kann auch das Mobiltelefon der Zielperson mit Hilfe von GSM oder GPS geortet und die Person so rund um die Uhr überwacht und verfolgt werden.
Erwartete Ergebnisse
Folgende Punkte werden als Ergebnisse des INDECT Projekts erwartet:
- Testinstallation von Überwachungssystemen zur Gefahrenerkennung in großstädtischen Bereichen.
- Geräte zur mobilen Objektverfolgung
- Erstellung einer Suchmaschine mit der Möglichkeit einer semantischen Suche in Dokumenten, basierend auf Wasserzeichen
- System zur Verfolgung krimineller Aktivität und Gefahrenerkennung im Internet
- Sicherstellen von Datensicherheit und Schutz der Privatsphäre durch den Einsatz von Wasserzeichentechnologien und kryptografischen Algorithmen
Beteiligte Firmen und Organisationen
Am INDECT-Projekt arbeiten mehrere Universitäten sowie privatwirtschaftliche Unternehmen aus verschiedenen EU-Ländern mit.
Universitäten und Fachhochschulen, EU[8]
- Berg- und Hüttenakademie Krakau (Polen)
- Technische Universität Danzig (Polen)
- Universität Carlos III zu Madrid (Spanien)
- Technische Universität Sofia (Bulgarien)
- Bergische Universität Wuppertal (Deutschland)
- University of York (Großbritannien)
- Technische Universität Ostrava (Tschechien)
- Technische Universität Košice (Slowakei)
- Fachhochschule Technikum Wien (Österreich)
Firmen, Deutschland
Finanzierung und Zeitplan
Die Europäische Union finanziert das Projekt mit 10,91 Mio. Euro; es läuft seit Jahresbeginn 2009 und soll fünf Jahre dauern.[3]
Kritik
Die britische Zeitung Telegraph spricht im Zusammenhang mit dem Projekt INDECT von einem Orwellschen Plan.[10]
Die deutsche Zeitung Die Zeit bezeichnet das Projekt als den Traum der EU vom Polizeistaat, in dem Begriffe wie Unschuldsvermutung oder gerichtsfester Beweis keine Bedeutung mehr haben.[4]
Auch Studenten an der Bergischen Universität Wuppertal üben Kritik an dem europäischen Forschungsprojekt. So sprechen sich die Hochschulgruppen Jusos[11], lira[12] und Piraten[13] gegen die Beteiligung der Universität an INDECT aus. Auch der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA)[14] und das Studierendenparlament (StuPa)[15] fordern eine sofortige Einstellung der Beteiligung des Fachbereiches E am Projekt. Zudem wurde das Projekt auch für die Big Brother Awards nominiert.[16]
In einem am 5. Dezember 2009 im Rahmen der Nachrichtensendung ZIB ausgestrahlten Beitrag wurden Kritiker zitiert, die der Meinung waren, die zunehmende Datenspeicherung helfe nicht bei der Verbrechensbekämpfung; am Ende des Projekts stehe der gläserne Mensch. Dem österreichischen Datenschützer Hans Gerhard Zeger zufolge würde die technische Überwachung den Heuhaufen an Datenschrott vergrößern und man würde die Nadel, also den gefährlichen Verbrecher nämlich, immer schwerer finden.[17]
Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Datenschutzzentrums Schleswig-Holstein, räumt ein: Man kann nichts gegen die Grundidee sagen, technische Mittel zur Effektivierung der Tätigkeit von Sicherheitsbehörden einzusetzen, das Projekt INDECT jedoch stehe konzeptionell mit europäischem und deutschem Datenschutz- und Verfassungsrecht im Widerspruch.[18]
Im September 2010 wurden die Geheimhaltungsvorschriften verschärft; ein Ethikrat soll von nun ab über die Veröffentlichung von Informationen entscheiden, die das INDECT-Projekt betreffen.[19]
Am 8. September 2010 veröffentlichten Futurezone und die Piratenpartei Deutschland Dokumente, welche ihr zugespielt wurden, nachdem sie vom Ethikrat zur nachträglichen Überprüfung zurückgezogen wurden.[20] Die Dokumente sind mittlerweile unverändert wieder auf der offiziellen Website verfügbar.[21]
INDECT und die damit verbundene Geheimhaltung werden inzwischen massiv von Abgeordneten des Europäischen Parlaments kritisiert.[22] [23]
Siehe auch: Data-Mining, Open Source Intelligence und Raum der Freiheit, der Sicherheit und des RechtsEinzelnachweise
- ↑ Project's Grant Agreement (abgerufen am 14. November 2011)
- ↑ Matthias Monroy: Allround-System für europäische Homeland Security. TELEPOLIS, 4. Januar 2010.
- ↑ a b c Offizielle Projektbeschreibung
- ↑ a b Kai Biermann: Indect - der Traum der EU vom Polizeistaat. Die Zeit, 24. September 2009.
- ↑ WikiLeaks: "EU social network spy system brief, INDECT Work Package 4, 2009"
- ↑ Matthias Monroy: »Wir müssen vor die Lage kommen« – Die fortschreitende Digitalisierung der Polizeiarbeit eröffnet den europäischen Verfolgungsbehörden ungeahnte Möglichkeiten. Mit »intelligenter Strafverfolgung« will man »abweichendes Verhalten« sogar vorhersehen. in: konkret Heft 3/ 2010, S. 36
- ↑ http://web.piratenpartei.de/100908-Piratenpartei-veroeffentlicht-INDECT-Dokumente
- ↑ Offizielle indect-project.eu Webseite. Abgerufen am 2. April 2010
- ↑ Erich Moechel: "Indect": Videotechnik aus dem Burgenland. futurezone.orf.at, 9. November 2009 (Link nicht mehr abrufbar)
- ↑ Ian Johnston: EU funding 'Orwellian' artificial intelligence plan to monitor public for "abnormal behaviour". The Daily Telegraph, 19. September 2009.
- ↑ Jusos Wuppertal: Der totale Überwachungsstaat? In Wuppertal mittendrin statt nur dabei!
- ↑ lira fordert erneut die Einstellung der Beteiligung am EU-Forschungsprojekt INDECT
- ↑ Piraten HSG & lira Wuppertal - Pressemitteilung
- ↑ AStA Wuppertal: Glückwunsch - Wuppertal forscht für den Polizeistaat!
- ↑ StuPa Wuppertal fordert Ende der Beteilung an INDECT
- ↑ http://www.asta.uni-wuppertal.de/index.php?id=105&tx_ttnews%5Btt_news%5D=48
- ↑ ORF ZIB: Forschungsprogramm Datenschützer warnen vor EU-Forschungsprogramm
- ↑ Thomas Salter: Die moderne Verbrecherjagd – Augen am Himmel der Städte - dank EU. taz.de, 24. Dezember 2009.
- ↑ futurezone.orf.at, 3. September 2010: Kontrolle - EU-Überwachung: INDECT auf Tauchstation. (Link nicht mehr abrufbar)
- ↑ piratenpartei.de, 8. September 2010: Piratenpartei veröffentlicht INDECT-Dokumente: EU forscht im Geheimen am Überwachungsstaat
- ↑ wiki.piratepartei.lu, Dezember 2010: Bericht über INDECT Ethics Board und lancierte Dokumente der Piratenpartei Luxemburg
- ↑ 17. Februar 2011: EurActiv.de-Interview mit Stavros Lambrinidis: Indect bedeutet Big Brother
- ↑ 10. Februar 2011: Alexander Alvaro: Written Declaration No. 82/2010 on INDECT
Weblinks
Wikinews: Listening to you at last: EU plans to tap cell phones – vom 19. Oktober 2009.- futurezone.orf.at, 4. April 2010: INDECT unter Beobachtung. (Link nicht mehr abrufbar): – Interview mit dem europäischen Datenschutzbeauftragten Peter Hustinx
- neues-deutschland.de, 7. Dezember 2010, Marian Krüger: Menschensuchmaschine des Polizeistaats
- nomenom.blogspot.com: Projekt INDECT - Einblicke in das Europäische Sicherheitsforschungsprogramm, Research Paper, deutsch (15. Januar 2011)
- Über Indect: Dr. Thilo Weichert (ULD) im Interview mit Jacob Jung (18. Mai 2011)
- "Steuergelder für den Überwachungsstaat" - Artikel auf netzpolitik.org
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