Michael Rössner

Michael Rössner

Michael Rössner (* 28. August 1953 in Wien) ist ein österreichischer Kulturwissenschaftler, Romanist und Übersetzer, der sich mit dem Verhältnis Zentrum und Peripherie sowie hybriden kulturellen Räumen befasst. Er hat Werke des italienischen Dramatikers Luigi Pirandello ins Deutsche übersetzt und sein Gesamtwerk herausgegeben.

Inhaltsverzeichnis

Wissenschaftliche Laufbahn

Nach Abschluss des Übersetzer- und Rechtsstudiums promovierte Michael Rössner 1979 in Romanischer Philologie sub auspiciis mit einer Studie zum italienischen Literaturnobelpreisträger Luigi Pirandello (Pirandello Mythenstürzer, Wien 1980). Seine romanistische Habilitationsschrift widmete sich der Mythosforschung (Auf der Suche nach dem verlorenen Paradies, Frankfurt 1988).

Nach Jahren als Assistent, Dozent und Assistenzprofessor in Wien wurde Rössner 1991 an die Ludwig-Maximilians-Universität München berufen, wo er einen Lehrstuhl für Romanische Philologie innehat. Gemeinsam mit dem Anglisten Ulrich Broich war er für den Literaturworkshop des Münchner Graduiertenkollegs Post-colonial studies verantwortlich. Als Gastprofessor war er u. a. an Universitäten in Buenos Aires (Argentinien), Porto Alegre (Brasilien), Querétaro (Mexiko), Concepción (Chile) und regelmäßig an den Universitäten Salzburg, Innsbruck und Wien tätig.

Im Rahmen des Forschungsprogramms „Grenzenloses Österreich“ leitete er 1994–96 das Forschungsprojekt „Literarische KaffeehäuserKaffeehausliteraten“.

Zwischen 1997 und 2001 hat Rössner die Gesammelten Werke von Luigi Pirandello in deutscher Sprache (16 Bände) herausgegeben, wofür er auf die vorhandenen Übersetzungen zurückgriff und die noch nicht übersetzten Werke Pirandellos ins Deutsche übertrug. Diese Gesamtausgabe schließt mit einer von Rössner verfassten Pirandello-Biographie ab. Er ist Vorsitzender des Europäischen Pirandello-Zentrums. Für seine Verdienste um die italienische Kultur wurde er 2003 mit dem zweithöchsten italienischen Staatsorden „Grand’Ufficiale al Merito della Repubblica Italiana“ sowie 2005 mit dem „Grand’Ufficiale della Stella della Solidarietà Italiana“, der höchsten Auszeichnung Italiens für ausländische Staatsbürger, geehrt.

Von dem von ihm herausgegebenen Standardwerk Lateinamerikanische Literaturgeschichte sind bisher drei Auflagen im Verlag Metzler, Stuttgart, erschienen.

Seit 2001 ist Michael Rössner korrespondierendes Mitglied, seit 2009 wirkliches Mitglied der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Seit 2009 steht er dem Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der ÖAW als Direktor vor.

Forschungsschwerpunkte

Von seinem Lehrer Hans Hinterhäuser bekam Rössner einen kritischen Methodenpluralismus vermittelt. Die Konstanzer Schule der Rezeptionsästhetik, deren Grundsätze auch auf Juan Ruiz Arcipreste de Hita (14. Jahrhundert) fußen, wurde in der Folge richtungsweisend. Rössner zählt zu den ersten, die in ihren literatur- und kulturwissenschaftlichen Forschungen in Europa den „anthropological turn“ vollzogen haben. Schon in einem Sammelband zu Tango Argentino und Literatur und dem großen Kaffeehaus-Projekt zeichnet sich sein Forschungsinteresse für die peripheren Orte der kulturellen Produktion, für lebendige Kultur abseits des Zentrums ab. Der Vergleich von 18 Kaffeehaus-Städten in Europa und Lateinamerika weist das Kaffeehaus als hybriden Ort par excellence aus, es ist sowohl Ort der literarischen Produktion wie Literaturbörse, als auch Raum der privilegierten Rezeption.

„Ränder und Zentren“ heißt ein zur Zeit (2009) von Michael Rössner vorbereitetes europäisches Forschungsprojekt, das Ansätze der Post-colonial studies aufnimmt und mit Erkenntnissen des „translational turn“ verbindet. Dem Konzept der Übersetzung wird dabei Rechnung getragen, da dieser zentrale Vorgang jeder Kultur verstärkt auch EU-intern diskutiert werden soll. Dabei werden ebenso Fragen der Globalisierung der Kultur/en behandelt werden.

Inhaltlich hat sich Michael Rössner überdies mit der Renaissance- und Barockliteratur und der Literatur der Avantgarde und des frühen 20. Jahrhunderts befasst. Er hat auch über die Komödie, über bukolische Dichtung und lateinamerikanische Textmusik (v. a. den argentinischen Tango) gearbeitet. Sein theoretisch-methodisches Interesse gilt poststrukturalen Ansätzen und hier besonders den Post-colonial studies und Translationsstudien. Seine Forschungen wollen nicht zu einem steril werdenden Selbstgespräch der Theorie beitragen. Mit seiner Arbeit will er zu den Texten hinführen, Instrumente für das Lesevergnügen entwickeln und „plaisir du texte“ vermitteln.

Wissenswertes

Während seines Studiums nahm Rössner bei der legendären Schauspielerin und Widerstandskämpferin Dorothea Neff (Theater in der Josefstadt, Wien) Schauspielunterricht. 1981 erschien sein Roman Gefangenschaft oder Freiheit der Negation der Freiheit, angeregt durch die Entführung des italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moro. Bei einem Studienaufenthalt in Buenos Aires lernte er den argentinischen Schriftsteller Jorge Luis Borges kennen, mit dem er bis zu dessen Tod im Jahr 1986 befreundet war.

Publikationen (Auswahl)

als Autor
als Herausgeber
  • „iBailá! iVení! iVolá!”. El fenómeno tanguero y la literatura (Actas del Simposio „Tango literatura“ de Berlin). Vervuert Verlag, Frankfurt/M. 2000, ISBN 978-3-89354-579-7.
  • Lateinamerikanische Literaturgeschichte. 3. Aufl. Metzler, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-476-02224-0.
  • Literarische Kaffeehäuser. Kaffeehausliteraten. Zur Produktion und Rezeption von Literatur im Kaffeehaus in Europa und Lateinamerika zwischen 1890 und 1950. Böhlau, Köln 1999, ISBN 978-3-205-98630-0.
  • Pirandello e l'identità europea, Pesaro 2008. Editio Metauro, Pesaro 2008, ISBN 978-88-6156-041-3 (zusammen mit Fausto de Michele).
  • Theatralisierung der Wirklichkeit und Wirklichkeit des Theaters. Akten des 3. Pirandello-Symposiums in Wien 1986, Aachen 1988. Romanistischer Verlag, Bonn 1988, ISBN 3-924888-34-5 (zusammen mit Frank-Rutger Hausmann).
  • Zentrum und Peripherie. Pirandello zwischen Sizilien, Italien und Europa / Centro e periferia. Pirandello tra Sicilia, Italia ed Europa. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2006, ISBN 978-3-503-07979-7 (zusammen mit Thomas Klinkert).

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Ricardo Palma — Ricardo Palma, eigentlich Manuel Ricardo Palma, (* 7. Februar 1833 in Lima, Peru; † 6. Oktober 1919 ebenda)[1] war peruanischer Schriftsteller und Poet, sowie „Schöpfer einer neuen literarischen Gattung“[2] namens Tradición. Palma es el… …   Deutsch Wikipedia

  • Alonso de Ercilla — y Zúñiga (1533 1594) Alonso de Ercilla y Zúñiga (* 7. August 1533 in Madrid; † 29. November 1594 ebenda) war ein spanischer Edelmann, Soldat und Schriftsteller und gehört zu den herausragenden Vertretern der spanischen Literatur des …   Deutsch Wikipedia

  • Alonso de Ercilla y Zúñiga — (1533 1594) Alonso de Ercilla y Zúñiga (* 7. August 1533 in Madrid; † 29. November 1594 ebenda) war ein spanischer Edelmann, Soldat und Schriftsteller und gehört zu den herausragenden Vertretern der spani …   Deutsch Wikipedia

  • Rößner — oder Rössner ist der Familienname folgender Personen: Bernhard Rößner, von 1952 bis 1957 erster Bürgermeister der Gemeinde Gröbenzell Bernhard Rössner (* 1946), deutsches Mitglied der RAF Dieter Rössner (* 1945), deutscher Rechtswissenschaftler… …   Deutsch Wikipedia

  • Abraham Valdelomar — Abraham Valdelomar. Abraham Valdelomar (* 27. April 1888 in Ica, Peru; † 1919 in Ayacucho) war ein peruanischer Schriftsteller und Journalist. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Abraham Valdelomar Pinto — Abraham Valdelomar. Abraham Valdelomar (* 27. April 1888 in Ica, Peru; † 1919 in Ayacucho) war ein peruanischer Schriftsteller und Journalist. Inhaltsverzeichnis 1 …   Deutsch Wikipedia

  • Valdelomar — Abraham Valdelomar. Abraham Valdelomar (* 27. April 1888 in Ica, Peru; † 1919 in Ayacucho) war ein peruanischer Schriftsteller und Journalist. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Caupolican — Dieser Artikel oder Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (Literatur, Webseiten oder Einzelnachweisen) versehen. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst gelöscht. Hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und… …   Deutsch Wikipedia

  • Caupolicán — (Mapudungun Kallfülikan „blauer Feuerstein“, * in Pilmaiquén; † 1558 in Cañete) war ein Kriegshäuptling der Mapuche im Arauco Krieg, die sich hartnäckig der spanischen Conquista im Süden Chiles widersetzten. Seit seiner Jugend kämpfte Caupolicán… …   Deutsch Wikipedia

  • 28. August — Der 28. August ist der 240. Tag des Gregorianischen Kalenders (der 241. in Schaltjahren), somit bleiben noch 125 Tage bis zum Jahresende. Historische Jahrestage Juli · August · September 1 2 …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”