Neuausrichtung der Bundeswehr

Neuausrichtung der Bundeswehr

Die Neuausrichtung der Bundeswehr ist die umfassendste Reform der Bundeswehr seit ihrem Bestehen. Sie umfasst nahezu alle Bereiche der Bundeswehr.

Inhaltsverzeichnis

Eckpunkte

Die Eckpunkte der Reform sind:

Geschichte

Anfang 2010 gab der damalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg eine Defizitanalyse zur Erkennung von Stärken und Schwächen der aktuellen Bundeswehrsituation in Auftrag. Am 12. April wurde dazu eine Strukturkommission unter der Leitung des Chefs der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, eingesetzt. Deren Empfehlung sollte eine umfassende Umstrukturierung der Bundeswehr vorbereiten, mit dem Ziel, die Verteidigungsressourcen Deutschlands den aktuellen und künftigen sicherheitspolitischen Herausforderungen anzupassen.[1] Einige Tage vor einer Spar-Klausurtagung am 6. und 7. Juni 2010 hatte Herr zu Guttenberg vorgeschlagen, die Wehrpflicht „auszusetzen“. Auf dieser Tagung stimmte er seine zuvor ministeriums- und bundeswehr-intern diskutierten Pläne mit dem übrigen Kabinett und der Bundeskanzlerin ab. Merkel zeigte sich zunächst zögerlich.[2] Am 23. August stellte zu Guttenberg der Regierungskoalition fünf verschiedene Modelle zur künftigen Struktur der Streitkräfte vor. In allen Modellen wurde von 150.000 bis 180.000 Zeit- und Berufssoldaten ausgegangen. In einigen Modellen wurde die Aussetzung der Wehrpflicht geplant, während andere von 25.000 Grundwehrdienstleistenden und 25.000 freiwilligen zusätzlichen Wehrdienstleisten ausgingen. Auch Varianten mit 30.000 Grundwehrdienstleistenden oder generell freiwillig Wehrdienenden waren darunter.

Einen auf sein Betreiben gestellter Antrag des CSU-Vorstandes auf Aussetzung der Wehrpflicht nahmen auf dem CSU-Parteitag am 29. Oktober 2010 die Delegierten mit großer Mehrheit an.[3] Auch der CDU-Parteitag stimmte dem am 15. November 2010 mit großer Mehrheit zu, nachdem zu Guttenberg in einer Rede für seine Bundeswehrreform geworben hatte. Im Grundgesetz blieb die Wehrpflicht verankert. Von der FDP war die Aussetzung bzw. Abschaffung der Wehrpflicht seit vielen Jahren immer wieder verlangt worden. CDU und CSU schlossen sich mit ihrer Entscheidung also einer Forderung ihres Koalitionspartners an. Am 15. Dezember 2010 wurde durch das Bundeskabinett eine Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 beschlossen. Diesem Beschluss zufolge sollte bereits ab dem 1. März 2011 niemand mehr gegen seinen Willen einberufen werden. Der 3. Januar 2011 war der letzte Einberufungstermin im Sinne der alten Wehrpflichtigkeit.[4][5]

Im März 2011 wurde Thomas de Maizière zum Bundesminister der Verteidigung ernannt, nachdem zu Guttenberg aufgrund der Plagiatsaffäre seinen Rücktritt erklärt hatte. De Maizìere setzte die Reformbemühungen seines Vorgängers fort, wobei stritt ist, inwiefern er "ein bestelltes Haus" übernahm.[6]. Er legte wert darauf, dass Streitkräftestruktur und -umfang nicht "aus der Luft gegriffen" seien, sondern dass zuerst die Auftrag der Bundeswehr und darauf aufbauend die dafür benötigten Fähigkeiten klar definiert werden müsse. Daher wurden am 18. Mai 2011 die Verteidigungspolitischen Richtlinien 2011 erlassen. Am 27. Mai 2011 folgten die Eckpunkte für die Neuausrichtung der Bundeswehr.[7] Das unter der Federführung des Bundesministeriums der Verteidigung erstellte Weißbuch 2006, welches die Gründzuge der deutschen Sicherheitspolitik ressortübergreifend beschreibt, ist weitere Grundlage der Neuausrichtung.

Arbeitsstab Strukturreform und Projektgruppen

Zur Neuausrichtung der Bundeswehr wurden am 10. Juni 2011 elf Einzelprojekte definiert. Am 1. Juli 2011 wurde ein Arbeitsstab Strukturreform (ASR) bei Staatssekretär Stéphane Beemelmans eingerichet. Er wird von Brigadegeneral Richard Schnelleis geleitet, der diese Aufgabe von Vizeadmiral Manfred Nielson übernommen hat.

Am 20. September 2011 wurde ein Informationspaket zum Sachstand von fünf Projektgruppen veröffentlicht.[8]

Projekt Neuordnung Streitkräfte

Der Streitkräfteumfang wurde auf maximal 185.000 Soldaten festgesetzt. Dieses sind im Einzelnen 170.000 Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten, 5.000 freiwillig Wehrdienstleistende (FWD fix), 7.500 weitere freiwillig Wehrdienstleistende (FWD flex) sowie 2.500 Reservisten.

Der Umfang der Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche im Einzelnen:

  • Heer: 57.570 Soldaten (inkl. 2.250 FWD fix, zzgl. max. 3.750 FWD flex)
  • Luftwaffe: 22.550 Soldaten (inkl. 500 FWD fix, zzgl. max. 450 FWD flex)
  • Marine: 13.050 Soldaten (inkl. 500 FWD fix, zzgl. max. 800 FWD flex)
  • Streitkräftebasis: 36.750 Soldaten (inkl. 1.250 FWD fix, zzgl. max. 200 FWD flex)
  • Sanitätsdienst: 14.620 Soldaten (inkl. 500 FWD fix, zzgl. max. 500 FWD flex)
  • in Ausbildung oder in anderen Orgbereichen: 30.460 Soldaten

Der Umfang der zivilen Dienstposten in den Streitkräften (also nicht in der Bundeswehrverwaltung) beläuft sich auf 18.700.

Projekt Personalmanagement, Nachwuchsgewinnung

Zur Nachwuchsgewinnung soll es künftig 16 Karriereberatungszentren geben, von denen die Hälfte über die Fähigkeit zur Eignungsfeststellung verfügen soll. Zudem sollen 110 über ganz Deutschland verteilte Karriereberatungsbüros mit je sechs Dienstposten sowie 200 mobile Büros eingerichtet werden.

Die Personalführung der Unteroffiziere (bislang Stammdienststelle der Bundeswehr sowie der Offiziere (bis Oberst A16) (bislang Personalamt der Bundeswehr) sowie der Bundeswehrverwaltung (weitgehend dezentral) werden im neuen Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr in Köln zusammengelegt. Das Personal in B-Besoldung wird direkt im Ministerium geführt. Die Universitäten der Bundeswehr (bislang Streitkräfteamt) werden der Abteilung Personal im BMVg unterstellt. Es wird geprüft, ob der Bereich Personalabrechnung in den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Inneren ausgelagert werden kann.

Projekt Rüstung, Nutzung, IT

Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung sowie das IT-Amt der Bundeswehr werden zum neuen Bundesamt für Ausrüstung und Nutzung zusammengelegt. Dadurch erhofft man sich Synergieeffekte. Ihm werden die Wehrtechnischen Dienststellen unterstellt.

Projekt Infrastruktur und Dienstleistungen

Es wird ein neuer Organisationsbereich Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen (IUD) geschaffen mit bis zu 20.580 zivilen und 830 militärischen Dienstposten. Dieser wird vom Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr geführt. Ihm unterstellt sind unter anderem die Bundeswehr-Dienstleistungszentren, die Bundeswehrfeuerwehren auf den Fliegerhorsten, den Truppenübungsplätzen und in den Munitionsdepots und die neuen Kompetenzzentren Baumanagement (hervorgegangen aus den Infrastrukturstäben).

Projekt Bildungs- und Qualifizierungslandschaft

Ein Bildungszentrum der Bundeswehr (BiZBw) wird aufgestellt. Dieses soll die Laufbahndurchlässigkeit und die Wiedereingliederungsmöglichkeiten von Solaten auf Zeit ins Zivilleben erleichtern. Ihm werden die Bundeswehrfachschulen unterstellt sowie die Auslandschulen fachlich.

Stationierungskonzept 2011

Am 26. Oktober 2011 gab der Bundesminister der Verteidigung das Stationierungskonzept 2011 bekannt.

Siehe: Stationierungskonzept 2011

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bericht der Wehrstrukturkommision Oktober 2010
  2. heute.de 2. Juni 2010:
  3. Spiegel Online: CSU stimmt für Aussetzung der Wehrpflicht, vom 29. Oktober 2010
  4. „Bundesregierung legt Eckpunkte der Neugestaltung der Bundeswehr fest“, Bundesministerium für Verteidigung vom 15. Dezember 2010
  5. Bericht der Wehrstrukturkommision Oktober 2010
  6. Focus: Guttenberg hinterließ nur Chaos
  7. BMVg: Eckpunkte für die Neuausrichtung der Bundeswehr (27. Mai 2011)
  8. BMVg: Sachstand Neuausrichtung September 2011

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