Outdoor Training

Outdoor Training

Als Outdoor Training werden innerhalb der Betriebswirtschaft, Soziologie, Pädagogik und Psychologie geleitete Trainings in der freien Natur auf der Basis von Handlungsorientierung und Erlebnispädagogik bezeichnet. Wie bei jeder Form des Trainings von nichtfachlichen Kompetenzen (soft skills) hat auch das Outdoor Training zum Ziel, eine Verhaltensmodifikation bei den Teilnehmern zu erreichen sowie eine Einübung und stabile Internalisierung der neuen Verhaltensweisen.

Inhaltsverzeichnis

Wirksamkeit

Bei Outdoor Trainings stehen weniger das Lernen von den Teilnehmern bislang fremden Kompetenzen und unbekannten Verhaltensweisen im Vordergrund. Vielmehr bietet die Natur den Anlass und Freiräume, um das Aufdecken und die Entwicklung bereits bestehender Kompetenzen zu fördern. Die Aufgaben und Erlebnisse in einem Outdoor Training müssen Situationen des Alltags ähneln. Durch das Handeln und Erleben werden erfolgreiche Verhaltensweisen tief in der Persönlichkeit der Teilnehmer verankert und gefestigt.

Anwendungsbereiche

Outdoor Trainings kommen vor allem in den folgenden Feldern der Kompetenz- und Verhaltensentwicklung zur Anwendung:

Formen von Outdoor Trainings

Outdoor Trainings können anhand der beiden Kriterien Zivilisationsdistanz und Naturinduzierung in drei Gruppen unterschieden werden: Residentials, Expeditionen und Survivals. Sie unterscheiden sich zudem durch die übergeordnete Aufgabe, die den Sinnzusammenhang der Einzelaufgaben herstellt.

Residential

Residentials finden zivilisationsnah und zumeist in unmittelbarer Umgebung eines Seminarhotels statt. Als Outdoor Module werden Spiele und Aufgaben bezeichnet, die unter Verwendung einfache Materialien ortsunabhängig durchgeführt werden. Zumeist sind die erforderlichen Geräte jedoch fest installiert und in Form eines über mehrere Stationen führenden Parcours angeordnet. Die häufigsten Residential-Parcours sind Seilgärten: Hochseilgärten und Niedrigseilgärten. Die Gruppe geht dabei von einer Station zur anderen und erhält dort Aufgabenstellung und Instruktionen von dem Outdoor Trainer. Da die Aufgabenstellungen von Menschen erdacht werden und unnatürlich und konstruiert wirken könnten, wird den Teilnehmern häufig eine Fantasiegeschichte als übergeordnete Aufgabe dargeboten. Hiermit wird dem Parcours selbst und den Einzelaufgaben an den Stationen ein Sinnzusammenhang verliehen. Aufgrund ihrer Vorteile (hohe Akzeptanz durch Übernachtung und Essen im Hotel, fester Ablauf und Agenda, Möglichkeit zum Wechsel zwischen Indoor Learning und Outdoor Training) sind Residentials die beliebteste Form der Outdoor Trainings.

Expedition

Expeditionen als Entwicklungstrainings sind zivilisationsfern. Als übergeordnete Aufgabe kann die Bewältigung eine Strecke von einem Ausgangspunkt zu einem Ziel fungieren. Viele der Einzel- und Gruppenaufgaben werden nicht vom Outdoor Trainer konstruiert, sondern ergeben sich durch die alltäglichen Notwendigkeiten in der Wildnis, dienen aber dazu die Teilnehmer als Person und ihre Interaktion innerhalb der Gruppe zu manifestieren. Dazu gehören etwa die Überquerung eines Gewässers mit einer selbst gebauten Seilbrücke oder Floß, die Bestimmung des geeigneten Weges zum Ziel oder das Verhalten mit Wetterumschwüngen, vornehmlich aber der Umgang miteinander und das Verhalten innerhalb der Gruppe. Meist dauern Outdoor Training Expeditionen drei Tage bis zu einer oder zwei Wochen. Beliebte Gegenden für Outdoor Training sind zivilisationsnähere Gebiete mit geringer Besiedlungsdichte wie Skandinavien, der Norden Schottlands oder die Alpen. Die Teilnehmer übernachten in Zelten oder Hütten.[6] Diese Form der Erlebnispädagogik gründet sich auf dem Konzept von Kurt Hahn, deren Wirksamkeit auch von der Erlebnisqualität der Aktionen abhängt. Hahn setzte in Gordonstoun Expeditionen ab 1941 als Bildungsform ein.[7]

Survival

Survivals sehen das Überleben an einem zivilisationsfernen Ort als übergeordnete Aufgabe vor. Zumeist dürfen die Teilnehmer nur wenige bis keine Hilfsmittel oder Proviant mitnehmen. Der Trainer stellt auch hier keine Aufgaben, diese entstehen durch die Situation und durch Natureinwirkung. Beispiele für zu bewältigende Einzelaufgaben sind die Nahrungsbeschaffung, die Trinkwassergewinnung, der Schutz vor Regen und Kälte oder die Errichtung eines Biwak mit Mitteln der Natur. Survivaltrainings werden meist als zivilisationsnahe Trainings durchgeführt und stellen nur eine andere Form des Hochseilgartens dar. Das dabei vermittelte Wissen über essbare Pflanzen, Techniken des Feuermachens oder des Knotens von Seilen dient nur als Medium. Vielfach werden diese Kurztrainings auch als Insentiv durchgeführt.

Anforderungen an Outdoor Trainer

Expeditionen als die höchstgradigste Form eines Outdoor Trainings, stellen durch die extremen Umwelteinflüsse hohe Anforderungen an die Trainer bezüglich Planung der Aufgaben, um Einfluss auf realisierbare Lernziele zu nehmen und stellen damit hohe Anforderungen an dessen geistige Flexibilität und Gespür für transferfähige Situationen. Er begleitet die Gruppe bei der Bewältigung der Aufgaben und hat durch Nutzung von Metaphern und gezielte, fragengestützte Reflexion für den Transfer der hierbei als erfolgreich erkannten Verhaltens- und Bewältigungsstrategien zu sorgen.[8] Zudem ist ein outdoor-fachlich hohes Wissen und Können erforderlich. Aus diesem Grund werden diese stark naturbeeinflussten Outdoor Trainings häufig von Trainergespannen durchgeführt: Der Schwerpunkt des einen Trainers liegt auf der sachlichen Fachkompetenz als Outdoortrainer. Der andere verfügt über die erforderliche Methodenkompetenz in der Begleitung von persönlichen und Teamentwicklungsprozessen.

Geschichte

Für die Entwicklung der Outdoor Trainings sowohl mit Kindern und Jugendlichen als auch mit verhaltensauffälligen jungen Menschen spielte Kurt Hahn als Mitbegründer der Erlebnispädagogik und Erlebnistherapie in den 1940er Jahren eine bedeutsame Rolle.[9] Das Prinzip aus den Salemer Gesetzen, den Kindern Gelegenheit zu geben, ihre individuellen Leidenschaften und Talente selbst zu entdecken, ist bis heute ein wichtiger Grundsatz aller Outdoor Trainings.[10]

Das Konzept des Handlungsorientierten Lernens geht auf den Briten Reginald Revans (action learning) zurück. Dabei arbeiten die Teilnehmer gemeinsam an einem konkreten Projekt, erproben Lösungen und reflektieren gleichzeitig über den eigenen Lern- und Entwicklungsprozess. Dieses Konzept verbreitete sich in den 1960er Jahren von Großbritannien auf den europäischen Kontinent.

Das Konzept der Outdoor Trainings im Bereich der betrieblichen Führungskräfte- und Personalentwicklung wurde von dem Deutschen Gunther Wolf Anfang der 1980er Jahre in den Niederlanden entwickelt. In seinem in den Vereinigten Staaten erschienenen Buch stellte er jedem herkömmlichen Training ein Outdoor Konzept als Pendant gegenüber.[11] Der deutsche Ableger des von ihm zunächst in den Niederlanden und der Schweiz gegründete 1. European Outdoor Training Center mit Schwerpunkt auf Expeditionen und Outdoor Modulen existiert noch heute.

Mitte der 1990er Jahre sorgten vor allem der Unternehmensberater Mario Kölblinger und der ehemalige Zehnkämpfer Kurt Bendlin, der von 1979 bis 1990 in der Aus- und Weiterbildung bei der Nixdorf Computer tätig war[12], mit öffentlichkeitswirksamen Managertrainings [13] für den steigenden Bekanntheitsgrad der Outdoor Trainings in Deutschland. Die Drägerwerke machten Outdoor Trainings in Form von Expeditionen in Skandinavien für alle Mitarbeiter des Unternehmens verpflichtend. Durch amerikanische Mutterkonzerne wurden vor allem Hochseilgarten-Trainings nachgefragt, was zu einem regelrechten Boom dieser Seilparcours führte. So benutzte in 1999 die damalige Citibank Deutschland ein Outdoor Training um alle Führungskräfte und Potentialführungskräfte der AG durch amerikanische Trainer einschätzen zu lassen und sich eine Überblick für die Führungskräftesituation des Unternehmens zu verschaffen.

Neuere Entwicklung und Zukunftsaussichten

In der von den Vorkommnissen des 11. September ausgelösten Wirtschaftskrise ab 2001 sank die Nachfrage nach Maßnahmen der Führungskräfte- und Personalentwicklung und die nach Outdoor Trainings rapide.[14] Viele Parcours und Hochseilgärten verwaisten, wurden abgerissen oder für eher auf sportliche Ertüchtigung abzielende Einzelteilnehmer geöffnet.

Die heutige Situation ist durch starke Differenzierung geprägt. In der Jugendarbeit, in der betrieblichen Ausbildung und im Bereich des Talentmanagements haben Outdoor Trainings mittlerweile einen festen Platz. Management Trainings werden zunehmend nicht mehr in Seilgärten[15], sondern in Form von Expeditionen durchgeführt. Das nachlassende Wachstum der Absatzmärkte führt zu einer steigenden Nachfrage nach Outdoor Incentives mit dem Ziel der Kundenbindung.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Michael Großer: Outdoor für Indoors: Mit harten Methoden zu weichen Zielen. 2. Auflage. ZIEL Verlag,, Augsburg 2003, ISBN 3-934214-90-8.
  2. Stefan König, Andrea König: Outdoor-Teamtrainings. Von der Gruppe zum Hochleistungsteam. 2. Auflage. ZIEL Verlag, Augsburg 2003, ISBN 3-937210-10-5.
  3. Dietrich Buchner (Hrsg.): Outdoor - Training. Wie Manager und Teams über Grenzen gehen. Gabler Verlag, Wiesbaden 1996, ISBN 3-409-18888-6.
  4. Günter Amesberger: Persönlichkeitsentwicklung durch Outdoor-Aktivitäten? Untersuchungen zur Persönlichkeitsentwicklung und Realitätsbewältigung bei sozial Benachteiligten. Afra Verlag, Frankfurt a. M. 1994, ISBN 3-923217-57-9.
  5. Monika Flückiger-Schüepp: Die Wildnis in mir. Mit Drogenabhängigen in den Wäldern Kanadas. Dr. Sandmann-Verlag, Alling 1998, ISBN 3-934214-28-2.
  6. für Outdoor Training als Auswahlkriterium siehe auch Gedächtnisexpedition 100 jähriger Südpolwettlauf Roald Amundsen und Robert Scott mit einer geplanten 400 km Teilstrecke der damaligen Expedition Lanz / Kelly Dezember 2010 finanziert durch das ZDF Wettlauf zum Südpol Lanz/Kelly 2010
  7. http://giss.org.uk/index.php?page=adventure
  8. Alex Ferstl, Peter Schettgen, Martin Scholz (Hrsg.): Der Nutzen des Nachklangs. Neue Wege der Transfersicherung bei handlungs- und erfahrungsorientierten Lernprojekten. Ziel Verlag, Augsburg 2004, ISBN 3-937210-13-X.
  9. Torsten Fischer, Jörg Ziegenspeck: Handbuch Erlebnispädagogik. Von den Ursprüngen bis zur Gegenwart. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2000, ISBN 3-7815-0998-2.
  10. Michael Lausberg: Kinder sollen sich selbst entdecken. Die Erlebnispädagogik Kurt Hahns. Tectum-Verlag, Marburg 2007, ISBN 978-3-8288-9204-0.
  11. Gunther Wolf: Indoor Outdoor Management Development. Boulder, Colorado, USA 1981.
  12. Kurt Bendlin: Fitness für Manager. Die sanfte Methode zu Ausdauer, Gesundheit und mentaler Frische. ECON, Düsseldorf 1986, ISBN 3-612-21084-X.
  13. Mario Kölblinger: Outdoor Seminare: Blut, Schweiß und Training. ManagerSeminare Nr. 20, Juli 1995.
  14. Tobias Wiethoff: Manager-Bespaßung: Zwischen Seiltanz und Kindergeburtstag. In: Der Spiegel. 8. November 2002.
  15. Mario Kölblinger: Die überschätzte Wirkung von Hochseilgärten im Management-Training. In: Schad, Niko; Michl, Werner (Hrsg.): Outdoor-Training. Personal- und Organisationsentwicklung zwischen Flipchart und Bergseil. 2. Auflage. Ernst Reinhardt Verlag, München 2004, ISBN 3-497-01689-6.

Literatur

  • Dietrich Buchner (Hrsg.): Outdoor - Training. Wie Manager und Teams über Grenzen gehen. Gabler Verlag, Wiesbaden 2000, ISBN 3-409-18888-6.
  • Sabine Häcker: Event-Marketing und Erlebnispädagogik. VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2006, ISBN 3-86550-916-9.
  • Michael Großer: Outdoor für Indoors: Mit harten Methoden zu weichen Zielen. 2. überarb. Auflage, 2003, ISBN 978-3934214903.
  • Bernd Heckmair: 20 erlebnisorientierte Lernprojekte. Szenarien für Trainings, Seminare und Workshops. 3. Auflage. Beltz Verlag, Weinheim/Basel 2008, ISBN 978-3-407-36456-2.
  • Anja Heineking: Outdoor Training. Konsequenzen, Stellenwert und Bedeutung für die Personalarbeit. Dissertation, GBI Verlag, Berlin 1995.
  • Hans-Peter Hufenus: Handbuch für Outdoor Guides: Theorie und Praxis der Outdoorleitung. 3. überarbeitete Auflage. Ziel Verlag, 2009. ISBN 978-3-940562-32-6.
  • Uwe Markus: Das Grenzwertprinzip: Leistungsorientiertes Outdoor-Training für Führungskräfte. 1. Auflage. Weißensee Verlag, 2007. ISBN 978-3-89998-121-6.
  • Wolfgang Philipp Müller: Outdoor Training für Fach- und Führungskräfte. VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2002, ISBN 3-8311-3589-4.
  • Wolfgang Philipp Müller:Theorie des Outdoor Training: Im Zusammenwirken von Betriebswirtschaft, Pädagogik und Psychologie. VDM Verlag Dr. Müller, 2010, ISBN 978-3-639-31523-3.
  • Hans-Georg Renner, Jochen Strassmann (Hrsg.): Das Outdoor-Seminar in der betrieblichen Praxis. Windmühle, Hamburg 2003, ISBN 3-922789-86-2.
  • Niko Schad, Werner Michl: Outdoor-Training. Personal- und Organisationsentwicklung zwischen Flipchart und Bergseil. 2. Auflage. Reinhardt Verlag, München 2004, ISBN 3-497-01689-6. (erleben & lernen, Band 6)
  • Tom Senninger: Abenteuer leiten, in Abenteuern lernen. 5. Auflage. Ökotopia Verlag, Münster 2004, ISBN 3-931902-53-6.
  • Maria-Theresa Vogel: Outdoor Trainings im Vergleich. Erlebnispädagogische Maßnahmen in der Erwachsenenbildung. vdm Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2005, ISBN 3-86550-121-4.
  • Andrea Zuffelato, Astrid Habiba Kreszmeier: Theorie und Praxis der Erlebnispädagogik aus systemischer Perspektive. Ziel-Verlag, Augsburg 2005, ISBN 3-937210-97-0.

Weblinks


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