Stiftskirche St. Peter und Johannes der Täufer (Berchtesgaden)

Stiftskirche St. Peter und Johannes der Täufer (Berchtesgaden)
Stiftskirche Berchtesgaden vom Lockstein

Die Stiftskirche St. Peter und Johannes der Täufer ist als Teil des kurz zuvor begründeten Augustinerchorherrenstifts vermutlich 1122 in Berchtesgaden erbaut worden und seit 1803 Pfarrkirche der römisch-katholischen Pfarrei St. Andreas.

Inhaltsverzeichnis

Gebäude und Geschichte

Nach dem Historiker A. Helm ließ der erste Stiftspropst Eberwin im Auftrag von Berengar I. von Sulzbach das Münster in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts wahrscheinlich als Notbau errichten. Eine Inschrift verweist auf das Jahr 1122, in dem der Salzburger Erzbischof Konrad zumindest einen ersten Bauabschnitt weihte.[1][2] Dem folgten in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts ein massivere Bauausführung als dreischiffige romanische Pfeilerbasilika und vermutlich die ersten Türme, von denen es jedoch weder eine Beschreibung noch ein Abbildung gibt.[3] Mitte des 13. Jahrhunderts wurde die Kirche als Teil des Klosterstifts um den sehr gut erhaltenen und sehenswerten Kreuzgang, eine Vorhalle und zwei Türme erweitert.[4]

Stiftskirche mit zwei Turmstümpfen (1863)
Stiftskirche nach Abbruch der Turmstümpfe (1864)

Die gotische Überbauung in den folgenden Jahrhunderten setzte um die Wende des 13. ins 14. Jahrhundert mit Propst Johann Sax von Saxenau und der Gestaltung eines neuen Chors im frühgotischen Stil ein. Die nördliche Vorhalle wurde der Kirche 1474 unter Erasmus Pretschlaiffer angefügt.[3]

Propst Gregor Rainer veranlasste zu Anfang des 16. Jahrhunderts eine „große Renovierung“ sowie den Anbau einer „Custorey“ beziehungsweise Sakristei.[3] Die romanischen wie auch die gotischen Ausgestaltungen seiner Vorgänger Johann Sax von Saxenau, Bernhard II. Leoprechtinger und Erasmus Pretschlaiffer sind nur noch in geringem Maße erhalten. Es sind insbesondere die zahlreichen Umbauten im 19. Jahrhundert, die dem Kirchenbau seine heutige Gestalt geben.[4] Aus der ältesten Bauzeit stammt nur noch das einfache innere Portal im Stil der Romanik.[3]

Schäden erlitt die Kirche, als der von Propst Ulrich I. Wulp zur Unterstützung gerufene Bayernherzog Friedrich 1382 in Berchtesgaden einfiel und auch die Kirche plündern ließ, um Ulrichs Position im Schisma mit dem Gegen-Propst Sieghard Waller durchzusetzen.[3] Noch fataler war die Zerstörung der Türme durch Blitzeinschläge. Den Südturm traf es 1596, den seinerzeit ebenfalls in Mitleidenschaft gezogenen und im Renaissencestil alsbald auf 76 Meter Höhe wieder aufgebauten Nordturm 1819. Beide wurden erst 1864 bis 1866 im neoromanischen Stil mit jeweils 50,6 Meter Höhe neu errichtet.[4]

Im Zuge der Säkularisation und nach Aufhebung der aus dem Augustinerchorherrenstift hervorgegangenen Fürstpropstei Berchtesgaden löste die Stiftskirche im Jahr 1803 die 1397 von den Berchtesgadener Bürgern errichtete Kirche St. Andreas als Pfarrkirche ab.[4]

Der Stiftskirche angegliedert waren die Klostergebäude des Augustinerchorherrenstifts. Sie gingen zusammen mit dem zu Beginn des 13. Jahrhunderts erbauten und noch vollständig erhaltenen romanischen Kreuzgang samt Kreuzgarten[5] ab 1810 in den Besitz des Hauses Wittelsbach über. Dessen Angehörige nutzen die Gebäude noch heute als Königliches Schloss. Die Stiftskirche ist somit nach wie vor Teil eines in sich geschlossenen Gebäudeensembles, zu dem die Schlossgebäude, der seit dem 16. Jahrhundert gegenüberliegende, mit seinen Arkaden als Marstall dienende Hofbau sowie zwei Bogentore gehören (südlich das Schlosstor, nördlich der Kassierbogen, später Rentamtbogen).[6]

Innenausstattung

Aus-schnitt Chor-gestühl
Innenansicht mit Hochaltar
Innenansicht mit Orgel

Im Inneren der Stiftskirche hat sich lediglich das 1449 von Marquard Zehentner geschnitzte Chorgestühl als gotisches Inventar erhalten. Die Altäre stammen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, so auch der 1661 bis 1669 von Bartholomäus von Opstall im Auftrag des Wittelsbacher Administrators Maximilian Heinrich von Bayern geschaffene marmorne Hochaltar, der dem des Salzburger Doms ähnelt. Das Altarbild von 1665 (lt. A. Helm: 1669) mit der Darstellung der Aufnahme Mariens in den Himmel des späteren Wiener Hofmalers Johann Spillenberger (lt. A.Helm: des Malers Zott) ziert an den hohen Festtagen ein silbernes Antependium des Augsburgers Franz Thaddäus Lang aus dem Jahr 1735. Lang hat auch den Rokoko-Altaraufsatz mit Silbertabernakel geschaffen, der von den Kirchenpatronen Johannes der Täufer, dem Heiligen Petrus (links), dem Heiligen Augustinus und dem Heiligen Paulus (rechts) flankiert wird.[3][4]

Die beiden Seitenaltäre des Langhauses aus den Jahren 1657 und 1666 sind dem Heiligen Sebastian und dem Heiligen Augustinus als Ordenspatron der Chorherren geweiht.[3]

Der Hauptaltar zur Feier der Eucharistie wurde aus zwei bei der Renovierung von 1963 bis 1966 im Boden gefundenen Platten aus dem Jahr 1549 gefertigt. Die ins Kircheninnere weisende Platte zeigt Petrus, die zum Hochaltar gewandte die Ausgießung des Heiligen Geistes.[6]

Die Orgel fertigte 1869 Merz aus München.[3] Das Instrument wurde 1969 von Carl Schuster (München) neu erbaut. Es hat 31 Register auf drei Manualen und Pedal. Die Spiel- und Registertrakturen sind elektrisch.[7]

I Hauptwerk C–
Gedacktpommer 16'
Prinzipal 8'
Rohrflöte 8'
Oktave 4'
Koppelflöte 4'
Rauschpfeife II 22/3'
Octave 2'
Mixtur V-VI 2'
Trompete 8'
II Positiv C–
Holzgedackt 8'
Praestant 4'
Schwiegel 2'
Gemsquinte 11/3'
Zimbel III 1/3'
Schalmei 4'
III Brustwerk C–
Holzflöte 8'
Weidenpfeife 8'
Weitprinzipal 4'
Rohrgedackt 4'
Quinte 22/3'
Glöckleinton II 2'
Terz 4/5'
Scharf IV 1'
Oboe 8'
Tremulant
Pedal C–
Offenbaß 16'
Subbaß 16'
Octavbaß 8'
Pommer 8'
Choralflöte 4'
Hintersatz IV 22/3'
Bombarde 16'
  • Koppeln: Generalkoppel, II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
  • Spielhilfen: zwei freie Kombinationen und zwei freie Pedalkombinationen, jeweils mit Auslösern; tutti, Crescendowalze mit Abstellern, Zungenabsteller.

Bei der letzten Innenrenovierung von 1995 bis 1998 wurden „einige unglückliche Eingriffe“ der Umgestaltung in den Jahren 1963 bis 1966 rückgängig gemacht und auch die Seitenaltäre des Heiligen Stefanus und des Heiligen Johannes auf Patmos wieder aufgestellt. Die Darstellungen auf den von Johannes Zick geschaffenen Altarblättern aus dem Jahr 1742 bilden eine theologische Einheit mit dem Hochaltar.[3]

An und vor den Seitenwänden befinden sich mehrere Grabmäler Berchtesgadener Stifts- und Fürstpröpste, auf denen sie meist im Hochrelief und zum Teil lebensgroß in ihrem Ornat dargestellt sind. Am künstlerisch bedeutendsten ist der Grabstein an der linken Chorwand für Gregor Rainer († 1522), der ihn vermutlich porträtgenau unter einem spätgotischen Baldachin aus Astwerk zeigt. Auch der Grabstein für Wolfgang I. Lenberger († 1541) an der rechten Chorwand gegenüber ist aufwändig gestaltet. Beide wurden im Boden unmittelbar vor ihren Grabdenkmälern in eigenen Grüften bestattet.[8] Die vergleichsweise einfach gehaltene Grabstätte des ersten Stiftspropsts Eberwin befindet sich unter einer Bodenplatte vor dem Hauptaltar.[3]

Trivia

Der Legende nach ließ ein Gelübde der Irmgard von Sulzbach kurz vor ihrem Tod (1101), zum Dank für die Errettung ihres Mannes Gebhard II. von Sulzbach nach einem Jagdunfall bei dem Felsen, auf dem heute die Berchtesgadener Stiftskirche steht, zur Mitstifterin des Augustiner-Chorherrenstifts Berchtesgaden werden.

Literatur

  • Manfred Feulner: Berchtesgaden – Geschichte des Landes und seiner Bewohner. Verlag Berchtesgadener Anzeiger, Berchtesgaden 1986 ISBN 3-925647-00-7
  • A. Helm, Hellmut Schöner (Hrsg.): Berchtesgaden im Wandel der Zeit. Reprint von 1929. Verein für Heimatkunde d. Berchtesgadener Landes. Verlag Berchtesgadener Anzeiger sowie Karl M. Lipp Verlag, München 1973.
  • Hellmut Schöner (Hrsg.): Berchtesgaden im Wandel der Zeit – Ergänzungsband I. Verein für Heimatkunde d. Berchtesgadener Landes. Verlag Berchtesgadener Anzeiger sowie Karl M. Lipp Verlag, München 1982 ISBN 3-87490-528-4

Einzelnachweise

  1. Manfred Feulner: Berchtesgaden - Geschichte des Landes und seiner Bewohner. S. 18
  2. A. Helm: Berchtesgaden im Wandel der Zeit, Stichwort: Geschichte des Landes, S. 106 bis 111, S. 107-108.
  3. a b c d e f g h i j Hellmut Schöner (Hrsg.), A. Helm: Berchtesgaden im Wandel der Zeit. Stichwort: Stiftskirche S. 338 f.
  4. a b c d e stiftskirche-berchtesgaden.de Zur Stiftskirche: Homepage der römisch-katholischen Pfarrei St. Andreas in Berchtesgaden
  5. Hellmut Schöner: Berchtesgaden im Wandel der Zeit. Ergänzungsband I, 1982, zum Kreuzgang S. 185
  6. a b Hellmut Schöner: Berchtesgaden im Wandel der Zeit. Ergänzungsband I, 1982, zum Schloss S. 185, 309 f.
  7. Informationen zur Orgel der Stiftskirche
  8. stiftskirche-berchtesgaden.de Grabmäler in der Stiftskirche

Weblinks

 Commons: Stiftskirche St. Peter und Johannes der Täufer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
47.63365113.003757

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